Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2651
Fulda (Landkreis Fulda)

Das ehemalige Waisenhaus in der Löherstraße 17

Außerhalb der mittelalterlichen Stadt, noch jenseits des Heiliggeist-Spitals, lag das ehemalige Waisenhaus (Löherstraße 17). Früher war hier Vorstadt, und der Straßenname verrät, daß hier einst Loh- und Weißgerber angesiedelt waren. Die Löherstraße war dennoch eine geschäftige Straße mit regem Publikumsverkehr, weil hier die alte Via Regia verlief, eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen im Reich. Es handelt sich bei dem ehemaligen Waisenhaus um einen zweistöckigen Bau von fünf Achsen Breite und mit einem mittig angeordneten Rundbogenportal zwischen zwei später eingebauten Ladengeschäften. Zwar existierte in der Nähe mit dem Heiliggeistspital eine der größten sozialen Institutionen der Stadt, und diese übernahm auch 1770 zeitweise die Unterbringung und Pflege von Waisenkindern, doch das war nicht ihr Hauptzweck. Deshalb wurde dieser Zweig sozialen Engagements mit dem Erwerb des nahen Hauses und seiner Umwandlung in ein Waisenhaus wieder ausgegliedert. Die Institution existierte bis 1835, als es mit dem Heiliggeistspital zusammengelegt wurde, was man auch mit den anderen Armenanstalten der Stadt so machte.

Unter dem mittleren Fenster ist das Wappen des Bauherrn angebracht, dasjenige des letzten Fuldaer Fürstbischofs und des ersten Bischofs nach der Säkularisation 1802, Adalbert III. von Harstall (18.3.1737-8.10.1814, amtierte 1789-1814), Sohn von Hartmann Ernst von Harstall und Amalia Rosina Sophia Theresia von Redwitz. Die Familie war im Werratal zwischen Eisenach und Mühlhausen ansässig und besaß mehrere kleine Schlösser (Rotes Schloß, Graues Schloß, Weißes Schloß) in Mihla (Wartburgkreis) und Besitzungen  in Wernershausen, Katharinenberg, Berteroda und Treffurt; sein Vater war Geheimer Rat in Sachsen-Weimar-Eisenach. Der in Treffurt an der mittleren Werra geborene Sohn hieß mit Taufnahmen Wilhelm Adolph Heinrich von Harstall, entsprechend seinen beiden Taufpaten, dem Herzog Wilhelm Heinrich von Sachsen-Weimar-Eisenach und dem Fuldaer Fürstabt Adolph von Dalberg. Aus dieser Familie gibt es noch einen anderen Fuldaer Kleriker, Wilhelm von Harstall, Propst in Zella, der trotz des gleichen Vornamens nicht mit dem späteren Fürstbischof verwechselt werden darf.

Wilhelm Adolph Heinrich von Harstall teilte das Schicksal vieler nachgeborener Söhne, als sechstes Kind war ihm die kirchliche Laufbahn vorgegeben. 1758 trat er nach dem Studium in Würzburg ins Benediktinerstift Fulda ein, mit 21 Jahren. Ein Jahr später legte er die Profeß ab und änderte als Mönch seinen Namen in Adalbert, und wiederum ist das eine Hommage an den regierenden Fürstbischof, Adalbert von Walderdorff. Fürstbischof Heinrich von Bibra spendete ihm am 19.9.1761 die Priesterweihe. Nach 12 unauffälligen Jahren stieg er 1773 in den inneren Führungszirkel des Stifts auf und wurde Kapitelmitglied. Nachdem er als Präsident von Vizedomamt, Oberrat und Polizei sowie als Superior des Fuldaer Konvents gewirkt hatte, kam er an seine erste Propstei, Thulba. Weil sein Vorgänger, Benedikt von Zievel (1704-1778), aufgrund einer Erkrankung dienstunfähig war, wurde Adalbert von Harstall zunächst 1777 Administrator von Thulba, dann übernahm er das Filialkloster als Propst ein Jahr später. Dieses Amt übte er ein Jahrzehnt aus, bis er am 18.11.1788 vom Kapitel zum Fürstbischof gewählt wurde, was am 30.3.1789 von Papst Pius X. bestätigt wurde. In Thulba folgte ihm Benedikt von Ostheim als Propst nach. Die Wahl war nur dadurch möglich, weil er eben jenem Benedikt von Ostheim, der bei den Vorwahlen Kopf an Kopf mit ihm lag, diese Pfründe und seine beiden Stimmen bei der nächsten Dekanatswahl versprochen hatte.

Karl Theodor von Dalberg aus Mainz weihte Adalbert von Harstall am 24.5.1789 zum Bischof. Der Bau dieses Waisenhauses 1789 war somit eine seiner ersten Amtshandlungen und zeigt, wie wichtig ihm die soziale Fürsorge in seinem Land war, in einem Jahr, in dem woanders die große Revolution gegen Adel und Klerus ausbrach. Er war aber nicht der einzige Stifter: Am 17.3.1770 hatte die verwitwete Hofkanzlersfrau von Weitzell 13000 Gulden in eine Stiftung zu diesem Zweck eingebracht, die Adalbert von Harstall mit 3000 Reichstalern aufstockte. Zum Unterhalt dienten Bankobligationen in Bayern und in Österreich, Grundbesitz in Fulda und in Keulos (Künzell, Landkreis Fulda). Dazu kamen Vermächtnisse und Schenkungen. Vom 31.3.1789 datiert eine Verfügung, die die Aufnahme der Kinder regelte. Anfangs stand die Institution nur Vollwaisen im Alter von 8-14 Jahren offen. Später wurden diese Kriterien gelockert. Von Kaiser Leopold II. wurde er am 27.11.1791 mit den Regalien belehnt. Doch schon 1792 begann die Stabilität der geistlichen Fürstentümer zu bröckeln, und wegen Ausgreifens der Revolutionswirren auf das Reich mußte er im Oktober 1792 in das Zisterzienserkloster Langheim in Oberfranken fliehen. Später nahm er geflohene französische Priester auf und gestattete ihnen die Seelsorge im Fürstbistum. Schon während seiner Amtszeit legte er seinen Schwerpunkt auf die pastorale Tätigkeit. Als sein Weihbischof starb, übernahm er selbst dessen Aufgaben. Predigt, katechetische Unterweisung und Visitationen der Pfarreien waren ihm ein wichtiges Anliegen. 1802 mußte er unter Druck seine weltliche Herrschaft niederlegen, den Fürstenstatus aufgeben und aus dem Schloß ausziehen; seine neue Wohnung bezog er im Palais Buseck. 1803 wurde der protestantische Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau neuer Landesherr; fortan kontrollierte dieser die Besetzung der geistlichen Stellen. Ironie der Geschichte: Fulda, seit 1806 französische Provinz, wurde 1813 als Departement des Großherzogtums Frankfurt dem Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg unterstellt, genau dem Mann, der Adalbert von Harstall einst die Bischofsweihe gespendet hatte. Er erlebte aber nicht mehr, wie das Territorium des einstigen Hochstifts auf dem Wiener Kongreß von den neuen Mächten in Stücke gerissen wurde.

Das Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz, Fürstbistum Fulda, Feld 2 und 3: in Rot ein silberner Adlerflug, zwischen beiden Flügeln ein mit der Spitze nach oben gerichtetes silbernes Schwert mit goldenem Griff und ebensolcher Parierstange (hier gänzlich golden), Stammwappen der von Harstall. Helme fehlen, statt dessen ruht auf dem Schild ein Fürstenhut, hinter dem Schild sind das gestürzte Schwert rechts und der Krummstab links schräggekreuzt. Das Wappen stammt also noch aus fürstbischöflicher Zeit vor der Säkularisation, wie auch die Jahreszahl 1789 und die Titulatur belegen. Die Stiftungsinschrift unter dem Wappen lautet: "DIESES WAISENHAUS VOM FÜRST BISCHOF ADALBERT / DEM III. AUS FREIHERRLICHEM GESCHLECHT V. HARSTALL BEZAHLT. WIRD UNTER DEM SCHATTEN SEINER FITTICHEN WACHSEN". Stilistisch weist die Gestaltung mit den beiden seitlich herabhängenden Laubgirlanden schon deutlich in Richtung Klassizismus.

Übersicht: Die Äbte, Fürstäbte und Fürstbischöfe von Fulda (Ausschnitt)
Philipp Georg Schenk zu Schweinsberg (1567-1568), Fürstabt
Wilhelm Hartmann von Klauer zu Wohra (1568-1570), Fürstabt
Balthasar von Dernbach (genannt Grauel) (1570-1576 und 1602-1606), Fürstabt
Johann Friedrich von Schwalbach (1606-1622), Fürstabt
Johann Bernhard Schenk zu Schweinsberg (1623-1632), Fürstabt
Johann Adolf von Hoheneck (1633-1635), Fürstabt
Hermann Georg von Neuhof (genannt Ley) (1635-1644), Fürstabt
Joachim Graf von Gravenegg (1644-1671), Fürstabt
Kardinal Bernhard Gustav Markgraf von Baden-Durlach (1671-1677), Fürstabt
Placidus von Droste (1678-1700), Fürstabt
Adalbert I. von Schleifras (1700-1714), Fürstabt
Konstantin von Buttlar (1714-1726), Fürstabt
Adolf von Dalberg (1726-1737), Fürstabt
Amand von Buseck, (1737-1756), Fürstabt 1737-1752, Fürstbischof ab 1752, am 5.10.1752 wurde die Fürstabtei durch Papst Benedikt XIV. in den Rang eines Bistums erhoben.
Adalbert II. von Walderdorff (1757-1759), Fürstbischof
Heinrich VIII. von Bibra, (1759-1788), Fürstbischof
Adalbert III. von Harstall, (1789-1814), Fürstbischof bis 1802, danach Bischof. Im Jahre 1803 wurde mit dem Reichsdeputationshauptschluß das geistliche Fürstentum mit seinen Klöstern aufgelöst.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.5480937,9.6746878,19z - https://www.google.de/maps/@50.5480229,9.6748202,34m/data=!3m1!1e3
Erwin Sturm, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Fulda, Fulda 1984
Fulda - das Stadtlexikon, hrsg. vom Fuldaer Geschichtsverein e. V., Redaktion: Thomas Heiler und Klaus H. Orth, Parzellers Buchverlag, Fulda 2019, ISBN 978-3-7900-0542-4, S. 517-518
Tilman Pünder: Armen- und Krankenfürsorge, in: Geschichte der Stadt Fulda, 2009, S. 566-577, insbes. S. 570
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989, S. 163-165
Adalbert von Harstall auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adalbert_von_Harstall
Adalbert von Harstall in Catholic hierarchy:
http://www.catholic-hierarchy.org/bishop/bharstall.html
Martin Hartung: Adalbert von Harstall, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 39, Bautz, Nordhausen 2018, ISBN 978-3-95948-350-6, Sp. 567-577
von Harstall auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Harstall_(Adelsgeschlecht)
Adalbert von Harstall in den Hessischen Biographien:
https://www.lagis-hessen.de/pnd/116007419

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