Bernhard Peter
Takahashi (Präf. Okayama), Jugaku-in


Der Tempel Jugaku-in (Jukaku-in) liegt im Stadtteil Teramachi, ca. 750 m nordnordöstlich des Bahnhofs und  190 m südlich des Baches Koya-gawa (Adresse: 2188-1 Teramachi, Takahashi, Okayama 716-0019). Vom nördlich liegenden Kofuku-ji wird er durch einen ausgedehnten Friedhofsbereich getrennt. Nach Westen zur Straße und Eisenbahntrasse hin stützt eine gewaltige Mauer die Tempelterrasse ab. Der Zugang liegt an der Südwestecke, wo eine steile Treppe zum Tempeltor hinaufführt. Gleich links vom Tor steht im Norden der Glockenturm (Shoro). Geradeaus geht es nach Osten zur einstöckigen Haupthalle (Hondo), die dem Besucher offensteht. Die Halle ist weitgehend neu, integriert aber geschickt erhaltene historische Elemente. Der ganze mittlere Frontbereich besteht aus Schiebetüren, die sich zur davor liegenden Veranda öffnen; seitlich gibt es zwei glockenförmige Fenster. Linkerhand liegen auf dem Tempelgelände die privaten Bereiche der Mönche, zweistöckig wie ein Wohnhaus gebaut.

Die offen zugängliche Haupthalle ist in einen vorderen Teil mit Stuhlreihen auf Tatami-Matten und einen hinteren Teil mit drei Kompartimenten eingeteilt, und dazu gibt es noch linkerhand einen Seitenraum. Das zentrale Kultbild ist ein vergoldeter Buddha im Meditationssitz. Die Hände sind in den Schoß gelegt in einer Mudra-Geste, die "Mida jou-in" genannt wird. "Mida" ist die Verkürzung von Amida, und "jou-in" ist ebenfalls eine Abkürzung für "zenjou-in", den japanischen Ausdruck für die Geste tiefer Meditation. Diese Handgeste (symmetrisch Handflächen nach oben und übereinander gelegt, nur die beiden Zeigefinger nach oben abgewinkelt, und der Daumen schließt jeweils von oben den Kreis zum Zeigefinger, so daß zum Betrachter hin eine Art liegender Acht entsteht) ist typisch für sitzende Statuen von Amida Buddha, und sie kann auch beim großen Buddha von Kamakura in dieser Form beobachtet werden. Sie bedeutet tiefe Meditation und den Sieg der Erleuchtung über die Welt der Illusionen. Zwei kleinere Figuren flankieren Amida Buddha und bilden eine Amida-Triade. Im rechten Seitenabteil gibt es einen großen Stellschirm mit Kalligraphie, dazu mehrere Holzfische, und im Hintergrund gibt es vier weitere beachtenswerte Statuen, in der Mitte eine weitere Amida-Figur auf hohem Lotus-Sockel, ganz links ein Himmelskönig, dem seine Stangenwaffe abhanden gekommen ist und der auf einem Dämonen steht. Im linken Seitenabteil gibt es genauso einen mehrteiligen Kalligrahie-Stellschirm und mehrere Holzfische, im Hintergrund sind Ihai aufgebaut, Erinnerungstafeln für Verstorbene. Im linken Seitenraum gibt es einen weiteren Altar, auf dem unten das symmetrische Tempel-Wappen angebracht ist.

Besonders hervorhebenswert sind die insgesamt 6 Ramma oben in der Abtrennung zwischen vorderem und hinterem Heiligtum. Diese sechs durchbrochenen Schnitz-Paneele sind alt. Die beiden seitlichen Paare vor den Seiten-Kompartimenten sind größer und reichen tiefer herunter als die in der Vertikalen schmäleren beiden in der Mitte. Sie stellen jeweils einen Drachen in Wolken dar, der sich über die beiden zusammengehörigen Ramma erstreckt. Die beiden mittleren Ramma enthalten jeweils zwei Apsara in roten, blauen und grünen Wolken, also insgesamt vier, von denen zwei ein Musikinstrument spielen, die eine eine Querflöte (Ryuuteki), die andere eine Mundorgel (Shou) mit mehreren vertikalen Bambuspfeifen, beides Instrumente der höfischen Gagaku-Musik. Die beiden anderen halten nichts (mehr) in ihren Händen. Typisch für diese Apsara-Darstellungen ist, daß diese himmlischen weiblichen Wesen in ihren leichten, weit geschnittenen und entsprechend locker wehenden Kleidern horizontal fliegen, ihren Oberkörper aber in die Vertikale aufgerichtet haben. Sie haben Bänder um ihren Nacken und unter den Armen hindurchgeschlungen, die im Winde wehen und die Darstellung des Fliegens noch dynamisch unterstützen. Apsaras sind normalerweise für menschliche Augen unsichtbar. Sie fliegen mit Hilfe übermenschlicher Kräfte, deshalb brauchen sie auch keine Flügel. Im Japanischen werden Apsara (= Sanskrit) "Tennin" (ten = Himmel, nin = Mensch, Wesen) oder in fliegender Form "Hiten" genannt (hi = fliegen, ten = Himmel). Ein weiterer Ausdruck ist "Tennyo", himmlische Mädchen (ten = Himmel, nyo = onna = Frau, weiblich). Der Ausdruck "Gakuten" steht für himmlische Musikanten (vgl. ongaku = Musik, ten = Himmel). Apsaras sind Begleiterinnen der Buddhas, insbesondere von Amida Nyorai, und reiten als Himmelswesen typischerweise auf Wolken, sie musizieren oder tanzen. Andere Darstellungen wiederum geben des Apsaras Blumen in die Hände, denn durch das Streuen von Blumen preisen sie die Gottheiten. In wiederum anderen Fällen unterstützen sie die Verehrung durch Abbrennen von Räucherwerk. Apsaras selbst sind nicht Objekt der Verehrung, sie sind nur dienendes Beiwerk der Buddhas, denn durch ihren Dienst an den Buddhas schützen sie die Lehre. Zu den bedeutendsten Apsara-Darstellungen in Japan gehören die auf den Wänden des innersten Heiligtums im Byoudou-in in Uji zu sehenden, wo sie die Figur des Amida Buddha begleiten und darstellerisch als Bodhisattva behandelt werden. Zu den ältesten Darstellungen gehören die Wandmalereien im Kondou des Horyuu-ji bei Nara. Wandmalereien von Apsaras finden sich auch im Houkai-ji in Kyoto; sie stammen aus dem 13. - 14. Jh.


Photos

 

 

 
 
 

 


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@34.7950832,133.6193143,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@34.7950832,133.6193143,53m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Apsara, Artikel von Mark Schumacher:
https://www.onmarkproductions.com/html/karyoubinga.html
Apsara / Hiten in JAANUS:
https://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/h/hiten.htm - https://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/g/gakuten.htm
Darstellung von Amida Buddha, in: Bernhard Scheid: Religion in Japan, Projekt der Universität Wien:
https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Ikonographie/Amida#i_amida_heian


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