Bernhard Peter
Die Proportionen der Moschee Kalon in Bukhara

Die Außenmaße der Kalon-Moschee sind mit 127 m x 78 m ca. ein Viertel kleiner als beim Vergleichsbau in Samarqand (167 m x 109m). In der Literatur findet sich der Hinweis, daß die Außenmaße dem goldenen Schnitt entsprächen. Mit 0.618 kommt der Wert dem Goldenen Schnitt sogar sehr nahe. Dies halte ich persönlich aber für eine europäische ego-zentrierte Sichtweise, denn der goldene Schnitt war nie eine islamische Proportion. Wir dürfen einem timuridischen Bauwerk nicht eine europäische Kunsttradition unterstellen. Außerdem sind die Außenmaße für einen potentiellen Betrachter vollkommen irrelevant, weil die Moschee in eine enge orientalische Altstadt eingebaut war, wo niemand sie von keinem Standpunkt aus mit hinreichendem Abstand ganz sehen konnte. Mir persönlich erscheint ein anderes Gestaltungsprinzip viel plausibler:

Islamische Bauwerke, Häuser wie Paläste und Moscheen, sind innenzentriert. Sie sind von ihrem Zentrum aus „lesbar“, nicht von außen. Der Innenhof – das Zentrum – mißt ca. 39 m x 78 m. Das ist 1 : 2, wobei die Verbindungslinie zwischen beiden Seiten-Iwanen die Fläche in genau zwei Quadrate teilt. Das Achsenkreuz zwischen allen vier Iwanen erzeugt Viertel-Höfe, die die gleichen Proportionen wie der ganze Hof haben.

Um dieses zentrale Gestaltungselement herum werden die Riwaq-Arkaden modular herumgeführt: 289 flache Kuppeln, die in der Dachlandschaft nur wie sanft schwingende Buckel in Erscheinung treten und nur von oben zu sehen sind, überspannen die weitläufigen Gebetshallen, sie werden von insgesamt 206 freistehenden Pfeilern, den den Hof umgebenden Arkaden und Vorlagen an den Außenwänden getragen. Die Außenmaße der Moschee ergeben sich durch 17 x 28 Kuppel-Einheiten als modulare Grundlage (mit gewissen Verzerrungen). Das Bauwerk ist symmetrisch: An der Qibla-Seite und an der Eingangsseite sind die Hallen 5 Kuppel-Module tief, an den Seiten vier. Der Eingangsbau mit seinem Außen- und seinem Innen-Iwan nimmt genau 5 x 3 Kuppel-Module ein, ein Drittel der Hofbreite. Beim Hauptraum (Maqsura) vor der Qibla-Wand kommt das nicht so genau hin, weil er massiver und breiter ist, wodurch die benachbarten Arkaden etwas zusammengeschoben werden.

Die Seiten-Iwane sind von ihrer Tiefe genau so bemessen, daß ihre Rückwand mit dem Ende der ersten Kuppel-Reihe zusammenfällt. Alle vier Seiteneingänge führen in das achte Kuppel-Modul, von der Gebäudeecke an gerechnet, die westliche Achse trifft genau den kleinen achteckigen Brunnen-Pavillon vor dem Qibla-Iwan.

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