Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3051
Lindau (Bodensee, Landkreis Lindau, Schwaben)

Wasserschloß Senftenau

Schloß Senftenau liegt im Lindauer Stadtteil Aeschach. Einst handelte es sich um eine Wasserburg, die im 16. Jh. zum Schloß ausgebaut wurde, doch heute ist nur noch ein Weiher übrig von der einstigen Sicherung durch Wassergräben. Dennoch handelt es sich um eines der wenigen vollständig erhaltenen Wasserschlösser im Bodenseeraum. Schloß Senftenau ist eine Anlage aus vier Flügeln mit einem fast rechteckigen kleinen Innenhof. Der Haupt- und Wohnflügel steht im Westen. Von diesem ziehen zwei schmale Seitenflügel mit im Stil des 18. Jh. gebrochenen Satteldächern nach Osten, zwischen denen ein vierter, schmaler Flügel mit vorspringendem Torhaus eingepaßt ist. Zum Torhaus, dem einzigen Zugang, führt von Osten her eine Brücke über den einstigen Graben, der heute zu einer Gartenanlage umgestaltet ist. Der halbmondförmige See liegt im Westen und ist in seiner nördlichen Hälfte bereits verlandet. Insgesamt nimmt das Schloß eine Grundfläche von ca. 22 m x 24 m ein, wobei das ca. 7 m breite Torhaus noch einmal über 3 m vorspringt. Am Torhaus, das mit seinen Schlüssellochschießscharten im unteren Teil Wehrhaftigkeit ausstrahlt, sind insgesamt drei Wappensteine neueren Datums angebracht, die die Besitzgeschichte durch die drei wichtigsten Vertreter exemplarisch aufzeigen. Diese Wappensteine entstammen, die wie Beschriftung jeweils links oben zeigt, einer einheitlichen Gestaltung.

Die Besitzgeschichte des Schlosses ist kompliziert: Es handelt sich um ein Lehen des Damenstifts Lindau, und zum Lehen gehörte außer dem Schloß noch eine Mühle. Lehensträger sind im 14. Jh. die Grafen von Montfort, die hier eine erste Wasserburg errichteten, dann der städtische Ammann Konrad Guterscher, dann Berthold und Heinrich Peygrer, gefolgt von Ulrich Peygrer. Im 15. Jh. ging das Lehen an die Ravensburger Patrizier Jos Humpiß und dessen Nachkommen. Jos (Jodocus) Humpiß, Stifter der Linie zu Senftenau, kaufte Burg Senftenau 1481, und die Äbtissin von Lindau belehnte ihn damit 1482. Er war zweimal verheiratet, erst mit einer Frau von Münchweil, dann mit Margarethe von Reischach, Witwe des Ulrich Gaudenz von Wolfurt. Sein Sohn Johann Jacob Humpiß von Senftenau wurde zusammen mit seinen Geschwistern 1518 von der Äbtissin mit Senftenau belehnt. Er war Vogt zu Meersburg und Markdorf. Er heiratete Ursula Herlin (Hoerlini) aus Augsburg. Am 10.7.1540 verkaufte er Senftenau an Friedrich Hundbiß von Waltrams, der den Besitz 1551 wieder veräußerte. Seine Schwester Barbara Humpiß von Senftenau hat Hans Geldrich (Göldrich) geheiratet, Bürgermeister in Ravensburg. Die Belehnung des Letztgenannten mit Senftenau erfolgte 1536; 1540 verkaufte er seinen Teil ebenfalls, aber an den Zeugwart Vetter in Augsburg. Die genannten Patrizierfamilien nutzten das Weiherschloß als Sommersitz.

Das optisch linke Wappen gehört zu der aus einem Ravensburger Ratsgeschlecht hervorgegangenen schwäbischen Adelsfamilie der von Hundbiss (Huntpiss, Humpis etc.), in Schwarz drei silberne, rotgezungte Windspiele (Hunde, Windhunde) mit rotem Halsband und goldenem Ring daran übereinander, auf dem ungekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken auf einem bequasteten Kissen ein sitzendes silbernes Windspiel wie im Schild (Otto Hupp, Münchener Kalender 1924, Siebmachers Wappenwerk, Band: Bad Seite: 56 Tafel: 34, Band: Bay Seite: 41 Tafel: 39). Hier ist noch das einfache Wappen zu sehen, wie es vor der Vereinigung mit dem der von Waltrams geführt wurde. Im Jahre 1509 gab es für Friedrich, Eitelhans und Hanprecht Humpiß von Pfaffenweiler eine Wappenvermehrung cum concessione, sich "von Waltram" zu nennen (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/HHStA RHR Grat Feud Conf.priv.dt.Exp. 90-1-6). Das war die Vereinigung der Wappen der Hundbiß und der Waltrams in einem gevierten Schild. Am 10.7.1540 gab es zu Brügge eine Wappenvermehrung für Johann Jakob Humpiß (Hundbiß, Hundtbiß) von Senfftnaw (Senftenau) und Jakob zum Sicken und die Bewilligung, sich des dem Friedrich Humpiß aus Pfaffenmünster und seinen verstorbenen Brüdern Leopold Johann und Hamprecht Humpiß von Kaiser Maximilian verliehenen Wappen allein abgesondert oder mit dem ihrigen vereinigt nach ihrem Gutdünken zu bedienen, nebst dem privilegium fori (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 203.33). Am 24.9.1699 erhielt Marquard Jakob Hundtbiß von Waltrams zu Siggen und Brochenzel, kurbayrischer Kämmerer, zu Wien den Freiherrenstand (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 203.48). Die Geldrich (Gäldrich; Goeldrich) führen übrigens das gleiche Wappenbild wie die Hundbiss, aber in anderen Farben, rote Windspiele auf silbernem Feld.

Durch Kauf kam Senftenau 1551 gegen Zahlung von 4000 fl. von Friedrich Hundbiss an Sebastian Kurtz (-1599), Sohn von Sigmund Kurtz (Reichsadel 1536) und Elisabeth Habast. Vom 31.5.1552 datiert eine Bestätigung des Kaufkontraktes und Verkaufskontraktes über die Burg Senftenau für den kaiserlichen Hofdiener Sebastian Kurtz von Senftenau (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 236.62). Er war Faktor der Fugger in Augsburg und wurde für alle wirklich wichtigen Aufträge eingesetzt. Dessen Sohn mit Magdalena Hien(d)lin war Jacob Kurtz von Senftenau (1553-11.3.1594), Mitglied des Reichshofrates, kaiserlicher Geheimrat und Reichsvizekanzler des Heiligen Römischen Reichs. Dieser heiratete Ursula Weber und hatte mit ihr mehrere Söhne. Das Schloß wurde in der Zeit von 1551 und 1569 weitgehend erneuert und bekam das heutige Aussehen.

 

Das Wappen in der Mitte direkt über dem Eingang ist das der Kurtz von Senftenau, durch einen roten, mit einer silbernen Leiste belegten Balken (offensichtlich vom österreichischen Bindenschild abgeleitet) geteilt, oben in Gold ein schwarzer Doppeladler, unten golden-schwarz gespalten mit je einem einwärts gekehrten halben gekrönten Steinbock in verwechselten Farben, auf dem (hier abweichend mit einer Zackenkrone) gekrönten Helm ein naturfarbener Pfauenfederstoß zwischen zwei Büffelhörnern, das rechte rot, das linke schwarz (Siebmacher Band: NÖ1 Seite: 255 Tafel: 132). Dieses Wappen wurde am 11.4.1536 verliehen, die Begünstigten waren die drei Brüder Sigmund, Simon und Heinrich Kurtz, sie bekamen damals neben der Wappenbesserung den rittermäßigen Adelsstand für das Reich und die Erblande, das privilegium denominandi, das privilegium fori, den kaiserlichen Schutz und Schirm, die Salva Guardia und das privilegium de non usu verliehen.

Vom 7.3.1623 datiert die zu Regensburg erfolgte Verleihung des Freiherrenstandes und Panierherrenstandes für das Reich und die Erblande für Philipp Kurtz von Senftenau, Rat des Pfalzgrafen bei Rhein und Herzogs von Bayern, Hofmeister der Pfalzgräfin Elisabeth, und seinen Neffen (falsch bei Kneschke V, 338, dort "Brüder") Hans Jakob Kurtz von Senftenau, Reichshofrat und Kämmerer des Erzherzogs Leopold von Österreich. Damit verbunden waren das privilegium denominandi, eine Wappenbesserung mit einem Helm, und das privilegium de non usu (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 236.51). Vom 13.12.1636 datiert die Verleihung des Grafenstandes für das Reich und die Erblande für Philipp Kurtz (Kürz) von Senftenau, kurbayerischer geheimer Rat, und Maximilian Kurtz von Senftenau, kurbayerischer geheimer Rat, Hofmarschall und Kämmerer, sowie Ferdinand Kurtz von Senftenau, kaiserlicher Reichshofrat und Kämmerer, Brüder und seine Söhne (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 236.64). Eine beglaubigte Abschrift des Aktes von 1536 befindet sich bei der am 15.9.1638 erfolgten Bestätigung bzw. Neuverleihung für Gregor Kurtz zu Niederdorf in Tirol (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 236.65). Im Rietstap wird ein anders angeordnetes Wappen mit den gleichen Inhalten beschrieben, geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Rot ein silberner Balken, Feld 2: in Schwarz ein goldener halber gekrönter Steinbock, Feld 3: in Gold einwärts ein schwarzer halber gekrönter Steinbock, Herzschild: in Gold der schwarze Doppeladler.  Ein Kupferstich von 1657 mit einem Portrait von Maximilian Kurtz zeigt eine Variante wie beschrieben, doch der Herzschild ist geteilt, oben in Gold ein schwarzer Doppeladler, unten ein mit Dreiecken belegter Schrägbalken, dazu drei Helme, Helm 1 (Mitte): Doppeladler, Helm 2 (rechts): Pfauenfederbusch, Helm 3 (links): Flügel mit dem Schrägbalken aus dem Herzschild.

Aber auch diese Familie blieb nicht lange auf dem Besitz. 1570 kam das Lehen an den Bürger Macharius Rumler aus Augsburg, noch im gleichen Jahr durch Verkauf an den Bürger Ludwig Büchler aus Feldkirch, 1585 ging es an des Letztgenannten Sohn, Veit Büchler. Anfang des 17. Jh. ist Senftenau wieder an eine neue Familie gekommen: Die Lindauer Äbtissin belehnt 1605 Valentin Funk, geheimer Rat und Bürger von Lindau.

 

Das optisch rechte Wappen ist dasjenige der Funk von Senftenau (auch: Funck von Senfftenau); es zeigt in Silber einen schwarzen, golden gekrönten und rotbewehrten doppelschwänzigen Königslöwen (Löwe mit Königskopf), der rechte Vorderfuß und der linke Hinterfuß golden, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein wachsender schwarzer, golden gekrönter und rotbewehrter Königslöwe (Löwe mit Königskopf), der rechte Vorderfuß golden. Das Wappen der aus der Steiermark stammenden Familie wird beschrieben im Siebmacher Band: BayA2 Seite: 45 (nur Text), Band: BayA1 Seite: 70 Tafel: 69 (mit Abb.), Band: Lip Seite: 128 Tafel: 70 (dort aber abweichend mit Löwengesicht). Die Verschmelzung von Löwe und König zu einem Fabelwesen läßt dieses Wappen in Volborths Buch über Fabelwesen in der Heraldik Eingang finden. Daß drei der sechs Löwenbeine früher einmal farblich anders waren, kann man am Relief noch nachvollziehen. Mit diesem Familienwappen gibt es ein Steinrelief in St. Martin, Memmingen. Johann Andreas Funk zu Senftenau erhielt 1620 eine Confirmatio privilegii über die Burg zu Senftenau (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/HHStA RHR Grat Feud Conf.priv.dt.Exp. 58-3-7). Für das Wappen findet sich eine Bestätigung des seinen Voreltern verliehenen Adels und Prädikates nebst Wappenbesserung für Bartholomäus Funckh (Funck) von Senfftenau, fürstlich brandenburg-ansbachischer Major, Kriegsrat und Obermarchekommissär, fürstlicher Kammerjunker, vom 6.2.1755 zu Wien (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 131.13). In den beiliegenden Unterlagen wird das Wappen wie beschrieben abgebildet, mit den drei farblich abweichenden Pranken und mit schwarz-goldenem Wulst; die wachsende Helmzier hat im Gegensatz zum hiesigen Relief auch einen Doppelschwanz.

Der Besitz kam dann mit Unterbrechungen an die Stadt Lindau, die das Schloß 1984 an Dr. med. Hilmar Jobst verkaufte, der umfassende Sanierungsmaßnahmen durchführte. Das Schloß ist nach wie vor in Privatbesitz und nicht zu besichtigen; 33 m vor den Wappen ist Ende der Außenbesichtigung. Die Wappen sind durch das Hochwachsen der Hecken und Bäume immer schwieriger zu sehen.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@47.5611208,9.6991277,19.33z - https://www.google.de/maps/@47.561439,9.6990536,71m/data=!3m1!1e3
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 203.33:
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2474361
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/HHStA RHR Grat Feud Conf.priv.dt.Exp. 90-1-6
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=1611825
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 203.48
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2474374
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/HHStA RHR Grat Feud Conf.priv.dt.Exp. 58-3-7
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=1108501
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 131.13
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2249962
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 236.65
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2532243
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 236.62
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2532237
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 236.64
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2532241
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 236.51
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2532223
Kurtz von Senftenau in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurtz_von_Senftenau (Wappenabbildung dort unrichtig)
Schloß Senftenau:
https://www.geldreich.info/senftenau.htm
Jakob Kurtz von Senftenau:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Kurz_von_Senftenau
Hermann Kellenbenz: Sebastian Kurtz von Senftenau in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 327-328:
https://www.deutsche-biographie.de/sfz47170.html - https://www.deutsche-biographie.de/pnd136222765.html#ndbcontent
Portrait von Maximilian Kurtz mit Wappen:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0a/Maximilian_Kurtz_von_Senftenau.jpg
Webseite der Stadt Lindau:
https://www.lindau.de/addresses/wasserschloss-senftenau/
Humpis:
http://www.vonhumpis.de/SiggenFrame.htm
Carl-Alexander von Volborth: Fabelwesen der Heraldik in Familien- und Städtewappen, Belser Verlag 1996
Otto Hupp, Münchener Kalender 1924
Hundbiss/Humpis:
https://de.wikipedia.org/wiki/Humpis
Julius Kindler von Knobloch (Bearb.) / Badische Historische Kommission (Hrsg.), Heidelberg, 1898, Oberbadisches Geschlechterbuch: Band 2
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kindlervonknobloch1898bd2 Kurtz: S. 414-416, Hundbiß: S. 163-166

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