Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2684
Braunschweig (Niedersachsen)

Altstadtmarktbrunnen (Marienbrunnen)

Der Altstadtmarktbrunnen steht frei mitten auf dem Altstadtmarkt, eingerahmt von der historischen Kulisse aus Gewandhaus, Martinikirche und Altstadtrathaus. Der monumentale Brunnen im Stil der Spätgotik, der auch als Marienbrunnen bezeichnet wird, ist 8,30 m hoch und besteht aus einem niedrigen achteckigen Becken auf einem einstufigen Sockel und einer zentralen Brunnensäule, die aus einer runden Sockeltrommel, drei nach oben hin sukzessive kleiner werdenden Brunnenschalen und einem baldachinartigen Aufsatz mit Maria mit dem Kind im Inneren, den Evangelisten an den Eckpfeilern, einem Maßwerkhelm wie bei einem Kirchturm und einem Wetterfähnchen mit dem filigran durchbrochenen Braunschweiger Stadtwappen ganz oben besteht. Die beiden oberen Becken werden von je vier diametral angesetzten Blattranken gestützt. Insgesamt entsteht so der äußere Umriß einer steilen Pyramide. Jede Brunnenschale trägt am Rand vier Löwenmasken, aus denen das Wasser in die jeweils nächste Ebene fließt. Ganz oben sind zwischen den Baldachinpfeilern vier Drachen angebracht, aus denen das Wasser austritt, um in die oberste Schale zu fließen. Die Drachen bzw. Löwenmasken der einzelnen Ebenen sind gegeneinander um 45° versetzt angebracht. Insgesamt sehen wir also auf vier Ebenen jeweils vier aus den Überläufen austretende Wasserfäden nach unten streben, die so im Zusammenhang mit der religiösen Thematik eine zusätzliche Symbolik erhalten: Von den Evangelisten ausgehend verbreitet sich die Lehre Christi in die Welt wie jene vier Wasserströme. Vier Drachen stehen für die vier Evangelisten, die zwölf Löwenmasken stehen für die 12 Apostel, und gleichzeitig entsteht durch die Löwenmasken ein Bezug zum lokalen Fürstenhaus, das ebensolche hersehenden Löwen als Wappentiere hat.

 

Der im Laufe der Zeit mehrfach erneuerte Brunnen wurde erstmals 1408 errichtet. Eine Inschrift nennt das Datum des Gusses, am Vorabend des Katharinentages, also am 24.11.1408. Die Brunnenschalen und der Aufsatz sind aus Blei gegossen worden, das im Goslarer Buntmetall-Erzbergwerk Rammelsberg geschürft worden war. Insgesamt kamen dabei 11 t Blei zum Einsatz. Es ist anzunehmen, daß der Brunnen ursprünglich einmal farbig gefaßt war. Ursprünglich bestand hier noch kein umlaufendes achteckiges Becken, sondern vor der Brunnensäule standen ringsum mehrere große Steintröge. Das Wasser für diesen Brunnen wie auch für denjenigen auf dem Kohlmarkt kam aus dem Jödebrunnen, einer 2 km südwestlich außerhalb der Stadt etwas höher gelegenen Quelle, deren gemauerte Fassung 2014 restauriert wurde. Anfang des 15. Jh. bestand die Wasserleitung noch aus unterirdisch verlegten, ausgehöhlten Baumstämmen. Ausbesserungen des Brunnens erfolgten mehrfach, z. B. 1588. Der erste Standort des Brunnens war die Südostecke des Altstadtmarktes. 1847 wurde er in die Mitte des Platzes versetzt, und aus dieser Zeit stammen das Steinbecken und der runde Sockel. 1852 wurden vom Braunschweiger Erzgießer Georg Ferdinand Howaldt auch der filigrane Helm mit dem Wetterfähnchen, die Evangelisten und Maria mit dem Kind ergänzt; das war im Lauf der Jahrhunderte verlorengegangen.

Dann wurde der Brunnen bei der Vernichtung Braunschweigs am 15.10.1944 durch Brandbomben zerstört. Als fatal erwies sich eine eigentlich zum Schutze des Brunnens errichtete Schutzkonstruktion: Die Holzverkleidung fing Feuer, und das Blei schmolz. 1945-1951 wurden die wenigen übriggebliebenen originalen Reste ergänzt und restauriert; am 4.12.1951 konnte der Brunnen wieder auf den alten Standort gebracht werden. Doch nach wenigen Jahren hatte die Luftverschmutzung auch diesen Brunnen so stark angegriffen, daß man 1986-1988 wieder Hand anlegen mußte: Was noch aus dem Mittelalter vorhanden war, wird seitdem im Altstadtrathaus ausgestellt (ein einziges Originalstück des mittleren Beckens mit fünf von 20 Wappen und die vervollständigten Teile des unteren Beckens). Die oberste Schale und der Baldachin mit all seinen Figuren waren 1944 vollständig vernichtet worden. Der Brunnen auf dem Platz ist also heute eine vollständige Kopie; zum Glück waren 1913 Gipsabgüsse des Originals genommen worden, außerdem gab es detaillierte Zeichnungen und Photos, die die exakte Rekonstruktion erlaubten.

Die drei Brunnenschalen haben ein unterschiedliches Bildprogramm. Die unterste Schale, die direkt der Steintrommel aufsitzt, trägt außen zwanzig Sitzfiguren in vier 5er-Gruppen zwischen den Löwenmasken, die hl. Katharina mit Schwert und Rad als Patronin des Brunnens (der Guß erfolgte am Tag vor St. Katharinen), Propheten und Könige (David, Abacuc = Habakuk, Moses, Naum = Nahum, Salomo, Hosea, Jeremia, Joel = Johel, Elisa = Elischa, Ahas, Ezechiel, Samuel, Abdias = Obadja, Jesaia = Isaias) des Alten Testamentes. Die sitzenden Prophetenfiguren sind größtenteils mit Schriftbändern umschlungen. Die Löwenmasken kommen zwischen den Propheten Abacuc und Moses, Jeremias und Johel, Samuel und Abdias zu liegen. Das Inschriftenprogramm besteht aus Bibelzitaten über die Heil- und Segenskraft des Wassers. Die zweite Schale trägt 20 Wappen, die unten näher beschrieben werden. Sie sind ebenfalls in vier 5er-Gruppen zwischen den Löwenmasken gruppiert. Die dritte, kleinste und oberste Schale trägt dekoratives Rankenwerk.

Nun zu den 20 schräggeneigten Wappenschilden der zweiten, mittleren Schale, die 1,36 m Durchmesser besitzt: Die Reihe beginnt rechts von einer Löwenmaske mit dem Wappen für das Heilige Römische Reich ("ro(emisches) rike"), in Gold ein schwarzer Doppeladler, über den beiden Köpfen eine Krone schwebend. Das ist das oberste Glied der politischen und hierarchischen Ordnung, und deshalb beginnt die Wappenreihe mit diesem Schild. Eine Personalisierung fehlt, weil es sich um das Kaisertum an sich und nicht um eine bestimmte Person handelt, zumal es 1408 mit Ruprecht von der Pfalz nur einen römisch-deutschen König, aber keinen Kaiser gab. Dann folgt optisch rechts die Gruppe der sieben Kurfürsten. Im einzelnen: Erzbistum und Kurfürstentum Mainz ("meye(n)se"): in Rot ein silbernes sechsspeichiges Rad, Königreich Böhmen ("b(o)e(h)men"): in Rot ein doppelschwänziger silberner Löwe, golden gekrönt, bewehrt und gezungt, Erzbistum und Kurfürstentum Köln ("ko(e)llen"): in Silber ein durchgehendes schwarzes Kreuz, Herzogtum und Kurfürstentum Sachsen ("sa(ch)ssen"): von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz, nach der nächsten Löwenmaske geht es weiter mit dem Herzogtum und Kurfürstentum Bayern ("beieren"): silbern-blau schräggerautet, Erzbistum und Kurfürstentum Trier ("tr(i)ere"): in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz, Markgrafschaft und Kurfürstentum Brandenburg ("bra(n)de(n)b(u)rk"): in Silber ein roter Adler.

Heiliges Römisches Reich, Mainz, Böhmen

Die Reihenfolge ist ungewohnt, weil man eigentlich die geistlichen Kurfürstentümer zusammen als Gruppe erwarten würde, hier ist aber Trier nach hinten verschoben, und davor kommen Sachsen und Bayern. Und damit sind wir beim nächsten, größeren Problem: 1408 war die Pfalz Kurfürstentum, nicht Bayern. Es waren zwar Wittelsbacher, die die Pfalz regierten, doch die Kurwürde war an die Inhaberschaft der Pfalzgrafschaft bei Rhein geknüpft. Korrekterweise müßte also hier der Pfälzer Löwe abgebildet werden, nicht die bayerischen Rauten, auch wenn der Kurfürst von der Pfalz zu dem Zeitpunkt beide Symbole geführt hat. Die Zusammenstellung der Wappen paßt in dieser Form nicht zum Jahr 1408, sondern zum Zeitrahmen 1623-1648, denn 1623 wurde die pfälzische Kurwürde (Erztruchsessenamt) an die Herzöge von Bayern übertragen, und dann sehen wir die Wittelsbacher Rauten anstelle des pfälzischen Löwen. 1648 bekamen die Pfalzgrafen das neu geschaffene Amt des Erzschatzmeisters (8. Kurwürde), ab da waren es acht Kurfürstenwappen. Warum wurden hier also 1408 schon die bayerischen Rauten dargestellt und nicht der Pfälzer Löwe? Eine wenig plausible Theorie mutmaßt, daß hier weniger das Amt, sondern die Person des Kurfürsten wahrgenommen wurde, und der war Wittelsbacher. Dem ist entgegenzuhalten, daß gerade das Spätmittelalter eine sehr sensible Wahrnehmung dafür hatte, welche Rechte mit welchem Amt verbunden waren, und auch andere Zusammenstellungen bringen den Pfälzer Löwen, nicht die Wittelsbacher Rauten. Gerade weil der Amtsinhaber in dieser Systematik eine ideelle Person war und keine Quadrierung mit dem Familienwappen erfolgt, muß 1408 der Pfälzer Löwe genommen werden. Es wäre zu untersuchen, ob es im fraglichen Zeitraum eine Renovierung mit Änderung gab, die das erklären könnte. Festzuhalten ist, es handelt sich um eine Abweichung, um eine gravierende sogar, für die der evtl. politische Grund unklar ist.

Köln, Sachsen, Bayern

Dann folgt weiter rechts eine Dreiergruppe mit Lokalbezug, die beiden Linien der Herzöge und die Stadt Braunschweig, im einzelnen: Herzöge von Braunschweig ("br(aunschweig) lant"): in Rot zwei goldene, schreitende, hersehende Löwen übereinander (Fürstentum Braunschweig), Herzöge von Braunschweig-Lüneburg ("lu(e)neb(u)rk br(a)uns(ch)w(e)ik"): gespalten, rechts in Rot zwei goldene, schreitende, hersehende Löwen übereinander (Fürstentum Braunschweig), links in goldenem, mit roten Herzen bestreutem Feld ein blauer Löwen, rotbewehrt und rotgezungt (Fürstentum Lüneburg), nach der nächsten Löwenmaske die Stadt Braunschweig: in Silber ein roter Löwe mit silbernen Zähnen, roter Zunge und schwarzen Krallen. Damit endet die Reihe der echten, wirklich geführten Wappen.

Brandenburg, Braunschweig, Braunschweig-Lüneburg

Als größte Gruppe folgen neun Fabelwappen, also fiktive und frei erfundene Wappen, euphemistisch auch apokryphe Wappen genannt, die alle für die "9 guten Helden" stehen, aufgeteilt in drei heidnische (Hector von Troja, Alexander von Mazedonien gen. der Große und Gaius Iulius Caesar = die drei treuesten Heiden), drei jüdische (König David, Judas und Josua = die drei besten Juden) und drei christliche (Karl der Große, König Artus und Gottfried von Bouillon = die drei treuesten Christen) Heldenfiguren aus der biblischen Überlieferung, der Antike und dem frühen Mittelalter. Alle Wappen sind in dem darüber verlaufenden Schriftband namentlich zugeordnet; Kreuzblumen trennen die Namen. Alle neun lebten lange vor der heraldischen Zeit, keiner von ihnen kannte Wappen, aber es war im Mittelalter unvorstellbar, daß irgend jemand von Bedeutung kein Wappen führte. So wie man heute ohne e-mail-Adresse schlichtweg nicht existiert, so existierte man im Mittelalter ohne Wappen nicht, war ein Niemand. Also wurden den überlieferten Helden welche angedichtet. Manche wurden so oft wiederholt, daß sich die Assoziation verselbständigte. Andere, und das ist das Spannende an diesem Brunnen, wurden hier frei neu erfunden und haben keinerlei Entsprechung in den Wappenbüchern. Bei diesen neun Helden sollen die hiesigen Darstellungen jeweils mit denen historischer Wappenbücher verglichen werden, weil diese eingangs auch häufig solche Triaden von Fabelwappen bringen. Deshalb wird im folgenden dem Braunschweiger Befund eine Gruppe ausgewählter Wappenbücher gegenübergestellt.

Braunschweig-Lüneburg, Stadt Braunschweig, Hector

Hector von Troja ("ector"): ein Kamel, genauer ein Dromedar. Das ist etwas ganz Ungewohntes und kommt nur in Braunschweig vor, weil das Bild sonst recht einheitlich anders ist:
BSB Cgm 8030: in Schwarz ein oberhalber silberner Löwe, in den Vorderpranken ein gestürztes Schwert haltend
BSB Cgm 145 Grünenberg: in Gold ein roter Löwe, der ein gestürztes schwarzes Schwert mit silbernem Griff in den Vorderpranken hält, hinten umrahmt von einem silbernen Stuhl ohne Sitzfläche
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: in Silber ein roter Löwe, der ein gestürztes Krummschwert mit silbernem Griff mit den Vorderpranken aus der schwarzen Scheide zieht, hinten umrahmt von einem goldenen Stuhl ohne Sitzfläche
BSB Cod. icon. 392d: in Gold ein oberhalber schwarzer und rotgezungter Löwe, in den Vorderpranken ein gestürztes Schwert haltend
BSB Cod. icon. 308 Nikolaus Bertschi: in schwarzem, mit silbernen Kleeblättern bestreutem Schild ein goldener Schräglinksbalken, belegt mit drei schwarzen Löwentatzen
Armorial le Breton: in Rot auf einem goldenen Stuhl (Thron) sitzend ein goldener Löwe, der ein goldenes, gestürztes Schwert in seinen Vorderpranken hält
Codex Haggenberg: in Blau ein silberner, mit einem schreitenden roten Löwen belegter Balken, begleitet oben von einem goldenen, mit einer roten Scheibe belegten Stern und einer goldenen Sonne, unten von einer goldenen Mondsichel, die Spitzen nach rechts unten gerichtet
Livro do Armeiro-Mor: in Gold ein roter Löwe, vor sich pfahlweise eine silberne Hellebarde mit braunem Schaft haltend
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: in Silber auf einem goldenen Stuhl (Thron) sitzend ein roter Löwe, der ein gestürztes Schwert mit goldenem Griff in schwarzer Scheide in seinen Vorderpranken hält

Alexander, Caesar, David

König Alexander von Mazedonien gen. der Große  ("allexa(n)d(er)"): mit einer rechten Stufe geteilt, oben besät mit Objekten wie Tulpenblüten, möglicherweise soll Hermelin dargestellt werden. Dieses Motiv addiert zu der Vielfalt bekannter Phantasieinhalte eine weitere Variante, die nur in Braunschweig vorkommt:
BSB Cgm 8030: gespalten, rechts in Blau drei (2:1) silberne Glocken, links in Gold ein schwarzer Löwe
BSB Cgm 145 Grünenberg: in Blau drei (2:1) goldene Kronen
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: in Blau drei (2:1) silberne Kronen
BSB Cod. icon. 392d: gespalten, rechts in Blau drei (2:1) silberne Glocken, links in Gold ein schwarzer Löwe
BSB Cod. icon. 308 Nikolaus Bertschi: in Schwarz ein goldener, rotgezungter Greif
Armorial le Breton: in Gold ein roter Löwe, in seinen Vorderpranken eine ebensolche langgestielte Streitaxt haltend
Codex Haggenberg: in Schwarz ein goldener, rotbewehrter und -gezungter Greif
Livro do Armeiro-Mor: in Rot ein goldener, auf einem braunen Thron sitzender Löwe, vor sich pfahlweise eine silberne Hellebarde mit braunem Schaft haltend
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: in Rot drei (2:1) goldene Kronen

Kaiser Gaius Iulius Caesar ("yulius"): ein zweibeiniger und geflügelter Drache mit einem zum Auge gelegten Schwanz. Das ist eine Darstellung, die uns zwar nicht ausschließlich, aber häufig begegnet, und die meist mit schwarzem Drachen in silbernem Feld abgebildet wird:
BSB Cgm 8030: in Silber zwölf (5:4:3) schwarze Eichenblätter in drei Reihen
BSB Cgm 145 Grünenberg: in Silber ein schwarzer, zweibeiniger und geflügelter Drache, rotes Feuer aus dem Maul speiend
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: in Silber ein schwarzer, zweibeiniger und geflügelter Drache
BSB Cod. icon. 392d: in Gold ein schwarzer Doppeladler
BSB Cod. icon. 308 Nikolaus Bertschi: in Gold ein schwarzer Doppeladler mit sich überkreuzenden Hälsen, alternativ in Silber ein schwarzer, zweibeiniger und geflügelter Drache, alternativ in Schwarz drei (2:1) rote Stierköpfe
Armorial le Breton: in Gold ein schwarzer, rotbewehrter Doppeladler
Codex Haggenberg: in Gold ein schwarzer, rotgezungter und golden nimbierter Doppeladler
Livro do Armeiro-Mor: in Gold ein schwarzer, rotbewehrter Doppeladler
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: in Silber ein schwarzer, zweibeiniger und geflügelter, golden bewehrter Drache oder Basilisk

König David ("r(ex) david"): ein verflochtenes Pentagramm, ein erfrischend anderer Inhalt im Vergleich zu den stereotypen Harfen in den alten Wappenbüchern. Interessant ist, daß hier nicht der sechszackige Davidstern gewählt wurde, sondern ein Pentagramm, vielleicht ist es ein falsch verstandenes Hexagramm. Diese Variante gibt es nur in Braunschweig zu sehen.
BSB Cgm 8030: gespalten, rechts in Blau eine goldene Harfe, links silbern-rot geteilt mit einem schwarzen Doppelsturzsparren oben
BSB Cgm 145 Grünenberg: gespalten, rechts in Blau eine goldene Harfe, links schwarz-rot geteilt mit einem viermal eckig gebrochenen goldenen Balken
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: in Blau eine silberne Harfe
BSB Cod. icon. 392d: gespalten, rechts in Blau eine goldene Harfe, links silbern-rot geteilt mit einem viermal eckig gebrochenen schwarzen Balken
BSB Cod. icon. 308 Nikolaus Bertschi: innerhalb eines rot-silbern im Zinnenschnitt geteilten Bordes in Blau eine goldene Harfe
Armorial le Breton: in Blau eine goldene Harfe
Codex Haggenberg: innerhalb eines silbernen Zinnenbordes in Rot eine goldene Harfe
Livro do Armeiro-Mor: in Blau eine goldene Harfe
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: innerhalb eines roten Fadenbordes in Blau eine goldene Harfe

Judas, Josua, Karl der Große, Artus

Nach einer nächsten Löwenmaske folgt Judas Maccabäus ("yodas"): ein Stierkopf, die Hörner außen mit Kamm, vielleicht ist ein Elchkopf gemeint. Das Motiv weicht gänzlich ab von sonstigen Phantasieinhalten:
BSB Cgm 8030: in Grün ein goldener Löwe mit Judenhut auf dem Kopf
BSB Cgm 145 Grünenberg: in Blau ein goldener, rotbewehrter und rotgezungter Greif
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: in Schwarz ein silberner Greif
BSB Cod. icon. 392d: in Schwarz ein goldenes Mischwesen aus einem Hirschkörper und einem menschlichen Kopf mit Judenmütze
BSB Cod. icon. 308 Nikolaus Bertschi: in Schwarz ein goldener Löwe mit natürlichem Manneskopf, auf demselben ein flacher silberner Hut (Judenhut)
Armorial le Breton: in Silber ein schwarzer, geflügelter Drache
Codex Haggenberg: in Schwarz ein goldener schreitender Löwe mit natürlichem Manneskopf, auf demselben ein silberner Judenhut mit roten Bändern
Livro do Armeiro-Mor: in Gold zwei schwarze Vögel (Raben) übereinander
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: in Schwarz ein silberner Greif mit roter Zunge und roten Vorderbeinen

Josua ("yosue"): eine schräggelegte Spitze einer Saufeder. Das Motiv weicht gänzlich ab von sonstigen Phantasieinhalten, und es ist nur in Braunschweig zu sehen:
BSB Cgm 8030: in Blau drei (2:1) silberne Ochsenköpfe mit goldenen Ohren und Hörnern und ebensolchem Nasenring
BSB Cgm 145 Grünenberg: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links silbern besät mit goldenen Eichenblättern
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links silbern mit fünf (2:1:2) Eichenblättern
BSB Cod. icon. 392d: in Blau drei (2:1) silberne Ochsenköpfe mit goldenen Ohren und Hörnern und ebensolchem Nasenring
BSB Cod. icon. 308 Nikolaus Bertschi: in Blau drei (2:1) silberne, rotgezungte, hersehende Stierköpfe
Armorial le Breton: in Silber zwei schwarze Vögel übereinander
Codex Haggenberg: in Blau drei (2:1) silberne, rotgezungte Stierköpfe
Livro do Armeiro-Mor: in Gold ein blauer, rotbewehrter Drache
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links silbern mit fünf (2:1:2) grünen Eichenblättern

Karl der Große, Artus

Karl der Große ("karolus"): gespalten, rechts ein halber Adler am Spalt, links mit Lilien besät. Das Motiv war so allgemein anerkannt und wird so durchgängig verwendet, daß man auch mit Sicherheit die Tinkturen angeben kann (s. u.). Das Symbol stellt Karl den Großen als "Stammvater" der Reiche Deutschland und Frankreich dar, und das deckt sich mit dem Befund in den Wappenbüchern:
BSB Cgm 8030: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links in Blau drei (2:1) goldene Lilien
BSB Cgm 145 Grünenberg: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links in Silber ein rotes Schräggitter mit goldenen Lilien in den einzelnen Plätzen
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links in Blau ein rotes Schräggitter mit goldenen Lilien in den einzelnen Plätzen
BSB Cod. icon. 392d: gespalten, rechts in Blau drei (2:1) goldene Lilien, links in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt
Armorial le Breton: gespalten, vorne blau mit goldenen Lilien besät, hinten in Gold ein schwarzer, rotbewehrter Doppeladler
Codex Haggenberg: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links innerhalb eines rot-silbern gestückten Bordes in Blau drei (2:1) goldene Lilien
Livro do Armeiro-Mor: gespalten, vorne in Gold ein halber schwarzer, rotbewehrter Adler am Spalt, hinten in Blau eine ganze und eine halbe goldene Lilie am Spalt
Berliner Wappenbuch: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links in Blau drei goldene Lilien pfahlweise
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: gespalten, rechts in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, links in Blau ein rotes Schräggitter mit goldenen Lilien in den einzelnen Plätzen

König Artus von Britannien ("r(ex) artus"): ein Greif, ganz ungewohnt im Vergleich mit dem Befund in ausgewählten Wappenbüchern, wo die Kronen dominieren:
BSB Cgm 8030: in Rot drei (2:1) goldene Kronen
BSB Cgm 145 Grünenberg: in Blau ein goldenes, widergekreuztes und fußgespitztes Hochkreuz
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: in Blau ein goldenes  Krückenhochkreuz
BSB Cod. icon. 392d: in Rot drei (2:1) goldene Kronen
Armorial le Breton: in Blau drei goldene Kronen pfahlweise
Codex Haggenberg: in Rot 3 (2:1) goldene Kronen
Livro do Armeiro-Mor: in Blau drei goldene Kronen pfahlweise
Berliner Wappenbuch: in Rot drei (2:1) goldene Kronen
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: in Blau ein goldenes, allseits anstoßendes Krückenkreuz

Karl der Große, Artus, Gottfried

Herzog Gottfried von Bouillon ("godevrid"): drei (2:1) Glocken, eine ungewohnte Variante, die man ab und zu bei anderen Fabelwappen findet, z. B. für Alexander:
BSB Cgm 8030: gespalten, rechts in Rot ein goldenes, kleeblattendiges, fußgespitztes Kreuz, links in Schwarz ein goldener Löwe
BSB Cgm 145 Grünenberg: in Blau drei (2:1) goldene Lilien
BSB Cod. icon. 308n Wernigeroder WB: in Blau drei (2:1) goldene Lilien
BSB Cod. icon. 392d: gespalten, rechts in Silber ein goldenes Krückenkreuz, links geteilt, oben in Gold ein schwarzer Löwe, unten in Gold ein roter Löwe
Armorial le Breton: in Silber ein goldenes Jerusalemkreuz
Codex Haggenberg: in Schwarz ein goldener, rot gezungter und -bewehrter Löwe
Livro do Armeiro-Mor: in Silber ein goldenes Jerusalemkreuz
Berliner Wappenbuch: geviert, Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer Löwe, Feld 2 und 3: in Silber ein roter Löwe
Richenthal - Chronik des Konstanzer Konzils: in Blau drei (2:1) goldene Lilien

Gottfried von Bouillon

Wie so oft bei Fabelwappen findet man hier eine bunte Mischung aus einerseits eindeutig belegten Motiven (z. B. Karl der Große), beliebig als Stellvertretersymbole eingesetzten und innerhalb der Repertoires permutierten Motiven (Glocken) bis zu ganz neuen und ungewohnten Inhalten (Pentagramm, rechte Stufe, Dromedar, Saufeder). Viele der Motive sind nur in Braunschweig zu sehen und sind eine ureigene Erfindung derjenigen, die diesen Brunnen 1408 konzipierten und vermutlich einfach besonders schöne symbolische Wappen schufen, wo sie Interpretationsspielraum sahen, und der ist bei erfundenen Fabelwappen durchaus gegeben. Alle zusammen, die realen und die nicht realen Wappen, spannen zusammen ein System der gottgegebenen Ordnung auf, vom Reich über die Kurfürsten zu den Lokalfürsten, eingebunden in die Welt der biblischen und historischen Überlieferung und damit sowohl in die göttliche Ordnung als auch in den geschichtlichen Kontext. So wird der Brunnen zum ordnenden Mittelpunkt der Stadt im historischen, politischen und religiösen Aspekt. Und gleichzeitig werden die Landesherren eingebunden in die "höheren" Instanzen einerseits und in die Verkörperungen ritterlicher Tugenden und überlieferten Heldentums andererseits, und die Stadt Braunschweig, die ja kein einfaches Zusammenleben mit ihren Landesherren hatte, ordnet sich hier am Brunnen in die gottgefügte Struktur und Ordnung ein.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@52.2627409,10.517706,19z - https://www.google.de/maps/@52.2627792,10.5177086,57m/data=!3m1!1e3
Deutsche Inschriften Bd. 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 83 (Andrea Boockmann), in:
www.inschriften.net, urn: nbn:de:0238-di035g005k0008304 - http://www.inschriften.net/braunschweig-bis-1528/inschrift/nr/di035-0083.html#content
Marienbrunnen auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Altstadtmarktbrunnen
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Braunschweig, Teil 1, Bd. 1.1, bearbeitet von Wolfgang Kimpflinger, hrsg, von Christiane Segers-Glocke, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Veröffentlichung des Instituts für Denkmalpflege, Verlag C. W. Niemeyer, Hameln, 1993, ISBN 3-87585-252-4, S. 50 ff., insbes. S. 72-73
Arnold Rabbow: Heraldische Weltordnung in Blei: Der Brunnen auf dem Altstadtmarkt zu Braunschweig, Kleeblatt, Zeitschrift für Heraldik und verwandte Wissenschaften, Vereinsmitteilungen 2/2014, S. 83-94
Wappenbuch Cgm 8030, 15. Jh., 359 Bl.:
http://daten.digitale-sammlungen.de/0011/bsb00110005/images/index.html
Grünenberg, Konrad: Das Wappenbuch Conrads von Grünenberg, Ritters und Bürgers zu Constanz - BSB Cgm 145, [S.l.], um 1480 [BSB-Hss Cgm 145]
http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0003/bsb00035320/images/ - zuvor nur in schwarz-weiß - und http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0003/bsb00035320/images/index.html jetzt auch in Farbe. Besser als Cgm 9210 ist diese früher entstandene Kopie, die u. a. vom selben Zeichner (Rudolf Stahel) wie die Berliner Ausgabe angefertigt wurde, doch davon hatte die BSB bisher nur eine Schwarz-weiß-Ausgabe online. Dieses Buch diente bei der Anfertigung von Cgm 9210 als Vorlage und ist das ältere. Über die verschiedenen Ausgaben: http://www.armorial.dk/german/Grunenberg.pdf
Wernigeroder (Schaffhausensches) Wappenbuch - BSB Cod.icon. 308 n, Süddeutschland, 4. Viertel 15. Jh.,
http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0004/bsb00043104/images/index.html und http://codicon.digitale-sammlungen.de/Band_bsb00043104.html - einzelne Seiten: http://codicon.digitale-sammlungen.de/Blatt_bsb00043104,00017.html?prozent=1
Bayerische Staatsbibliothek, Wappenbuch - BSB Cod. icon. 392 d, Süddeutschland 1. Hälfte 16. Jh. -
http://daten.digitale-sammlungen.de/~db//0001//bsb00018706/images/ - und http://codicon.digitale-sammlungen.de/Blatt_bsb00018706,00001.html - bzw. Gesamtübersicht unter http://codicon.digitale-sammlungen.de/Band_bsb00018706.html - einzelne Seiten http://codicon.digitale-sammlungen.de/Blatt_bsb00018706,00011.html - und folgende sowie http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00018706/images/
Bertschi, Nikolaus: Wappenbuch besonders deutscher Geschlechter - BSB Cod. icon. 308, Augsburg 1515, Übersicht:
http://codicon.digitale-sammlungen.de/Band_bsb00001364.html - einzelne Seiten: http://codicon.digitale-sammlungen.de/Blatt_bsb00001364,00059.html und folgende. Auch unter http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/bsb00001364/images/
Armorial le Breton, erster Teil Ende 13. Jh, zweiter Teil zweite Hälfte des 15. Jh.: http://www.culture.gouv.fr/Wave/image/archim/Pages/03082.htm - einzelne Bilder: http://www.culture.gouv.fr/Wave/image/archim/0008/dafanch06_a103502n00001_2.htm ff. Vgl. auch http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k376668w und http://archive.org/details/ArmorialLeBreton
Wappenbuch von Hans Haggenberg, St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1084.
http://www.e-codices.unifr.ch/en/csg/1084/11/medium oder größer http://www.e-codices.unifr.ch/en/csg/1084/9/large
Portugiesisches Wappenbuch von 1509: Livro do Armeiro-Mor, 276 Tafeln, fiktive Wappen, Wappen des Königshauses und des hohen Adels https://pt.wikipedia.org/wiki/Livro_do_Armeiro-Mor und https://digitarq.arquivos.pt/viewer?id=4162406
Richental, Ulrich (von), Concilium zu Konstanz, Chronik des Konstanzer Konzils, Augsburg: Anton Sorg, 2. Sept. 1483, 300 Holzschnitte. http://inkunabeln.digitale-sammlungen.de/Exemplar_R-178,1.html - erste Seite: http://inkunabeln.digitale-sammlungen.de/Seite_R-178,1,b1a.html - weitere Alternative: http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/inc-iii-55/0001/thumb

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