Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2843
Innsbruck (Tirol, Österreich)

Das alte Innsbrucker Landhaus

Das Alte Landhaus befindet sich südlich der Altstadt in der Maria-Theresien-Straße 43, schräg gegenüber vom Servitenkloster. Es handelt sich um einen barocken Prachtbau, der 1725-1734 errichtet wurde. Die Pläne dazu stammen vom Baumeister Georg Anton Gumpp (12.10.1682-19.12.1754). In der Mitte der elfachsigen Westseite ragt ein dreiachsiger Mittelrisalit über die drei Stockwerke der Seitenteile hinaus. Wuchtige, schräg geböschte Pfeiler tragen die Konsolen des Balkons im ersten Stock. Darüber werden die oberen Ebenen durch Monumentalpilaster zusammengefaßt. Über den Pilastern des Mitteltraktes sind die Embleme der Landstände als Stuckarbeit angebracht. Das Arrangement aus Kerzenhaltern, Mitra und Kruzifix über dem zweiten Pilaster von links steht beispielsweise für den Klerus, Rad und Fruchtgebinde ganz rechts für den Bauernstand. Ritterhelm, Kanonenkugeln und Schwert symbolisieren den Adel über dem dritten Pilaster von links, und ganz links mit Füllhorn und Schaumünze wird das Bürgertum dargestellt. Am Giebel, an den Hauskanten und am Turm befinden sich Wasserspeier in Form von Drachenköpfen. Den oberen Abschluß der Mittelrisalit-Fassade bildet ein Dreiecksgiebel. Die reich dekorierte und doch streng gegliederte Fassade verrät Gumpps Verwurzelung in der Formensprache des italienischen Hochbarocks, ebenso erinnert die Grundkonzeption des Gebäudes an das typische Schema eines italienischen Barockpalastes. Drei Portale führen in eine dreischiffige Eingangshalle mit toskanischen Säulen, die beiden seitlichen Durchgänge sind schmäler als der mittlere. Die Türflügel aus Nußbaumholz sind Arbeiten von Nikolaus Moll und Johannes Vögele. Von der Eingangshalle aus erreicht man eines der repräsentativsten und monumentalsten Treppenhäuser der Stadt.

 

Auf der Rückseite wird die Mitte des Haupttraktes gleichermaßen durch einen dreiachsigen Mittelteil mit Giebel betont (Abb. unten), wobei die steil in die Höhe strebende Wirkung durch den beengteren Raum eine noch stärkere ist. Zwei schmälere parallele Querflügel sind hinten an den Hauptbau angesetzt, sie sind ebenfalls dreistöckig und besitzen fünfzehn Fensterachsen. Der dadurch gebildete rechteckige Innenhof wird nach Osten durch die eingebaute Landhauskapelle geschlossen, die dem hl. Georg geweiht ist. Vier Pilaster, Nischen und ein Rundbogengiebel sorgen für eine kräftige Gliederung der Kirchenfassade; oben bekrönt ein Dachreiter den vergleichsweise niedrigen Bau. Verbindungsgänge schließen die seitlichen Zwischenräume. Früher umschlossen die Fortsetzungen der beiden langen Flügel noch hufeisenförmig einen kleinen Garten hinter der Kapelle, doch heute ist dieser Bereich vollständig verbaut.

In diesem Gebäude befinden sich die Räumlichkeiten des Tiroler Landtags und der Amtssitz des Tiroler Landeshauptmanns. Wenn man von vorne auf den Mittelrisalit schaut, befinden sich im ersten Stock hinter den Fenstern die Zimmer des Landeshauptmanns, während der Sitzungssaal des Landtags im zweiten Stock liegt. Als das Gebäude errichtet wurde, bestanden die Mitglieder des Landtags noch nicht aus Vertretern politischer Parteien, sondern aus den Landständen, also aus der hohen Geistlichkeit, dem Adel, dem Bürgertum und der ländlichen Gerichte etc. Die Tiroler Landesfreiheiten basieren auf einem Großen Freiheitsbrief aus dem Jahre 1342, in dem Graf Ludwig die Befugnisse der Stände festlegte. Die Zusicherung der Mitsprache der Landstände wurde aber bereits schon 1293 von Graf Meinhard I. für die Erlassung einer neuen Gerichtsordnung eingeholt. Deshalb wird Tirol als "älteste Festlanddemokratie" bezeichnet. Zu den wichtigen Rechten der Landstände gehört die Finanzhoheit - damals mußte der Landesfürst die Zustimmung der Landstände bei der Erhebung außerordentlicher Steuern einholen, und auch heute hat der Landtag die Budgethoheit. Ein weiteres wichtiges Recht war die Landesverteidigung: Dafür, daß sie für die Verteidigung sorgten, mußte der Landesfürst die Landstände bei der Entscheidung über Krieg oder Frieden zu Rate ziehen. Auch in der Zeit des Absolutismus konnten die Tiroler Landstände ihre Rechte bewahren, im Gegensatz zu anderen Ländern. Ihre tatsächliche Macht schwankte jedoch stark je nach regierendem Kaiser. Die Regierungszeit von Kaiser Karl VI. war eine gute Zeit für die Landstände, und im Gegensatz zu den Phasen vorher und nachher konnte unter diesem Kaiser das ständische Selbstbewußtsein noch einmal aufblühen, und genau in dieser Zeit entstand auch das Alte Landhaus.

Das erste als Landtag verwendete Gebäude lag in der Altstadt, in der Herzog-Friedrich-Straße 29. Damals trug es den Namen "Haus zum Goldenen Engel". Heute ist es als "Frankhaus" bekannt, weil es seit 1883 dem Kaufmann Theodor Frank gehörte. Doch das Anwesen wurde zunehmend zu klein für die Bedürfnisse, insbesondere wenn der ganze Landtag zu Beratungen zusammenkam. Für Ausschußsitzungen ging es hingegen. 1666 wechselte man in das Harnischhaus, das Kaiser Maximilian I. im Jahr 1505 als Manufaktur für die berühmten Innsbrucker Prunkharnische hatte erbauen lassen. Das Harnischhaus hatte 1620 gebrannt und Schäden durch ein paar Erdbeben genommen, deshalb war es günstig zu haben - man machte eine Art Gebäudetausch und zahlte noch einen Aufschlag von 3500 fl. Im Grunde blieb das Gebäude trotz aller Reparaturen baufällig. 1722 war es nicht mehr zu verbergen, daß ein Neubau überfällig war, und so erging 1723 der Auftrag an Hofbaumeister Gumpp. Seine Vorbilder für das Landhaus waren der Palazzo di Propaganda Fide von Francesco Borromini aus dem Jahr 1664 und der Palazzo Odescalchi von Lorenzo Bernini aus dem Jahr 1665, beide in Rom. Natürlich gab es gewisse Adaptierungen an die Stadt Innsbruck wie weniger Breite und mehr Höhe.

Der Rohbau war 1728 fertig; die Kosten überstiegen aber die veranschlagten 21609 fl. deutlich, obwohl Gumpp nur für die Ehre arbeitete und selber noch zugeschossen hatte. Die künstlerische Innenausstattung, die vom kunstsinnigen Prälaten Stickler, Abt von Wilten, koordiniert wurde, zog sich bis 1734 hin. Der Innsbrucker Hofbildhauer Ingenuin Lechleitner und der Bildhauer Nikolaus Moll fertigten den Figurenschmuck an. Mit am Ende 63215 fl. waren die Baukosten dreimal so hoch wie ursprünglich veranschlagt. Eine Rüge seitens der Regierung fruchtete wenig, weil die Finanzhoheit bei den Landständen lag.

Die Kapelle wurde 1728-1731 errichtet. Auch sie hat gestalterische Vorbilder in der Kunst des barocken Roms, Sant'Andrea al Quirinale von Lorenzo Bernini und Sant'Ivo alla Sapienza von Francesco Borromini. Aufgrund ihrer edlen Proportionen und dem schwungvollen, aber in sich ausgeglichenen Gestaltungskonzept gehört die Kapelle zu den qualitätsvollsten sakralen Bauten des Hochbarocks in Tirol. Die Kapelle wurde bisher dreimal renoviert, 1896, 1948 und 1997. In den vier Figurennischen rechts und links der Mittelachse befinden sich moderne Skulpturen, die überhaupt nicht mit dem Fassadenkonzept harmonieren und eine störende Dysergie eintragen.

Insgesamt können wir an den Außenfassaden dreimal das Landeswappen sehen. Das Wappen der gefürsteten Grafschaft Tirol zeigt in Silber einen roten Adler, golden gekrönt und bewehrt und mit goldenen Kleestengeln auf den Flügeln. Die Helmzier, zu rot-silbernen (auch: schwarz-silbernen) Decken ein schwarzer Flügel, umlegt mit einem goldenen Band, von dem unten goldene Lindenblättchen herabhängen, wird in keinem Fall verwendet.

In der ursprünglichen und bauplastisch schönsten, üppigsten und besten Form ist das Landeswappen im Segmentbogengiebel der Georgskapelle angebracht. Zwei gewaltige Muschelornamente mit Abschlußvoluten flankieren den Adler, oben wird ein Puttenkopf von einem weiteren Muschelornament überragt. Seitlich sind zwei geflügelte Putten dargestellt, die das Gesamtornament mit den Händen greifen und durch ihre eigene Lage die Gestaltungslinien am hier durchbrochenen Gesims vorbei dem runden Fenster folgend zur Seite leiten.

Daß sich die Landstände im Zuge der allgemeinen damaligen barocken Baulust ein so aufwendiges bauliches Denkmal setzten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre Macht und ihr Einfluß bereits im Sinkflug begriffen waren. Der Bau wirkt wie ein letztes Aufbäumen des demokratischen Selbstbewußtseins der Landstände angesichts des immer stärker zunehmenden Absolutismus und Zentralismus des Kaisertums. Maria Theresia und Josef II. konnten eher wenig Sinn in einer Zusammenarbeit mit den Landständen erkennen, so daß erst unter Leopold II. wieder Landtagssitzungen stattfanden, erstmalig wurde wieder 1790 ein Landtag einberufen. Das bayerische Königreich hob die Tiroler Landesfreiheiten 1808 auf. 1816 gab es unter Kaiser Franz eine neue Verfassung; Landtage waren wieder zugelassen, aber hatten weniger Rechte als zuvor. 1848 gab es eine neue Landesverfassung, in der die Stände abgeschafft und durch politische Parteien ersetzt wurden. 1851 war es mit dieser bahnbrechenden Änderung schon wieder vorbei, und es folgte eine neunjährige Zeit des Neoabsolutismus, bis man 1860 mit der Verfassung des "Oktoberdiploms" wieder zur konstitutionellen Monarchie zurückkehrte. Die nächsten Tiroler Landesordnungen datieren jeweils von 1921 und 1946, mit einer Novelle aus dem Jahr 1989. Der Tiroler Landtag wird alle fünf Jahre gewählt und besteht aus der sehr überschaubaren Anzahl von 36 Abgeordneten, gegenwärtig in sechs Fraktionen gegliedert. Das Landesparlament tagt planmäßig siebenmal pro Kalenderjahr.

Das hofseitige Wappen des Mittelrisalits trägt eine relativ hohe und schlanke Gestaltung, oben mit einem Muschelornament, seitlichen Abschlußvoluten, Fruchtgebinden und einer grotesken Maske ganz unten.

Das Wappen am straßenseitigen Mittelrisalit ist nur aufgemalt, und hier ist der Kopf des Tiroler Adlers von dem grünen Lorbeerkranz umgeben, wie es der aktuellen Form entspricht. Das gleiche Wappen wird auch auf den Landesflaggen verwendet (beide Abb. unten). Der Kranz (vulgo "Ehrenkränzlein") entstand zunächst als Beizeichen ohne heraldische Signifikanz auf den Talern der Erzherzöge Ferdinand von Tirol (1564-1595), Leopold (1623-1632) und Ferdinand Karl (1632-1662), wanderte dann im 18. Jh. in den Schild selbst und wurde später als Symbol für den Tiroler Freiheitskampf dauerhaft ins Landeswappen aufgenommen. Im Inneren des Landhauses gibt es eine vollplastische Darstellung des Tiroler Wappentiers mit dem grünen Laubkranz im Stiegenaufgang aus dem Jahr 1728. Nach 1814 war der grüne Kranz de facto fest eingeführt, und die offizielle Tiroler österreichische Staatsheraldik legte dieses Detail 1921 als bindend fest. Seitdem steht in Artikel 6 der Tiroler Landesordnung: "Das Wappen des Landes Tirol ist im silbernen Schild der golden gekrönte rote Adler mit goldenen Flügelspangen mit Kleeblattenden und einem grünen Kranze hinter dem Kopf.". Die Tiroler Landesordnung in der Fassung von 1989 präzisiert noch die bisher vergessene Bewehrung: "Das Landeswappen ist im silbernen Schild der golden gekrönte und bewehrte rote Adler mit goldenen Flügelspangen mit Kleeblattenden und einem grünen Kranz hinter dem Kopf".

 

Abb. links: Tiroler Landesflagge vor dem Innsbrucker Landhaus. Abb. rechts: Tiroler Landesflagge in Schwaz.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@47.2646006,11.3952458,20z - https://www.google.de/maps/@47.2646006,11.3952458,88m/data=!3m1!1e3
Altes Landhaus auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Altes_Landhaus_(Innsbruck)
Tiroler Landtag auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tiroler_Landtag
Webseite des Tiroler Landtags:
https://www.tirol.gv.at/landtag/ - Geschichte: https://www.tirol.gv.at/landtag/allgemein/
Geschichte des Tiroler Parlamentarismus:
https://www.tirol.gv.at/landtag/wissenswertes/geschichte/vertiefend/
Das Alte Landhaus:
https://www.tirol.gv.at/landtag/wissenswertes/geschichte/das-alte-landhaus/
Broschüre zum Alten Landhaus:
https://www.tirol.gv.at/fileadmin/landtag/bilder/Marketing/Homepage/Broschuere/Broschuere_Barockes_Landhaus_de.pdf
Altes Landhaus:
https://www.innsbruck.info/sehenswuerdigkeiten/sightseeing/historische-bauten/detail/infrastruktur/altes-landhaus-innsbruck.html
Georgskapelle:
https://www.tirol.gv.at/landtag/allgemein/georgskapelle/
Altes Landhaus im Austria-Forum:
https://austria-forum.org/af/AustriaWiki/Altes_Landhaus_Innsbruck
Tiroler Landeswappen im Austria-Forum:
https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Symbole/Tirol_-_Landeswappen_und_Landesfarben
Landeswappen Tirol:
https://www.verwaltung.steiermark.at/cms/ziel/74838034/DE/

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