Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3023
Geisenheim (Rheingau-Taunus-Kreis)

Pfarrkirche Heilig Kreuz ("Rheingauer Dom"): Sittich Herbold Graf von Berlepsch

Für Sittich Herbold Graf von Berlepsch (3.1.1673-30.3.1712) ist an der südlichen Außenwand des Rheingauer Doms seit 2004 nach gründlicher Restaurierung eine Grabplatte angebracht. Der oval eingefaßte Text der Platte lautet: "SISTE VIATOR ET LEGE / FELICITATIS HUMANAE SUM(M)A EST MORI / VIRTUTE DUCE IM(M)ORTALITATE COMITE / O(MN)ES MORIMUR NON O(MN)ES SCIMUS HAC ARTE MORI / SCIVIT ID QUI HIC IACET ILLUSTRISS(IMUS) AC GENEROSISS(IMUS) D(OMI)N(US) / DOM(INUS) SITTICHIUS HERBOLDUS / S(ACRI) R(OMANI) IMPERY COMES DE BERLEBSCH / D(OMI)N(US) IN MYLENDONCK ALTENPETSCH WEINMARCK ET ZABOLITZ / VIXIT SICUT MORI VOLUTT / IN PRIMA AETATE STUDIUM VIRTUTIS INCEPIT / IN AULA ELECTORALI PALATINA EXCOLUIT / IN VIENNENSIS ET MADRITENSI ABSOLVIT / DIVI IMPERATORIS IOSEPHI MINISTER FUIT SED MAGISTER SUI / DIXISSES STELLAM ESSE EX EARUM NUMERO / QUAE CIRCA SOLEM DEPRENSAE APPELLANTUR SOLIS COMITES / LUCE(M) SUA(M) IN POTISSIMIS EUROPAE DIFFUDIT REGNIS ET PROVINCIIS / IN HISPANIA QUA EQUES DE ALCANTARA / ET CAROLI 2DI REGIS CAMERARI(US) BINCKY IN BRABANTIA / GUBERNATOR IN POLONIA QUA LEGAT(US) IN PORTUGALLIA / QUA MAGNI ORDINIS TEUTON(ICI) MAGISTRI ITINERU(M) SYNDROM(US) / IN GERMANIA QUA PRINCIP(I) ELECT(ORIS) PALAT(INAE) CONSIL(ARIUS) INTIM(US) / IN NAVARRA QUA BELTOISY COM(M)ENDANS / VBIQ(UE) AD VIRTUTEM DUX ET COMES / OBYT A(NN)O SALUTIS MDCCXII 30 MARTY AETATIS 39 / DIGNUS LONGIORI INTER MORTALES VITA / NISI DIGNIOR FUISSET IMMORTALI / ABI VIATOR ET IMITARE SI POTES / VIRTUTUM COMES FUIT COMITIS VITA / ET POTUIT APPELLARI IPSA COMITAS / TU CUM COMES NON SIS GENERE / ESTO VIRTUTE".

In blumenreichen Worten wird seine interessante Karriere als Vertrauter der Mächtigen, als Kämmerer des Kurfürsten von der Pfalz, als königlich-polnischer Gesandter und Diplomat am spanischen Königshof berichtet, die ihn zum Ritter und Kommendator des königlich spanischen Alcantara-Ordens werden ließ. Er war Herr auf Mylendonck, Alten-Pesch, Weinmark, Weseritz und Zabielitz sowie Gouverneur von Binsch im Hennegau. Andererseits starb er noch vor seiner Mutter im Alter von erst 39 Jahren, zwar hochgelobt und gerühmt, und doch zu jung. Er hatte 1698 Maria Maximiliana Augusta Gräfin von Stadion (4.2.1681-24.2.1744) geheiratet, die Tochter von Johann Philipp Joseph Graf von Stadion zu Warthausen und Thannhausen (6.10.1652-2.1.1742), Erbtruchseß des Bistums Augsburg, kaiserlicher, konstanzischer und kurmainzischer geheimer Rat, Großhofmeister, Premierminister, und Anna Maria Eva Faust von Stromberg (2.8.1661-10.10.1683). Dieser Ehe entsprossen vier Kinder, Joseph Clemens von Berlepsch (-1724), Philipp Joseph von Berlepsch (-1725), Franz Hugo von Berlepsch (-1731) und Maria Carolina Josepha Anna Johanna von Berlepsch (1707-9.4.1737), wobei alle drei Söhne relativ jung, unvermählt und ohne Nachkommen verstarben, die Tochter aber 1733 in Datschitz in zweiter Ehe Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein (2.2.1693-29.4.1742) heiratete. Eine zweite, ältere Tochter war Marie Philippine Josephe a corde Jesu, seit 1739 Äbtissin der barfüßigen Clarissen zu St. Anton in Mainz. Deshalb erlosch diese reichsgräfliche Linie 1732 mit Philipp Anton Graf von Berlepsch, einem Neffen von Sittich Herbold, und mit ihr das hier gezeigte Wappen.

 

Das über der Inschrift zentral angebrachte Vollwappen der von Berlepsch ist trotz und gerade wegen seiner Kurzlebigkeit besonders spannend, weil es einerseits in dieser Form einzigartig für die Familie ist und der einzige Beleg für diese umfangreiche und felderreiche Variante und weil andererseits eine sehr interessante Familiengeschichte dahintersteht. Dieses Wappen ist dreimal gespalten und in den ersten drei Pfählen geteilt, was insgesamt 7 Felder ergibt. Die Ausnahme ist der Pfahl ganz links (Feld 4), wo der heraldische Inhalt über die ganze Höhe des Schildes reicht. Diese asymmetrische Felderaufteilung ist ein Weg, mit der ungeraden Anzahl von Inhalten umzugehen, denn insgesamt müssen fünf verschiedene Inhalte verteilt werden, wobei man nicht auf das Quadrieren der beiden wichtigsten Inhalte verzichten wollte. Auch die Anordnung ist interessant: Die bekannten und klassischen Inhalte des vermehrten Berlepsch-Wappens nimmt die beiden zentralen Pfähle (Felder 2, 3, 6 und 7) ein, die drei neuen Inhalte bilden die Pfähle 1 und 4. Diese drei neuen Inhalte verdankt Sittich Herbold von Berlepsch seiner Mutter, die zwei Inhalte in den beiden mittleren Pfählen seinem Vater.

Im einzelnen ist das Wappen wie folgt aufgebaut: Dreimal gespalten und in den ersten drei Pfählen geteilt, Feld 1: in Blau ein goldener Löwe, Wappen der Herren von Itter, Feld 2 und 7: in Gold fünf (2:2:1) rotbewehrte grüne Sittiche mit rotem Halsband, Stammwappen der von Berlepsch, Feld 3 und 6: in Schwarz drei goldene Sparren übereinander, ein zweiter Stamm der von Berlepsch, Feld 4: in Gold drei schwarze Balken, Herrschaft Mylendonck, Mirlaer-Mylendonck, Feld 5: in Silber ein natürlicher (brauner) Wolf, Wolff von Gudenberg. Dazu werden vier gekrönte Helme geführt, Helm 1 (innen rechts): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken zwei schwarze Büffelhörner, das rechte mit drei goldenen Schräglinksbalken, das linke mit drei goldenen Schrägrechtsbalken belegt, ein zweiter Stamm der von Berlepsch, Helm 2 (innen links): auf dem Helm mit rot-goldenen Decken zwei auswärts geneigte, sich nach oben verbreiternde rote Stäbe (Spickel, Tuben), an deren Ende an goldenen Kugeln schwarze Hahnenfederbüsche stecken, Stammhelm der von Berlepsch, Helm 3 (außen rechts): auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein wachsender, golden gekrönter, natürlicher (brauner) Wolf, Wolff von Gudenberg, Helm 4 (außen links): zu schwarz-goldenen Decken ein Paar goldener Büffelhörner, außen besteckt mit jeweils drei naturfarbenen Pfauenfedern, Herrschaft Mylendonck, von Mirlaer-Mylendonck.

Sittich Herbold Graf von Berlepsch war der Sohn von Wilhelm Ludwig von Berlepsch (1639-1676) und Maria Josepha Gertrud Wolff von Gudenberg (1654-17.10.1724). Die beiden hatten 1672 geheiratet. Die Zahlen besagen, daß der Junge schon im Alter von nur 3 Jahren seinen Vater verloren hatte, der 1676 in Philippsburg zu Tode kam, anläßlich der Belagerung der dortigen strategisch wichtigen Festung im Verlauf des Holländischen Kriegs hatte er sich als Fähnrich in württembergischen Diensten eine Verwundung zugezogen, an der er starb. Sittich Herbold wuchs zusammen mit seinem etwas jüngeren Bruder Peter Philipp bei der Mutter auf, die sich nun alleinerziehend und in finanziell klammen Verhältnissen mit zwei Jungen durchs Leben schlagen mußte. Glücklicherweise bekam sie 1680 durch kaiserliche Fürsprache und Vermittlung eine Stelle als zweite Hofmeisterin bei Maria Anna Josepha von Österreich (30.12.1654-14.4.1689), vermählt mit Kurfürst Johann Wilhelm Joseph Janaz von Pfalz-Neuburg (19.4.1658-8.6.1716). Die neue Dienstherrin war die Halbschwester von Kaiser Leopold I., doch 9 Jahre später stand die Mutter mit ihren beiden Teenagern wieder vor dem nichts, als Maria Anna Josepha an Tuberkulose starb. Der verwitwete Kurfürst vermittelte die arbeitslose Hofmeisterin weiter, zunächst an den Hof seiner Schwägerin, Luise Charlotte von Radziwill (27.2.1667-25.3.1695), vermählt in zweiter Ehe mit seinem Bruder, Karl Philipp von Pfalz-Neuburg (4.11.1661-31.12.1742). Dann wurde sie wieder weitergereicht, diesmal an eine Schwester der beiden Pfalz-Neuburger, an Maria Anna von Pfalz-Neuburg (28.10.1667-16.7.1740), die am 4.5.1690 im Kloster San Diego bei Valladolid den verwitweten spanischen König Karl II. von Habsburg (6.11.1661-1.11.1700) heiratete, jenes Produkt habsburgischer Inzucht, der aufgrund seiner körperlichen und geistigen Behinderung den Beinamen El Hechizado ("der Verhexte") bekam - verhext war da gar nichts, sondern die Gene waren einfach durch den zunehmenden Ahnenschwund bei den Habsburgern nicht mehr durchmischt. Das war auch genau der König, dessen Tod den Spanischen Erbfolgekrieg auslöste und in Spanien die Bourbonen auf den Thron brachte.

Zurück zu Maria Josepha Gertrud verwitwete von Berlepsch, geborene Wolff von Gudenberg, die übrigens mitsamt ihren Söhnen zum Katholizismus konvertiert war: Sie mußte als engste Vertraute der frischgebackenen Königin 1690 mit nach Spanien gehen (achtmonatige Seereise) und zog mit ihren beiden Söhnen nach Madrid, der ältere Sittich Herbold war nun 17 Jahre alt. Dort war sie auf einmal mittendrin in der großen Politik und war als enge Freundin der Königin Teil der dort miteinander ringenden politischen Kräfte. Es war abzusehen, daß der spanische König nie Nachkommenschaft zeugen würde. Die Königin war dazu bestimmt, die Interessen Österreichs in Spaniens Regierungskreisen zu vertreten. Schließlich war ihre Schwester Eleonore Magdalene die dritte Frau von Kaiser Leopold I. Eigentlich war sie mit voller politischer Absicht nach Spanien verheiratet worden, zumal schon damals klar war, daß das nie eine glückliche, mit Kindern gesegnete Ehe werden würde. Diese Heirat war also von Anfang an ein Himmelfahrtskommando, und die Beteiligten waren eher überrascht, wie lange Karl II. gesundheitlich durchhielt, viel länger als erwartet. Maria Josepha Gertrud vertrat als erste Hofmeisterin ebenfalls die Interessen der kaiserlichen Seite, gegen die Interessen der Schwiegermutter ihrer Dienstherrin, die einen bayerischen Prinzen favorisierte. Die Hauptaufgabe der Hofmeisterin bestand darin, den spanischen König in seinem Haß auf Frankreich zu bestärken und in seinem Wunsch nach einem Übergang des Erbes an einen österreichischen Prinzen zu unterstützen, und am besten so, daß er die Manipulation nicht bemerkt. Im Hintergrund vereinbarten Paris und Wien schon insgeheim Teilungen der spanischen Territorien.

Und schon stand die Frau von Berlepsch, inzwischen zur Donna de Honora (Ehrenfrau) erhoben, zwischen allen Stühlen: Der Kaiser schätzte ihr Engagement und belohnte und festigte es, indem er am 5.8.1695 die Witwe und ihre beiden Söhne in den Reichsgrafenstand erhob, mitsamt der Anrede "Hoch-und Wohlgeboren" und einer Wappenbesserung. Ihr selbst war klar, daß ihre Macht in Madrid ein jähes Ende finden würde mit dem zu erwartenden Tod des spanischen Königs. Deshalb sorgte sie finanziell für die Zeit danach vor, wo und wie es nur ging, wobei die Beförderung von Interessen ein lukrativer Erwerbszeig war, denn die Königin entschied nichts ohne Konsultation ihrer Hofmeisterin. Das wiederum sprach sich herum und ließ ihre anfängliche Beliebtheit rapide sinken. Die spanischen Staatsräte wiederum forderten noch im gleichen Jahr ihre Entlassung. Schließlich wurde es immer schwieriger für sie, die kaiserlichen Interessen zu fördern, so daß der Kaiser sie nach der Hungerrevolte 1699 nach Wien abberief. Ihr Sohn wiederum hatte inzwischen in der spanischen Politik Fuß gefaßt und wurde ein angesehener Diplomat am spanischen Hof. Karl II. war 1700 gestorben. Maria Josepha Gertrud verwitwete von Berlepsch teilte das Exil ihrer Dienstherrin nicht, sondern verließ das Land 1700 in Richtung Wien. Sie wurde 1706 erste Äbtissin des neu gegründeten weltlichen Frauenstiftes "Zu den Engeln" in der Prager Neustadt. Die jeweilige Äbtissin hatte den Reichsfürstenstand, so wurde es am 22.9.1706 vom Kaiser festgelegt. Und es geschah noch etwas heraldisch höchst Verwunderliches: Das Stift führte ab sofort das Berlepsch-Wappen als Stiftswappen. Für die Gräfin Berlepsch war diese reichsfürstliche Würde dennoch eine Kaltstellung: Sie hatte ihre erfolgreiche Rolle in der Politik hinter sich, es hatte letztendlich doch nicht geklappt mit dem österreichischen Prinzen auf dem spanischen Thron, und ihr machtvoller Einfluß war nun etwas lästig in Wien. Vielleicht lag es auch daran, daß man in Wien damals ihrer aus Spanien übermittelten Lageeinschätzung nicht geglaubt hatte, ihre Warnungen in den Wind geschlagen hatte und es besser wußte, mit bekanntem Ausgang, und deswegen war sie als Erinnerung daran nicht mehr so gerne in der Wiener Politik gesehen. Maria Josepha Gertrud überlebte ihre beiden Söhne. Sie selbst stand am Ende einer der verschiedenen Linien der Wolff von Gudenberg, wenn auch die Gesamtfamilie nicht mit ihr erlosch, sondern fortbesteht. Weil aber diese eine Linie mit ihr endete, kamen die beiden Wappenkomponenten der Wolff von Gudenberg in das Wappen ihres Sohnes.

Das erklärt die neuen Felder 1 und 5 im Wappen. Ebenfalls neu im Wappen ist aber auch Feld 4. Maria Josepha Gertrud verwitwete von Berlepsch, geborene Wolff von Gudenberg besaß Schloß Eichenzell, also das Vorgängerschloß des heutigen. Zeitweise war ein Teil desselben an das Stift Fulda verpfändet, dieser Teil wurde 1697 von ihr wieder ausgelöst. Dennoch nervten die Fürstäbte von Fulda, die den Besitz allzu gerne gehabt hätten, so lange, bis sie 1700 das ganze Anwesen für 71000 fl. an Fulda verkaufte, worauf diese dort ein riesiges Schloß errichteten. Sie selbst hingegen hatte anscheinend in Spanien gut verdient ("Interessensbeförderung") und angespart, denn sie kaufte 1700 für 285000 fl. die niederrheinische Reichsherrschaft Mylendonck (Myllendonck, Milendonck) bei Korschenbroich. Seit ca. 1346 waren die von Mirlaer durch Heirat Eigentümer von Mylendonck und nannten sich fortan danach. Das ältere, das Stammwappen ist ein von Gold und Schwarz fünfmal geteilter Schild, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken zwei schwarze, außen mit je drei schwarzen Hahnenfederbüscheln besteckte Büffelhörner. Johann von Mirlaer erscheint bereits 1387 im Besitz der Reichsherrschaft Mylendonck. Die von Mirlaer-Mylendonck erloschen in der ersten Hälfte des 18. Jh. im Mannesstamm. Die Erbin von Mylendonck war schließlich Maria Margaretha Louise, vermählt mit Philipp Alexander Emanuel Herzog von Croy, und deren gemeinsamer Sohn verkaufte die Herrschaft Mylendonck an die Gräfin von Berlepsch. Diese, die nicht etwa für den Rest des Lebens zurückgezogen in ihrem Kloster blieb, lebte bis zu ihrem Tode auf der Herrschaft und starb auch hier im Jahre 1724. Deshalb kamen die schwarzen Balken in Gold für die Herrschaft Mylendonck in das vermehrte Berlepsch-Wappen und bilden dort den vierten Pfahl.

Da ihre beiden Söhne vor ihr verstorben waren, kam die Herrschaft Mylendonck zusammen mit einem Gut in Geisenheim über des Erstgeborenen Tochter Maria Carolina Josepha Anna Johanna von Berlepsch (1707-9.4.1737) 1732 als Mitgift an ihren zweiten Ehemann, Johann Franz Heinrich Carl Sebastian Graf von Ostein (2.2.1693-29.4.1742), für den es in der Kirche an der Nordwand des Chors ein Epitaph gibt. In erster, kinderloser Ehe hatte sie ihren Vetter Philipp Anton von Berlepsch geheiratet, mit dem die Linie im Mannesstamm erlosch. Der Sohn Johann Friedrich Carl Maximilian Graf von Ostein erhielt 1766 aufgrund des Besitzes der Herrschaft Mylendonck die Reichsstandschaft im westfälischen Reichsgrafenkollegium mit Sitz und Stimme auf den Reichstagen. Eine Aufnahme des Mylendonck-Feldes ist mir nicht bekannt. Durch die französische Besetzung des Rheinlandes ging den von Ostein Mylendonck wieder verloren, sie bekamen als Kompensation Kloster Buxheim. Das Wappen Mylendonck-Drachenfels fand aber Eingang in das vermehrte Wappen der von dem Knesebeck: Die Tante des letzten, 1731 gestorbenen Freiherrn von Mylendonck, Theodora Adriane, hatte Wilhelm Ludwig von dem Knesebeck zu Tylsen geheiratet, und deren Tochter Sophie Henriette von dem Knesebeck heiratete Friedrich Wilhelm Leopold von dem Knesebeck. Bei der Wappenvereinigung wurden die Farben der Burggrafschaft Drachenfels bis zur Unkenntlichkeit verändert, indem sie den anderen Farben angepaßt wurden.

 

Nun zur Ahnenprobe des Sittich Herbold Graf von Berlepsch: Der vermehrte Wappenschild wiederholt sich wie oben beschrieben in der heraldisch rechten oberen Ecke als Beginn der 8er-Ahnenprobe, und gegenüber befindet sich das Wappen der hessischen Adelsfamilie Wolff von Gudenberg, geviert:, Feld 1 und 4: in Silber ein natürlicher (brauner) Wolf schreitend, Feld 2 und 3: in Blau ein goldener Löwe. Die hier nicht verwendete Helmzier wäre zu blau-silbernen Decken ein wachsender, golden gekrönter, natürlicher (brauner) Wolf. Die Familie, die sich nach dem Stammsitz auf einem der beiden Gipfel des Gudenbergs bei Zierenberg in Nordhessen, dem Kleinen oder dem Großen Gudenberg, benennt, wurde am 10.3.1873 in den Freiherrenstand erhoben; die Begünstigten waren die Brüder Otto, Gottlob und Carl Wolff von Gudenberg. Von dieser Familie leiten sich übrigens die im Rheinland beheimateten Wolff-Metternich zur Gracht als Nebenlinie ab, beginnend mit der Heirat zwischen von Gotthard Wolff von Gudenberg zu Itter und Sybilla von Metternich; sie führen den Wolf in einem durch Teilung und Turnierkragen veränderten Schild.

Das Stammwappen der Familie ist der namensrelevante Wolf. 1479 wurde das Wappen um den Löwen der Herrschaft Itter vermehrt, weil Thile I. Wolff von Gudenberg diese Herrschaft größtenteils in Familienbesitz Ende des 14. Jh. brachte, als Pfandbesitz. Die Herren von Itter erloschen zwar erst in der Mitte des 15. Jh., doch der Besitz wurde schon in der Mitte des 14. Jh. verkauft. Die im Nordwesten von Hessen rings um Vöhl liegende Herrschaft Itter kam 1356 größtenteils anteilig an das Hochstift Mainz und an die Landgrafen von Hessen. Der letzte Herr von Itter, Erasmus von Itter (-1443), behielt nur einen winzigen Teil der ursprünglichen Herrschaft. Der Mainzer Teil wurde 1359 an die Grafen von Waldeck verpfändet. Thile I. Wolff von Gudenberg übernahm nun den hessischen und den waldeckischen Anteil seinerseits als Pfandbesitz. Sein Enkel hatte den Besitz von Itter bereits so verinnerlicht, daß er das Wappensymbol in sein eigenes aufnahm.

Die Herren von Itter führten allerdings den Löwen etwas anders, nach einer Darstellung hatten sie in Blau einen silbernen, goldengekrönten und ebenso bewehrten Löwen, auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein wachsender, naturfarbener (brauner) Hirschkopf mit Geweih. Rietstap teilt den Löwen silbern-golden: "d'azur au lion coupé d'argent sur or, couronné d'or. Cimier un cerf issant". Wie auch immer er war, die Wolff von Gudenberg nahmen ihn in goldener Tinktur in ihr Wappen auf. Doch der Besitz der ertragreichen Herrschaft Itter währte nicht ewig; der Graf von Waldeck kündigte ihnen 1542 die Pfandschaft für seinen Anteil, Landgraf Philipp von Hessen folgte 1562 mit der Kündigung der Pfandschaft für seinen Teil. Trotz seitens der Wolff von Gudenberg, die ungern auf die Einkünfte der von ihnen ziemlich ausgeplünderten Herrschaft verzichteten, angestrengter Prozesse vor dem Reichskammergericht mußten sie die Auslösung des Pfandes hinnehmen und sich auf ihren Besitz in Höringhausen im hessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg verlagern. Die Landgrafen von Hessen erwarben später auch die Mainzer und die Waldecker Anteile der Herrschaft Itter.

 

Die vier Großeltern des Sittich Herbold Graf von Berlepsch waren Sittich von Berlepsch (13.2.1587-15.6.1662) und Anna Margarete von Keudell-Schwebda väterlicherseits sowie Adam Herbold Wolff von Gudenberg (1629-1691), Mitbesitzer von Höringhausen, und Anna Catharina von und zu Buchenau (5.4.1627-29.3.1675) mütterlicherseits. Entsprechend folgen in der zweiten Position von oben heraldisch rechts das Wappen der von Keudell-Schwebda, in Silber über einem erniedrigten grünen Balken drei je aus dem rechten und linken Schildrand hervorkommende schwarze Wolfszähne übereinander (dazu paßt als Helmzier zu schwarz-silbernen Decken ein hermelingestulpter schwarzer Hut, rechts und links besteckt mit je einem auswärts gekehrten, silbernem Eselsohr), und links das der von Buchenau, in Gold ein gekrönter grüner Sittich, eigentlich noch mit rotem Halsband (dazu paßt als Helmzier zu grün-goldenen Decken ein gekrönter grüner Sittich mit rotem Halsband sitzend zwischen einem goldenen Flug). Übrigens starben mit Annas Bruder die von Buchenau aus, und die Geschwister erbten die buchenauischen Güter. Anna Catharina bekam als Erbteil einen Anteil an Buchenau und das Gut Langenschwarz. Adam Herbold Wolff von Gudenberg lebte mit seiner Familie in Langenschwarz.

 

Die acht Urgroßeltern des Sittich Herbold Graf von Berlepsch waren Curd Thile von Berlepsch (19.10.1540-7.8.1589) und Barbara von Ebersberg gen. Weyhers (1550-10.11.1622), Bernhard von Keudell-Schwebda (-1607) und Beate von Berlepsch (-1626), Otto Wolff von Gudenberg und Anna Barbara von Buchenau, sowie Johann Friedrich von und zu Buchenau und Anna Elisabeth von Berlepsch. Deshalb folgen in der dritten Reihe (beide Abb. oben) die Wappen der von Ebersberg gen. Weyhers, in Blau eine silberne Lilie (dazu würde als Helmzier passen zu blau-silbernen Decken ein blauer, beiderseits mit einer silbernen Lilie belegter Flug), rechts und der von Buchenau wie zuvor beschrieben links. In der vierten Reihe (beide Abb. unten) schließen die beiden Wappen der von Berlepsch, geviert, Feld 1 und 4: fünf hier 2:1:2 gestellte rotbewehrte grüne Sittiche mit rotem Halsband, Feld 2 und 3: in Schwarz drei goldene Sparren übereinander, auf beiden Seiten die Reihe ab. Aufgrund der beschriebenen Genealogie kommt es zu einem doppelten Vorhandensein des Wappens der von Buchenau und zu einem dreifachen Vorhandensein des Wappens der von Berlepsch in der Ahnenprobe.

 

Der Verstorbene hatte noch einen jüngeren Bruder, Peter Philipp von Berlepsch (-24.6.1721), Archimandrit von Messina und Domherr in Kostnitz, kaiserlicher Kämmerer, k. k. Wirklicher Geheimer Rat und Hofrat, der seine erstgenannte Würde verkaufte, heiratete, sich damit das Wohlwollen aller Kreise verscherzte, und der mit seiner Frau, Marie Catherine Lucie Freiin von Cramm, zehn Kinder hatte, darunter Philipp Anton Graf von Berlepsch (1702-1732), kurtrierischer Kammerherr und Malteserritter, kinderlos vermählt mit seiner Cousine, und Wenzel Ferdinand Graf von Berlepsch (-1731). Mit ersterem erlosch dieser reichsgräfliche Zweig der Familie 1732 endgültig. Sieben andere Geschwister starben in früher Jugend, die anderen zwei als k. k. Hauptmann in Temesvar und als würzburgischer Dragonerlieutenant in Würzburg. Somit war der Glanz dieses gräflichen Zweiges der von Berlepsch nach 37 Jahren endgültig erloschen und von keinerlei bleibendem Wert für die Familie. Diese Grabplatte ist eine der wenigen Erinnerungen.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,20.46z - https://www.google.de/maps/@49.9827454,7.9674183,81m/data=!3m1!1e3
Kirchenwebseite:
https://heilig-kreuz-rheingau.de/
Manfred Laufs, Elisabeth Will-Kihm: Der Rheingauer Dom Geisenheim, Kirchenführer, hrsg. von dem kath. Pfarramt Hl. Kreuz Geisenheim, Geisenheim 2008
Marie Gertrud von Berlepsch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Marie_Gertrude_von_Berlepsch
Wolff von Gudenberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolff_von_Gudenberg
Herrschaft Itter und Herren von Itter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Itter_(Adelsgeschlecht) - https://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_Itter
Hans Manfred Bock: Die Wolff von Gudenberg: Zur Sozialgeschichte und Familienchronik eines Adelsgeschlechts der Region Kassel, Kassel University Press GmbH, Kassel 2019, ISBN 978-3-7376-0444-4,
https://books.google.de/books?id=21-5DwAAQBAJ
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Familie von Berlepsch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Berlepsch_(Adelsgeschlecht)
Familie Wolff von Gudenberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolff_von_Gudenberg
Familie von Buchenau:
https://de.wikipedia.org/wiki/Buchenau_(Adelsgeschlecht,_Eiterfeld)
Familie von Ebersberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ebersberg_genannt_von_Weyhers
Familie von Keudell:
https://de.wikipedia.org/wiki/Keudell_(Adelsgeschlecht)
Adalbert Prinz von Bayern: Marie Gertrude Fürstin von Berlepsch, in: Neue Deutsche Biographie , Bd. 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 97 -
https://www.deutsche-biographie.de/gnd135668166.html#ndbcontent - https://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016318/images/index.html?seite=117

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