Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2704
Quedlinburg (Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt)

Das Rathaus der Quedlinburger Altstadt

Das historische Quedlinburger Rathaus steht am nördlichen Ende des Marktplatzes und wird eingerahmt von den Straßen Hoken und Breite Straße. Der mehrteilige Komplex hat seine über hohem Kellergeschoß zweistöckige und 25 m breite Schauseite nach Süden gerichtet, und nach Norden stoßen zwei Seitenflügel vor, von denen der östliche noch einmal zur Breiten Straße hin abknickt. So wird auf der Rückseite des alten Rathauses ein hufeisenförmiger Hof umschlossen. Der Altbau, also der Südflügel, hat einen bemerkenswerten, trapezförmigen Grundriß, weil die östliche Giebelseite wegen des dortigen Straßenverlaufs schräggestellt ist und so das Gebäude dort mit einem stumpfen bzw. hinten spitzen Winkel abschließt. Vorne ist der Altbau 25 m breit, hinten 32 m; die Tiefe beträgt 12 m. Pinkfarbene Akzente setzen die Geranienkästen in das dunkle Grün der mit Efeu bewachsenen Südfassade.

Das Rathaus ist im Kern eines der ältesten in Mitteldeutschland. Es wurde bereits 1310 erwähnt. Der gotische Bau wurde Anfang des 17. Jh. im Stil der Renaissance umgebaut, wobei eigentlich nur die Umfassungsmauern des gotischen Rathauses übernommen wurden. Der Eingang wurde von seiner ursprünglichen Position an der Westseite nach Süden verlegt; damals entstand das säulenflankierte Renaissance-Portal auf der Südseite mit einer siebenstufigen Freitreppe und Sitznischen. Erst 1862 vermauerte man den alten Westeingang. Im Jahre 1615 wurden auch die paarweise angeordneten rechteckigen Fenster anstelle der alten gotischen Spitzbogenfenster eingebaut. Mit dem steilen Satteldach bringt es das Rathaus auf stolze 11 m Höhe bei 6 m hohen Wänden. An der Südwestecke befindet sich asymmetrisch angesetzt der zweigeschossige spätgotische Archivturm auf sechseckigem Grundriß; er ist mit einem Zeltdach versehen. Dieser Turm wurde bereits 1460 erwähnt. Seine Außenflächen sind mit gekuppeltem Blendmaßwerk geschmückt. Direkt daneben befindet sich der Roland; das Original wurde 1477 zerstört, dieser hier wurde 1869 aus den Bruchstücken wieder zusammengesetzt, ergänzt und aufgestellt.

Die beiden Seitenflügel sind verhältnismäßig jung; sie wurden erst 1898-1901 als Erweiterungsbauten  nach Entwürfen von Stadtbaurat Laumer hinzugefügt. Dabei wurden aber alte Fachwerkteile wiederverwendet. Für die Erweiterungsbauten wurde damals das älteste erhalten gebliebene Haus der Stadt Hoken 7 abgerissen. Innen gibt es im Stil des Historismus gestaltete Repräsentationsräume mit Holzvertäfelungen, Wandgemälden und Glasmalereien. Der große tonnengewölbte Festsaal, der Ratssitzungssaal und das Bürgermeisterzimmer sind die am aufwendigsten ausgeschmückten Räume. Älter sind lediglich zwei einander sehr ähnliche und mit umfangreichem barockem Schnitzwerk versehene Türen, datiert 1659 bzw. 1693.

Das Stadtwappen von Quedlinburg zeigt in Gold einen rotbewehrten schwarzen Adler mit einem aufgelegten golden konturiertem Brustschild, darin in Rot eine silberne Burg mit schwarz gefugter Zinnenmauer, darüber ein dreieckiger Giebel zwischen zwei Zinnentürmen, in der Mauer ein offenes Tor mit goldener Rustika-Einfassung, mit emporgezogenem Fallgatter, im Tor ein sitzender Hund, der hier schwarz ist, aber silbern sein sollte. Hier wird das typische Symbol der Reichsstädte verwendet, der Adler des deutschen Königtums. Der Haken an der Sache ist nur, daß Quedlinburg zwar gerne Reichsstadt gewesen wäre, der Rat der Stadt das gerne gehabt hätte, es aber nie gewesen ist. Insofern ist der Adler ein Anspruch, nicht eine Tatsache. Das Stift hingegen war ein Reichsstift. Die Stadt sonnte sich also im Status des Stifts und nahm den Adler ins Stadtwappen. Tatsächlich wurde die Stadt, die 994 durch Otto III. das Stadtrecht bekam, 1477 endgültig dem Stift unterworfen (dabei wurde auch der Roland zerstört), und in der Reichsstruktur stand das Stift deutlich über der Stadt. Dieser Adler wird nun mit einem typischen Stadtwappen kombiniert, welches das mit dem Stadtstatus verbundene Recht auf Befestigung illustriert, bereichert durch den erstmalig auf einem Sekretsiegel des Jahres 1570 auftauchenden Hund im Tor, der das Wappen einzigartig macht. Das Stadtwappen wird beschrieben im Siebmacher Band: St Seite: 167 Tafel: 196.

In der heute verwendeten Form sind ein paar Details im Stadtwappen anders, insbesondere steht der mittige Giebel nicht hinter einer durchgehenden Zinnenmauer, sondern bildet einen abgesetzten Torturm, und das Tor besitzt nicht eine goldene Einfassung wie hier, sondern geöffnete Torflügel. Heute lautet die offizielle Blasonierung: "In Gold ein rotbewehrter schwarzer Adler mit goldkonturiertem roten Brustschild, darin eine silberne Burg mit schwarz gefugter Zinnenmauer und gezinntem Torturm mit offenem Rundbogenfenster im Spitzdach, geöffneten Torflügeln und emporgezogenem Fallgitter, der Torturm flankiert von zwei spitzbedachten Zinnentürmen mit je einem offenen Rundbogenfenster, im Tor ein sitzender silberner Hund mit schwarzem Halsband." Unter dem Wappen verrät eine Inschrift "RENOVATVM 1777". Über dem Wappen ist im Aufsatz Abundantia zu sehen, die römische Göttin des Überflusses. Das ist eine Arbeit des Bildhauers Georg Stier; die Figur reicht bis zum Dachansatz.

Vor dem 2,75 m in der Höhe messenden Roland ist an der südwestlichen Ecke des Rathauses ein Mosaik mit dem Stadtwappen im Fußboden zu sehen; auch dort ist der Hund schwarz. Hier sind weitgeöffnete Torflügel dargestellt.

Ein weiteres Mosaik zeigt in rotem Feld die schräggekreuzten Kredenzmesser mit schwarzen Griffen und silbernen Schneiden. Das Stiftswappen des 936 gegründeten und 1802 aufgelösten Reichsstifts Quedlinburg führte  goldengegriffte Kredenzmesser; die schwarzen Griffe hier entsprechen nicht üblicher Darstellung. Das alte Wappen des Kreises Quedlinburg vom 7.7.1939 hatte unverändert das Stiftswappen übernommen, nur ohne den Fürstenhut. Das neue Wappen des 1952 gebildeten Kreises bzw. ab 1990 Landkreises Quedlinburg vom 24.9.1990 war durch eine eingebogene Spitze in drei Felder aufgeteilt, Feld 1 (rechts): in Silber eine linksgebogene rote Hirschstange (für die ehemalige Grafschaft Regenstein), Feld 2 (links): in Rot zwei schräggekreuzte silberne, goldengegriffte Kredenzmesser (Reichsstift Quedlinburg), Feld 3 (Spitze): schwarz-golden neunmal geteilt (für die Grafschaft Ballenstedt). Der Landkreis Quedlinburg ging nach mehreren Arrondierungen mit Nachbarkreisen 2007 im neu gebildeten Landkreis Harz auf. Auch dieser greift das Motiv im Wappen vom 3.1.2008 auf: Es ist gespalten, rechts in Silber zwei einander zugewendete, aufrechte rote Forellen (Grafschaft Wernigerode), links in Rot zwei schräg gekreuzte silberne Kredenzmesser mit goldenen Griffen (Reichsstift Quedlinburg). Neben diesen Einzelkomponenten läßt sich übergeordnet in der silbern-roten Spaltung das alte Wappen des Stifts bzw. Bistums Halberstadt wiederfinden.

Von 1899 stammt eine Darstellung des Stadtwappens im Giebel der Ostseite eines Anbaus, nur wenig unterhalb der abschließenden Wetterfahne angebracht. Dieser Giebel wird auch mit den Köpfen der Bauherren des damaligen Umbaus als Konsolen geschmückt, vier unterhalb des Wappens und einer darüber.

Stark verwittert ist eine Wappendarstellung über dem Eingang im Winkel der Ostseite, wo der Ostflügel noch einmal abknickt. Auch dieses Wappen stammt vom Umbau 1898-1901.

 

Über dem auf der Ostseite des Altbaus gelegenen Zugang zum Ratskeller befindet sich eine moderne Darstellung des Stadtwappens mit schauderhaftem Umgang mit "Helmdecken" ohne Helm. Auch hier haben sich wieder Bauherren aus der Umbauzeit mit ihren individuellen Köpfen verewigen lassen.

Ein weiteres Stadtwappen ist zu sehen, wenn man das Rathaus betritt und in die von Pfeilern getragene Eingangshalle mit der repräsentativen, einläufigen Haupttreppe kommt, dort zeigt ein rundes Bleiglasfenster vom Ende des 19. Jh. seitlich der ansteigenden Treppe erneut das Quedlinburger Stadtwappen, der stahlblaue Adler mit Mauerkrone auf dem Kopf. Das Fenster ist eine Arbeit des Quedlinburger Künstlers Ferdinand Müller (17.9.1848-1916), der seine "Kunstanstalt für Glasmalerei" im Gernröder Weg 3 hatte. Im Fenster darunter ist das einfache Stiftswappen im gleichen Stil inmitten von Ornamenten zu sehen.

Weitere Darstellungen des Quedlinburger Stadtwappens im Stadtbild

Markt 16, Wohn- und Geschäftshaus von 1895, Nutzung durch ein Einrichtungshaus im Erdgeschoß und im ersten Obergeschoß.

Quedlinburger Stadtwappen am Wohn- und Geschäftshaus Markt 16 über der Hofeinfahrt links

Markt 15, Bankgebäude

Quedlinburger Stadtwappen am Balkon des Bankgebäudes Markt 15

Marktstraße 8, Wohnhaus, um 1820

Quedlinburger Stadtwappen über dem Eingang des Hauses Marktstraße 8

Städtischer Kanaldeckel mit dem Stadtwappen

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@51.7894235,11.1418302,19z - https://www.google.de/maps/@51.7897224,11.142129,68m/data=!3m1!1e3
Wappen von Quedlinburg:
https://www.quedlinburg.de/de/wappen/das-wappen-der-stadt-quedlinburg.html
Andreas Janek: Wunderbare Wappenwelt, Stadt- und Stiftswappen von Quedlinburg, Books on Demands, Norderstedt 2019, ISBN 978-3-7347-6318-2
Rathaus Quedlinburg bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rathaus_Quedlinburg
Rathaus Quedlinburg:
https://www.mdm-online.de/LGSuche_load.do?pk=%2523NJc%252BpPbrcHM%253D
Wappen von Quedlinburg auf Heraldry-Wiki:
https://www.heraldry-wiki.com/heraldrywiki/index.php/Quedlinburg
Wappen des Kreises Quedlinburg auf Heraldry-Wiki:
https://www.heraldry-wiki.com/heraldrywiki/index.php/Quedlinburg_(kreis)
Gustav Sommer: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 33, 2): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Stadt Quedlinburg, Halle, 1923,
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bkds_bd33_2 - http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=bkds_bd33_2&zoom=3, S. 142-150

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