Bernhard Peter
Gestalten mit Zinnen in der Heraldik (Teil 1)

Verschiedene Typen von Zinnen
Die Zinne ist ein vielseitiges Gestaltungselement in der Heraldik. Sie ist typischerweise kein eigenständiges Element, keine gemeine Figur, sondern ein modifizierendes Element beliebiger Grenzlinien. Die Grundlage bei der Gestaltung mit Zinnen ist immer ein Heroldsbild, dessen ansonsten stetig verlaufende Begrenzung durch das Zinnenelement variiert wird. Eine isolierte "Zinne" gibt es also nicht, wohl aber gezinnte Balken, Teilungen, Spaltungen, Schrägteilungen, Borde, Schnitte.

Eine Standardzinne besitzt eine mehr oder weniger quadratische Form, und sie ist, sofern nicht anders angegeben, nach oben gerichtet; die Begrenzungslinie des Heroldsbildes wird also nach oben quadratisch oder annähernd quadratisch ausgezogen. Zur Erläuterung der unterschiedlichen Formen wird das Prinzip der Zinne in der nachfolgenden Serie auf eine einfache Teilung angewandt. Eine solche Teilung mit einer Zinne wird im Französischen "coupé à un créneau" genannt, im Englischen "per fess escartelly".

Folgt die Zinne nicht mehr oder weniger der quadratischen Form, sondern ist weit breiter als hoch bei einer Teilung (bzw. weit höher als breit bei Anwendung auf eine Spaltung), so spricht man von einer Flachzinne. Eine Flachzinne wird im Französischen "coupé crénelé d'une pièce plate" genannt, im Englischen "per fess with a reduced embattlement".

Folgt die äußere Form der Zinne einer aus dem Tischlerhandwerk als Verzahnung bekannten Schwalbenschwanzform, so nennt man sie eine Breitzinne. Der Ausdruck Schwalbenschwanzzinne kann zwar auch in der Literatur gefunden werden, doch sollte er nicht benutzt werden, da er auch gelegentlich für welsche Zinnen (s. u.) Verwendung findet und damit uneindeutig ist. Eine Breitzinne ist also eine Zinne, die oben breiter ist als an der Basis, sich also nach oben verbreitert. Eine Teilung mit Breitzinne wird im Französischen "coupé par une mortaise" genannt, im Englischen "per fess with one dovetail".

Die einfache quadratische bis leicht rechteckige Form einer Standardzinne kann weiter in ihrem Umriß modifiziert werden. Wird die obere Begrenzungslinie bauchig nach außen ausgezogen, spricht man von einer gepfropften Zinne, französisch "coupé à un créneau pommeté" genannt, im Englischen "per fess with an embattlement pommy". Das Gegenteil mit einer bauchig eingezogenen Zinne nennt man eine Jochzinne.

Ein, wie sich unten zeigen wird, sehr schönes und vielgestaltiges Zinnenelement ist die Kreuzzinne. Cave: Zur Kreuzzinne gehören das Kreuz und der flache Sockel, denn sonst wäre es nur ein Kreuz. Eine solche Teilung mit einer Kreuzzinne wird im Französischen "coupé à un créneau en croisette" genannt, im Englischen "per fess with an embattlement terminating in a crosslet".

Der obere Abschluß einer Zinne kann auf vielerlei Arten modifiziert werden. Eine Sonderform ist die springbrunnenförmig nach rechts und links symmetrisch ausgezogene Umrißform einer rochförmigen Zinne. Der Name ist abgeleitet von der Schachfigur Roch, Turm. Eine solche Teilung mit einer rochförmigen oder auch rochenförmigen Zinne wird im Französischen "coupé à un créneau en forme de roc d'échiquier" genannt, im Englischen "per fess with an embattlement terminating in form of a chess-rook".

Wer kennt sie nicht aus Südtirol und Norditalien, aus Verona (z. B. Ponte Scaligero), aus Sirmione am Gardasee - die typischen Ghibellinen-Zinnen mit ihrer keilförmigen Einkerbung, benannt nach den Waiblingern, Parteigängern des Kaisers. Wegen ihres typischen, regional begrenzten Vorkommens nennt man sie welsche Zinnen oder Welschzinnen, nach ihrer Form auch Kerbzinnen. Das Gegenteil sind die Guelfen-Zinnen, die der Befestigungen der Parteigänger des Papstes, benannt nach den Welfen, Zinnen, die der normalen Rechteckform folgen. Im Detail war das zwar ein bißchen komplizierter und politisch verwickelter als gemeinhin dargestellt, so gab es weiße Guelfen und schwarze Guelfen mit unterschiedlicher politischer Einstellung, aber das soll hier nicht vertieft werden. Tatsache ist, daß diese typische Zinnenform, die Schwalbenschwanzzinne, Kerbzinne oder Scaligerzinne oder welsche Zinne als Motiv Eingang in die Heraldik gefunden hat. Der Ausdruck Schwalbenschwanzzinne kann zwar auch in der Literatur gefunden werden, doch sollte er nicht benutzt werden, da er auch gelegentlich für Breitzinnen (s. o.) Verwendung findet und damit uneindeutig ist. Eine solche Teilung mit einer welschen Zinne wird im Französischen "coupé à un créneau entaillé / gibelin" genannt, also ein klarer Bezug zu den Ghibellinen, im Englischen "per fess with an embattlement fitchy double", wo die Form mehr im Vordergrund der Bezeichnung steht.

Das Gegenteil, eine Zinne, die nicht eingekerbt, sondern oben spitz ausgezogen ist, wird Spitzzinne genannt, im Französischen hieße die abgebildete Teilung "coupé à un créneau sommé d'une pointe", im Englischen "per fess with an embattlement fitched".

Einfache Zinnen
Sofern keine differenzierenden Angaben im Blason gemacht werden, ist eine Zinne immer eine einfache Standardzinne mit mehr oder weniger quadratischer Form, und sie ist, sofern nicht anders angegeben, nach oben gerichtet. Abweichungen von dieser Standardform werden gemeldet. Eine solche Abweichung wäre eine Zinne, die die Teilungslinie nicht nach oben, sondern nach unten auszieht, dann spricht man von einer gestürzten Zinne oder auch von einer Scharte. Eine solche Teilung mit einer Zinne wird im Französischen "coupé à une brèche" genannt, eine Bresche, im Englischen "per fess escartelly reversed", eine umgekehrte Zinne.

Natürlich geht die Gestaltung erst richtig los, wenn das Element mehrfach verwendet wird. Bei geringen Anzahlen wie einer oder zwei oder auch drei Zinnen benennt man üblicherweise die Anzahl der Zinnen oder Scharten. Also: Mit zwei Zinnen geteilt, mit zwei gestürzten Zinnen geteilt etc., bei mehreren bis vielen Zinnen zählt man sie nicht mehr, sondern man spricht nur noch von "gezinnt" oder "zinnenförmig geteilt" oder von einer "Zinnenteilung". Es erfüllt auch die Kriterien eines Zinnenschnittes, deshalb ist auch diese Bezeichnung legitim. Im Französischen hieße "gezinnt geteilt" "coupé crénelé", im Englischen "per fess embattled", natürlich bei anderen Anwendungen als wie hier auf eine Teilung "XYZ crénelé" bzw. "XYZ embattled".

Position einer Zinnenteilung
Wie eingangs erläutert, kann das Prinzip der Zinne jede beliebige Linie modifizieren, kann also auf alle Schildteilungen angewandt werden. Dadurch ergeben sich je nach Lage einer Horizontalteilung unterschiedliche Bezeichnungen der neuen Motive, die sich prinzipiell aus Angabe der Basisteilung, Teilung, Spaltung, Schildhaupt, Schildfuß etc. einerseits und der Art der Bezinnung andererseits ergeben.

Betrachten wir fünf grundsätzliche Zinnenteilungen von oben nach unten: Liegt die Teilung etwa auf Höhe von 2/7 - 1/3 der Schildhöhe, von oben gemessen, handelt es sich um ein Zinnenschildhaupt. Etwas tiefer, aber nicht in der Mitte, wäre es eine erhöhte Zinnenteilung, dann folgt die normale Teilung ohne zusätzliche Angaben in der Schildmitte, etwas tiefer liegt die erniedrigte Zinnenteilung, und liegt schließlich die Teilung etwa auf Höhe von 2/7 - 1/3 der Schildhöhe, von unten gemessen, handelt es sich um ein Zinnenschildfuß. Üblicherweise liegt die Basislinie auf der Höhe der normalen Teilung mit gerader Linie, und die Zinnen werden nach oben ausgezogen. Je nach Umständen im Detail kann das optische Gleichgewicht jedoch geringfügige Anpassungen im Namen des harmonischen Gesamteindrucks erfordern. Statt "Zinnenteilung" kann auch synonym der Ausdruck "Zinnenschnitt" verwendet werden. Die Anzahl der Zinnen im Detail unterliegt, sofern keine präzisierenden Angaben im Blason erfolgen, der künstlerischen Freiheit.

Diese Begriffe sind sinngemäß auf alle anderen Fälle anzuwenden, sei es, daß die Form der Zinne eine andere als die der Standardzinne ist, sei es, daß die zu modifizierende Linie keine Teilung ist, sondern eine Spaltung o.ä.

Zinnenbalken und gezinnte Balken
Der nächste Schritt ist, daß wir nicht eine Teilung mit Zinnen modifizieren, sondern einen Balken an seinen äußeren Begrenzungslinien. Aus einem Balken wird so ein Zinnenbalken. Der Ausdruck "Zinnenbalken" würde zwar gemäß dem heraldischen Grundsatz den einfachsten Fall einer gezinnten oberen Begrenzungslinie des Balkens entsprechen, doch um Mißverständnisse zu vermeiden, gibt man die Position der Zinnen an. Hat der Balken also oben und nur oben Zinnen, ist es ein Zinnenbalken oder besser ein oben gezinnter Balken (französisch: "fasce crénelée", englisch "fess embattled"). Befinden sich die Zinnen nur unten, handelt es sich in jedem Fall um einen unten gezinnten Balken (französisch: "fasce bastillée", englisch "fess embattled on the lower edge").

Befinden sich die Zinnen auf beiden Seiten, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Die Zinnen können synchron nach oben und nach unten ausgezogen sein, so daß sich die beiden Begrenzungslinien des Balkens spiegelbildlich verhalten, dann spricht man von einem Gegenzinnenbalken (französisch: "fasce brétessé", englisch "fess bretessed"). Stehen die Zinnen aber versetzt, so daß die Höhe des Balkens nicht an- und abschwillt, sondern immer gleich bleibt, so daß sich die beiden Begrenzungslinien des Balkens durch einfache Vertikalverschiebung ineinander überführen lassen, dann spricht man von einem Wechselzinnenbalken (französisch: "fasce contre-brétessé", englisch "fess embattled-counter-embattled".

Gleiches gilt für die Mehrzahl, man kann beliebig oben gezinnte, unten gezinnte, gegengezinnte und wechselgezinnte Balken miteinander kombinieren. Dabei können alle die gleiche Farbe haben, es können einzelne farblich abweichen, es können diese Balken auch zur Teilung der Grundfläche verwendet werden.

Mit den wie auch immer gezinnten Balken kann man alles machen, was man auch mit normalen Balken machen kann, man kann auch einen Zwillingsbalken in gezinnter Form zeichnen, also zwei beiderseits gezinnte Balken in engem Abstand übereinander.

Gezinnte Balken lassen sich auch mit gezinnten Teilungen kombinieren, wodurch sich der interessante Effekt einer nur durch Zinnen bestimmten Schildhälfte ergibt. Bei mehrfarbigen Kompositionen kann es sinnvoll und blasonierungstechnisch kürzer sein, wenn man im logischen Aufbau nicht von Balken, sondern von abgetrenntem Schildfuß oder Schildhaupt ausgeht. Die Möglichkeiten sind unendlich.

Im Prinzip gilt das hier für Balken Gesagte auch für Pfähle. Hat der Pfahl nur heraldisch rechts Zinnen, ist es ein rechts gezinnter Pfahl (französisch: "pal crénelé", englisch "pale embattled"). Befinden sich die Zinnen nur links, handelt es sich um einen links gezinnten Pfahl. Befinden sich die Zinnen auf beiden Seiten, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Die Zinnen können synchron nach rechts und nach links ausgezogen sein, so daß sich die beiden Begrenzungslinien des Pfahles spiegelbildlich verhalten, dann spricht man von einem Gegenzinnenpfahl. Stehen die Zinnen aber versetzt, so daß die Breite des Pfahles nicht an- und abschwillt, sondern immer gleich bleibt, so daß sich die beiden Begrenzungslinien des Pfahles durch einfache Horizontalverschiebung ineinander überführen lassen, dann spricht man von einem Wechselzinnenpfahl.

Musterbildung mit einfachen Zinnen
Ein Muster entsteht durch die Überlagerung von zwei Linienscharen verschiedener Grundrichtungen. Man kann nun eine einfache vertikale Linienschar wie eine Serie von Spaltungen mit einer gezinnten horizontalen Linienschar überlagern, um Muster zu erzeugen, die zwar komplex erscheinen, sich aber dennoch aus einfachen repetitiven Einheiten zusammensetzen und relativ übersichtlich blasonieren lassen. Einige Beispiele, aus fünf Zinnenteilungen übereinander abgeleitet:

Literatur und Quellen:
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München 2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4 (Deutschland)

Deutsche Wappenrolle, Band 1-71, Degener Verlag
Wappenbilderordnung, Symbolorum armoralium ordo, hrsg. vom HEROLD, bearbeitet von Jürgen Arndt und Werner Seeger, Skizzen von Lothar Müller-Westphal, Verlag Degener, 2. Auflage 1996, Band 1 und 2

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