Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2886
Lengfurt (zu Triefenstein, Landkreis Main-Spessart)

Die Dreifaltigkeitssäule in Lengfurt

Im Jahre 1659 erhielt der Ort vom Würzburger Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn das Recht, zweimal jährlich einen Markt abzuhalten, an den Sonntagen nach Jakobus (25.7.) und nach Burkardus (14.10.). Auf dem Lengfurter Marktplatz steht am östlichen Ende ein Votiv-Monument, das den Besucher überrascht, weil dieser überschäumende Barock viel zu üppig, viel zu städtisch für den Ort wirkt und in Franken nicht seinesgleichen hat, sondern vom Typus her eher im Donauraum anzutreffen ist. Es handelt sich um eine 1728 aufgestellte Dreifaltigkeitssäule; auf hohem Piedestal mit Heiligenfiguren erhebt sich ein mit geflügelten Engelsköpfen und Wolken überzogener Obelisk, und ganz oben sieht man als bekrönende Figurengruppe die nach Westen gewandte Dreifaltigkeit, Christus mit dem Kreuze links, Gottvater mit der Weltenkugel rechts, und darüber die Taube des Heiligen Geistes vor einem goldenen Strahlenkranz. Die Heiligenfiguren stellen den hl. Josef von Nazareth, den hl. Johannes den Täufer, den hl. Rochus und den hl. Sebastian dar. Diese Säule ist eine Arbeit des Bildhauers Jakob von der Auwera (1672-1760) und des Maurermeisters Johann Georg Ickelsheimer, damit lagen Planung und Ausführung in den Händen bedeutender Würzburger Künstler. Das Material der Säule ist roter Mainsandstein, die angesetzten Engel sind aus graugelbem Mainsandstein.

 

Solche Dreifaltigkeitssäulen kennt man vor allem aus Städten der Habsburger-Monarchie, z. B. in Wien die Säule am Graben in der Innenstadt (1687-1693), die Säule im 7. Bezirk bei der Ulrichskirche (1713), diejenige im 8. Bezirk bei der Maria Treukirche, die im 9. Bezirk vor der Servitenkirche, die Säule auf dem Hauptplatz von Baden bei Wien (1714-1718), die Säule in Linz auf dem Hauptplatz (1717-1723). Auch Olmütz besitzt ein bedeutendes Exemplar (1716-1754). Solche Säulen wurden gestiftet aufgrund von Gelübden der Bürgerschaft anläßlich einer gut überstandenen Pestepidemie, deshalb werden sie auch Pestsäulen genannt. Weitere barocke Dreifaltigkeitssäulen stehen in Perchtoldsdorf (Niederösterreich, 1713-1714), Poysdorf (Niederösterreich, 1715) und Retz (Niederösterreich, 1743-1745). In Deutschland gibt eine Dreifaltigkeitssäule  auf dem Theresienplatz in Straubing (1709).Lengfurt hatte auch diverse Pest-Epidemien zu erleiden, 1612-1613 und 1632. Das erste Mal wurde die Prozession nach Mariabuchen zu Ehren des hl. Rochus eingeführt, die seitdem jährlich praktiziert wird. Das zweite Mal wurde das Sebastianifest im Januar eingeführt.

 

Diese Säule wurde gestiftet von Johann Joseph Edler von Neuff (4.7.1676-12.3.1734), der in Lengfurt am Main in der Friedrich-Ebert-Straße 34 geboren wurde und diese Säule seiner Heimatstadt zum Geschenk machte. Seine Eltern waren Johann Neuff und dessen Frau Barbara, und er war das sechste von zehn Kindern. In Würzburg begann er im Alter von 16 Jahren mit dem Studium der Philosophie, mit 22 Jahren trat er in den Dienst des Wiener Hofs. Er war kaiserlicher Hofkammerrat und kaiserlicher Dechiffriersekretär in Wien, und das erklärt auch den "österreichischen Touch" der Säule: Die 21 m hohe marmorne Wiener Pestsäule am Graben war Vorbild. Deshalb findet man bei den Heiligenfiguren mit dem hl. Rochus und dem hl. Sebastian typische Pestheilige. Die beiden anderen Heiligen erklären sich durch die beiden Vornamen des Stifters, Johann Joseph. Was hier in Lengfurt jedoch gar keine Rolle spielt, ist die den Säulen des Habsburgerreiches immanente Symbolik durch Analogie der Dreifaltigkeit mit der Dreistaatlichkeit Österreich, Ungarn und Böhmen (Wien), oder alternativ die organisatorische Dreiheit Kaiser, Landstände und Stadtbevölkerung (Linz), jeweils durch die entsprechenden Wappen hervorgerufen. Im Jahr 2012 wurde die Lengfurter Säule das letzte Mal restauriert.

 

Der Stifter hatte eine Schlüsselstellung in der österreichischen bzw. kaiserlichen Geheimdiplomatie jener Zeit, die zu einem ebenbürtigen Gegner der französischen geworden war. Nicht nur eigene Mitteilungen mußten verschlüsselt werden, sondern man war auch eifrig damit beschäftigt, die Post ausländischer Gesandter und die ihrer Auftraggeber zu überwachen, und da die natürlich ihre eigenen Schlüssel verwendeten, brauchte man Fachleute wie den Geheimrat von Neuff. Interzepte nannte man die aufgehaltenen Briefe, die erst nach Kopie und Entschlüsselung an den Adressaten weitergeleitet wurden. In Wien war von Neuff dafür zuständig, und ihm wurde eine erstaunliche Geschicklichkeit im Entschlüsseln von vertraulichen Botschaften in den verschiedensten Sprachen nachgesagt. Er ist die für die Weltpolitik bedeutendste Persönlichkeit, die Lengfurt hervorgebracht hat. Er heiratete Johanna Franziska Peißer von und zu Wertenau, und sie hatten ein einziges Kind, das aber früh verstarb. Da er somit keine Nachkommen als Erben hatte, bedachte er seine Heimatstadt mit bedeutenden Stiftungen. Er stiftete nicht nur diese Säule, sondern auch eine Marienstatue am Eck seines Elternhauses und eine Figur des hl. Nepomuk am Anfang der Kaisergasse. Er sorgte auch durch geistliche Stiftungen vor, indem er das Kreuzerhöhungsfest und die Dreifaltigkeitsandacht stiftete. Und die Armen kamen ebenfalls nicht zu kurz, denn er stiftete 3000 fl. für die Gründung eines Spitals für arme Senioren.

 

Die Inschrift befindet sich auf den beiden seitlichen Ecken des Unterbaus, biegt sich um die Dreiviertelsäule und setzt sich auf dem geraden Stück fort. Auf der linken Seite ist zu lesen: "IN HONOREM SANCTISSIMAE / TRINITATIS DEI PATRIS / FILII ET SPIRITUS SANCTI / ET IN PERPETUAE GRATITUDINIS / SIGNUM ET DEVOTIONEM / PUBLICAM PATRIOTARUM ET / VIATORUM PYRAMIdEM HANC / EREXIT" - zu Ehren der Allerheiligsten Dreieinigkeit, Gott Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und in ewigwährender Erkenntlichkeit hat diese Pyramide den Bürgern der Heimat und den Reisenden aufgestellt als Zeichen und als öffentliche Hingabe. Auf der rechten Seite wird in ganz gleicher Anordnung der fromme Stifter beim Namen genannt: "P(ER) ILLUSTRIS ET PRAENOBILIS / D(OMI)N(U)S D(OMINUS) / JOANNES JOSEPHUS / NOBILIS DE NEUFF SACRI / ROMANI IMPERII EQUES SACRAE / CAESAREAE ET CATHOLICAE / MAYESTATIS CONSILIARIUS CA/MERAE AULICAE ET ZIFFR(IS) / SECRET(ARIUS) INTIMUS" - Der sehr berühmte und edle Herr, Herr Johann Joseph Edler von Neuff, Ritter des Heiligen Römischen Reichs, der kaiserlichen und katholischen Majestät Hofkammerrat und Dechiffriersekretär. Johann Salver fertigte die Inschrift an.

 

Johann Joseph Neuff wurde für seine erfolgreiche Tätigkeit am 25.5.1713 zu Laxenburg belohnt mit der Erhebung in den alten Ritterstand für das Reich und die Erblande, mit dem Adelsprädikat "Edler von", dem privilegium denominandi, dem kaiserlichen Ratstitel und dem Recht, adelige Güter zu erwerben (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 292.18 und AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 644.43). Das ihm damals verliehene Wappen ist schräggeviert, Feld 1 (oben): golden-blau gespalten mit einem sechszackigen Stern verwechselter Tinktur, Feld 2 (rechts): in Schwarz aus einem grünen Berg wachsend ein silbernes Einhorn, Feld 3 (links): in Silber aus einem grünen Berg wachsend ein schwarzer, rotgezungter Greif, Feld 4 (unten): blau-golden gespalten mit einem Adlerflug in verwechselten Farben. Dazu werden zwei gekrönte Helme geführt, nach der Abbildung in den Adelserhebungsakten Helm 1 (rechts): zu blau-goldenen Decken ein wachsendes silbernes Einhorn, Helm 2 (links): zu schwarz-silbernen Decken ein blauer Flügel, belegt mit einem goldenen Sparren, der von drei (2:1) goldenen, sechszackigen Sternen begleitet wird. Diese Graphik wird im Original als "conforme est arti et statu equestris" kommentiert, in Übereinstimmung mit der Kunst und dem Ritterstand. Hier an der Säule gibt es ein paar Unterschiede: Der Stern in Feld 1 ist nur fünfzackig, der wachsende Greif in Feld 3 ähnelt eher einem Dinosaurier als dem, was es sein soll, die beiden Flügel in Feld 4 tragen noch einen Sparren, und die Helmdecken, die hier unrichtig nicht in Innen- und Außenfarbe differenziert werden, sind umgekehrt angeordnet, so, wie es von den Farben her eigentlich besser zu den Kleinoden passen würde als in den Adelserhebungsunterlagen. Das Wappen ist weder im Siebmacher noch im Rietstap enthalten, und mangels Nachkommen des Begünstigten war es auch eher eine Eintagsfliege in der Geschichte der Wappen.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.810347,9.6046998,20z - https://www.google.de/maps/@49.810358,9.6046809,44m/data=!3m1!1e3
Max Braubach: Prinz Eugen von Savoyen, eine Biographie, Bd. IV: Der Staatsmann, Oldenbourg Verlag, München 1965, S. 253
Rudolf Vierengel: Die Dreifaltigkeitssäule in Lengfurt, von Hofkammerrat Ritter Johann Joseph von Neuff in Wien gestiftet 1728, Spessart 3 (1973) S. 7-9
Dreifaltigkeitssäulen in Wien:
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Dreifaltigkeitssäule_(1)
Lengfurter Dreifaltigkeitssäule auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lengfurt#Dreifaltigkeitssäule
Wiener Dreifaltigkeitssäule auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Pestsäule
Albin Franz Scherhaufer: Johann Joseph Neuff - der kaiserliche Dechiffriersekretär, 1962
Informationstafel am Marktplatz, online:
https://www.tourismus-triefenstein.de/wp-content/uploads/2014/07/KuWaWe-2T2.jpg
Österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 292.18
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2539186
Österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 644.43
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4325922

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