Bernhard Peter
Gestürzte Wappen

Was ist ein gestürztes Wappen?
Ein gestürztes Wappen ist nicht etwa ein zu Boden gefallenes Wappen, sondern in der Heraldik bezeichnet der Begriff "stürzen" den Vorgang des Umdrehens. Ein gestürztes Wappen ist also ein Wappen, das - in sich absolut heraldisch richtig dargestellt - um 180 Grad gedreht dargestellt wird. Solche Wappen wird man nie an Häusern, Burgen oder Schlössern finden, sondern eher im Bereich der Funeralheraldik: Auf Grabmälern, Epitaphien, Grabsteinen, Todesanzeigen, Grabaltären. Hier kennzeichnet das gestürzte Wappen nicht nur die Tatsache, daß der Wappeninhaber leider von uns gegangen ist, sondern daß mit ihm auch das Geschlecht erloschen ist. Erloschen bedeutet im traditionellen Sinne, daß es keine Nachfahren dieses Geschlechtes im Mannesstamme mehr gibt, weibliche Nachfahren bleiben davon unberührt, aber da Wappenrecht dem Namensrecht folgt und Heraldik früher streng agnatisch gehandhabt wurde, galt ein Geschlecht, in dem es keine männlichen Nachkommen des betreffenden Namens mehr gibt, als ausgestorben, ungeachtet der eventuell vorhandenen Töchter, die sich unter anderem Namen strahlender Gesundheit erfreuten. Wichtig ist auch, daß das nicht nur für die Nachkommen des Verstorbenen gilt, sondern für das Geschlecht als Ganzes. Wenn der Verstorbene der Letzte seines Stammes und Namens war, dann kann der Schild gestürzt werden. Richtig: Es ist ein Kann, kein Muß. Ein Kann, das vor allem auch von den jeweiligen zeitgeschichtlichen Umständen abhängt, denn diese Sitte kam erst spät auf.Ein Gegenbeispiel: Rudolf von Scherenberg, Bischof von Würzburg: Er war der Letzte seines Stammes, und das Wappen an seinem Epitaph im Würzburger Dom ist ganz normal dargestellt. In anderen Ländern, z. B. Frankreich, ist z. B. diese Sitte unüblich. Es gab auch noch andere Möglichkeiten, auf das Erlöschen eines Stammes hinzuweisen, z. B. indem man das Wappen oder die Platte mit einem künstlichen Riß versah, ein "Zerbrechen des Schildes".

Photo-Beispiel: Franz Georg Freiherr von Götzengrien
Dieses Beispiel stammt aus Landshut in Bayern: Es ist ein Gedenkstein für Franz Georg Freiherr von Götzengrien, kurfürstlicher Kämmerer und Regimentsrat zu Landshut, aus dem Jahre 1721, der in die nördliche Außenwand der Pfarrkirche St. Martin eingemauert ist. Die Inschrift benennt den Wappenträger: "Ewig lebente Gedechtnus Des Freyen Reichs Hochwollgebohrnen Herrn Herrn Francisci Georgi Henrici Reichs Freiherrn von Götzengrien zu Furttern und Wolfsegg, Herrn zu Andermanstorff. Der Churfürst Durchleicht in Bayrn Cammerer und Regiments Rhat Landtshuet, Welcher den 11. Sept. 1721 in Gott Seelig verschiden ist." Und sie betont ferner ausdrücklich, daß mit ihm das Geschlecht erloschen ist: "Diß uralt Ritterliche Haus von Heldenmueth entsproßen, mit Ihme ist geloschen aus, ligt in der Saarg verschloße Sein Tugent Sein All. Was die Erde thuet verhillen wil im Himmel Gott erfillen." Daß es noch weibliche Anverwandte gab, so starb erst 1755 Frau Cäcilia von Vieregg, geb. von Götzengrien, die das Wappen Götzengrien im Allianzwappen auch über den Tod des Franz Georg hinaus führte, interessiert bei heraldischer Betrachtung nicht: Das Geschlecht war mit Franz Georg erloschen.

Das Wappen selber, in der unteren Abbildung auf dem Kopf, also wieder lesbar abgebildet, ist das der Freiherren von Götzengrien (Siebmacher, Band Bayern 1 Seite 14 Tafel 11, Götzengien, Gözngrün zu Furtarn). Das Wappen ist geviert:

Das heißt, daß das Wappen Götzengrien anläßlich der Erbschaft geviert wurde, nicht aber bei der Erhebung in den Freiherrenstand im Jahre 1684 weiter verändert wurde. Zwei Helmzieren trägt das Wappen:

 

Landshut, Pfarrkirche St. Martin

Gedenkstein für Franz Georg Freiherr von Götzengrien

Ausschnitt zum besseren Erkennen um 180 Grad gedreht

Ein Ort, wo uns die Familie Götzengrien noch begegnet, ist Tutzing am Westufer des Starnberger Sees: Reichsfreiherr Maximilian Ernst von Götzengrien ließ am Seeufer ein barockes Schloß bauen.

Photo-Beispiel: Johann Philipp Freiherr Echter von Mespelbrunn
Im nördlichen Seitenschiff des Kiliansdomes befindet sich ziemlich nah am westlichen Ende an der Rückseite eines Mittelschiffpfeilers eine heraldische Rarität, nämlich ein gestürztes Wappen für den Letzten seines Geschlechts. Hier ist das Grabdenkmal für Johann Philipp Freiherr Echter von Mespelbrunn (1646-16.3.1665), der im Alter von nur 18 Jahren den Mannesstamm der Familie, die eine Generation vorher noch einen bedeutenden Würzburger Fürstbischof gestellt hatte, beschloß. Die Familie ist mit mehreren Epitaphien im Kiliansdom vertreten, allen voran mit Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, und hier begegnen wir dem letzten männlichen Sproß der Familie, dem erstgeborenen Sohn von Franz Freiherr Echter von Mespelbrunn (1621-1653) Herr zu Gaibach, Ettershausen und Schwarzenau, und dessen Frau Maria Elisabeth von Kerpen, die er 1644 geheiratet hatte. Zwei Geschwister, Sebastian Werner und Anna Magdalena, waren als Kinder verstorben; sie lebten nur wenige Wochen.

 

Die Inschrift lautet: "AVDI VIATORI HIC CVM IOANNE PHILIPPO ECHTER DE ET IN MESPELBRVN ETC. FRANCIAE ORIENTALIS MARESCHALLO HAEREDITARIO QVI XVIII ANNORVM EODEM QVO NATVS EST DIE XVI MAR OBIIT A MDCLXV TOTA FAMILIA IACET DISCE NIL SVB SOLE PERMANERE ET EI BENE PRECARE", sie ist zugleich Mahnung an den Reisenden, daß nichts unter der Sonne auf ewig Bestand hat.

Johann Philipp Freiherr Echter von Mespelbrunn, Erbmarschall des Herzogtums Ostfranken, vereinigte nach dem Tod seines Vaters alle Besitzungen dieser Linie in seiner Hand, Gaibach, Ettershausen, Schwarzenau, Zellingen, Veitshöchheim und Breitensee. Die familieneigenen Allodialgüter dieser Familienlinie gingen über die vier Schwestern seines Vaters 1665 an andere Familien:

Die Lehensgüter dieser Linie hingegen fielen an die jeweiligen Lehnsherren zurück, das waren u. a. die Grafen von Erbach und das Hochstift Würzburg. Die letzte Familienangehörige überhaupt in weiblicher Linie war Maria-Ottilia Echter von Mespelbrunn (1629-1701), eine Enkelin Peters III. aus der Valentinschen Linie. Über sie kamen das Stammgut und das Stammschloß, das Wappen und der Name durch Vereinigung 1698 an die von Ingelheim, die sich fortan von Ingelheim gen. Echter von Mespelbrunn nannten. Maria-Ottilias Ehemann war Philipp Ludwig von Ingelheim (1627-1662), kurmainzischer Rittmeister, Rat und Oberamtmann zu Miltenberg, und die daraus entstandene Linie erlangte 1680 den Reichsfreiherrenstand und 1737 den Reichsgrafenstand.

Das zentrale, gestürzte Echter-Wappen zeigt in Blau einen silbernen, mit drei blauen Ringen belegten Schrägbalken, auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein Paar silberner Büffelhörner, jeweils mit einen silbernen, mit drei blauen Ringen belegten Schrägbalken belegt, hier rechts schrägrechts und links schräglinks (meist andersherum). In den vier Ecken der Platte befinden sich vier ovale Schildkartuschen der Ahnenprobe, jedes mit einem kleinen Schriftband namentlich zugeordnet. Alle Wappenschilde sind aufrecht, aber geneigt, die ersten drei nach innen, der letzte (optisch unten rechts) nach außen. Heraldisch oben rechts ist der Schild für Philipp Christoph Freiherr Echter von Mespelbrunn (1583-1647), den Großvater väterlicherseits. Er war würzburgischer Amtmann zu Rothenfels. Seine Eltern waren Dietrich Echter von Mespelbrunn (23.1.1554-1608) und Susanna Marschall von Pappenheim; diese beiden hatten 1577 den Bund der Ehe geschlossen. Der genannte Dietrich war der jüngste Bruder des Fürstbischofs Julius, hatte Besitzungen in Zellingen, Veitshöchheim, Breitensee, Büchold bei Arnstein und Kirchschönbach. Er war ebenfalls würzburgischer Rat und Amtmann zu Rothenfels. Der Schild zeigt das Echter-Wappen wie beschrieben. Heraldisch rechts unten ist das Wappen für Philipp Christophs Frau, die Großmutter väterlicherseits, das war Anna Margaretha von Bicken; sie hatten am 9.6.1608 geheiratet. Das Bicken-Wappen hat in Schwarz zwei silberne Balken. Die hier nicht dargestellte Helmzier wären zwei wie der Schild bez. Büffelhörner zu schwarz-silbernen Helmdecken. Anna Margaretha war die Tochter von Jobst Philipp von Bicken, kurmainzischer Rat und Amtmann zu Steinheim, und dessen Ehefrau Anna Kämmerer von Worms gen. von Dalberg. Der Schild heraldisch links oben steht für den Großvater mütterlicherseits, Johann Ludwig von Kerpen, kurmainzischer Jägermeister. Sein Wappen ist silbern mit einem roten Zickzackbalken. Der Schild heraldisch links unten steht schließlich für die Großmutter mütterlicherseits, Anna Catharina von Cronberg. Ihr Wappen ist geviert, Feld 1: in Rot eine goldene Krone, Feld 2 und 3: in Silber 4 (2:2) blaue Eisenhütlein (silbern-blauer pfahlförmig angeordneter Eisenhutfeh), Feld 4: ledig und rot.

Photo-Beispiel: Wilhelm Graf von Zimmern
Dieses bronzene Epitaph in der katholischen Pfarrkirche St. Martin zu Meßkirch ist für Wilhelm Graf von Zimmern (1549-1594). Die Inschrift in dem Gebälk über dem Hauptfeld besagt: "EPITAPHIVM / ADMODVM ILLVSTRIS ET GENEROSI DOMINI DOMINI GVLIELMI / COMITIS ET DOMINI IN ZIMBERN WILDENSTAIN ET MÖSKIRCH / DOMINI IN OBERNDORFF ET LIBERO BARONATV SCHRAMBERG ETZ(ETERA)". Diese Inschrift wird von zwei grotesken Masken flankiert.

Graf Wilhelm kniet in Rüstung halb schräg auf dem Hinterteil eines vor ihm liegenden Löwen, dem Gekreuzigten zugewandt. Hinter ihm tritt sein Pferd vor einem Baum aus dem Rand hervor, diese Verewigung seines Pferdes ist eine Besonderheit. Helm und Panzerhandschuhe sind im rechten unteren Eck abgelegt. Den Hintergrund bildet eine flach reliefierte Stadt (vielleicht ist Jerusalem gemeint?) vor einem Kranz von markanten, burgengekrönten Bergen, darüber ein Himmel mit Wolken und einer gesichteten Sonne.

 

Oben im Aufsatz ist die große Besonderheit dieses Epitaphs, das gestürzte Wappen als Zeichen des Erlöschens des Geschlechts, denn Graf Wilhelm war der letzte der Grafen von Zimmern, und mit ihm starb die Familie aus. Wir sehen das um 180° gedrehte Wappen der Grafen von Zimmern, geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Blau einwärts ein goldener, rotgezungter Löwe mit einer silbernen, rot gestielten Hellebarde oder Partisane in den Pranken (Stammwappen der Herren von Zimmern), Feld 2 und 3: in Silber einwärts ein roter Löwe (Herrschaft Wildenstein), Herzschild: innerhalb eines rot-silbern gespaltenen Bordes silbern-rot gespalten mit einem golden bewehrten Doppeladler in verwechselten Farben (Truchsessen von Rohrdorf). Das entsprechende Wappen wird beschrieben in der Chronik der Grafen von Zimmern (Cod. Donaueschingen 580a, 580b), von Froben Christoph von Zimmern im 16. Jh. angefertigt, ferner im Alberti S. 1103 und im Siebmacher Band: WüA Seite: 112 Tafel: 62.

 

Es wird nur ein einziger gekrönter Helm geführt, zu rot-silbernen Decken ein wachsender, einfacher gekrönter roter Adler mit silbernen Flügeln, die Krone mit einem naturfarbenen Pfauenfederbusch besteckt. Die Helme für Zimmern und Wildenstein sind nicht im direkten Kontext zu sehen.

Das gestürzte Wappen wird oval eingefaßt von einem Perlstab und einem üppigen Rahmen aus Ornamenten, Masken (eine kleine oben in der Mitte, zwei große an den Seiten), Rosetten und zwei Engeln und flankiert von zwei nach außen gerichteten Löwen, die die beiden "fehlenden" Helme halten, und auch diese beiden Helme sind gestürzt, mit der Helmzier nach unten gekehrt: Helm 1 (rechts): zu rot-goldenen Decken ein wachsender roter Hirschrumpf mit goldenem Geweih und roter Zunge (Stammhelm), Helm 2 (links): zu rot-silbernen Decken ein wachsender roter Hirschrumpf mit silbernem Geweih und roter Zunge (Wildenstein).

In der Sockelzone beschreibt eine lateinische Inschrift das Leben des letzten Grafen: "TERRIBILIS QVONDAM AVSONIO GENS CIMBRICA BELLO / NOSTRO DEPOSVIT MITIOR ARMA SOLO / EX QVA CAESAREO COMITIS DIPLOMATE FACTI / CIMBRICI IN OCCIDVA NOBILE STEMMA PLAGA / QVORVM CVM VIRTVS FASTIGIA SVMMA PETISSET / MORS HEV POSTREMVM PRESSIT AVARA VIRVM / GVILHELMVM A CIMBRIS COMITEM QVI NEMPE PROFECTVS / ITALIAM PADVAE FATA SVPREMA SVBIT / PERSONIS NVPTAS GENEROSIS OCTO SORORES / RELLIQVIT VIVAS NOBILITATE PARES // STRENVVS HVMANVS FIDEI PATRONVS AVITAE / IVSTVS FACVNDVS MAGNANIMVSQVE FVIT / MISSVS AB IMPERII RVDOLPHO PRAESIDE ROMAM / AD SIXTVM EXPEDIIT IVSSA SERENA PAPAM / CAESAREAM GESSIT PERSONAM FRANCONEFVRTI / ILLVSTRES INTER CVM GRAVITATE VIROS / QVIN ETIAM AVSTRIACA ARCHIDVCI PRAEFECTVS IN AVLA / SVMMVS AB ARCANIS CONSILIISQVE FVIT / ADVECTVM ITALICIS A MORTE CADAVER AB ORIS / HIC IACET AETERNO MENS FRVITVRQVE DEO".

Wo kann man noch gestürzte oder gerissene Wappen finden?
- Großgründlach bei Nürnberg, Kirche, Grabmonument von Johann Sigmund Pfinzing von Henfenfeld 1764, schräg gestürzt, von zwei Putten gehalten

- Kirchensittenbach in Franken, Schloß, Totenschild von Felix Jakob Tetzel 1736, gestürzt

- Nürnberg, St. Egidien, Tetzelkapelle, Totenschild für den am 7.9.1736 verstorbenen Felix Jakob Tetzel von und zu Kirchensittenbach mit gestürztem Tetzelwappen, die Helmzier (Katze) hängt überkopf in die Inschriftentafel hinein

- Niddatal, Kloster Ilbenstadt, Grabplatte für Franz Emmerich Lothar Burkhard Adolf von Carben, der als letztes männliches Mitglied im Jahre 1729 verstarb (Abb. obenstehend). Sein Wappen ist geteilt, oben in Gold ein wachsender roter Löwe, unten in Blau eine silberne Lilie (Aschaffenburger Wappenbuch Tafel 37 Seite 88, 52, Siebmacher Band: NaA Seite: 19 Tafel: 26, Zobel Tafel 62).

- Öhringen, Stiftskirche, Pfedelbach-Epitaph: Künstlicher Riß durch die ganze Platte.

- Hahnstätten, Kirche, Epitaph für Johann Nikolaus von Kronberg

- Schloßkapelle in Gern (Ortsteil von Eggenfelden), Epitaph für Karl Ferdinand Freiherr von Closen, in einer Nische rechts im Altarraum, mit einem gestürzten Wappenschild (gevierter Hauptschild mit geviertem Herzschild)

- Hersbruck bei Nürnberg, Pfarrkirche, Totenschild für den 1771 verstorbenen Gustav Gabriel von Thill mit gestürztem Vollwappen über der Inschriftenkartusche

- Kirche von Strössendorf, Epitaph des Hans von Streitberg, Letzter seines Geschlechts, mit gestürztem Wappen

- Pömer-Epitaph in der Nürnberger Sebalduskirche, Eintrag des letzten Namensträgers Georg Friedrich Wilhelm v. Pömer (1742-1814) mit gemaltem, gestürztem Vollwappen

- gestürztes Paumgartner-Wappen in der Stromer-Stiftung Nürnberg

- Epitaph des Hans Veit von Absberg, gest. 1647 mit 52 Jahren als Letzter seines Geschlechtes, in der Kirche von Absberg. Das gestürzte Vollwappen des Verstorbenen befindet sich in der Mitte zwischen zwei aufrechten Vollwappen seiner Ehefrauen Maria Jakobe Greckin von Kochendorf und Maria Salome von Wöllwarth.

- Stadtpfarrkirche St. Jakobus in Lauda (Lauda-Königshofen): Grabplatte für Philipp Valentin Baron von Lautter, stirpis ultimus, den Letzten seines Geschlechtes. Sein Wappen (v. Lauter, in silbern-blau geteiltem Schild ein roter Schrägrechtsbalken, auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein aus einer liegenden goldenen Mondsichel wachsender grüner Laubbaum) ist gestürzt dargestellt, weil mit ihm das Geschlecht und damit auch das Wappen erlosch. Die vier Vollwappen seiner Ahnenprobe (von Lautter, von Ebersberg gen. v. Weyer, 2x Voit von Rieneck) sind aufrecht dargestellt. Das führt zu einem heraldisch ungewöhnlichen Wechselspiel in der obersten Reihe aufrecht-gestürzt-aufrecht.

- Kloster Bebenhausen, gemaltes Epitaph in der Klosterkirche für den "Edel und Vest Wendel von Ha(i)lfinge(r) zu Pfeffingen der leest diß geschlechts" (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bebenhausen-Kloster102346.jpg). Das gestürzt gemalte Vollwappen der Hailfinger wird beschrieben bei Alberti S. 264-265.

- Tettnang, Kirche St. Gallus, Grabdenkmal für Anton Graf von Montfort (16.11.1723-3.12.1787), den Letzten der Montforts, Sohn von Maximilian Joseph Ernst Graf v. Montfort-Tettnang (20.1.1700 - 17.3.1759) und Maria Antonia Eusebia v. Waldburg zu Trauchburg (27.1.1691 - 3.4.1767). Das Wappen (in zeitgemäßem Stil) ist mitsamt Fahne dahinter auf dem Sockel des Epitaphs gestürzt (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tettnang_St_Gallus_Montfort-Denkmal.jpg).

- Bronze-Epitaph des Wolff von Homburg (-22.10.1566) in der Radolfzeller Kirche, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kunstdenkmäler_KN_1887_S320_Radolfzell_Kirche_Bronceepitaph_des_Wolff_von_Honburg.jpg. Das Wappen für den Letzten des Namens und Stammes zeigt gemäß dem Scheiblerschen Wappenbuch in Gold zwei schwarze Hirschstangen, auf dem gekrönten Helm mit golden-schwarzen Decken ein silberner Flug, vgl. auch Alberti S. 347 und Züricher Wappenrolle. Sie waren Wappengenossen der von Stoffeln. Beschreibung des Epitaphs: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kraus1924/0343

- Ein heute unter den Innenhofarkaden des Schlosses Strassburg (bei Gurk im Bezirk Sankt Veit an der Glan in Kärnten) angebrachter Gedenkstein für den 1426 verstorbenen Vinzenz von Straßburg und seine 1469 verstorbene Frau Elsbeth zeigt das Vollwappen des Ehemannes gestürzt, den Beischild der Ehefrau aber aufrecht. Die im Zentralfeld angebrachte Inschrift ist für seine Ehefrau nachgetragen.

- im Mainzer Dom befindet sich im nördlichen Querhaus der aus Eifeltuff gefertigte Altar der Familie von Nassau-Sporkenburg. Dieser Altar wurde zum Gedächtnis an den kaiserlichen Rat Philipp von Nassau-Sporkenburg (gest. 22.11.1582) und an seinen Bruder, den Domherrn Heinrich von Nassau-Sporkenburg (gest. 27.2.1601) errichtet. Heinrich von Nassau-Sporkenburg war auch in Trier Domherr, außerdem war er Archidiakon von St. Lubentius in Dietkirchen und Propst in Limburg. Weil die Linie Nassau-Sporkenburg (auch: Spurkenburg) mit Heinrich von Nassau komplett erloschen war, ist das Vollwappen ganz oben auf dem Altar gestürzt. Es handelt sich um ein modifiziertes bzw. differenziertes Nassauer Wappen, nach Gruber in blauem, mit silbernen Kugeln bestreutem Schild ein goldener Löwe, auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein sitzender, goldener Löwe zwischen einem blauen, mit silbernen Kugeln bestreuten Flug. Am Mainzer Altar sind die Kugeln jedoch alle golden. Diese Familie nannte sich nach der Sporkenburg bei Eitelborn im Westerwald, die von den Helfensteinern (Koblenzer Familie, nicht die schwäbische!) erbaut wurde und 1515/1518, mittlerweile baufällig, von Johann von Helfenstein an Johann und Quirin von Nassau verkauft wurde. Diese sind nicht identisch mit den Grafen von Nassau, weshalb das Geschlecht auch 1601 wirklich erloschen ist. Nach dem Erlöschen der Familie ging die beinamengebende Burg aufgrund einer zurückliegenden Heiratsverbindung an Wilhelm von Metternich, und die von Metternich behielten die Ruine bis zum Verkauf 1811. Die Inschrift am Mainzer Altar nennt "R(EVERE)NDO ET NOBILI D(OMINO) HENRICO A NASSAW HVIVS ET TREVIR(ENSIS) ECCL(ESI)AR(VM) CAN(ONI)CO NEC NO(N) ARCHIDIACONO TIT(VLARIS) S(ANCTI) LVBE(N)TII IN DIE(T)KIRCHE(N) AC LIMPVRGE(N)SI P(RAE)P(OSI)TO FAMILIAE SVAE VLTIMO POST AN(N)OS AETATIS 73 DIE 27. FEB(RVARII) A(NN)O 1601 DEFVNCTO MO(D)ESTI EIVS AMICI HOC MONVMENTVM POSVERE."

- Epitaph für Johann Rupert von Trauner (-14.3.1788) im Augsburger Dom (nördliches Seitenschiff), Platte von Joseph Götzel (signiert Gözel), mit einem großen gestürzten Wappen Trauner und den vier Ahnenwappen Edlweckh, Trauner, Waldkirch und Bodman. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Augsburg_Dom_Epitaph_Trauner_01.jpg

- Epitaph für Hans Ulrich Löw von Altensteußlingen (-1619) in der Martins-Kirche in Dornstadt-Tomerdingen bei Ulm. Die Platte ist zweigeteilt, oben das gestürzte Wappen (in Blau ein goldener Löwe mit grünem Halsband, auf dem Helm das Schildbild wachsend, Alberti S. 468, Siebmacher Württembeg S. 58), unten die Inschrift "An(n)o 1619 den 24. September Starb der Edel und vöst Hans Ulrich Lew von altenSteißlingen gewester Ulmischer ober-Vorstmaister zu Althaim der Letzte seines Namens und Stamens der getrewe Gott welle i(h)me am jüngsten tag neben ander(e)n Christgläubigen fröhliche aufferstehung verleihen." Die Ulmer Familie, die auch unter der Schreibweisen Leuw zu finden ist, war eines der 17 Ulmer Geschlechter, deren Adel 1552 von Kaiser Karl V. bestätigt wurde. Sie hatten Besitz in Donaurieden, Bösingen, Alt-Steußlingen und Ringingen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Löwen von Giengen, die ein anderes Wappen führten, und auch nicht mit den Lay aus Biberach, die sich auch von Löwen nannten, aber erst 1801 erloschen (vgl. Alberti, dort ist der Zusammenhang noch offen, weil dort nicht berücksichtigt ist, daß die Löw 1619 erloschen sind, wie diese Platte belegt).

- Grabdenkmal für Geheimrat Adolf Vasiljevic Tileziusa (Tilesius) von Tilenau (1808-22.12.1885) auf dem Smolensky Lutheranischer Friedhof in St. Petersburg, Rußland. Auf dem Denkmal ist ein gestürztes Vollwappen plastisch dargestellt. Er war der Sohn von Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau (Arzt und Naturforscher, Professor an der Universität Moskau, Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg, in Rußland geadelt, kaiserlicher Hofrat in St. Petersburg, Ritter des Russischen Wladimir-Ordens und Ritter der französischen Ehrenlegion) und der letzte der Familie. https://billiongraves.com/grave/Adolf-Tilesius-von-Tilenau/22812210

- Grabplatte für Albrecht Christoph von Rosenberg (-11.1.1632), Sohn von Friedrich Zeisolf von Rosenberg und Anna von der Kere, brandenburg-ansbachischer Ritterlehengerichtsassesor und Hauptmann des  Ritterkantons Odenwald, trotz zweier Ehen (mit Margareta Schenk von Siemau und Sibylla von Rabenstein) kinderlos und daher der letzte seines Geschlechts, im Turmraum der Pfarrkirche von Waldmannshofen: http://www.waldmannshofen.de/turmschatzkammer3.htm

- ein ganz besonderes Arrangement ist in Wiener Neustadt am barocken Bischofspalast (Propstei) zu sehen: Es handelt sich um das Wappen von Franz Anton Graf Puchheim (1695-1718), der den ganzen Palast barockisierte. Über dem Eingangsportal, einem der schönsten Barockportale von ganz Österreich, ist sein Doppelwappen richtigherum, doch an der Südostecke des Hofes findet sich ein Puchheim-Wappen, das auf den Kopf gestellt ist, weil mit ihm das Geschlecht der Puchheimer ausgestorben ist. Wieder ist es ein Doppelwappen, doch der eine Teil ist aufrecht, der persönliche Teil gedoch gestürzt: http://www.zeitgeschichte-wn.at/images/QR-Code-Stationen/QR-Propstei%206a.jpg - http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/qr-code-stationen-in-town/pplace/502

Gestürzte Helme
Ein Sonderfall ist im Münster von Konstanz am Bronze-Epitaph des am 11.5.1580 im Alter von 12 Jahren verstorbenen Georg von Klingenberg, des letzten Stammhalters dieses einst einflußreichen bischöflichen Dienstmannengeschlechtes, zu sehen: Eine Ahnenprobe gibt es und für den Verstorbenen einen zwar aufrechten Schild, aber mit einem heruntergestürzten Helm. Der Schild steht aufrecht, leicht schräg nach heraldisch links geneigt, wohingegen der Helm mit Helmzier auf dem Kopf stehend heraldisch links daneben steht und sich leicht schräg an den Schild anlehnt, so als ob er von oben heruntergefallen ist und auf dem Kopf liegen geblieben ist. Die zugehörige Inschrift lautet: "ANNO DOMINI M.D.LXXX AVF DEN 11. / MAY STARB DER EDEL IVNGLING HANS / GEORG VON KLINGENBERG, SEINES / ALERS XII. IAR, VND IST DER LETZTE / SEINES STAMMENS VND NAMENS, DER / ALHIE BEGRABEN LIGT, DEME GOTT / DER ALLMECHTIG GNEDIG VNND / BARHMERTZIG SEIN WOLLE. AMEN."

Aber ein gestürzter Helm allein deutet nicht zwangsweise auf Erlöschen der ganzen Familie, sondern kann auch einfach nur für Erlöschen eines Familienteiles stehen: Ein weiteres Beispiel für einen gestürzten Helm ist das Epitaph für Hans von Stadion (-1458), geschaffen 1489 von Jörg Syrlin d. J., in der Pfarrkirche St. Martinus, Oberstadion (Alb-Donau-Kreis). Obwohl die Platte als Wandgrabdenkmal angebracht ist, findet sich noch das Kissen der Liegefiguren von Tumben unter dem Kopf. Unten sind drei Wappenschilde zu sehen, in der Mitte der für Hans von Stadion gen. der Reiche, optisch links: Ehefrau Margarethe von Stain mit verwandtem Motiv, optisch rechts: Ehefrau Anna von Kaltental. Der gestürzte Helm mit seinem riesigen, konusförmigen Pfauenstoß reicht über 2/3 der Höhe der Platte. Oben rechts sieht man das Symbol des Kronenordens. Hans (Johann) von Stadion war ohne Nachkommen gestorben und hinterließ seine wiedererworbenen Güter als Fideikommiß der schwäbischen Linie, welche sein Bruder Ludwig gestiftet hatte. Die schwäbische Linie der Familie starb aber erst 1693 mit Josef Konrad von Stadion aus.

Ausnahmen vom "Erlöschen"
Ausnahmen gibt es immer: Das bekannteste Nichterlöschen einer Familie, obwohl sie eigentlich erloschen war, ist das Haus Habsburg. 1740 war's streng genommen aus mit den Habsburgern! Denn damals starb Kaiser Karl VI als der Letzte seines Stammes. Der Name "Habsburg" wurde trotzdem weitergeben, denn aufgrund der "pragmatischen Sanktion" vom 19.4.1713 wurde der Name "Habsburg" über Maria Theresia und ihren Mann, den Herzog von Lothringen, weitergeführt. Es wurde vom Kaiser darin zu Lebzeiten noch festgelegt, daß die habsburgischen Länder unteilbar und untrennbar seien und daß aus diesem Grund eine Primogenitur mit subsidiärer weiblicher Erbfolge eingeführt wurde. So kam es zur Bildung des Hauses "Habsburg-Lothringen" - obwohl es rein formal einen Wechsel zur Dynastie "Lothringen" gegeben hat. Was im Großen möglich war, ist im Kleinen unzählige Male vorgekommen, um das Aussterben eines traditionsreichen Namens zu verhindern; am einfachsten ging das, indem man sich von der Obrigkeit die Bildung eines Doppelnamens genehmigen ließ. Und beim heutigen Namensrecht ist es ja erst recht kein Problem mehr, das Aussterben eines traditionsreichen Namens zu verhindern.

Gestürzte Wappen zu Lebzeiten - ein Angriff auf die Ehre
Eine ganz andere Art gestürzter Wappen begegnet uns in den Scheltbriefen und Schandbildern. Hier dient das Stürzen des Wappens der Herabsetzung des Trägers. Da Wappen eng mit der persönlichen Ehre des Trägers und seiner Familie verbunden waren, ist ein Zerstören oder Stürzen eines Wappens ein Angriff auf die Ehre und Integrität des Betroffenen. Und genau das ist die Absicht von solchen Scheltbriefen und Schandbildern, nämlich einen bildlich dargestellten Ehrverlust des Betroffenen zu verbreiten. Dieser Rechtsbehelf des 15. und 16. Jh. benutzt das Stürzen von Wappen genau wie die Darstellung des Hängens des Betroffenen oder die Darstellung desselben in ehrverletzenden Positionen (rittlings auf einem Schwein oder Esel, Anus von Tieren küssen etc.), um Schimpf und Schande über das Opfer des Angriffs zu bringen. Der dargestellte Verlust der Ehre und das auch damit unterstellte Erlöschen des Geschlechts soll das Opfer lächerlich machen und in den Ansichten der Betrachter ein Umdenken über den Betreffenden bewirken, vor allem aber soll es den Betreffenden schmähen und seiner Würde berauben.

Dies ist jeweils keine Illustration eines tatsächlichen Ereignisses, sondern pures Wunschdenken des Autors, denn die Betreffenden erfreuten sich tatsächlich während der Verbreitung dieses Bildchens noch bester Gesundheit, aber sie sollten so eine Ehrverletzung erfahren, wobei die Übertragung solcher bildlicher Strafen auf die echte Person einem alten Aberglauben folgt. Es war eines der wenigen Mittel, mit denen sich ein einfacher Bürger gegen die Verfehlungen ihrer Adligen, oder kleine Landadelige gegen ihre Fürsten zur Wehr setzen konnten und Verfehlungen öffentlich machen konnten. Solche Schandbriefe entfalteten ihre Wirkung vor allem durch ihre Öffentlichkeit, denn sie wurden am Pranger, an Kirchentüren oder an Rathäusern angeschlagen.

Literatur und Quellen:
Siebmacher, Band Bayern 1 Seite 14 Tafel 11
Eugen Schöler, Fränkische Wappen erzählen Geschichte und Geschichten. Verlag Degener 1992.
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
Herrn Gebhard Sutter aus Schaffhausen ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise und die Beschreibung des Klingenberg-Epitaphs zu Konstanz
Herrn Heribert Haber ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise auf die Schloßkapelle in Gern (Eggenfelden)
Herrn Andreas Praefcke ein herzliches Dankeschön für die Hinweise auf Meßkirch, Tettnang und Bebenhausen
Herbert Reiners, Das Münster unserer lieben Frau zu Konstanz, Konstanz 1955
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Siglinde Buchner, Die ehemalige Turmburg in Dornhausen, in: Alt-Gunzenhausen, Beiträge zur Geschichte der Stadt und Umgebung, Heft 65/2010, hrsg. v. Verein für Heimatkunde Gunzenhausen
Otto Hupp, Scheltbriefe und Schandbilder - ein Rechtsbehelf aus dem 15. und 16. Jahrhundert, Verlagsanstalt München und Regensburg, 1930, 92 S.
ein herzliches Dankeschön an Herrn Martin Häußler aus Blaustein für wertvolle Hinweise auf die Platte für Hans Ulrich Löw von Altensteußlingen.
ein herzliches Dankeschön an Herrn Theodor Stolzenberg für wertvolle Hinweise auf die Platte für Albrecht Christoph von Rosenberg.
ein herzliches Dankeschön an Herrn Laurent Granier aus Lyon für wertvolle Hinweise auf das Denkmal für Adolf Vasiljevic Tileziusa (Tilesius) von Tilenau.
Kirche St. Martin in Meßkirch:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Martin_(Meßkirch)
Seelsorgeeinheit Meßkirch-Sauldorf:
https://www.messkirch-sauldorf.de/ - Pfarrei Meßkirch: https://www.messkirch-sauldorf.de/ueber-uns/unsere-pfarreien/messkirch-st-martin/
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche Meßkirch mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Stefan Schmid, Dekan, vom 29.6..2021, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

Übersicht

Home

© Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2007, 2018, 2021
Impressum