Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1097
Königstein (Sachsen)

Festung Königstein

Kurze Geschichte der Festung Königstein
Die Festung Königstein, mit 9.5 Hektar Fläche eine der größten Festungen Deutschlands, militärisch nie bezwungen, nur einmal 1848 in einer Art Husarenstück durch den Schornsteinfegergesellen Sebastian Abratzky, blickt auf eine über 750 Jahre währende Geschichte zurück. Keimzelle der späteren Festung ist eine böhmische Burg, von der ein Burggraf erstmals 1233 erwähnt wird. 1241 wird die Burg Königstein als solche erwähnt. Der König aus dem Namen Königstein ist also eigentlich streng genommen der böhmische. Diese Burg wechselt den Besitzer während der Dohnaischen Fehde und gelangt 1406/08 an die Markgrafen von Meißen (Wettiner), was am 25.4.1459 im Vertrag zu Eger juristisch geregelt wird. Kurfürst August plante den Ausbau zur Festung und begann 1563 mit dem Wichtigsten, ohne das man eine Belagerung nie durchstehen konnte: Brunnenbau. Mit 152 m Tiefe ist es einer der beeindruckendsten Brunnenschächte deutschen Burgenbaus, geschaffen von Bergbaumeister Martin Planer und Bergleuten aus dem Erzgebirge. Kurfürst Christian I. begann 1589, den Königstein zur Festung auszubauen, was nach Plänen der Architekten Pietro Ferrabosco und Rochus Graf Lynar geschah. Bis 1594 entstehen Torhaus, die Streichwehr, die Alte Kaserne, die Christiansburg (spätere Friedrichsburg) und das Alte Zeughaus. Der Königstein war im Laufe seiner Geschichte nicht nur Zuflucht für die sächsischen Kurfürsten, z. B. im Siebenjährigen Krieg (1756-63), als die sächsische Armee am in Sichtweite gegenüberliegenden Lilienstein, einem weiteren Tafelberg des Elbsandsteingebirges, gefangen genommen worden war, sondern vor allem auch sicherer Aufbewahrungsort für Kunstschätze und den Staatsschatz in unruhigen Zeiten. Während des Zweiten Weltkrieges wurden hier auch Dresdner Sammlungen gesichert. Aber der Königstein ist nicht nur Festung, sondern auch bis 1922 Gefängnis. Der berühmteste Gefangene ist Johann Friedrich Böttger, jener junge Mann, der etwas vorlaut und voreilig behauptet hatte, Gold herstellen zu können, hier in "Schutzhaft" kam und bei seinen Bemühungen, den voreiligen Worten Taten folgen zu lassen, zum Miterfinder des europäischen Porzellans wurde. Mehrfach war die Festung Kriegsgefangenenlager und Lazarett, und 1949 "Jugendwerkhof" (also auch eine Art Gefängnis). Seit 1955 ist die ungemütliche und im März lausig kalte Festung mit ihren 22 Gebäuden, eine kleine Stadt für sich, militärhistorisches Freilichtmuseum.

Abb.: Die Festung liegt 361 m hoch, 246 m über dem Elbtal. Im Blick die Georgenburg über der Georgenbastion, davor diverse Ravelins und Schanzen.

Kursächsische Kartaunen auf den Festungswällen
Der Königstein ist eine praktisch uneinnehmbare Festung. In beispielloser Einheit aus Natur und Festungsbaukunst ist hier eine unbezwingbare Zitadelle entstanden, deren Abwehrsystem vor allem aus den senkrecht aufragenden Wänden des Elbsandsteingebirge-Tafelberges besteht, darüber erheben sich die Festungsmauern in schwindelnder Höhe, aus deren Scharten dort aufgestellte Kanonen einen evtl. anrückenden Feind im Vorfeld erledigen konnten. Aus Felsen und Mauern entsteht so eine 40-50 m hohe Festung. Eine stattliche Anzahl dieser bronzenen Kartaunen aus dem 18. Jh. ziert noch heute die umlaufenden Wälle. Wegen ihrer mitgegossenen Wappen werden sie hier vorgestellt:

Zu dieser Kanone gehört die unten nachfolgende linke Detailvergrößerung. Die Inschrift lautet: "FRIDERICVS AVGVSTVS D(EI) G(RATIA) REX POL(ONIAE) DVX SAX(ONIAE) ..A W S(ACRI) R(OMANI) I(MPERII) ARCH(IMARESCHALLVS) & ELECTOR IN PROV IVR SAX PROVIS VICARIVS 1741". Der Guß dieser Kanone fällt also in die Regierungszeit von Friedrich August II., Kurfürst von Sachen 1733-1763) und als August III. König von Polen (1733, 1736-1763)

Zu dieser Kanone gehört die folgende rechte Detailvergrößerung. Die Inschrift lautet: "AVGVSTVS II D(EI) G(RATIA) REX POL(ONIAE) ET ELECTOR SAXONIAE 1712". Der Guß dieser Kanone fällt also in die Regierungszeit von August dem Starken, der gleichzeitig als Friedrich August I. Kurfürst von Sachen (1694-1733) war und als August II. König von Polen (1697-1704 und 1709-1733, unterbrochen durch die Niederlage gegen Schweden im Großen Nordischen Krieg).

Vater und Sohn führen hier beide die gleichen Elemente im Wappen, wenn auch anders angeordnet. Und sie führen eine inhaltliche Kombination, die ausschließlich auf sie beide zutraf: Nur diese beiden Herrscher waren gleichzeitig Kurfürst von Sachsen und König von Polen.

Das Wappen Augusts des Starken
Das Wappen Augusts des Starken in der rechten Detailaufnahme von 1712 ist wie folgt aufgebaut:

Darüber die polnische Königskrone. Es handelt sich um eine Bügelkrone, die oben mit einer mit einem Kreuz besetzten Kugel abschließt. Hinter dem Wappen ist ein mit Hermelin gefütterter Mantel zu erkennen; ferner ist das Ganze von zwei sich unten in einer Schleife treffenden palmzweigartigen floralen Elementen eingerahmt.

Das Wappen Friedrich Augusts II
Das Wappen Friedrichs Augusts II., Kurfürst von Sachen (1733-1763) und als August III. König von Polen (1733, 1736-1763), Sohn Augusts des Starken, in der linken Detailaufnahme von 1741 ist wie folgt aufgebaut:

Darüber die polnische Königskrone. Es handelt sich um eine Bügelkrone, die oben mit einer mit einem Kreuz besetzten Kugel abschließt. Das Ganze ist dem doppelköpfigen, nimbierten Reichsadler des Heiligen Römischen Reiches aufgelegt. Friedrich August II. war 1740/41 nach dem Tod Kaiser Karls VI (1711-1740) bis zur Wahl von dessen Nachfolger Kaiser Karl VII (1742-1745) Reichsvikar und damit berechtigt, den Reichsadler zu führen. Unterhalb des Schildes ist noch der kreuzförmige Anhänger einer Ordenskette zu sehen.

Wappen an Gebäuden der Festung Königstein
Neben den Geschützen tragen auch einige Gebäude, Tore und Festungswälle das Wappen des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs:

Abb.: Wappen vom Giebel des Brunnenhauses. Dieser Bau beherbergt einen der tiefsten Brunnen der Burgenarchitektur, er ist 152 m tief in den Elbsandstein gegraben worden, der Schacht mit einem Durchmesser von 3,5 m entstand 1563-69. Der Wasserstand liegt bei 12 m. Nur der Brunnenschacht auf dem Kyffhäuser ist mit 176 m noch tiefer. Knapp hinter Königstein rangiert der Brunnen der Hohenburg in Homberg/Efze mit 150 m Tiefe, dafür ist er aber in Basalt gehauen. Der Brunnen der Festung Marienberg in Würzburg bringt es dagegen nur auf 105 m. Das Wasser für den Königstein wurde aus dieser Tiefe mit einem Pferdegöpel gefördert, dessen Kraft über ein auf der Vertikalwelle befestigtes Zahnrad auf eine horizontale Achse mit gegenläufigen Eimern übertragen wurde. Ab 1871 kam eine Dampfmaschine zur Förderung des Wassers zum Einsatz. Das Brunnenhaus wurde 1715 von Pöppelmann erbaut und 1735-37 von Jean de Bodt umgebaut und 1881 mit einer Granit-Stampfbeton-Decke auf Stahlträgern verstärkt. Über der polnischen Königskrone ist genau im Giebelknick die Jahreszahl 1736 eingehauen, damit läßt sich das Wappen Friedrich Augusts II., Kurfürst von Sachen (1733-1763) und als August III. König von Polen (1733, 1736-1763), Sohn Augusts des Starken, zuordnen, die Beschreibung folgt dem oben Geschriebenen. Auffallend ist hier das die Leerflächen verzierende Sammelsurium aus Fahnen und kriegerischen Elementen zum Schmuck.

Abb.: Blick auf die Georgenbatterie, welche 1669-79 zur Aufstellung von Geschützen erbaut wurde und an der dem Torweg zugewandten Ecke das kursächsische Wappen trägt, bestehend aus einem gespaltenen Schild unter der Königskrone, vorne in von Schwarz und Silber geteiltem Feld zwei schräggekreuzte rote Schwerter (Kurschwerter), hinten von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz (Sachsen, Wettiner). Die dahinter aufgestellten Kanonen waren auf den Hauptzugangsweg zur Festung gerichtet; sie stammen aus dem 17./18. Jh.

Abb.: Blick auf den Eingangsbereich der Festung. Nach Durchschreiten der unteren beiden Tore und Passieren der Torwachen gelangt man auf die einen Trockengraben überspannende Holzrampe, deren oberstes, horizontales Teilstück als Zugbrücke ausgebildet war, ab 1892 als Wippbrücke. Im Verteidigungsfall ließ sich diese Konstruktion schnell abtragen. Das untere Tor im Bild ist das Medusentor, so benannt nach der Darstellung eines Medusenhauptes, darüber ist das königlich-polnische und kurfürstlich-sächsische Wappen oben beschriebenen Aufbaus mit Herzschild. Am Ende der Grabenschere führt das zweite, höher gelegene Tor in das Torhaus, welches 1589 ff. über dem Aufgang zum Plateau erbaut wurde. Das Portal mit dem polnisch-sächsischen Wappen oben beschriebenen Aufbaus mit Herzschild wurde 1729-36 verändert, das Relief Augusts des Starken wurde aber erst 1910 hinzugefügt. Der Schlußstein des Torbogens trägt die verschlungenen Initialen AR und darüber eine Krone.

Abb. links: Festungsmauer mit freistehendem, nur durch eine Brücke mit dem Festungsplateau verbundenen Turm (sog. Hungerturm / Rößchen, vermutlich ein Beobachtungsturm aus der Zeit der Burganlage). Abb. rechts: Die sog. Friedrichsburg, ein barock überformter, in der Renaissance entstandener Pavillon hoch über dem Tal der Elbe. 1589-91 wurde der Pavillon von Paul Buchner in herausragender Position mit phantastischem Blick über das Elbtal als Beobachtungs- und Flankierungsturm erbaut, und das untere Geschoß diente ursprünglich der Aufstellung von Geschützen, während das obere Geschoß als Festsaal genutzt wurde. Damals hieß das Bauwerk noch Christiansburg. Im Jahre 1731 erfolgte unter August dem Starken der Umbau zum barocken Pavillon, wobei die Treppenspindel durch die jetzige barocke doppelläufige Freitreppe ersetzt wurde. Die Besonderheit war die "Maschinentafel", ein Hubtisch. Friedrichsburg heißt das Gebäude in Erinnerung an den Besuch des preußischen Kronprinzen Friedrich, der einmal Friedrich der Große werden würde.

Abb.: Goldene Initialen AR = Augustus Rex auf blauem Grund über dem Eingang des oberen Stockwerks der sog. Friedrichsburg. Obendrüber eine königliche Krone.

Historischer Exkurs: Die Union von Polen und Litauen
Hier begegnet uns im kurfürstlich-königlichen Wappen die feste Kombination Polen und Litauen. Wie kam es zu dieser Verbindung? Über welche Staatsform herrschten die beiden sächsischen Kurfürsten? Dazu ein kurzer Blick in die litauische Geschichte:

Aufstieg Litauens
Die zu den Balten zählenden litauischen Stämme wurden im 13. Jh. an der oberen Memel und Düna durch Mindaugas (Mindowe, gest. 1263) zusammengefaßt. Litauen wurde im 14. Jh. eine osteuropäische Größe, als es sich als Großfürstentum über weit größere Teile als Litauen selbst erstreckte, nämlich Territorien der heutigen Staaten Polen, Rußland, Weißrußland und der Ukraine, denn viele ostslawische Fürsten hatten sich dem Großfürstentum nach der Zerschlagung des Kiewer Rus angeschlossen. Der Aufstieg vollzog sich im wesentlichen unter Großfürst Gediminas (Gedimin, 1316-1340), dem Gründer des heutiges Vilnius, und dessen Söhnen Algirdas und Kestutis, und die litauischen Großfürsten ("Magnus Dux Littwanie, Samathie et Rusie") füllten das Machtvakuum nach dem Untergang des Kiewer Rus. Zwei andere Mächte bedrohten diese Stellung, im Westen war es der Deutsche Orden, gegen dessen Expansionsbestrebungen man sich siegreich zur Wehr setzte, im Osten war es das konkurrierend erstarkende Großfürstentum Moskau, das sich als legitimen Nachfolger des Kiewer Rus ansah.

Personalunion mit Polen
1386 kam es zu einer ersten Union mit Polen, das war im wesentlichen eine am 14.8.1385 vereinbarte Personalunion zwischen beiden Ländern, die in der Union von Krewo (Kreva (lit.), Krewa (russ.)) unter dem litauischen Großfürst Jogaila (1348-1434, 1377-1401 Großfürst, 1386-1399 polnischer König) zustande kam, der 1386 als Wladyslaw II. Jagiello durch Heirat der minderjährigen polnischen Thronerbin Hedwig (Jadwiga, 1373-1399, reg. 1382-1399) den polnischen Thron bestiegen hatte. Litauen war damals territorial weit größer und mächtiger als Polen. In dieser Union verpflichtete sich Litauen zur Rückgabe besetzter Gebiete an Polen und die Abtretung südlicher Territorien im Gebiet der heutigen Ukraine, zu finanziellem Schadenersatz an den Ex-Verlobten Hedwigs, Herzog Wilhelm von Österreich, ferner zur Konvertierung von König und Adel zum Christentum. Beide Partner dieser Union fühlten sich verbunden im gemeinsamen Interesse der Behauptung gegen den Deutschen Orden einerseits und das Großfürstentum Moskau andererseits. Die fruchtbare Zusammenarbeit in militärischer Hinsicht gipfelte in der Schlacht bei Tannenberg und dem überwältigenden Sieg über den Deutschen Orden. Diese Union war noch keine Verschmelzung beider Länder, sondern de facto ein Wechsel der Dynastie in Polen von den Kapetingern aus dem Hause Anjou, dem Hedwig entsprang, zu den Jagiellonen, denn Litauen wurde ab 1401 eigenständig von Vytautas (Witold, 1350-1430, litauischer Großfürst 1401-1430) regiert unter dem nominellen Supremat seines Cousins auf dem polnischen Thron. Dieser gestärkten litauischen Autonomie war die sog. Union von Vilnius und Radom 1401 als Grundlage vorangegangen. Darin wurde insbesondere die Sonderstellung von Vytautas als litauischer Großfürst in Abhängigkeit von Polen geklärt. Im Falle seines Todes sollte Litauen an seinen Vetter auf dem polnischen Thron fallen. Wenn umgekehrt Wladyslaw II. Jagiello zuerst stürbe, sollte Vytautas bei der Wahl eines polnischen Königs zu Rate gezogen werden. Ein weiteres dynastisches Bündnis zwischen beiden Ländern war die sog. Union von Horodlo 1413, worin dem Großherzogtum Litauen ein eigener Großherzog und ein eigenes Parlament zugestanden wurden und der litauische Adel gestärkt wurde. Bei dieser Gelegenheit fand auch die Heraldik nach polnischem Muster Eingang in Litauen. Diese Personalunion beider Staaten währte bis 1569, und sieben Jagiellonen folgten nacheinander noch auf dem polnischen Thron.

Realunion mit Polen
1569 kam es zu einer Realunion zwischen P
olen und Litauen. Beide Staaten verschmolzen am 12.8.1569 in der Lubliner Union zu einem, zur polnisch-litauischen Adelsrepublik Polen-Litauen (Rzeczpospolita Korony Polskiej i Wielkiego Ksiestwa Litewskiego oder einfach kurz Rzeczpospolita genannt, Staatliches Gemeinwesen der polnischen Krone und des Großfürstentums Litauen), und bei dieser Gelegenheit wurde auch das Wappen geviert, wurde der litauische Vytis zusammen mit dem polnischen Adler im gevierten Schild vereint. Hintergrund war die bleibende Kinderlosigkeit des Letzten der Jagiellonen, des polnischen Königs Sigismund II. August (1520-1572, reg. 1548-1572), so daß ein Problem abzusehen war: Das Ende der Dynastie. Der vom König einberufene Sejm einigte sich auf Umwandlung der Personalunion in eine Realunion, bei der das Königreich Polen (Korona = "Krone") und das Großfürstentum Litauen (Litwa) de facto zu einer Adelsrepublik mit gemeinsamer Gesetzgebung, gemeinsamem Parlament, gemeinsamem König und einer gemeinsamen Währung vereinigt wurden, einmal abgesehen von gewissen Privilegien sowohl für den jetzt kleineren Partner Litauen als auch für den noch kleineren Partner Königliches Preußen (Polnisch-Preußen, Prusy Królewskie). Aus zwei Staaten wurde der neue Staat Polen-Litauen, aus dem erblichen Königtum wurde ein Wahlkönigtum, der König wurde vom Adel - immerhin ca. 10% der Bevölkerung und damit mehr als in anderen europäischen Ländern - gewählt. So war eine Nachfolgeregelung für die erlöschenden Jagiellonen geschaffen worden. Da Sigismund II. August (1520-1572, reg. 1548-1572) aber noch ein paar Jährchen lebte und regierte, war er das erste Staatsoberhaupt des neuen Staatsgebildes. Das Territorium dieses Staates umfaßte das heutige Weißrußland und große Teile der heutigen Ukraine sowie Teile des westlichen Rußlands nebst einigen kleineren Gebieten; der Vielvölkerstaat hatte um 1600 ff. die größte Ausdehnung. Das Fürstbistum Ermland, das Herzogtum Preußen, das Fürstentum Moldau und das Herzogtum Kurland unterstanden dem Staat als Lehen.

Internationale Könige
Nach dem letzten Jagiellonen Sigismund II. August folgte 1573 Heinrich von Valois (1551-1589, reg. 1573-1574) aus dem Hause der französischen Kapetinger, der dann aber bei passender Gelegenheit 1575 lieber nach der französischen Krone griff, 1575 folgte Stephan Báthory (1533-1586, reg. 1575-1586) aus dem Hause Báthory, einem ungarischen Adelsgeschlecht, nach seiner Ehe mit der als König gewählten Anna Jagiellonica (1523-1596), und dann kam es zu einer anderen dynastischen Kontinuität, drei aufeinanderfolgende Herrscher entstammten dem Hause Wasa, denn König Sigismund III Wasa war seit 1592 bis zu seiner Absetzung durch den schwedischen Reichstag 1599 König von Schweden, und 1592–1599 bestand eine Personalunion zwischen Schweden und Polen-Litauen. Sigismund III Wasa (1566-1632, reg. 1587-1632) wurde von Wladyslaw IV Wasa nachgefolgt (1595-1648, reg. 1632-1648), dieser von Johann II Kasimir Wasa (1609-1672, reg. 1648-1668). 1669 folgte mit Michael Korybut Wisniowiecki (1640-1673, reg. 1669-1673) ein König aus dem Haus Wisniowiecki, 1674 Johann III. Sobieski (1629-1696, reg. 1674-1696) aus dem Haus Sobieski, und 1697 folgten die Wettiner mit August II dem Starken (1670-1733, reg. 1697-1704 und 1709-1733) nach. Das 17. Jh. gilt als Blütezeit des Staates, der sich aus den Wirren und Verwüstungen des 30jährigen Krieges komplett heraushalten konnte. Die auch territorial expandierende Macht wurde erst Ende des 17. Jh. durch Schweden einerseits und Brandenburg-Preußen andererseits eingeschränkt.

Genau dieses Staatswesen, die Adelsrepublik Polen-Litauen, regierten August der Starke als König August II. (1697-1704 und 1709-1733, unterbrochen durch die Niederlage gegen Schweden im Großen Nordischen Krieg) und nach ihm sein Sohn Friedrich August II. als König August III. (1733, 1736-1763) in Personalunion mit ihrem Kurfürstentum Sachsen.

Ende von Polen-Litauen
Das Staatswesen Polen-Litauen existierte bis zum 3.5.1791. In den Jahren 1772, 1793 und 1795 teilten sich Rußland, Preußen und Österreich, die drei Nachbarländer, Polen-Litauen in drei aufeinander folgenden Teilungen so untereinander auf, daß schließlich von beiden nichts Eigenständiges mehr übrigblieb und die Staaten Litauen und Polen für längere Zeit von der politischen Landkarte verschwanden. Was nach der ersten Teilung noch übrig blieb, fusionierte zu einem Einheitsstaat. Eine neue, freiheitliche, als Folge der Ersten Teilung Polens im Geiste der freiheitlichen Revolution Frankreichs entstandene Verfassung hob die Dualität der bislang bestehenden Verbindung Polen-Litauen auf. Noch war aber ehemals großfürstlich-litauisches Gebiet im Reststaat enthalten. Das endgültige Aus für Polen und Litauen als eigenständige oder gemeinsame Staatswesen kam am 25.11.1795 mit dem Thronverzicht des letzten polnischen Königs Stanislaw August Poniatowski (1732-1798, reg. 1764-1795).

Zu einem kurzen Versuch polnischer Unabhängigkeit kam es während des Novemberaufstandes (Kadettenaufstand) von 1830/1831, und das Wappen in dieser Zeit war gespalten, vorn der polnische Adler, hinten der litauische Reiter.

Motiv-Exkurs: Der litauische Vytis
Das litauische Wappen zeigt in Rot ein silbernes Roß mit geharnischtem, silbernen Reiter, mit bloßem erhobenen Schwert in der Rechten dargestellt, mit blauer Satteldecke und blauem Schild, darin ein goldenes Doppelkreuz. Der silberne Ritter wird auch Vytis genannt, "Verfolger". Vermutlich entwickelte sich aus einer einfachen Herrscher-Darstellung der gerne gepflegte Mythos des Verfolgers, der die Feinde aus dem Land vertreibt, wie z. B. in der Schlacht bei Tannenberg.

Das Wappen der litauischen Großfürsten und der Jagiellonen
Es ist ein sehr altes Wappen, das bereits für den litauischen Fürsten Narimantas (Sohn von Gediminas) in einer Chronik zu Beginn des 14. Jh. und 1366 auf dem Siegel des litauischen Großfürsten Algirdas (1296-1377, ebenfalls ein Sohn von Gediminas, seit 1345 litauischer Großfürst, regierte nach Entmachtung des Bruders Jaunutis mit dem weiteren Bruder Kestutis gemeinsam bis 1377) nachgewiesen ist. Algirdas Sohn Wladyslaw II Jagiello (Jogaila) wurde Nachfolger als litauischer Großfürst, aber er konnte sich erst nach schweren Auseinandersetzungen gegen seinen Onkel Kestutis behaupten. Auch er führte den Vytis. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser aber noch nicht das charakteristische Patriarchenkreuz (korrekter: Doppelkreuz, denn die horizontalen Schenkel sind gleich lang) im Schild, das später zum festen Bestandteil des litauischen Wappens und zum Zeichen der Jagiellonen werden sollte. Der Hintergrund dieses Details ist der in der Union von Krewo (Kreva (lit.), Krewa (russ.)) vom Großfürsten Jogaila (1348-1434, 1377-1401 Großfürst, 1386-1399 polnischer König) geschlossene Vertrag, der die Konvertierung von König und Adel zum Christentum beinhaltete. Dieses Kreuz finden wir übrigens als Symbol in weiteren osteuropäischen Staatswappen. Seit 1386 also ist das Doppelkreuz als Jagiellonen-Symbol auf dem Schild des litauischen Vytis. In früheren Siegeln gab es noch eine gewisse Variationsbreite hinsichtlich der Bewaffnung des Ritters, etwa mit Lanze, doch seit dem 15. Jh. ist der Vytis mit Schild, Doppelkreuz und erhobenem Schwert verbindlich.

Der Vytis im Wappen von Polen-Litauen
Der Vytis blieb das litauische Staatssymbol während der Zeit des Großfürstentums und auch später während der Realunion mit Polen, wo er mit dem polnischen Adler im gevierten Schild dargestellt wurde. Erst 1795 verschwand er als Staatssymbol zusammen mit dem Staatswesen im Zuge der dritten polnischen Teilung.

Der Vytis im Wappen von Rußland
Der litauische Vytis begegnet uns nicht nur als Staatswappen des Großfürstentums und als Bestandteil des Wappens von Polen-Litauen. Als Rußland 1795 große Teile des ehemaligen Staates schluckte, wurde auch das litauische Wappen in das Große Russische Staatswappen aufgenommen.

Der Vytis im 20. Jh.
In der ersten Hälfte des 20 Jh. gab es Bestrebungen zur Reaktivierung während der litauischen Unabhängigkeit 1918–1940 als Erste Litauische Republik; verschiedene Gestaltungen wurden angefertigt, doch der Vytis erlangte nicht den Status eines offiziellen Staatswappens.

Als Litauen 1940 von der Sowjetunion besetzt wurde, wurde der Vytis als Symbol eigenstaatlicher Organisation verboten, seine Benutzung war unter Stalin strafbewehrt. Bis 1990 wurde von der litauischen Sowjetrepublik (1940-1990) ein Gebilde als offizielles Symbol geführt, das den Namen "Wappen" nicht verdient: Innerhalb eines oben offenen Kranzes aus grünem Eichenlaub und goldenen Getreideähren schräggekreuzt eine goldene Sichel und ein ebensolcher Hammer über einer goldenen, aufgehenden Sonne, überhöht von einem roten, fünfzackigen Stern. Ein rotes Band umschlingt den unteren Teil des Kranzes, bez. mit der Abkürzung LTSR (Lietuvos Tarybu Socialistine Respublika, Litauische Sozialistische Sowjetrepublik).

Heute ist der Reiter seit der Unabhängigkeit 1990/91 wieder das litauische Staatswappen, am 11.3.1990 wurde er wieder das offizielle Nationalsymbol, am 10.4.1990 wurde er wieder Staatsemblem, und er wurde in Art. 15 der neuen Verfassung von 1992 als Staatswappen festgelegt. Die heutige Darstellung zeigt in Rot ein silbernes, goldenbewehrtes, blau mit goldener Verzierung gezäumtes Roß mit geharnischtem, silbernen Reiter mit goldenen Sporen, mit erhobenem, blanken, goldengegrifften silbernen Schwert in der Rechten dargestellt, mit blauer Satteldecke und blauem Schild, darin ein goldenes Doppelkreuz. Als Staatsflagge war seit der Unabhängigkeit erst die gold-grün-rote Trikolore in Gebrauch, seit 2004 der Vytis auf rotem Tuch.

Weitere Wappen mit dem Vytis
Der Vytis ist aber nicht nur das litauische Staatswappen, sondern er begegnet uns auch in zwei der zehn Distriktwappen: Der litauische Distrikt Vilnius führt einen modifizierten Vytis, innerhalb eines blauen, mit zehn goldenen Doppelkreuzen belegten Bordes (den alle litauischen Distrikte haben) in Rot auf schwarzem, golden bewehrtem und blau gezäumten Roß ein silberner, geharnischter Reiter mit in der Rechten erhobenen, silberngeschäfteten, goldenen Lanze und einem blauen, mit einem goldenen Doppelkreuz belegten Schild in der Linken. Auch das Wappen des litauischen Distriktes Panevežys führt den Vytis: Innerhalb eines blauen, mit zehn goldenen Doppelkreuzen belegten Bordes über einem roten Zinnenschildfuß in Silber auf schwarzem Roß ein schwarzer, geharnischter Reiter mit in der Rechten erhobenem schwarzen Schwert und einem blauen, mit einem goldenen Doppelkreuz belegten Schild an der Linken. Der Vytis begegnet uns auch im weißrussischen Wappen, wie es 1991-1995 geführt wurde, ebenfalls silbern auf rotem Grund, aber mit silbernem Schild (statt blauem). Die polnische Woiwodschaft Podlachien, im äußersten Nordosten Polens gelegen und damit an Litauen angrenzend, führt einen geteilten Schild oben in Rot den polnischen Adler, unten den Vytis.

Es gibt auch ein Familienwappen, das den Vytis zum Inhalt hat, das der Fürsten Czartoryski, ein polnisch-litauisches Dynastengeschlecht, das seine Abstammung auf einen Enkel des litauischen Großfürsten Gediminas namens Konstanty Olgierowicz zurückführt, der den Besitz Czartorysk in Wolhynien um 1400 erworben hat. Weitere Besitzungen sind Klewan und Zukow, um 1430 erworben. Anerkennung des Fürstenstandes in Buda am 14.6.1442, Bestätigung desselben für Litauen in Lublin am 25.5.1569 und für Polen am gleichen Ort einen Tag später. Erbländisch-österreichische Anerkennung und Bestätigung durch Kaiser Joseph II in Wien am 9.6.1785. Das Wappen zeigt nach dem Wiener Diplom vom 9.6.1785 in Rot auf grünem Boden im rechten Untereck eine silberne Stadtmauer mit drei purpurnbedachten spitzen silbernen Zinnentürmen. Vor diesen sprengt galoppierend ein silbernes Roß mit schwarzem Zügel (ohne Satteldecke). Darauf sitzt ein silbern-geharnischter Ritter mit vier roten (purpurnen) Helmfedern, in der Rechten ein Schwert schwingend, am linken Arme einen blauen Schild haltend, worin ein goldenes Doppel- oder Patriarchenkreuz (Siebmacher, Band Fürsten, S. 54, T. 63 und 64). Fürstenhut, hermelingefütterter roter Wappenmantel. Schildhalter zwei silbern geharnischte Ritter mit purpurnen Federbüschen auf dem Helm wie im Schilde, jeweils mit der inneren Hand den Schild und mit der äußeren Hand einen auf dem Boden abgestellten blauen Schild mit goldenem Doppel- oder Patriarchenkreuz haltend. Von diesem Wappen gibt es mehrere Varianten, mit Satteldecke oder ohne, Stadt im rechten Untereck oder im Schildfuß, verschiedene Gestaltung der Türme, grüner Boden vorhanden oder nicht, Säbel statt Schwert o.ä. Bedeutende Mitglieder der Familie waren Fürst Konstantin Adam Czartoryski (1774-1860), Offizier, und Fürst Adam Jerzy (Georg) Czartoryski (1770-1861). Letzterer war russischer Außenminister unter Alexander I. und spielte als Regierungschef eine Rolle bei dem Novemberaufstand (Kadettenaufstand) von 1830/1831 in Polen. Nach seiner Emigration wurde der Pariser Familiensitz kultureller Mittelpunkt polnischer Emigranten.

Motiv-Exkurs: Der polnische Adler
Hier im Wappen der beiden sächsischen Kurfürsten begegnet uns ferner das polnische Staatswappen, ein nationales Symbol erstaunlicher historischer Kontinuität.

Wie oben schon erläutert, verloren beide Staaten ihre nationale Eigenständigkeit nach der dritten polnischen Teilung 1795, und das polnische Staatswappen verschwand bis auf weiteres. 1807 gründet Napoleon das Herzogtum Warschau als Pufferstaat und Vasallenstaat Frankreichs, woraus im Wiener Kongreß das konstitutionelle Königreich Polen wurde, das in Personalunion eng mit dem russischen Zarenreich verbunden war, das bis 1830/31 noch relative Autonomie genoß, bevor der Zar 1831 einfach die Verfassung von 1815 aufhob und fortan mit Polen unter dem Deckmantel des Ausnahmezustandes machte, was er wollte.

Während verschiedener Versuche der Wiederherstellung der nationalen Eigenständigkeit tauchte das traditionelle Wappen mit dem litauischen Reiter in modifizierter Form wieder auf.

Nach dem Ende des Zarenreiches kehrte Polen wieder zum einfachen silbernen Adler auf rotem Grund zurück, lediglich die Krone war Veränderungen unterworfen und die Verteilung der goldenen Tinktur auf nur Krallen oder Beine und Krallen, was aber immer einer gewissen Variationsbreite innerhalb gestalterischer Freiheit unterlag.

Literatur
Festung Königstein: http://www.festung-koenigstein.de/museum/de/
Rundgang auf der Festung:
http://www.festung-koenigstein.de/museum/de/rundgang/index.php?navid=38
Heinz Quinger, Desden und Umgebung, DuMont Kunstreiseführer, 5. Auflage 2007, ISBN 978-3-7701-4028-2
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere die Bände Landesfürsten und Fürsten
Hans Masalskis, Kleine Geschichte Litauens: Im Zusammenhang mit seinen Nachbarn - Mit zahlreichen Bildern und Dokumenten (Taschenbuch) 2005
Niendorf, Mathias: Das Großfürstentum Litauen. Studien zur Nationsbildung in der Frühen Neuzeit (1569-1795), Veröffentlichungen des Nordost-Instituts. Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2006.
Günther Schäfer, Litauen: Das komplette Handbuch für individuelles Reisen und Entdecken auch abseits der Touristenpfade (Broschiert), Reise-Know-how
Manfred Hellmann, Grundzüge der Geschichte Litauens, 1966
Manfred Hellmann, Grundzüge der Geschichte Litauens und des litauischen Volkes, 1990
Michael Garleff, Die baltischen Länder: Estland, Lettland, Litauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart 2001
Litauen und seine Geschichte:
http://www.litauen-vilnius.de/index.html
Russisches Wappen:
http://www.armorial.ru/imperial_de_m.htm#_imperial
Litauisches Wappen:
http://flagspot.net/flags/lt).html
Das polnische Wappen aus philatelistischer Sicht:
http://h-u-m-rueegg.li/marken-pl.htm

Rautenkranz - Vytis

Königstein (Sachsen): Postdistanzsäule - weitere Wappen im Stadtbild

Sächsische Wappen (1), Ernestinische Linie - Sächsische Wappen (2), Albertinische Linie

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