Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2622
Köln (NRW, Regierungsbezirk Köln)

Gürzenich

Der Gürzenich ist ein historisches Gebäude der Stadt Köln zwischen Quatermarkt und Martinstraße, zwischen Gürzenichstraße und der Ruine Alt St. Alban. Das Photo unten zeigt die östliche, sechsachsige Schmalseite des Gebäudes zur Bolzengasse hin, wo sich seitlich zwei Rundbogeneingänge befinden. Das Bauwerk stammt ursprünglich aus dem 15. Jh., Baubeginn 1441. Das Gelände gehörte früher der Ministerialenfamilie von Gürzenich, der nicht nur Grundstücke in Köln, sondern auch eine Niederungsburg bei Düren gehörten, daher der Name. Bis 1447 war der von der Stadt errichtete, zweischiffige Festsaalbau (Tanzhaus) im Stil der Spätgotik fertiggestellt. Zweck des Bauwerks war der eines Saalgebäudes für städtische Feste und Empfänge, aber auch für private Feierlichkeiten des Patriziats. In der Mitte des 17. Jh. wandelte sich die Nutzung zu der als Kauf- und Warenhaus. Erst im 19. Jh. entdeckte man die mittelalterliche Festhaustradition neu und machte den Gürzenich wieder zum Mittelpunkt städtischer Veranstaltungen. 1855-1857 baute man eine neugotische Erweiterung an. Für den neu eingerichteten, 1885 fertiggestellten historistischen Festsaal opferte man den echten gotischen Festsaal. Der Gürzenich wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört und 1952-1955 wiederaufgebaut. 1996-1997 wurde das Gebäude umfassend modernisiert. Nach wie vor dient das Gebäude als Veranstaltungsort für Gesellschafts- und Kulturveranstaltungen, Kongresse, Ausstellungen, Empfänge etc.

Über den beiden seitlich angeordneten Portalen sind unter einem gotisierenden Baldachin zwei Figuren als Wappenhalter angebracht. Die eine Figur stellt den römischen Kaiser Marcus Vipsanius Agrippa dar, den Großvater der Stadtgründerin Agrippina. Die andere Figur stellt den römischen Hauptmanns Marsilius dar, welcher die Stadt erfolgreich gegen Vitellius verteidigt hatte. Beide Personen sind allerdings nicht als Römer erkennbar, sondern sie werden als Ritter dargestellt.

Beide Figuren halten das Kölner Stadtwappen, hier einmal als seltene Vollwappen zu sehen: Von Rot und (eigentlich) Hermelin geteilt, oben drei goldene Kronen, unten 11 Hermelinschwänzchen, die hier aber verlorengegangen sind. Auf dem Helm wird zu rot-silbernen Decken ein rundes, rotes fächerförmig mit drei goldenen Kronen belegtes Schirmbrett geführt, das am oberen Rand außenherum mit Pfauenfedern besteckt ist. Beide Schildhalter halten ein Fähnchen mit den drei Kronen. Symbolik und Legende lassen sich kaum mehr voneinander trennen. Die Symbolik erklärt die drei Kronen mit den für Köln so wichtigen heiligen drei Königen, deren Reliquien im Kölner Dom aufbewahrt werden. Das ist noch nachvollziehbar. Diese drei Kronen erschienen erstmals im Jahr 1315 im Stadtwappen.

 

In den ältesten Darstellungen war die untere Hälfte silbern, erst später wurde die Fläche zu Hermelin. Auch in einigen Wappenbüchern der Spätgotik ist die untere Fläche silbern, nicht Hermelin. Die Legende deklariert die Hermelinschwänzchen zu Tränen und bringt diese mit dem Kult der heiligen Ursula in Verbindung, denn der Legende nach wurde die bretonische Prinzessin Ursula auf der Rückfahrt einer Pilgerreise nach Rom mitsamt ihrer 10 Begleiterinnen bei Köln ermordet, und die Tränen sollen die 11 Jungfrauen darstellen, aus denen schließlich 11000 wurden, ursächlich wahrscheinlich durch fehlerhafte Lesung eines "m" für Märtyrer als M = 1000. Tatsächlich handelt es sich jedoch um Hermelin im unteren Feld, wie eine Darstellung von 1481 im Groeningemuseum, Brugge, belegt, wo eindeutig die drei Punkte der Befestigung mit dem aufgefächerten Schwänzchen als Form benutzt wird. Aber Hermelin könnte ja - neue Legende - an eine bretonische Prinzessin erinnern, denn die Bretagne führt Hermelin im Wappen, wobei aber auch dieses reine Fabelheraldik wäre, denn die heilige Ursula von Köln soll im 4. Jh. nach Christus gelebt haben, wo es noch gar keine Heraldik oder Wappen gab und folglich auch keine bretonische Prinzessin Hermelin im Wappen geführt haben kann. Und noch schlimmer - die historische Existenz der heiligen Ursula an sich ist nirgends belegt. Aber das Mittelalter war da nicht so pingelig.

Und die nächste Symbolik bzw. Legende wäre die Zuordnung der Farben Rot und Silber zur Deutschen Hanse - diese Deutung nimmt ebenfalls Hermelin nicht als Hermelin wahr, obwohl es sich um zwei ganz verschiedene Feldinhalte handelt. Dennoch war Köln Mitbegründerin der Hanse, und in den ältesten Darstellungen sind im unteren Teil keine Hermelinschwänzchen zu sehen, die tauchen erst im 15. Jh. auf. Doch mit dem Wechsel zu Hermelin hat man sich aus heraldischer Sicht des Metalls Silber verlustig begeben und kann auch nicht mehr seine Symbolik beanspruchen. Der Wandel von Silber zu Hermelin ist für das Wappen belegt, aber beides gleichzeitig wahlweise, wie man es jeweils für seine Legendenbildung braucht, geht nicht. So bilden Legende und Symbolik einen untrennbaren, typisch kölnischen Filz.

Dieses Wappen ist seit der Spätgotik belegt und in Gebrauch. Es gibt eine gewisse Bandbreite hinsichtlich der Höhe der Teilung, mal ist es eine Teilung, mal ein Schildhaupt, oder irgend etwas dazwischen; heute wird sie als Teilung in Höhe des Schildhauptes geführt. Auch die Anzahl der Hermelinschwänzchen unterlag starken Variationen; heute ist sie auf 11 (5:4:2) festgelegt. Eine kleine Unterbrechung gab es nur 1811-1815: Napoléon betrachtete Köln nach Inbesitznahme als "bonne ville de l’Empire français" und verlieh der Stadt ein Phantasiewappen innerhalb seines neuen heraldischen Systems: Unter einem roten, mit drei goldenen Bienen belegten Schildhaupt silbern-rot mit drei Sturzspitzen geteilt, um den Schild ein von roten Bändern umflochtener goldener Kranz, rechts aus Olivenzweigen und links aus Eichenzweigen bestehend, oben auf dem Schild liegend ein goldener Merkurstab und darüber eine goldene Mauerkrone, aus der sich ein goldener Adler erhebt. Nun gut, das blieb glücklicherweise nur ein kurzes, häßliches Intermezzo, etwas für das Raritätenkabinett der Stadtgeschichte.

Heute führt die Stadt Köln kein Oberwappen mit Helmzier, sondern entweder ein kleines Stadtwappen, das nur dem Schild entspricht, wobei die obere Zone die Breite eines Schildhauptes hat, oder ein großes Stadtwappen, bei dem das kleine Wappen einem schwarzen, doppelköpfigen, golden bewehrten, rotgezungten, golden nimbierten Doppeladler mit der goldenen Kaiserkrone des HRR zwischen den Häuptern und einem silbernen, golden gegrifften Schwert und einem goldenen Zepter in den Fängen aufgelegt wird, um die Position als ehemalige freie Reichsstadt (de facto seit 1288, de iure seit 1475) zu illustrieren.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.9366254,6.9586892,18.75z - https://www.google.de/maps/@50.9366012,6.9585393,95m/data=!3m1!1e3
Gürzenich bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCrzenich
J. J. Merlo: Haus Gürzenich zu Köln, Selbstverlag, Köln 1888,
Heft XLIII der Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein: https://de.wikisource.org/wiki/Haus_G%C3%BCrzenich_zu_K%C3%B6ln,_sein_Saal_und_dessen_Feste
Das Kölner Stadtwappen:
https://cologneweb.com/wappen.htm
Das Kölner Stadtwappen:
https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6lner_Wappen
Das Kölner Stadtwappen:
https://www.koeln.de/tourismus/das-koelner-wappen_1022997.html
Kölner Stadtwappen:
https://www.koeln-lese.de/index.php?article_id=171
Klemens Stadler: Deutsche Wappen - Bundesrepublik Deutschland, 1964-1971, Angelsachsen Verlag
Heiko Steuer: Das Wappen der Stadt Köln, Greven Verlag, Köln, 1981
Stadtwappen Köln im Heraldik-Wiki:
https://www.heraldik-wiki.de/wiki/K%C3%B6lner_Wappen
Stadtwappen Köln:
https://heraldry-wiki.com/heraldrywiki/index.php?title=K%C3%B6ln
Joseph Decku: Deutsche Länder- und Städte-Wappen, Bonn 1960

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