Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2556
Gaildorf (Landkreis Schwäbisch Hall)

Das Kaffeehaus am Schloß (Kocherbau)

Das Kaffeehaus am Schloß befindet sich zwischen Kocher und Altem Schloß in der Grabenstraße. Der sogenannte Kocherbau war früher Sitz der Bentheimschen Forstverwaltung und wird jetzt als Café genutzt. Das Erdgeschoß des freistehenden Satteldachgebäudes ist aus Stein, das Obergeschoß ist aus Fachwerk. Der auf das Jahr 1920 datierte Schlußstein des Tores trägt zwei Schilde. Der heraldisch rechte Wappenschild ist die "Kurzform" des Wappens des Hauses Bentheim-Steinfurt, geviert aus Bentheim (in Rot 16 goldene Kugeln 4:4(1/2:3:1/2):4:3:2:1 gestellt) und Steinfurt (in Gold ein roter Schwan). Der heraldisch linke Schild ist derjenige der Schenken von Limpurg, geviert, Feld 1 und 4: in Rot vier aufsteigende silberne Spitzen, Feld 2 und 3: in Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben.

Im Westfälischen Wappenbuch ist das Wappen des fürstlichen Hauses Bentheim-Steinfurt abgebildet, wie es maximal aussehen kann. Es besteht aus drei Ebenen: Hauptschild: geteilt, oben zweimal gespalten, unten einmal gespalten, Feld 1: in Rot 19 (4:4:4:4:3) goldene Kugeln (Bentheim), Feld 2: in Silber drei (2:1) rote Seeblätter (Grafschaft Tecklenburg), Feld 3: in Blau ein goldener Anker (Grafschaft Lingen), Feld 4: in Gold ein roter Schwan mit schwarzem Schnabel und schwarzen Füßen (Grafschaft Steinfurt), Feld 5: in Silber ein roter, gekrönter Löwe (Grafschaft Limburg), Mittelschild: geteilt und zweimal gespalten, Feld 1: in Rot zwei silberne Balken (Herrschaft Wevelinghoven), Feld 2: in Silber ein schwarzer Löwe, mit drei goldenen Ringen belegt (Herrschaft Rheda), Feld 3: in Gold zwei schwarze, pfahlweise gestellte Bärentatzen (Grafschaft Hoya), Feld 4: in Rot ein silberner Löwe, Feld 5: in Rot ein goldenes Andreaskreuz, bewinkelt von vier gestürzten goldenen Schafschurscheren, Feld 6: in Rot fünf goldene Balken (Elverfeldt, für die Herrschaft Heppendorf), Herzschild: in rot-silbern geteiltem Feld ein goldener Löwe. Dazu werden 4 gekrönte Helme geführt, Helm 1 (Mitte rechts): natürlicher Pfau, Helm 2 (Mitte links): roter Schwan mit erhobenen Flügeln (Grafschaft Steinfurt), Helm 3 (außen rechts): gekrönt, roter Mannesrumpf, mit goldenen Aufschlägen, das Gewand mit 19 (4:4:4:4:3) goldenen Kugeln, belegt, auf dem Kopf eine rote, golden gestulpte Mütze mit goldener Troddel an der Spitze, Helmdecken rot-golden (Stammhelm Bentheim), Helm 4 (außen links): roter Löwe wachsend zwischen zwei grünen Pfauenstößen, Helmdecken rot-silbern. Dazu werden als Prunkstücke zwei rote, widersehende Löwen als Schildhalter und ein aus einem Fürstenhut herabfallender Wappenmantel benutzt.

Das Haus Bentheim-Steinfurt kam über die komplizierte Erbteilung nach dem Aussterben der Schenken von Limpurg um viele Ecken 1873 an Anteile der Herrschaft Limpurg-Gaildorf. Die historischen Besitzverhältnisse nach dem Aussterben der Linie Limpurg-Gaildorf 1690 im Mannesstamm sind extrem kompliziert. Die andere Linie der Schenken von Limpurg-Speckfeld-Obersontheim existierte zunächst noch bis 1713. Limpurg-Gaildorf wurde erst zwischen den Gaildorfer Erbtöchtern einerseits und Limpurg-Speckfeld-Obersontheim andererseits halbiert. Die Speckfelder Hälfte kam 1707 an Vollrath von Limpurg-Speckfeld zu Obersontheim, den letzten männlichen Vertreter des Hauses Limpurg. Hier geht es um den Anteil Limpurg-Gaildorf-Wurmbrand, der aus einem Viertel der Stadt Gaildorf, der Hälfte des Schlosses Gaildorf, dem Amt Gaildorf und dem halben Amt Gschwend bestand.

Juliana Dorothea Louise Gräfin zu Limpurg-Gaildorf (8.5.1677-4.10.1734) war die Tochter von Wilhelm Heinrich Schenk und Graf von Limpurg-Gaildorf (27.6.1652-12.5.1690), dem Letzten der Gaildorfer Linie. Sie heiratete zuerst am 30.4.1693 in Gaildorf Eucharius Kasimir Graf zu Löwenstein-Wertheim-Virneburg (22.3.1668-1.1.1698) und danach in zweiter Ehe Johann Josef Wilhelm Graf von Wurmbrand und Stuppach (18.2.1670-7.12.1750) und begründete so Limpurg-Gaildorf-Wurmbrand mit der Hälfte (24/48) von Limpurg-Gaildorf. Juliane Dorothea (1677-1734) hatte zwei überlebende Töchter aus ihren beiden Ehen. Unter diesen wurde der Anteil wiederum hälftig aufgeteilt.

Die eine Tochter, Juliana Dorothea Louise Gräfin zu Löwenstein-Wertheim-Virneburg (8.7.1694-15.2.1734) aus erster Ehe, bekam ein Viertel (12/48) von Limpurg-Gaildorf und heiratete Heinrich I. Graf Reuss von Schleiz (10.3.1695-6.12.1744). Deren Tochter Louise Gräfin Reuss zu Schleiz (3.7.1726-28.5.1773) bekam dann das Viertel (12/48) und heiratete in zweiter Ehe am 6.1.1752 in Roda Johann August Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg (17.2.1704-8.5.1767). Die beiden Töchter aus dieser Ehe, Augusta Louise Friderica Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg (30.11.1752-28.5.1805) und Louise Herzogin von Sachsen-Gotha (9.3.1756-1.1.1808), bekamen jede ein Achtel (6/48) und verkauften beide 1780 ihren Anteil an Herzog Karl von Württemberg. Das waren der sogenannte Sachsen-Gotha-Rodaische bzw. der Schwarzburg-Rudolstädter und Mecklenburg-Schwerinsche Anteil, so bezeichnet nach den entsprechenden Ehemännern. Erstere hatte am 28.11.1780 in Roda Friedrich Carl Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt (7.6.1736-13.4.1793) geheiratet (kinderlos), letztere hatte 1.6.1775 in Gotha Friedrich Franz I. Großherzog von Mecklenburg-Schwerin (10.12.1756-1.2.1837) geheiratet (Nachkommen).

Wieder zurück: Die andere Tochter, Maria Margaretha Leopoldina Gräfin von Wurmbrand-Stuppach (2.7.1701-14.12.1756) aus zweiter Ehe, bekam entsprechend ebenfalls ein Viertel (12/48) von Limpurg-Gaildorf. Da sie aber am 5.10.1722 in Gaildorf Wilhelm Carl Ludwig Graf zu Solms-Rödelheim und Assenheim (3.2.1699-27.8.1778) heiratete, der seinerseits auf anderem Erbwege ein Achtel (6/48) von Limpurg-Gaildorf bekommen hatte, addierte sich der gemeinsame Anteil auf 18/48. Die Tochter, Christiana Wilhelmina Louise Gräfin zu Solms-Rödelheim und Assenheim (24.4.1736-6.1.1803), erbte die vollen 18/48 und heiratete am 24.6.1749 in Rödelheim Carl Friedrich Wilhelm Fürst zu Leiningen-Dagsburg-Hardenberg Pfalzgraf zu Mosbach Graf zu Düren (14.8.1724-9.1.1807).

Aus dieser Ehe entsprossen zwei Töchter, die ungleiche Anteile bekamen. Charlotte Louise Polyxena Prinzessin zu Leiningen und Dagsburg Frau zu Aspremont (27.5.1755-1785) bekam ein Achtel (6/48). Sie heiratete 1776 Franz II. Graf zu Erbach-Erbach Herr zu Breuberg (29.10.1754-8.3.1823). Dieser Anteil wurde 1790 an Württemberg verkauft. Die andere Tochter war Elisabeth Christiane Marianne Prinzessin zu Leiningen (27.10.1753-16.2.1792). Sie bekam ein Viertel (12/48) und heiratete 1768 Carl Ludwig Wilhelm Theodor Wild- und Rheingraf zu Salm-Grumbach (14.7.1720-23.9.1799). Über deren Tochter Auguste Franziska von Salm-Grumbach (7.7.1771-19.7.1810) wurden die 12/48 weitergegeben. Sie heiratete 1792 in Braunfels Wilhelm Christian Carl Fürst zu Solms-Braunfels (9.1.1759-20.3.1837) und hatte mit ihm zur Tochter Wilhelmine Caroline Friederike Marie Prinzessin zu Solms-Braunfels (20.9.1793-12.11.1865), die ihr ererbtes Viertel (12/48) an das fürstliche Haus Bentheim-Steinfurt brachte, denn sie hatte Alexius Friedrich Fürst zu Bentheim und Steinfurt (20.1.1781-3.11.1866) geheiratet.

So kam ihr Sohn, Ludwig Wilhelm Fürst zu Bentheim und Steinfurt (1.8.1812-1890) zu Burgsteinfurt 1873 im Erbgang an den Solms-Braunfelsischen Anteil, ein Viertel (12/48) der ehemaligen Herrschaft Limpurg-Gaildorf. Die anderen Anteile waren nach unendlich komplizierten Übergängen am Ende wie folgt verteilt: 23/48 waren bei Württemberg, 13/48 gingen an die von Bentinck, dann an die von Ortenburg. Die Nachkommen von Fürst Ludwig Wilhelm von Bentheim-Steinfurt besitzen ihren Anteil noch heute.

Das Amt des ehemals Wurmbrandschen Anteils an Gaildorf wurde gemeinschaftlich geführt, änderte nur je nach Besitzverhältnissen ständig seinen Namen: Ab 1734 hieß es Hochgräflich-Solms-Rödelheim und Reuß-Plauen-Schleizisches Amt Gaildorf, ab 1743/1744 Hochgräflich-Solms-Rödelheim und Hochfürstlich-Sachsen-Gotha-Rodaisches Amt, ab 1761/1762 Herzoglich-Sachsen-Gotha-Roda und Hochgräflich-Leiningen-Hardenbergisches Amt, ab 1775/1776 Herzoglich-Sachsen-Gotha-Roda und Herzoglich -Mecklenburg-Schwerin auch Hochgräflich-Leiningen-Dagsburgisches Amt Gaildorf, ab 1780 Herzoglich-Württembergisches und Hochfürstlich-Leiningensches Amt Gaildorf, ab 1802/1803 Herzoglich- und Kurfürstlich-Württembergisches und Fürstlich-Leiningensches und Fürstlich-Solms-Braunfelsiches Amt Gaildorf und ab 1806/1807 Königlich-Württembergisches und Fürstlich-Solms-Braunfelsisches gemeinschaftliches Rentamt Gaildorf usw. Nur mit den dahinterstehenden und oben im Detail erläuterten wiederholten Weitergaben der Anteile über die Töchter sind die Wechsel plausibel.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.0007211,9.7704056,19z - https://www.google.de/maps/@49.0008412,9.7706102,175m/data=!3m1!1e3
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901-1903.
Grafschaft Bentheim auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Grafschaft_Bentheim
Das Wappen von Bentheim-Steinfurt:
http://www.bentheim.info/de/wappen/
Haus Bentheim-Steinfurt auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bentheim-Steinfurt
M. Meyer-Gebel: Geschichte der Herrschaft Limpurg-Gaildorf-Wurmbrand, Einleitung zum Findbuch PL 15 II, Landesarchiv BW
https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=19491
Zur Entwicklung Limpurg-Gaildorfs und seiner Nachfolgeherrschaften, Landesarchiv BW
https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=16996
François Velde: The Limpurg Inheritance
https://www.heraldica.org/topics/royalty/limpurg.htm

die evangelische Pfarrkirche und ihre Brösel-Grabplatten - Neues Schloß (Rathaus) - das Alte Schloß

Ein Erbstreit und die heraldischen Folgen: das Schicksal des Limpurger Territoriums

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
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