Bernhard
Peter
Iwan,
Pishtaq, Vier-Iwan-Schema - typische Elemente der ostislamischen
Architektur
Iwan,
Liwan, Aiwan:
Architektonisches Element der
ostislamischen, insbesondere der persischen und
zentralasiatischen Baukunst. Ein Iwan ist eine dreiseitig
geschlossene, aber an der vierten Seite bis oben gänzlich offene
Halle, eine dreiseitig eingefaßte und eingewölbte (meist eine
Spitztonne als Gewölbe) Raumnische mit einer portalähnlichen
Öffnung.
Damit ist er ein Übergangsbereich, der weder eindeutig ein Innenraum noch eindeutig ein Außenraum ist. Vielmehr ist es ein Raum, dessen Charakter gemischt drinnen/draußen bzw. gemischt privat/öffentlich ist.
Die Dimensionen eines Iwans können gigantisch sein und erheblich über die Nachbar-Raumkompartimente hinausgehen. Meist ist ein Iwan die Vorzone zu einer überkuppelten Halle. Der Iwan entstand aus einem reich gestalteten Portal, das an Tiefe zunahm und schließlich die Form einer tiefen Nische annahm.
Ein Iwan stellt häufig ein zentral angeordnetes Element einer Hoffassade dar und verleiht, insbesondere bei mehrfachem Vorkommen, einem Hof Axialität und Akzent.
Diese Bauform ist ursprünglich zentralasiatischen Ursprungs und wurde dann von den Parthern im 2./1. Jh. v. Chr. in den mittleren Osten eingeführt. Von den Sassaniden wurde er in die Architektur übernommen das berühmteste Beispiel ist die gewaltige Halle des Palastes von Ktesiphon. Damit erlangte der Iwan die Bedeutung als auf einen Vorhof hin in ganzer Höhe geöffnete Thronhalle, als architektonisches Symbol der Macht.
Daneben hatte ein Iwan aber auch immer die Funktion eines schattenspendenden Aufenthaltsortes im Halbfreien, eines geschützten Aufenthaltsraumes gehobener Bedeutung. Wohnhäuser begnügen sich meist mit einem einzigen Iwan, der als schattenspendende Halle zum Aufenthalt besonders im heißen Sommer genutzt wird, deshalb ist er auch oft nach Norden ausgerichtet. Hier fanden gerne häusliche Empfänge statt, entsprechend dem gemischt privaten/öffentlichen Charakter.
In Medresen wurde der Iwan gerne als Unterrichtsraum oder auch Gebetsraum benutzt.
Vier-Iwan-Schema:
Wenn um einen rechteckigen
Innenhof kreuzförmig vier Iwane so angeordnet sind, daß sich
jeweils zwei gegenüberstehen, so spricht man von einem
Vier-Iwan-Schema. Dieses Schema findet sich bei vielen Moscheen,
Medresen oder auch Karawansereien in Iran und Zentralasien.
Abb.: Vier-Iwan-Schema, schematisch
Madrasa,
Medrese:
Arab. Schule,
islamische Lehrstätte für Theologie und Recht, islamisches
Kolleg. Architektonische Einheit aus Studentenunterkünften und
Unterrichtsräumen, meist um einen zentralen rechteckigen Hof
herumgebaut. In Usbekistan folgt sie meistens mehr oder weniger
ausgeprägt dem Vier-Iwan-Schema: In der Mitte jeder Hoffassade
befindet sich ein Iwan. Das kreuzförmige Schema eignet sich
besonders gut für die Medresen, weil man so vier Räume für
Unterweisung erhielt, während der Raum zwischen den
einspringenden Ecken zwischen den Iwanen für den Einbau der
Zimmer bzw. Zellen der Studenten oder Lehrer genutzt werden
konnte. Die eigentliche Wurzel dieses Bautyps, der seinen
Siegeszug in der ostislamischen Welt antrat, ist das
traditionelle Haus von Khorasan. Die Medrese entstand zu Beginn
des 10. Jh. als Privatschule in Khorasan, wo sie im Privathaus
des Lehrers untergebracht gewesen sei. Ca. Mitte des 11. Jh. kam
die religiöse Schule aus dem privaten Bereich heraus und wurde
zu einer öffentlichen Schule unter staatlicher Aufsicht, woran
die Seldschuken einerseits und die Ghaznawiden andererseits nicht
unerheblichen Anteil hatten, denn sie machten die Medrese zu
einer politischen Institution unter staatlicher Kontrolle und
damit zu einem wirksamen Instrument der orthodoxen
Neuorientierung. Die älteste Medrese wurde 1067 in Bagdad von
Nizam ul-Mulk gegründet. Sie ist mittlerweile spurlos
untergegangen. Aber bei einer anderen, ebenfalls sehr alten
Medrese, der ca. 1080 - 1092 entstandenen Medrese in Chargird in
Khorasan kann man in den Trümmern das Schema der vier Iwane
erkennen. Zierminarette können die Medrese an zwei oder sogar
vier Ecken schmücken.
Abb.: Typische Vier-Iwan-Madrasa: Ulugh-Beg-Madrasa in Samarqand, Erdgeschoß
Medresen-Moschee:
Moschee, die dem
Vier-Iwan-Schema folgt, die allgemein vom selben Bautyp wie eine
Medrese ist. Die Moschee mit vier Iwanen hat sich im ersten
Viertel des 12. Jahrhunderts herausgebildet. Die erste Moschee,
bei der die Vier-Iwan-Anlage vorkommt, ist die Große Moschee von
Isfahan, der Hauptstadt der Seldschuken im Iran (1120 - 1121,
anläßlich eines teilweisen Neubaus nach Brand). Das klassische
Schema hat nur vier Iwane, bei der Übertragung des Konzeptes auf
die Moschee kommt ein überkuppelter Raum hinter dem Qibla-Iwan
hinzu (Beispiele: Kalon-Moschee in Bukhara, große Moschee in
Herat).
Abb.: Typische Medresen-Moschee: Die Kaljan-Moschee in Bukhara
Eine weitere Modifikation des Schemas fügt auch den Seiten-Iwanen überkuppelte Räume hinzu, wie z. B. in der Bibi Khanum Moschee in Samarqand.
Abb.: Typische erweiterte Medresen-Moschee: Bibi-Khanum-Moschee in Samarqand, Rekonstruktion, erweitertes Vier-Iwan-Schema.
Pistaq,
Pishtaq, Pishtak:
Persisch für
Portal. Meist über dem Haupteingang oder in der
zentralen Achse eines Bauwerkes, evtl. mit vertiefter Halle
(Portalnische oder Iwan), die wie von einem Rahmen umschlossen
wird, typisches Element der ostislamischen Architektur (Iran,
Turkestan). Es handelt sich baulich um ein rechteckiges
Mauerelement, das eine schmälere (Portal) oder tiefere (Iwan)
offene Vorhalle umschließt und sich über die Dachlinie erhebt.
Iwan oder Portalbereich sind Raum, Pistaq ist der rechteckige
Rahmen, die Einfassung und architektonische Hervorhebung
desselben. Ein Pishtaq bekrönt ein Portal oder einen Iwan,
bildet manchmal die Basis für Minarette (ilkhanidische
Bautradition); in der timuridischen Architektur werden diese
daneben gesetzt und vom Boden aus hochgezogen. Ein Pishtaq ragt
häufig als markantes rechteckiges Bauelement weit über die
umliegenden Gebäude und Bauteile hinaus.
Iwan
oder Portalnische?
Häufig wird in der Literatur
eine vertiefte Portalnische auch als Iwan bezeichnet. Andere
Autoren trennen das. Von der reinen Bauform mag die Gleichsetzung
gerechtfertigt sein, und es gibt auch viele Gemeinsamkeiten:
Aber hinsichtlich Form und Funktion gibt es auch Unterschiede, die eine Differenzierung rechtfertigen:
Kompliziert wird die Diskussion durch die Einbindung eines Bauwerks in den städtebaulichen Kontext. Es ist nämlich sehr wohl möglich, daß zwei Fassaden aufeinander bezogen werden (Kosh-Prinzip). Dann wird der öffentliche Zwischenraum gewissermaßen wieder zu einem Innenraum, der von beiden Portalnischen symmetrisch und in einer Achse wie von zwei Hof-Iwanen eingefaßt wird. Das zeigt, wie fließend die Übergänge in der Tat sind. Welche Bezeichnung zu wählen ist, hängt von der jeweiligen architektonischen Situation ab und ist mit Sicherheit nicht scharf abzugrenzen.
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