Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2877
Rieden (zu Hausen bei Würzburg, Landkreis Würzburg)

Die Pfarrkirche St. Ottilia in Rieden

Die erhöht im Ortszentrum gelegene und von einem Friedhof begleitete katholische Kirche St. Ottilia in Rieden ist eine typische Echter-zeitliche Kirche. Vom Typus her handelt es sich um eine Chorturmkirche mit rechteckigem Langhaus und quadratischem Turm mit Spitzhelm. Im untersten Geschoß des Turms ist der Chor untergebracht. Die Sakristei ist im Süden des Turms angebaut. Die exakte Bauzeit der Kirche ist nicht faßbar. Ältester Einrichtungsgegenstand ist ein Taufstein von 1580. Der Turm wurde bereits 1593 neu gebaut, und in dieser Zeit wurde auch das ältere Langhaus neu gedeckt. Die Bautafel an der Südwand ist späteren Datums und nennt das Jahr 1614, offensichtlich eine Umbaumaßnahme bezeugend, einen erweiternden Umbau des bestehenden Langhauses. Das Langhaus wurde 1823 nach Westen erneut erweitert, was man an den unterschiedlichen Abständen zwischen den spitzbogigen Langhausfenstern erkennt. Die Eingangssituation im Westen wurde durch einen modernen, kubischen Glasvorbau signifikant verändert.

An der Südseite der Kirche befindet sich eine typisch Echter-zeitliche Bautafel mit folgendem Wortlaut der den größten Teil der Fläche einnehmenden Inschrift: "Wiltu wißen in einer Summ / Wz vber viertzig Jar herumb / Bischoff Julius zu gottes ehr / Im Stifft gestiftet heb so hör / Kirchen Spittal Clester vnd schloß / Ambts Raths Pfarr schuel schüttheuser gros / Auch diese kirch erbauen Thut / pflantzt alte lehr vnd sitten gut / 1614" - sinngemäß: Willst du wissen in einer Summe, was in etwa über 40 Jahren Bischof Julius alles gestiftet hat im Hochstift, so höre: Kirchen, Spitäler, Klöster und Schlösser, Amts-, Rat-, Pfarr-, Schul- und große Schütthäuser. Er hat auch diese Kirche erbauen lassen, um die alte Lehre und die Sitten zu fördern. Rieden war genau wie Hausen Teil des Hochstifts Würzburg, und die ganzen Baumaßnahmen dienten der Rekatholisierung der Landbevölkerung. Eine inhaltlich nahezu gleiche Bautafel ist an der Kirche in Löffelsterz (Schonungen, Landkreis Schweinfurt) angebracht.

 

Das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (18.3.1545-13.9.1617, amtierte 1573-1617) ist oben in der ovalen Kartusche angebracht und geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Diese zur Bautafel gehörende Wappendarstellung ist farbig gefaßt und wird von zwei geflügelten Engelsköpfen flankiert. Unter der Bautafel ist ein zweites Echter-Wappen gleichen Inhalts, aber ohne Farbfassung angebracht, vermutlich eine sekundäre Befestigung, als dieses Wappen nach einem Umbau "übrig" war.

Im Inneren gibt es einen sehenswerten Hochaltar, er ist ein Werk des Rokoko-Künstlers Johann Wolfgang van der Auwera. Dieses Prachtstück spätbarocken Geschmacks wurde nicht für diese Dorfkirche geschaffen, sondern für die Würzburger Augustinerkirche. Der Altar hatte den Bombenhagel des 16.3.1945 als einziger überstanden. Die Kirchengemeinde Rieden konnte ihn erwerben, weil die Augustinerkirche nach dem Wiederaufbau komplett modern gestaltet wurde. Für die Verwendung in Rieden mußte er angepaßt und renoviert werden; am 28.6.1956 erfolgte die Altarweihe. Ansonsten ist noch die Kanzel erwähnenswert, die stammt aus der Zeit der Langhauserweiterung in der ersten Hälfte des 19. Jh. Der Glattbacher Künstler Alois Bergmann-Franken schuf 1937 die Kreuzwegstationen. Die Künstler Susanna und Bernhard Lutzenberger aus Bad Wörishofen gestalteten 2019-2020 den neuen Gemeinde-Altar, den neuen Ambo und den Ständer für die Osterkerze.

Rieden war ursprünglich eine Filialkirche der Pfarrei Eßleben. Die Pfarrei Rieden fusionierte 1976 mit Erbshausen-Sulzwiesen (St. Alban), Gramschatz (St. Cyriakus, St. Laurentius und St. Maria Magdalena), Opferbaum (St. Lambertus), Hausen (St. Wolfgang), Hilpertshausen (St. Vitus) und Rupprechtshausen (St. Nikolaus) zum Pfarrverband Fährbrück, seit 2010 Pfarreiengemeinschaft Fährbrück. Sie hat ihr Büro im Augustinerkloster Fährbrück. Sowohl die Pfarreiengemeinschaft Fährbrück als auch die Pfarreiengemeinschaft "Volk Gottes an Pleichach und Main" mit Sitz in Bergtheim werden von einem gemeinsamen Pfarrer seelsorgerisch betreut.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9401693,10.0471308,19z - https://www.google.de/maps/@49.940221,10.0470898,88m/data=!3m1!1e3
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe, hrsg. vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger Diözesangeschichtsverein, Würzburg, 1974, 192 S.
Julius Echter von Mespelbrunn in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Echter_von_Mespelbrunn
Julius Echter von Mespelbrunn im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Julius_Echter_von_Mespelbrunn
Rainer Leng: Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof von Würzburg, hrsg. vom Mainfränkischen Museum, Würzburg 2013, ISBN 978-3-932461-35-4
Rainer Leng, Wolfgang Schneider, Stefanie Weidmann (Hrsg.): Julius Echter 1573-1617, der umstrittene Fürstbischof, eine Ausstellung nach 400 Jahren,  Quellen und Forschungen zur Geschichte von Bistum und Hochstift Würzburg, Echter Verlag, Würzburg 2017, ISBN 978-3429043261
Götz Freiherr von Pölnitz: Julius Echter von Mespelbrunn, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 655 f. -
https://www.deutsche-biographie.de/gnd118528696.html#ndbcontent - https://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016327/images/index.html?seite=669
Alfred Wendehorst (Bearb.): Das Bistum Würzburg 3: Die Bischofsreihe von 1455 bis 1617, Germania Sacra Neue Folge Nr. 13, De Gruyter, Berlin/New York 1978, ISBN: 978-3-11-007475-8 -
https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0003-16E3-3 - https://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0003-16E3-3/NF%2013%20Wendehorst%20W%c3%bcrzb.%20Bfsreihe%201455%e2%80%931617.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Informationstafel an der Kirche
Bei Schock-Werner fehlt diese Kirche im Textteil.
St. Ottilia im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/St._Ottilia_(Rieden)

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