Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3031
Geisenheim (Rheingau-Taunus-Kreis)

Der Cronberger Hof in Geisenheim (Kronberger Hof)

Der Cronberger Hof (Kronberger Hof) liegt am westlichen Ortsausgang von Geisenheim an der Rüdesheimer Straße und ist heute Teil der St. Ursula-Schule. Durch den über 70 m langen modernen Neubau der Schule ist der historische Adelshof nicht von der Dr.-Schramm-Straße aus zu sehen, und von der Rüdesheimer Straße aus verdeckt der Altbau St. Josef den Blick auf den ältesten und ersten Trakt des Schulkomplexes. Man gelangt in den Hofbereich von der Dr.-Schramm-Straße aus durch einen offenen Durchgang im Neubau.

Der ehemalige Adelshof ist ein dreistöckiger Putzbau mit Satteldach und Walm im Westen und besitzt an der Südseite links einen rechteckigen Treppenturm mit niedriger Schweifhaube. Es gibt zwei verzierte Portale, eines in rechteckiger Pilasterumrahmung am besagten Treppenturm, dessen Segmentbogensturz in einem ornamental gestalteten Schmuckfeld die Jahreszahl "ANNO 1616" trägt und das oben von zwei Pinienzapfen abgeschlossen wird, und ein weiteres im rechten (östlichen) Gebäudeteil. Eine zweite Datierung findet man auf dem Türsturz, der früher einmal an der Westseite angebracht war, dort steht "1581" als Jahreszahl. Auch dieses Portal besitzt einen Segmentbogensturz, dazu ein profiliertes Gewände und eine Säulenumrahmung mit Gebälk. Jetzt befindet sich dieses Portal ganz rechts an dem drei Fensterachsen breiten Abschnitt, der 1899 im Osten angebaut wurde. Dabei wurde aber nicht das bisherige Fensterabstandsmaß übernommen, so daß der Anbau gedrängter wirkt und nicht das harmonische Maß des alten Teiles besitzt. Aber auch die Fenster im alten Teil sind nicht ursprünglich. Beide Portale sind im Stil der Renaissance gestaltet. Früher war der Cronberger Hof größer und vor allem symmetrisch konzipiert (der Ursprungsbau dürfte so ähnlich ausgesehen haben wie der Schönborner Hof am anderen Ortsende), der westliche Teil wurde 1964 auf einer Breite von drei Fensterachsen abgerissen, um Platz für den Neubau zu haben. Zum Cronberger Hof gehörte noch ein Gartenpavillon, der weit im Norden umgeben von Neubauten zu finden ist: Er dient jetzt als Eingangsgebäude zur Turnhalle von 1995.

Im Laufe der Geschichte hatte der Adelshof viele Besitzer unterschiedlicher Familien. Ursprünglich handelte es sich um den von der Leyenschen Hof; die Jahreszahl 1581 kann Hans Andreas von der Leyen zugeordnet werden, der hier ein Haus mit Nebengebäuden und Garten errichten ließ. Dafür wurden 13 Bürgerhäuser abgerissen. Andere Adelige machten es ähnlich, um sich hier anzusiedeln. Für Geisenheim war die Beliebtheit beim Adel, so schmeichelnd das natürlich vordergründig war, finanziell eher eine Last: Güter bürgerlicher Besitzer waren steuerpflichtig, der Adel jedoch genoß eine Steuerfreiheit, die der Mainzer Fürstbischof 1337 bestätigt hatte. Insofern bedeutete der Wegfall von 13 steuerpflichtigen Bürgerhäusern in diesem Fall eine empfindliche Einbuße an Einnahmen für die Gemeinde.

Dann erwarb der Mainzer Fürstbischof Johann Schweickard von Cronberg (15.7.1553-17.9.1626, regierte 1604-1626) den Adelshof; zu dessen Umbauten paßt die Jahreszahl 1616.  Danach kam das Anwesen in die Hände der Brömser von Rüdesheim, die Brömserischen Erben verkauften das Cronberger Gut für 24000 fl. an die Gräfin von Berlepsch,  und dann kam das Anwesen über deren Enkelin 1732 an ihren Ehemann Johann Franz Heinrich Carl Graf von Ostein, für den es im Rheingauer Dom ein Epitaph gibt. Ihrer beider Sohn Karl Maximilian von Ostein ließ dann auf einem südöstlichen Teil des weitläufigen Geländes den Osteiner Hof errichten. 1773 wurde der Cronberger Hof an einen Freiherrn von Wallbrunn verkauft.

 

Über dem Turmportal befindet sich ein Prunkwappen vom Anfang des 19. Jh., das einer weiteren Eigentümerfamilie zuzuordnen ist. Denn 1801 wurde das Anwesen erneut verkauft, diesmal an Franz Georg Karl von Metternich-Winneberg (9.3.1746-11.8.1818), Diplomat und österreichischer Minister, vermählt mit Gräfin Maria Beatrix von Kageneck. Der Erwerb fällt in eine Zeit, in der es nicht gut für die Familie lief: Einerseits hatten die Franzosen die linksrheinischen Besitzungen der Familie besetzt und quasi enteignet, was die Familie wirtschaftlich empfindlich getroffen hatte, andererseits hatte Österreich gerade den ersten Koalitionskrieg geführt und war wenig zufrieden mit dem Ergebnis, denn es hatte die Österreichischen Niederlande an Frankreich verloren. Und da dieser Metternich bevollmächtigter Minister für die Österreichischen Niederlande war, geriet er ins politische Abseits, obwohl er nichts für den Krieg konnte. Dann kam noch der Kongreß zu Rastatt, der auch schlecht für Österreich ausging, und Metternich war dort Gesandter des Reichs gewesen, also aus Wiener Sicht mitschuldig. Danach war er erst einmal politisch tot in Wien und wandt mehr Interesse für seine verbliebenen Besitzungen auf und erwarb neue Güter, wo möglich, so wie hier. Später gab sich das wieder, er wurde 1804 österreichischer Staats- und Konferenzminister und vertrat sogar 1810 zeitweise seinen bekannteren Sohn als Leiter der Hof- und Staatskanzlei bei dessen Abwesenheit.

Das über dem Portal angebrachte Wappen ist das der Grafen von Metternich-Winneberg. Der Schild ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein schrägrechter, staffelförmiger, silberner Balken, oben und unten begleitet von je fünf (oben 3:2, unten 2:3) goldenen Kreuzchen (Winneberg), Feld 2 und 3: in Rot drei (2:1) silberne Hifthörner mit goldenen Spangen und Bändern (Braunshorn-Beilstein), Herzschild: in Silber 3 (2:1) schwarze Jakobsmuscheln (Stammwappen der von Metternich).

Der Schild hat damit eine Form, wie sie ab 1652 möglich war, denn in diesem Jahr erfolgte der Erwerb der Reichsherrschaften Winneberg und Beilstein an der Mosel. Es handelte sich bei Winneberg (oder Winneburg) um eine aus zwei einzelnen Territorien bestehende reichsunmittelbare Herrschaft. Der größere Teil lag rechts der Mosel im Hunsrück, der kleinere Teil mit der namengebenden Burg lag links der Mosel bei Cochem. Die Freiherren von Winneberg und Beilstein waren bereits nach 1634 während der Wirren des Dreißigjährigen Krieges ausgestorben und ihre reichsständischen Herrschaften waren als Reichslehen dem Erzstift Trier heimgefallen bzw. 1637 von ihm eingezogen worden. Lothar von Metternich, seit 1599 Erzbischof und Kurfürst von Trier, kaufte diese Herrschaften und belehnte damit 1652 als Reichsafterlehen seine Neffen. Zu dieser Verzögerung kam es, weil eigentlich 1638 das Domkapitel den Brüdern Emmerich, Wilhelm und Lothar von Metternich das Gebiet zugesagt hatte, der Fürstbischof Philipp Christoph von Sötern war gerade in Luxemburg in Gefangenschaft als Strafe für seine frankreichfreundliche und reichsschädliche Politik, und so entschied das Kapitel. Als der Kurfürst 1645 wieder freikam, zickte er und erklärte die Beschlüsse des Domkapitels für nichtig. Sein Nachfolger regelte es dann im ursprünglichen Sinne, sehr familienfreundlich. Winneburg und Beilstein - zusammen waren das 3 Quadratmeilen Territorium, 17 Dörfer und 6500 Einwohner. Winneburg-Beilstein gehörte zum niederrheinisch-westfälischen Reichskreis, und mit dem Erwerb der Gebiete bekamen die von Metternich auf der weltlichen Bank des Reichsfürstenrates einen Sitz unter den westfälischen Grafen. Der Herrschaftsteil im Hunsrück war das sog. Dreiherrische, ein bis 1780 bestehendes Kondominat mit Kurtrier und den Grafen von Sponheim. Diese neuen Herrschaften kamen auch erst ins freiherrliche, später ins gräfliche Wappen.

Die Zusammensetzung des Schildes galt in dieser Form bis 1813; das Wappen muß also zwischen 1801 und 1813 dort angebracht worden sein. Seit 1803 trägt die Familie den Fürstentitel, weil sie auf dem Reichsdeputationshauptschluß für den Verlust linksrheinischer Besitzungen mit der Reichsabtei Ochsenhausen entschädigt worden war. Jetzt waren die von Metternich Fürsten von Ochsenhausen. Die Darstellung mit phantasievollem Fürstenhut und Wappenmantel spricht für eine Entstehung des Wappensteines danach, also zwischen 1803 und 1813. In der nach 1813 gültigen Form ist das Wappen am nahen Schloß Johannisberg angebracht.

 

Um den Wappenschild sind zwei Ordensketten gelegt. Die äußere Kette ist die des Ordens vom Goldenen Vlies, typisch mit dem unten abhängenden Widderfell. Die Kette selbst hat zwei alternierende Gliedertypen, einer mit je zwei Rücken an Rücken gelegten Feuerstählen, der andere Typ mit funkensprühenden Feuersteinen, hier schwer zu erkennen. In diesem Orden waren folgende drei Familienangehörige Mitglied: 1792 wurde Franz Georg Karl Graf von Metternich (9.3.1746-11.8.1818) aufgenommen, der Erwerber des Hofes und Vater des berühmten Fürsten Metternich. 1810 wurde sein Sohn, Clemens Wenzel Lothar Graf von Metternich (15.5.1773-11.6.1859), aufgenommen, der geschichtlich bedeutende Fürst Metternich ab 1813. Und 1867 wurde wiederum dessen Sohn aufgenommen, Richard Clemens Fürst Metternich (7.1.1829-1.3.1895).

Die innere Collane ist die des königlich-ungarischen St.-Stephans-Ordens (korrekt: Königlich Ungarischer Orden des Heiligen Apostolischen Königs Stephan). Typisch sind die Glieder, deren erste Sorte das Monogramm MT für Maria Theresia bildet, wobei das T mittig in das M gesenkt wird, und deren zweite Sorte das Monogramm SS für Sanctus Stephanus bildet, beide jeweils getrennt von der Stephanskrone als dritter Sorte Glieder. Ebenso ruht die ungarische Stephanskrone über dem abhängenden Tatzenkreuz. Von den genannten drei Personen waren die ersten beiden, Vater und Sohn, jeweils Mitglied des St.-Stephans-Ordens und Großkreuzträger. Franz Georg Karl Graf von Metternich, der Erwerber des Hofes, bekam diesen Orden aufgrund seiner Leistungen bei den diplomatischen Missionen des Gesandten von Köln und dem Niederrhein, und weil er 1780 eine sehr wichtige Rolle bei der Wahl von Erzherzog Maximilian zum Koadjutor von Köln und Münster spielte. Bei der Ernennung Metternichs zum Gesandten und beim Aufstieg auf der Karriereleiter in der Diplomatie spielte die Unterstützung von Kaunitz eine förderliche Rolle, wie auch bei der Aufnahme in den Verdienstorden.

Der Sohn des Erwerbers, Clemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich-Winneberg und Ochsenhausen hatte noch viel mehr Ordensmitgliedschaften: Er war laut Adelsschematismus des österreichischen Kaiserstaates außerdem noch Mitglied des königlich-dänischen Elephanten-Ordens, des königlich-preußischen Schwarzen-Adler-Ordens und Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse), und er hatte das Großkreuz des Johanniter-Ordens, außerdem trug er den kaiserlich-russischen Orden des hl. Andreas und den des Ordens des Alexander Newsky, den Orden der hl. Anna erster Klasse, den königlich-sardinischen Orden der Annunciade, den Orden vom Roten Adler erster Klasse, er hatte das Großkreuz des königlich-spanischen Ordens Carls III., des königlich-portugiesischen Christus-Ordens, das Großkreuz des königlich-französischen Ordens der Ehrenlegion, er trug den französischen Heilig-Geist-Orden, er war Ritter des königlich-sizilianischen Ordens St. Januarius, er hatte das Großkreuz des königlichen Ferdinands- und Verdienstordens (Ferdinandsorden), er war Ritter des königlich-bayerischen St.-Hubertus-Ordens und des königlich-sächsischen Hausordens der Rautenkrone, er hatte das Großkreuz des königlich-württembergischen Ordens der Krone, des großherzoglich-toskanischen St.-Joseph-Ordens, des königlich-hannoverschen Guelfen-Ordens, des königlich-niederländischen Löwen-Ordens, des großherzoglich-badischen Ordens der Treue, weiterhin des herzoglich-parmesanischen St.-Georgs-Ordens, er hatte den kaiserlich-brasilianischen Orden vom südlichen Kreuze, den königlich-griechischen Orden des Erlösers, den kurfürstlich-hessischen Löwenorden und den großherzoglich-hessischen Ludwigs-Orden, war im Seraphinen-Orden und im Orden des hl. Johannes von Jerusalem etc. Fürst Metternich war außerdem langjähriger Ordenskanzler des militärischen Maria-Theresien-Ordens. Er war Kurator und Ehrenmitglied der k. k. Akademie der vereinigten bildenden Künste, Konservator der Universität Krakau, Kämmerer, wirklicher Geheimer Rat Seiner Majestät des Kaisers von Österreich, Königs von Ungarn und Böhmen, dessen Staats- und Konferenz-Minister, auch Minister der auswärtigen Angelegenheiten und erster Plenipotentiarius (Generalbevollmächtigter) beim Wiener Kongreß. Am Schloß Johannisberg ist das Wappen des mächtigen Ministers mit drei Orden versehen, zwei mit Ketten und einer mit Band.

Nach der Glanzzeit der Metternich wechselten wieder die Besitzer, der Hof kam u. a. an den Berliner Weinhändler Andrew Thorndyke. Seit 1894 ist der Kronberger Hof Teil der St. Ursula-Schule, einem privaten Gymnasium mit Realschulzweig. Bevor die Geisenheimer Filiale der Frankfurter Ursulinen gegründet wurde, wurde dieser Hof als erstes Schulgebäude 1893 erworben, 1899 wurde er nach Osten verlängert, 1903-1904 wurde der historistische Altbau St. Josef errichtet, 1925 kaufte man den Westflügel des Palais Ostein hinzu (nach dem Aussterben der von Ostein wurde das Palais Ostein verkauft und geteilt; der Mittelpavillon wurde abgerissen. Graf Degenfeld und Oberst Gontard kauften die jeweiligen Hälften. Der östliche Teil ging in der Mitte des 19. Jh. an die Familie von Brentano), 1954 entstand die Aula, und 1964 wurde der Ostflügel des Palais Ostein hinzugekauft. Die größte Baumaßnahme erfolgte 1966, nachdem zwei Jahre zuvor der Westteil des Cronberger Hofs mit einer Breite von drei Fensterachsen abgerissen worden war, dort entstand nun der lange Neubau im Westen. 1969 wurde noch der Eberbacher Hof hinzugekauft, und 1995 errichtete man eine neue Turnhalle. 2014 riß man Aula, Schwimmbad und Klausur ab, um dort bis 2017 ein neues Schulgebäude hinzustellen. Die Ordensschwestern beendeten ihren aktiven Schuldienst 2013, nachdem bereits 1986 die Leitung der Schule von weltlichem Personal übernommen wurde. Der ganze Komplex gehört heute dem Bistum Limburg.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9823145,7.9620911,19z - https://www.google.de/maps/@49.9823704,7.9621451,74m/data=!3m1!1e3
Kronberger Hof auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kronberger_Hof
St. Ursula-Schule:
https://de.wikipedia.org/wiki/St.-Ursula-Schule_(Geisenheim)
Dagmar Söder: Rheingau-Taunus-Kreis I. Altkreis Rheingau (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland - Kulturdenkmäler in Hessen), hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Verlag wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, 1115 S., ISBN-10: 3806229872, ISBN-13: 978-3806229875, S. 395 ff., insbesondere S. 456-457
Manfred Laufs et al.: 100 Jahre Ursulinen in Geisenheim 1894-1994, hrsg. vom Ursulinenkloster St. Joseph und der St.-Ursula-Schulgesellschaft m. b. H., Geisenheim 1994
Clemens Wenzel von Metternich:
http://de.wikipedia.org/wiki/Klemens_Wenzel_Lothar_von_Metternich
Ignaz von Schönfeld, Adelsschematismus des österreichischen Kaiserstaates, Band 1, S. 21,
https://books.google.de/books?id=qZxAAAAAcAAJ
St.-Stephans-Orden:
https://de.wikipedia.org/wiki/K.u._Sankt_Stephans-Orden
Franz Georg Karl Graf von Metternich:
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Georg_Karl_von_Metternich
Adelsfamilie von Metternich:
https://de.wikipedia.org/wiki/Metternich_(Adelsgeschlecht)

der Eberbacher Hof - das Palais Ingelheim ("Schloß Kosakenberg") - das Schloß Schönborn (ehem. Stockheimer Hof) - der Zwierleinshof (ehem. Stockheimer Hof)

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