Bernhard
Peter
Shah-i
Sinda - eine Straße voller Mausoleen in Samarqand
sog.
Ulugh Sultan Begum-Mausoleum
Andere Namen: Mausoleum eines
Unbekannten II, Ulug Sultan Begum Mausoleum, im
"Pander" Nr. 12 im Grundriß
Erbauungszeit ca. 1385
Dieses Mausoleum ist die Überraschung überhaupt. Man kennt alte
Schwarzweiß-Aufnahmen vom Anfang des letzten Jahrhunderts, wo
ein verbretterter Torso von Fassade ohne Raum dahinter mühsam
aufrechterhalten wird, wo man zweimal hinschauen muß, um in dem
häßlichen Ensemble aus Brettern, Ziegelschutt, Wellblech und
Staub die wenigen erhaltenen Ornamentreste am stark beschädigten
Portal auszumachen. Und 2006? Ein vollständig aufgebautes
Mausoleum erwartet den Besucher mit aufwendig restaurierter
Fassade! Für Archäologen war die Tatsache aufregend, daß das
Grabmal nur eine Zweitnutzung des Geländes ist, es steht
nämlich auf einer großen Hofmedrese aus dem Jahre 1066 mit den
Dimensionen 45x 55 m, errichtet von Tamgatsch Bogra Khan
(Karakhaniden). Ältere Grundrisse zeigen hinter der Fassade noch
die Grundrisse dieser karakhanidischen Hofmedrese nichts
mehr im Gelände zu sehen, alles anders! Im Zuge einer kompletten
Restaurierung wurde das Gelände umgestaltet, eine neue
abschließende Mauer grenzt nach Norden zu die Nekropole von den
Gräberfeldern außen herum ab, und aus dem einst häßlichen
Entlein ist ein beeindruckendes Mausoleum geworden. Nur im
Rücken des Mausoleums erinnert noch eine gewinkelte niedrige
Mauer daran, daß die Baugeschichte dieses Fleckchens Erde
komplex ist. Aus sehr wenig Material wurde fast die komplette
Fassade neu erstellt. Nur beim Inneren der beiden Schriftfriese
war eine Ergänzung nicht möglich, einfaches Dunkelblau nimmt
die für Inschriften vorgesehene Fläche ein. Die Muqarnas der
Iwan-Nische sind ebenfalls zu 99% ergänzt und in schlichtem
Weiß gefaßt. Das Schriftband über der Tür wurde ohne
Arabeskenhintergrund ergänzt. Die Besonderheit des
Fassadenschmucks sind die Goldlinien und Goldblättchen, die die
Fliesen verzieren. Besonders wirkungsvoll ist das in den Feldern
der Seitenflächen der Iwan-Nische zu sehen: Dunkelblaues
sternförmiges Mosaik der Fliesen wird akzentuiert durch feinen
Goldauftrag. Die Verwendung von Goldlinien und
Sternchen aus drei schräg übereinandergelegten
dünnen Blattgoldstreifchen ist einzig in der gesamten
Gräberstadt. Die neu ergänzten Kacheln sind da sparsamer
ein kleiner goldfarbener Pinselstrich in jede der sechs
Richtungen muß genügen. Die Fassade ist teilplastisch
ein plastisch vortretender Rahmen aus geometrischen Einfassungen
enthält flache Füllungen mit Mustern. Es wird hier aber keine
formgeschnittene Mosaiktechnik angewandt, sondern die
Cuerda-seca-Technik, bei der rechteckige Kacheln mit dem gesamten
Farbmuster drauf produziert werden. Wer in diesem Mausoleum seine
letzte Ruhe fand, ist nicht bekannt. Innen ist das Grabmal
schlicht, einfach quadratisch mit fünf ebenso schlichten
Gräbern, auf denen ab und zu Gläubige kleine Münzen und
Scheine ablegen.
Hierzu eine kleine Anekdote: Ich hatte den Auftrag, für eine
gute Freundin in Deutschland Münzen für ihre Sammlung
mitzubringen, wie aus jedem Land, das ich bereise. Da in
Usbekistan der größte Schein, ein 1000-Sum-Schein, den
Gegenwert von ca. 67 Euro-Cent hat, begegnen einem als Touristen
kaum Münzen. Im Gegenteil, man hat in der Regel viel zu viele
Scheine. Beim Eintauschen am Flughafen wechselte ich drei Scheine
und bekam dafür weit über 600 - nicht Sum, sondern Scheine! Ich
ahnte schon Schlimmes, als mich die Kassiererin fragte, ob ich
eine "big bag" dabei hätte. Also: Wo bekomme ich nun
Münzen her? Hier am Grabmal sah ich auf dem Grab genau das
liegen, was ich brauchte: Verschiedenes Kleingeld. Also keimte
die Idee: Leicht aufrundend einwechseln und ich habe Münzen!
Blick ins Portemonnaie: Kleinster Schein darin - ein
1000-Sum-Schein. Mist, Wucher! Nun ja, ohne Münzen sich in
Deutschland blicken zu lassen ist schlimmer als einem Heiligen
gegenüber großzügig zu sein. Also 1000-Sum-Schein hingelegt
und Münzen eingesteckt. Einen Heiligen bescheißt man
schließlich nicht! Kurz darauf, als ich wie ein Süchtiger an
meiner Wasserflasche im Halbdunkel des Raumes hing, kam eine
fromme Pilgerin ans Grab und bemerkte mich nicht. Sie drehte und
wendete den hohen Schein und dachte angestrengt nach. Vielleicht
so: Wenn da ein Egoist 1000 Sum hingelegt hat, reißt er doch
doch alle Segenskraft an sich, so daß nichts mehr für die
anderen übrigbleibt. Oder so: Man muß einen Heiligen nicht
unbedingt mit der Nase auf die Inflation im Lande stoßen! Der
soll sich hübsch weiter mit Münzen und kleinen Scheinen
zufrieden geben! Jedenfalls war das Ergebnis ihrer Überlegungen,
daß sie ebenfalls wechselte - sie steckte den 1000-Sum-Schein
ein und legte dafür ein 10-Sum-Münzlein auf das weiße Grab...
So schnell lösen hier Heilige die kleinen Sorgen des Alltags!
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