Bernhard
Peter
Hikone
(Präf. Shiga), Tempel Ryotan-ji (Ryoutan-ji)
Lage und
Erreichbarkeit, Touristisches
Dieser Tempel gehört zu einer Gruppe von drei Glaubensstätten,
die alle am Westrand des Hügelzuges zu finden sind, zu dem auch
der Sawayama mit den ersten beiden Tempeln und mit den Resten der
ersten Burg von Hikone, Sitz des Daimyos vor dem Bau der Burg
Hikone, und der Ouhara-san mit dem dritten Tempel der Gruppe
gehören. Alle drei, der Seiryou-ji, der Ryoutan-ji (Adresse:
1104 Furusawacho, Hikone, Shiga 522-0007) und der Chouju-in,
liegen östlich der Bahntrasse der Tokaido Main Line und sind nur
wenig voneinander entfernt, so daß man sie am günstigsten alle
drei gemeinsam besichtigt. Vom JR-Bahnhof ausgehend (Anfahrt am
besten über Kyoto mit der Biwako Line) schlägt man sich
westlich oder östlich entlang der Gleise irgendwie nach Norden
durch, es sind ca. 1200 m bis zum Ryoutan-ji als zweitem bzw.
mittleren Tempel dieser Gruppe. Vom Seiryou-ji ausgehend folgt
man am Friedhof vorbei der Straße nach Norden, links liegt ein
Parkplatz, rechterhand führt eine schmale Straße zum Tempel.
Doch da ist man schon zu weit, kurz vorher zweigt rechterhand der
viel schönere (und offizielle) Fußweg zum Tempel ab und führt
durch den Wald zum Ziel. Den Tempel kann man gegen
Eintrittsgebühr innen besichtigen, als einzigen der
Dreiergruppe. Dennoch handelt es sich in keiner Weise um einen
touristischen Tempel, es ist einsam hier und man durchstreift die
Hallen ganz alleine, zumindest im August. Dafür kann man völlig
unbefangen die Atmosphäre genießen, so lange man will, während
der nette Mönch am Empfang das Goshuin kalligraphiert. Die
umgebende Natur ist wunderschön und üppig, selbst im
blütenarmen August sind die Gärten eine Oase des Wohlfühlens,
ganz weit weg von der modernen Stadt. Die Gartenanlagen und die
bemalten Schiebetüren in der Abtsresidenz sind künstlerische
Höhepunkte. Dieser Tempel gehört zu den wirklichen Juwelen der
Stadt, den Kennern ein Genuß und von den meisten Touristen
übersehen.
Geschichte
und Bedeutung
Dieser Tempel teilt seinen Namen mit einem anderen Tempel in
Iinoya (Inasacho Iinoya, Kita-ku, Hamamatsu, Shizuoka 431-2212),
wo die Familie Ii früher residierte, bevor sie das Lehen Hikone
bekam. Es war der bis in die Nara-Zeit zurückreichende, 734
durch den Mönch Gyougi oder Gyouki gegründete Tempel, der seit
der dort durchgeführten Beerdigung von Fujiwara Tomoyasu, dem
Gründer der Ii-Familie, zum Familientempel der Ii geworden war.
Nachdem Ii Naomasa (4.3.1561-24.3.1602, Daimyo 1600-1602) nach
der Schlacht von Sekigahara als Belohnung für seine engagierte
Teilnahme auf der Seite der Ostarmee die ehemaligen Territorien
von Ishida Matsunari bekommen hatte, verlegte er 1601 den Tempel
an den Fuß des Sawayama unweit seiner Burg Sawayama-jou. Im
Jahre 1617 (Genna 3) waren alle Tempelhallen am neuen Standort
fertiggestellt, und nun wurde von Ii Naotaka
(16.3.1590-16.8.1659, Daimyo 1615-1659) der Zen-Meister
Kouten-Kaisan bzw. Kouten Souken des dortigen Ryoutan-ji
(Rinzai-Zen, Myoushin-ji-Richtung) eingeladen, fortan den neuen
Tempel gleichen Namens in Hikone zu leiten. Entsprechend folgt
auch dieser Ryoutan-ji in Hikone der Rinzai-Schule des
Zen-Buddhismus, gehört also zu einer der drei Hauptrichtungen
des Zen (die beiden anderen sind Soutou und Oubaku). Während der
ganzen Edo-Zeit genoß dieser Tempel die Unterstützung durch die
lokale Daimyo-Familie Ii. Der andere Tempel in Hamamatsu hingegen
bekam als Kompensation für den Wegzug der Gönnerfamilie Ii vom
Shogunat Land als wirtschaftliche Grundlage. Der Ableger in
Hikone wurde zum neuen Familientempel. Er florierte, wurde ein
bekanntes Zen-Doujou und hatte zu besten Zeiten bis zu 160
Mönche und viele Zweigtempel in der Nähe, kaum vorstellbar,
wenn man den ruhigen Tempel heute aufsucht.
Hikone, Präfektur Shiga, Tempel Ryotan-ji, rechte Doppelspalte unten: Datum: Mi, 23.8.2023 = Reiwa 5 nen hachi-gatsu ni-juu-san-nichi.
Rundgang
und Beschreibung:
Am Tempeleingang beginnt zugleich der Wanderweg zur Burgruine
Sawayama-jou-ato. Der Weg zum Tempel führt durch dichten
Baumbestand; als erstes stößt man auf eine Statue von Ishida
Mitsunari (1560-6.11.1600), dem einflußreichsten Vasallen von
Toyotomi Hideyoshi, Mitglied des Regentschaftsrats und Anführer
der Westallianz, dem Daimyo, dem früher diese Ländereien um den
Sawayama in Omi gehörten, ehe er in der Schlacht von Sekigahara
gegen Tokugawa Ieyasu verlor und in Kyoto enthauptet wurde. Er
war der große Verlierer der unaufhaltbaren Reichseinigung unter
Ieyasus Führung. In der Tiefe der Bäume liegt oberhalb einer
breiten Steintreppe das Tempeltor (Sanmon). Von dem Tor mit
großem Hauptdurchgang und kleinen Seitendurchgängen wird immer
wieder einmal behauptet, daß es aus der Burg Sawayama käme,
doch das trifft nicht zu, es kam um 1600 aus einem anderen
Tempel. Dahinter knickt der Weg zum Kuri ab, wo es
Eintrittskarten gibt. Wenn man statt dessen hinter dem Tor weiter
geradeaus geht, passiert man rechterhand Statuetten der sieben
Glücksgötter (Shichi-fuku-jin) mit ihren typischen Attributen.
Im einzelnen sind das von vorne nach hinten, von Westen nach
Osten Ebisu (See- oder Meerbrasse unter dem Arm), Daikokuten
(Glückshammer, Sack, zwei Reissäcke), Bishamonten (Helm,
Stangenwaffe mit Dreizackspitze in der Rechten und Pagode in der
linken Hand), Benzaiten (weiblich, Biwa-Laute), Fukurokuju
(extrem langer und großer Eierkopf und langer weißer Kinnbart,
knotiger Gehstock), Juroujin (Wanderstab) und Hotei (dicker
Bauch, großer Sack zum Sammeln von Spenden über die Schulter
geschlagen, Blattfächer in der Linken). Auch bei den im Tempel
verwendeten Ema sind die sieben Glücksgötter gemeinsam auf
einem grünen Drachen eines der beiden Motive zur Wahl. Am Ende
des Weges führt eine Treppe hoch zur Kannon-Halle (Kannon-dou),
allerdings kommt der Besucher von hier aus nicht ins Innere, der
Weg ist versperrt.
Also zurück zum Kuri! Von diesem aus gelangt man über einen kurzen Verbindungskorridor in die Abtsresidenz (Houjou). Und dabei fällt auf, daß dieses einer der ganz wenigen Tempel in Hikone mit einem Houjou ist. Er öffnet sich nach Süden auf einen schönen Karesansui-Garten (Trockenlandschaftsgarten aus geharkten Kiesflächen mit Inseln aus Moos und Stein-Arrangements), den Fudaraku-no-niwa. Das Wort "fudaraku" hat zwar die Bedeutung "beiläufig", doch das ist hier nicht gemeint. Vielmehr ist die Wurzel des Namens der Berg bzw. das heilige Land Fudaraku-san (Sanskrit: Potalaka), die spirituelle Heimat von Kannon, dem Bodhisattva der Barmherzigkeit. Der von der Mythologie an der südlichen Landspitze Indiens oder auf einer vorgelagerten grünen Insel verortete Fudaraku-san ist das Paradies, welches man durch Kannon erreichen kann. Der höchste, aufrecht stehende Stein in der großen Gruppe in der Mitte steht für Kannon. Der weiße Sand drum herum steht für den Ozean. Am rechten Rand der Steingruppe ragt ein bootsförmiger Stein halb in den Sand hinein, das ist das Boot, mit dem man das Meer überquert, um auf dem Paradiesberg Kannons anzukommen, eine Fähre, um von unserer Welt in die Welt Buddhas zu gelangen. Die niedrige Hecke im Hintergrund steht für die gerade Linie des Horizonts, die dahinter hervorschauenden runden Büsche und Bäume stehen für die Wolken. So wird der ganze Garten zu einem Arrangement, das die fiktive Landschaft des Kannon-Paradieses nachbaut. So wird der meditierende Besucher in Beziehung zum Reinen Land des Bodhisattvas Kannon gesetzt. Insgesamt sind hier 48 große und kleine Steine eingebaut.
In der mit Tatami-Matten ausgelegten Abtsresidenz (Houjou) gibt es insgesamt 56 Fusuma-e (bemalte Schiebetüren), die von Morikawa Kyoriku (1.10.1656-23.9.1715) bemalt wurden, einem Samurai und Haiku-Dichter und einer der 10 besten Schüler der Matsuo Basho-Schule (Shoumon jittetsu) der Haiku-Dichtung. Umgekehrt lernte der Haiku-Meister bei seinem Schüler das Malen. Diese Malereien (Menschen, Landschaften, Blumen und Vögel, alles von großer Individualität) sind als Kulturgüter der Stadt Hikone geschützt. Von der Südostecke des Houjou aus überquert ein gedeckter Korridor auf hohen Stelzen den tiefer liegenden Garten und führt zur bereits erwähnten Kannon-Halle im Südosteck der Anlage. Zwischen Kuri und Houjou stößt ein Shoin (Arbeitszimmer) nach Norden vor, mit beiderseits schönen Ausblicken auf die dortigen Gartenanlagen. Im Winkel zwischen Shoin und Houjou liegt ein Wandelgarten mit einem um einen Teich herumführenden Pfad. Der Garten ist vom Typ eines Tsuru-kame-hourai-Gartens mit symbolischer Kranichinsel, Schildkröteninsel und Berg Horai (Hourai). Im Hintergrund wird der Sawayama nach dem Prinzip der geborgten Landschaft als Kulisse einbezogen. Auch dieser traditionelle Garten ist als Kulturgut der Stadt geschützt. Auf der anderen Seite des Shoin gibt es einen dritten Garten, mehr im Stil eines Teegartens. Es gibt einen Raum für die Teezeremonie, der von Ii Naosuke benutzt wurde. Im Inneren der Tempelhallen gibt es jede Menge Daruma-Figuren (das ist der buddhistische Mönch und Zen-Patriarch Bodhidharma), und jedes Jahr findet hier am 1. und 2. April ein Daruma-Fest statt, bei dem rund 3000 Daruma-Puppen gesegnet werden. Zum Daruma-Wesen gibt es ausführlichere Erläuterungen im Kapitel zum Darumadera in Kyoto. Auch bei den hier verwendeten Ema ist die Daruma-Puppe eines der beiden Motive zur Wahl.
Zuweg und Tempeltor (Sanmon)
Kannondo, Kannon-Halle
Shichifukujin - 7 Glücksgötter
|
Hojo (Abtsresidenz) mit Fusuma-e (bemalten Schiebetüren)
Ema: Daruma oder Shichifukujin
Fudaraku-no-niwa: das Paradies der Kannon
Shoin - das Arbeitszimmer
Garten östlich des Shoin
Garten westlich des Shoin
Literatur,
Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.2828026,136.2664655,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.2828026,136.2664655,103m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Royoutan-ji in Hamamatsu: https://en.wikipedia.org/wiki/Ry%C5%8Dtan-ji_(Hamamatsu)
Morikawa Kyoriku: https://de.wikipedia.org/wiki/Morikawa_Kyoriku
Das Lehen Hikone und seine Daimyos: https://en.wikipedia.org/wiki/Hikone_Domain
die drei Tempel auf Visitjapan-Vegetarian: https://visitjapan-vegetarian.com/ryotan-ji-and-the-surrounding-temples-related-to-the-ii-clan/
Informationstafel der Stadt am Tempel
Kannon und Fudaraku-san: in Bernhard Scheid: Religion in Japan,
Universität Wien, https://religion-in-japan.univie.ac.at/kami/Kannon - https://religion-in-japan.univie.ac.at/an/Ikonographie/Kannon
Der Ryoutan-ji in Hamamatsu: https://www.google.de/maps/@34.8285899,137.6681335,160m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Der Ryoutan-ji auf Biwako-Visitors: https://www.biwako-visitors.jp/spot/detail/1205/
Burgstadt: traditionelle Häuser in der Yume-kyobashi Castle Road - Daishi-ji - Gokoku-jinja - Soan-ji (Souan-ji) - Seiryo-ji (Seiryou-ji) - Choju-in (Chouju-in) und Ohara Benzaiten - Raiko-ji (Raikou-ji) - Daishin-ji - Gantsu-ji (Gantsuu-ji) - Chiyo-jinja
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