Gernot Ramsauer, Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2793
Lengmoos (Ritten, Südtirol)

Die Deutschordenskommende in Lengmoos auf dem Ritten, Teil (1):
Die Ballei an der Etsch und im Gebirge, ihre Landkomture und Statthalter

Kurze Geschichte der Ballei an der Etsch und im Gebirge
Keimzelle der Ballei an der Etsch und im Gebirge war die 1202 gegründete Kommende Bozen. Sie war eine Schenkung bedeutender Größe von Girold von Bozen und seiner Frau Mathilde und umfaßte das Hospiz und die St. Johannes-Kirche. Bischof Konrad von Trient übergab die Güter urkundlich am 9.4.1202 dem Bruder Konrad als Vertreter der Spitalsbruderschaft. Weitere Schenkungen brachten dem Deutschen Orden Göflan (1212), Lana und Tarsch (1215), St. Leonhard (1219), Schlanders (1235), Lengmoos (um 1237/1239), und Sterzing (1254) ein. Von Bozen, das sich zum Vorort für alle übrigen Häuser entwickelte, wurden Filialspitäler in Lengmoos und in Sterzing gegründet, die in der zweiten Hälfte des 13. Jh. selbständig wurden und eigene Komture einsetzten. 1269 wird die Ballei Bozen erstmals urkundlich als solche angesprochen, der Landkomtur als "preceptor Balie Bozanensis" bezeichnet. Wann genau sich die Ballei konstituiert hat, ist unbekannt, vermutlich um 1250. Weiterer Zuwachs kam 1283 mit dem S. Maria Coronata zu Trient, ein Augustinerkloster, das nun als Kommende dem Orden beitrat. Diese Kommende wurde jedoch 1673 wegen Unwirtschaftlichkeit wieder verkauft. 1299 taucht erstmals die Bezeichnung der Ballei "per montana" auf. 1396 wurde die Kommende Lana gegründet, zu der auch Völlan und Gargazon gehörten. Zur Ballei gehörten die Pfarreien Schlanders, Lana, Sterzing, Wangen, Ritten, Sarnthein, Mareit und St. Leonhard.

In Bozen lag der Hauptsitz der Ballei ursprünglich an der Südseite der Eisackbrücke (Loretobrücke) und war ständig von Hoch- und Wildwasser bedroht. 1392 wurde daher der nahe, aber höher gelegene Ansitz Weggenstein erworben und 1400 zum Hauptsitz der Ballei gemacht. Sowohl der alte als auch der neue Standort in Bozen lagen nicht im Bereich des bischöflichen Stadtgerichts, sondern im landgerichtlichen Bereich des Grafen bzw. Landesfürsten von Tirol. Die Deutschordenskommenden waren im Mittelalter wichtige Stützpunkte für Ordensritter auf dem Weg nach Italien und ins Heilige Land, doch mit dem Verlust von Akkon sank ihre Bedeutung. Ursprünglich unterstand die neue Ballei dem Deutschmeister, kam aber kurz vor 1300 an den Hochmeister als Kammerballei. Das bedeutete, daß der Landkomtur jeweils vom Hochmeister direkt ernannt wurde. 1520 wurde die Ballei an den Deutschmeister verpfändet. Da aber kurz darauf beide Ämter in einer Person vereinigt wurden, waren die Auswirkungen gering, auch wenn diese Konstellation eine gewisse Selbständigkeit ermöglichte. Der in Bozen stationierte Landkomtur gehörte seit 1534 zu den Tiroler Landständen, bis 1918. Das bedeutete, daß der Landkomtur seit 1534 nolens volens aufgrund seiner Besitzungen Untertan des Tiroler Landesherrn war.

Die Ballei wurde 1810 aufgelöst. Grundlage war die Verfügung Napoléons vom 24.4.1809 zur Auflösung des Deutschen Ordens in allen Ländern der deutschen Rheinbundfürsten, und dazu gehörte der König von Bayern, und damit galt das auch für Tirol. Das war eine gegen den Kaiser von Österreich gerichtete Aktion, weil dessen Bruder Hochmeister des Deutschen Ordens war. 1809 kam es aber zu einem Aufstand unter Andreas Hofer gegen das Königreich Bayern, was die Umsetzung der Anordnung verzögerte, so daß die tatsächliche Auflösung in Südtirol (Eisackkreis und Etschkreis), das ab 1810 nicht mehr zu Bayern, sondern zum napoleonischen Königreich Italien gehörte, erst 1810 erfolgte. Bayern hatte 1811 die Kommenden Sankt Leonhard und Schlanders besetzt und säkularisiert; der Staat behielt die Gebäude als Amtsgebäude; die Liegenschaften wurden 1813 an den Fürsten von Thurn und Taxis gegeben. Auf italienischer Seite ließ man sich mehr Zeit mit der Enteignung. 1813 kam der erste Teil, 1814 der zweite Teil von Tirol zurück an Österreich, so daß das Land Tirol wiedervereinigt war. Am 2.12.1817 verfügte Kaiser Franz I. die Rückgabe des Ordensvermögens in Tirol und Vorarlberg. 1819 konnte die Ballei ihre ehemaligen Besitzungen tatsächlich wieder übernehmen, 1834 wurde der Orden zu einem selbständigen geistlichen Institut im Habsburgerreich, und 1835 konnte die Ballei auch der Form nach wieder errichtet werden. Auch alle Pfarreien bis auf Schlanders und Sterzing wurden wieder betreut. 1919 wurde Tirol erneut geteilt. Die Ballei bestand bis 1929, dann endete die Geschichte der Landkomture. Mussolini enteignete den Deutschen Orden in Italien; die Kommende Bozen wurde säkularisiert. Der Deutsche Orden wurde in einen Klerikerorden umgewandelt, und die Ballei an der Etsch und im Gebirge ging in der neuen Südtiroler Ordensprovinz auf.

1956 schuf Hochmeister Marian Tumler im Rahmen des von ihm konstituierten Familiareninstituts die Ballei an der Etsch und im Gebirge neu. Die Idee wurde eigentlich bereits unter Hochmeister Erzherzog Wilhelm im Jahre 1871 entwickelt. Der Gedanke dahinter ist, im Sinne der Ordenstradition dem Orden verbundene Wohltäter, die dessen Projekte fördern und die karitativen Ordensideale ideell und materiell mittragen, als Familiaren (katholische Laien) dem Orden anzuschließen. Sie werden auch Marianer genannt. Das Generalkapitel des Deutschen Ordens genehmigte am 27.3.1936 das von Tumler entwickelte Familiareninstitut, und am 20.6.1938 konnte als erster Familiare Josef Zuegg investiert werden, am 27.1.1949 fünf weitere verdiente Persönlichkeiten. 1965 erhielt der Orden die päpstliche Approbation für das Familiareninstitut. Aktuell zählt die Ballei 75 Familiaren.

Wappensaal der Kommende Lengmoos: Wappengalerie der Statthalter und Landkomture der Ballei an der Etsch und im Gebirge
Über ein schlichtes Treppenhaus erreicht man ein an und für sich schmuckloses Foyer. Deutschordenspater Cornelius Buchheim, Custos des Lengmooser Deutschhauses, beauftragte in den 1980er Jahren einen Meraner Künstler, die Wände des Foyers mit den Hochmeisterwappen auf zwei Wänden und den Landkomturwappen auf einer dritten Wand zu schmücken. Hier werden zunächst die Landkomture der Ballei an der Etsch und im Gebirge (Ballei Bozen) vorgestellt, beginnend links oben mit einem nicht weiter bezeichneten Chuonradt im Jahr 1202 und endend rechts unten 1918 mit Graf Albert von Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein.

Die Darstellungsweise wechselt auf der Tafel: Von den Anfängen bis zu Wolfgang von Klingenberg 1495 inclusive wird eine Darstellung gewählt mit zwei separaten Schilden nebeneinander. Von Wolfgang von Neuhaus an werden gevierte Wappen verwendet. Das trägt der Tatsache Rechnung, daß bei den frühesten Vertretern gevierte Wappen noch nicht allgemein gebräuchlich waren und diese Mode sich erst entwickelte. Die gevierten Schilde wurden für die Landkomture erst im ersten Drittel des 16. Jh. üblich.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@46.5422902,11.4671771,19z - https://www.google.de/maps/@46.5423154,11.4671915,61m/data=!3m1!1e3
Kuratorium der Kommende Lengmoos:
https://kuratorium-kommende-lengmoos.com/ritten/
Ballei an der Etsch und im Gebirge auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschordensballei_An_der_Etsch_und_im_Gebirge
Ballei an der Etsch und im Gebirge auf den Seiten des Deutschen Ordens:
http://www.deutschorden.it/familiaren/ballei/ - Familiaren: http://www.deutschorden.it/familiaren/
Franz-Heinz von Hye: Auf den Spuren des Deutschen Ordens in Tirol, eine Bild- und Textdokumentation aus Anlaß des Ordensjubiläums 1190-1990, Bozen 1991, ISBN-10: 8870146219, ISBN-13: 978-8870146219
Der Deutsche Orden in Tirol, hrsg. von Heinz Noflatscher, Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, Bd. 43, hrsg. von Udo Arnold unter der Patronanz des Deutschen Ordens, Verlagsanstalt Athesia, Bozen, N. G. Elwert Verlag Marburg, 1991, ISBN 88-7014-592-1 (Athesia) und 3-7708-0951-3 (Elwert). Landkomturlisten S. 521-522.
Justinian P. Ladurner (1861): Beiträge zur specielen Geschichte der Deutsch-Ordens-Comende Sterzing vom 14. Jahrhundert angefangen, Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 3_10: 233 - 272
https://www.zobodat.at/pdf/VeroeffFerd_3_10_0001-0232.pdf
Justinian P. Ladurner (1861): Urkundliche Beiträge zur Geschichte des deutschen Ordens in Tirol, Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 3_10: 1 - 232 
https://www.zobodat.at/pdf/VeroeffFerd_3_10_0233-0272.pdf
Damian Hungs: Ballei Etsch und im Gebirge:
http://www.damian-hungs.de/geschichte/kommenden-des-deutschen-ordens/ballei-der-etsch-und-im-gebirge/
Damian Hungs: Kommende Sterzing:
http://www.damian-hungs.de/geschichte/kommenden-des-deutschen-ordens/kommende-sterzing/
Damian Hungs: Kommende Lengmoos:
http://www.damian-hungs.de/geschichte/kommenden-des-deutschen-ordens/kommende-lengmoos/
Damian Hungs: Kommende Schlanders:
http://www.damian-hungs.de/geschichte/kommenden-des-deutschen-ordens/kommende-schlanders/
Franz-Heinz van Hye: Die Ballei an der Etsch und die Landkommende Bozen, in: Der Deutsche Orden in Tirol, Bozen 1991, ISBN-10: 3770809513, ISBN-13: 978-3770809516
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kommende Lengmoos mit freundlicher Genehmigung von Herrn Egon Gasser, Obmann des Kuratoriums der Kommende Lengmoos, vom 10.5.2021, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei

die Deutschordenskommende in Lengmoos, Teil (2): die Hochmeister des Deutschen Ordens und ihre Wappen - die Deutschordenskommende in Lengmoos, Teil (3): heraldische Zeugnisse an und in den Gebäuden der Kommende

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