Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2776
Untermarchtal (Alb-Donau-Kreis)

Die katholische Pfarrkirche St. Andreas in Untermarchtal

Die Pfarrkirche St. Andreas in Untermarchtal wurde 1465 von Dietrich von Speth aus Ehestetten als "Kapelle auf dem Berg" errichtet; damals handelte es sich noch nicht um eine selbständige Pfarrei; Untermarchtal gehörte zum Pfarrsprengel St. Michael in Neuburg. Seit 1481 gab es eine eigene Schloßkaplanei mit Kaplan. Als 1517 wegen der Parteinahme des Dietrich Speth für Sabina, die Ehefrau von Herzog Ulrich von Württemberg, des letzteren Zorn über ersteren hereinbrach, wurden seine Schlösser angegriffen und zerstört, und auch in Untermarchtal wurde das ganze Dorf mit Kirche und Schloß gebrandschatzt und eingeäschert. Erst längere Zeit nach der Rückkehr der Speth und der Rückgabe der eingezogenen Besitzungen nach dem Tod von Herzog Ulrich wurde die Kirche 1613 in vergrößerter Form in frühbarockem Stil von Johann Ulrich Speth von Zwiefalten zu Untermarchtal (1535-1627) und seiner Frau, Ursula Schad von Mittelbiberach (-1630), Tochter von Johann Philipp Schad von Mittelbiberach (ca. 1505-1571) und Euphrosine von Rechberg (1517-1571), wiederaufgebaut, und eine zweite Kaplanei wurde gestiftet. Die neue Kirche war 21 m lang, 8 m breit und ebenso hoch. Der viereckige Turm mit achteckigem Aufsatz mißt 20 m in der Höhe. Die Freiherren von Speth, die früher über der Sakristei ein eigenes Oratorium besaßen, hatten das Patronatsrecht zur Kapelle und späteren Kirche St. Andreas bis zu ihrem Aussterben inne. Erst 1830 wurde St. Andreas zu einer eigenständigen Pfarrei erhoben. Der Kirchenpatron ist als Statue am Chorbogen zu sehen. Heute gehört Untermarchtal zur Seelsorgeeinheit Marchtal und wird von Obermarchtal aus betreut.

Unter dem Kirchenchor befindet sich die Spethsche Gruft. Ihr Eingang lag ursprünglich seitlich am St. Andreas-Altar. Seit 1613 wurden hier insgesamt neunzehn verstorbene Familienangehörige beigesetzt. 1831 verlegte man den Zugang nach außen an die Nordseite, dieser ist aber jetzt vermauert. Die letzte Beisetzung erfolgte 1852 anläßlich des Ablebens von Freiherr Gustav von Speth, königlich-württembergischer Major und Ehrendomherr zu Würzburg und Eichstätt. Der Grund für das Zumauern war, daß Prinzessin Theresia von Oettingen-Wallerstein (13.8.1799-6.2.1859), die Witwe von Friedrich Freiherr Speth von Marchtal (21.4.1793-8.7.1850), Major, 1834-1840 Oberstleutnant, seit 1840 Oberst in württembergischen Diensten, Bruder des vorgenannten Gustav Freiherr von Speth, auf keinen Fall hier bestattet werden wollte und dies so erfolgreich verhinderte. Sie verstarb in München. Ihrer beider Ehewappen ist am Schloß angebracht. Mit den beiden Brüdern Gustav und Friedrich erlosch die Linie der Speth zu Untermarchtal.

Im Innern der Kirche gibt es ein sehenswertes spätbarockes Epitaph mit dekorativer Bandornamentik. Es ist für Adam Bernhard Speth von Zwiefalten (9.10.1662-4.8.1691), Kämmerer des Kurfürsten von der Pfalz, und seine Frau, Barbara Theresia Schad von Mittelbiberach (ca. 1661-22.7.1722). Korrekt, es sind die gleichen Familiennamen wie die beiden, die die Kirche wiederaufbauten, doch andere Vornamen, nämlich drei Generationen später. Der hier erwähnte Bernhard war der Urenkel des Erbauers. Die Inschrift in der unteren Hälfte der Platte lautet: "HIC / Requiescit perillustris ac Generos(us) / D(ominus) ADAMUS BERNARD(US) / De SPETH / Baro de & in Zwi(e)falten / Dominus / In / Untermarchtall Öglingen (= Eglingen) E(he)st(etten) / Ser(enissi)mi Electoris Palatini / Camerarius / Mortuus FV(IT) 4. Augusti Anno MDCLXXXXI / AEtat(is) XXVIII / Cum / Coniuge sua / BARBARA THERESIA / De SPETH / Nata / Baronissa de Schad / De / Mittellbiberach / Familiae suae ultima / Mortua / XXII Sept(em)b(ris) A(nn)o MDCCXXII / AEtat(is) LXI / Requiescant / In Pace". Über dem Inschriftenbereich ist ein Stundenglas zwischen zwei Flügeln als Vergänglichkeitssymbol angebracht. Für Adam Bernhard verging die Zeit besonders schnell, denn er wurde nur 28 Jahre alt.

 

Der obere Bereich der Platte wird von einem Ehe- oder Allianzwappen eingenommen. Heraldisch rechts steht das gewendete Wappen der Speth von Zwiefalten, in Rot schräg übereinandergelegt drei silberne altertümliche Schlüssel mit gezähntem Bart, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender Mannesrumpf, dessen rotes Gewand mit silbernem Kragen mit drei schräg übereinandergelegten silbernen Schlüsseln mit gezähntem Bart belegt ist, auf dem Kopf eine rote, silbern aufgeschlagene Mütze, deren Schaft ebenfalls mit den Schlüsseln belegt ist.

Heraldisch links steht das Wappen der Schad (Schadt) von Mittelbiberach, geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Blau ein auf einer Säule mit Fußgestell ruhendes goldenes Wachthäuschen mit angelegter goldener Stiege (Leiter, Wappen Warthausen), Feld 2: silbern-rot gerautet, Feld 3: von Silber und Blau geteilt, Herzschild: golden mit rotem Schildhaupt, darin eine Krone, unten ein schwarzer Doppeladler.

Drei Helme führt das vermehrte Wappen Schad, Tingierung nach Siebmacher, Ergänzung, Seite:39, Tafel 18: Helm 1 (Mitte): der Wächter von Warthausen wachsend, blau gewandet, mit golden gestulpter blauer Mütze, ein mit der Rechten gehaltenes schwarzes Horn mit goldenen Beschlägen blasend, Helm 2 (rechts): ein blau gestulpter silberner hoher Hut, oben mit Federn besteckt, Helm 3 (links): ein silbern gestulpter roter hoher Hut, oben aus einer Krone ein Federbusch hervorkommend, der Stulp mit den roten Rauten aus Feld 2 belegt.

Dieses Wappen hat eine lange Entwicklung hinter sich. Hier haben wir es mit einer "Verbesserung" anläßlich der zweiten Wappenvermehrung zu tun, bei der das Stammwappen (in Gold ein schwarzer Adlerrumpf ohne Füße, im Schnabel ein Fisch, und mit goldenem Halsband) bis zur Unkenntlichkeit verändert wurde. Das Stammwappen und das Ergebnis der ersten Wappenbesserung (geviert, Felder 1 und 4: in Gold ein schwarzer Adlerrumpf ohne Füße, mit rotem Schnabel, darin ein silberner Fisch, und mit goldenem Halsband, Feld 2 und 3: Wappen Warthausen, in Blau eine goldene hölzerne Warte. Zwei Helme: Helm 1 (rechts): ein wachsender schwarzer Adler mit goldenem Halsband und mit silbernem Fisch im roten Schnabel, Helm 2 (links): der Wächter von Warthausen wachsend, blau gewandet, ein mit der Rechten gehaltenes schwarzes Horn mit goldenen Beschlägen blasend) kann man an mehreren Totenschilden der Familie im Ulmer Münster sehen. Von Kaiser Ferdinand III. erhielt Hans Jakob Schad (gest. 1653) bereits am 22.5.1651 den Zusatz "von Mittelbiberach", der den anderen Ulmer Schad erst 1718 verliehen wurde.

Zum Verständnis der Ahnenprobe werfen wir einen Blick in die Genealogie: Die Eltern des Ehemannes waren Ulrich Bernhard Speth von Zwiefalten (-1675) und  Eva Maria Freiin von Weichs auf Dasing. Seine Großeltern waren väterlicherseits Bernhard Speth von Zwiefalten zu Untermarchtal (-12.1.1663), Erbe der Zwiefalter Linie und Lehensnachfolger, übernahm Zwiefalten, Ehestetten und Eglingen, Verwaltung von Untermarchtal aus, und Veronica Freiin von Ulm zu Erbach (2.5.1605-), mütterlicherseits Wigileus Freiherr von Weichs auf Dasing und Amalia Susanna von Lichtenstein. Die Eltern der Ehefrau waren Leopold Schad von Mittelbiberach (1628-15.12.1695) und Maria Franziska von Wulffen. Ihre Großeltern waren Georg Christoph Schad Freiherr von Mittelbiberach (1586-18.3.1647) und Anne Maria von Freyberg zu Eisenberg väterlicherseits sowie Arnold von Wulffen und Maria Ursula von Syrgenstein mütterlicherseits.

Der untere Bereich der Platte wird von insgesamt acht Ahnenwappen in zwei Spalten begleitet, die in die Banddekorationen eingebettet sind. Jedes einzelne Ahnenwappen ist mit einem Inschriftenband zugeordnet, wobei als Besonderheit nicht nur der Familienname, sondern der vollständige Name angegeben ist. Jeweils vier Ahnen gehören zu jedem Ehepartner; diese Ahnenprobe geht also zurück bis auf Großelternebene. Doch dabei fällt auf, daß es sich um zwei Männernamen und sechs Frauennamen handelt: Anstelle der Großväter mütterlicherseits werden jeweils die Mütter genannt. Die acht Namen entsprechen also denen der beiden Mütter, der beiden Großväter väterlicherseits und aller vier Großmütter. Im einzelnen handelt es sich um folgende Wappen und Personen:

 

Abb. links oben: Wappen für Bernhard Speth von Zwiefalten zu Untermarchtal (-12.1.1663), Großvater väterlicherseits ("BERNHARD SPETH VO(N) ZWYFALTEN"): in Rot schräg übereinandergelegt drei silberne altertümliche Schlüssel mit gezähntem Bart. Abb. rechts oben: Wappen für Veronica Freiin von Ulm zu Erbach (2.5.1605-), Großmutter väterlicherseits ("VERONICA FREYIN VON VLM AVF ERBACH"): geteilt, oben in Gold der schwarze doppelköpfige und jeweils nimbierte Reichsadler, auf der Brust ein rotes Schildchen mit silbernem Balken, auf dessen drei Zonen die Buchstaben F, M, R von oben nach unten eingefügt sind, unten von Blau und Rot durch einen silbernen, sechsmal eckig verschobenen Querbalken geteilt (Stammwappen der von Ulm).

 

Abb. links oben: Wappen für Eva Maria Freiin von Weichs auf Dasing, Mutter ("EVA MARIA FREYIN V(ON) WEICHS AVF DASINGEN"): in Silber eine eingebogene schwarze Spitze. Abb. rechts oben: Amalia Susanna von Lichtenstein, Großmutter mütterlicherseits ("AMALIA SVSANNA VON LIECHTENSTEIN"): von Rot und Silber im Zackenschnitt geviert. Es handelt sich hier um die fränkische Familie von Lichtenstein, nicht um die Grafen und Fürsten von Liechtenstein.

 

Abb. links oben: Wappen für Georg Christoph Schad Freiherr von Mittelbiberach (1586-18.3.1647), Großvater väterlicherseits ("GEORG CHRISTOPH SCHAD FREYHER(R) Z(V) MITTELBIBERACH"): geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Blau ein auf einer Säule mit Fußgestell ruhendes goldenes Wachthäuschen mit angelegter goldener Stiege (Leiter, Wappen Warthausen), Feld 2: silbern-rot gerautet, Feld 3: von Silber und Blau geteilt, Herzschild: golden mit rotem Schildhaupt, darin eine Krone, unten ein schwarzer Doppeladler. Abb. rechts oben: Anna Maria von Freyberg zu Eisenberg, Großmutter väterlicherseits ("ANNA MARIA VON FREYBERG VON EYSENBERG"): silbern-blau geteilt, unten drei (2:1) goldene Kugeln.

 

Abb. links oben: Wappen für Maria Franziska von Wulffen, Mutter ("MARIA FRANCISCA V(ON) WVLFEN"): in Silber ein roter, hier doppelschwänziger Löwe. Abb. rechts oben: Maria Ursula von Syrgenstein, Großmutter mütterlicherseits ("VRSVLA VON SIRGEN STEIN"): in Silber hier ein schwarzer Schräglinksbalken, belegt mit einem goldenen Adler mit in Richtung des Balkens ausgebreiteten Schwingen. Normalerweise ist der Balken schrägrechts.

Aus dieser mit diesem Epitaph verewigten Ehe setzte der Sohn Adam Joseph Tiber Speth von Zwiefalten (1689-1744) die Stammlinie fort. Er heiratete am 24.10.1712 Anna Josepha Antonia Gräfin von Thurn-Valsassina und Taxis. Der Sohn aus dieser Ehe war Franz Joseph Tiber Speth von Zwiefalten (1713-1771), welcher im Jahre 1741 Maria Friderica Concordia Speth von Zwiefalten (1720-) heiratete. Daraus ging Johann Nepomuk Franz Speth von Zwiefalten (1746-1801) hervor, vermählt am 21.5.1775 in Mannheim mit Wilhelmine Gräfin von Sickingen (1757-1833).

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.2384427,9.6090404,19z - https://www.google.de/maps/@48.2384427,9.6090404,141m/data=!3m1!1e3
Seelsorgeeinheit Marchtal:
https://se-marchtal.drs.de/
Kirche Untermarchtal:
https://se-marchtal.drs.de/kirchengemeinden/untermarchtal.html - https://se-marchtal.drs.de/kirchengemeinden/untermarchtal/kirche-st-andreas-untermarchtal.html
Arthur Freiherr von Speth-Schülzburg: Stammbaum der Freiherren von Speth, 1903 -
https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&cqlMode=true&query=idn%3D115040096X - https://portal.dnb.de/bookviewer/view/115040096X#page/1/mode/2up - download am besten über http://d-nb.info/115040096X/34. Cave, der Stammbaum enthält etliche Fehler.
Genealogie: Stammbäume von Christoph Graf von Polier auf Geneanet:
http://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=de&p=adam+joseph+tiber&n=speth+von+zwiefalten, http://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=de&p=bernhard&n=speth+von+zwiefalten, http://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=de&p=dietrich&n=speth+von+zwiefalten&oc=1 etc.
von Speth auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Speth_(Adelsgeschlecht)
von Ulm auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ulm_(Adelsgeschlecht)
von Weichs auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Weichs_(Adelsgeschlecht)
von Lichtenstein auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtenstein_(Adelsgeschlecht)
von Freyberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Freyberg_(Adelsgeschlecht)
von Syrgenstein auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Syrgenstein_(Adelsgeschlecht)
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Gianfranco Loi vom 29.4.2021, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei

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