Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2536
Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt)

Apotheker-Grabplatte in der Moritzburg: Joachim Büttner

Diese Grabplatte befindet sich in der Moritzburg unter den Arkaden des Ostflügels, südlich der Toreinfahrt. Sie mißt 195,5 cm x 98 cm und befand sich früher auf dem Stadtgottesacker in der Bogenkammer 73. Erst seit 1911 ist sie hier aufgestellt. Bei dem Verstorbenen handelt es sich um den 1591 verstorbenen Apotheker Joachim Büttner.

Die auf dem Rand der rechteckigen Platte umlaufende Kapitalis-Inschrift lautet: "A(NN)O 1591.19.2. CIRCA XI NOCTIS HONEST(VS) ET DOCT(VS) VIR IOACHIM(VS) BVT(T)NER PHARMACOBOE(VS) I(VRIS) C(ONSVL)TV(S) LETALI(TER) A PHILIP(PO) BV(CH)HAM(M)ER V(V)LNERAT(VS) STATIM IN C(HRIS)TO OBYT DE(VS) IPSE LAETA(M) RESVRRECTIONE(M) & VITA(M) AETERNA(M) CO(N)CEDET" - im Jahre 1591 am 19.2. etwa um 11 Uhr nachts ist der ehrenhafte und gelehrte Mann Joachim Büttner, Apotheker und Rat des Rechtes, tödlich von Philipp Buchhammer verletzt worden und unmittelbar in Christus verstorben, Gott möge ihm eine fröhliche Auferstehung und das ewige Leben gewähren.

Etwas ungewöhnlich ist die Berufsbezeichnung "PHARMACOBOE(VS)", denn eigentlich ist eine Pharmakopöe eine Sammlung pharmazeutischer Regeln über die Qualität, Lagerung, Prüfung und Bezeichnung von Arzneimitteln und die bei ihrer Herstellung und Prüfung verwendeten Ausgangsstoffe und Methoden, vulgo Arzneibuch. Ein "PHARMACOBOE(VS)" wäre deshalb ein "Arzneibuchler". Hier soll wohl durch die Verwendung dieses Ausdrucks die besondere Gelehrtheit des Verstorbenen und die Wissenschaftlichkeit seiner Tätigkeit hervorgehoben werden. Die Inschrift ist restauriert worden, wobei einige Stellen in der heutigen Form zweifelhaft erscheinen. Insbesondere das Datum ist in der Version vor der Restaurierung wohl eher ein 9bris = November gewesen.

 

Hinter dieser Inschrift steckt folgende Geschichte: Joachim Büttner hatte 1589 das Bürgerrecht der Stadt Halle erhalten. Über seine Frau gibt es zwei verschiedene Darstellungen. Die eine Variante, die in dem entsprechenden Band Deutsche Inschriften zu finden ist, geht so: Er heiratete Anna Stroberger, die verwitwete Frau des Haller Apothekers Thomas Stroberger, welcher 1556 das Bürgerrecht von Halle bekommen hatte, Ratsherr und Kämmerer geworden war und irgendwann zwischen 1588 und 1591 gestorben ist. Durch diese Heirat kam Joachim Büttner an die Rats-Apotheke. Die zerbrochene und restaurierte Grabplatte für des Apothekers Ehefrau Anna Stroberger befindet sich noch auf dem Stadtgottesacker an der Seitenwand der Bogenkammer 73, sie ist wappenfrei. Sie wurde vorsorglich angefertigt; die freigelassenen Sterbedaten hat man später nicht nachgetragen, so daß sie unbekannt sind. Die andere Variante, die in der Leichenpredigt auf nachfolgend genannte Frau zu finden ist und daher ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit mitbringt, berichtet, daß Joachim Büttner am 15.8.1587 Barbara Bauer (18.1.1565-2.1.1616) geheiratet hatte, mit ihr nach Halle gezogen ist und über vier Jahre mit ihr verheiratet war sowie drei Kinder mit ihr hatte. Gegen die erste Variante spricht, daß besagte Frau auf der Inschrift noch als Frau des Thomas Stroberger bezeichnet wird. "FRAV ANNA STROBERGERIN DES E(HRBAREN) VND W(OHLWEISEN) H(ERREN) THOMAS STROBERGERS S(ELIGEN) E(HELICHE) HAVSFRAV". Andererseits könnte das Grabdenkmal zu Lebzeiten des ersten Mannes angefertigt worden sein, unvollendet geblieben, und traf einfach nach der zweiten Heirat nicht mehr zu. Für die zweite Variante spricht aber, daß dem Ehepaar etwas mehr Zeit blieb, um die Kinder zu erklären. Vier Jahre sind dazu besser geeignet, als erst 1589 das Bürgerrecht zu bekommen, um diese Zeit zu heiraten und bis 1591 drei Kinder zu zeugen.

Unumstritten ist jedoch folgender Sachverhalt: Am späten Abend des 19. Novembers 1591 wurde er auf dem Markt von Halle von Dr. Philipp Buchhammer d. J. getötet. Also nicht von einem Strauchdieb, sondern von einem promovierten Mitglied einer alteingesessenen Ärztedynastie und Ratsfamilie und Sohn eines Doktors der Medizin und Ratsmeisters, Philipp Buchhammer d. Ä., und Enkel von Jobst Buchhammer, Leibarzt von Albrecht von Brandenburg. Was genau passiert ist und wie es zu dem tödlichen Zwischenfall kam, was genau hier Arzt und Apotheker offensichtlich im Affekt mit so schwerwiegenden Folgen aufeinandertreffen ließ, ist nicht überliefert. Der Totschläger kam erst ins Gefängnis, dann wurde er auf 10 Jahre aus Halle verbannt. Er starb 1603. Über seinen Tod sind wiederum verschiedene Versionen überliefert, eine davon besagt, daß des Apothekers Sohn Joachim Büttner (zu dem Zeitpunkt rechnerisch maximal 16 Jahre alt) den Tod seines Vaters gerächt haben und wiederum Philipp Buchhammer d. J. am 29.8.1603 erstochen haben soll. Andere Versionen besagen einfach, daß er in der Verbannung gestorben sei. Jedenfalls wurde der Totschläger auf dem Stadtgottesacker beigesetzt; die Inschrift wurde dem Grabstein seines Vaters hinzugefügt.

 

Das rechteckige Innenfeld der Sandsteinplatte besitzt im oberen Teil eine Bogeneinfassung, die seitlich auf Hermenpilastern ruht, links ein männliches, rechts ein weibliches Reliefbild tragend. Oben wird der Bogen durch einen Schlußstein verziert. In den Bogenzwickeln sieht man geflügelte Engelsköpfe (Engelsflüchten). Beide Hermenpilaster besitzen eine nach unten zusammenlaufende Form und ruhen auf rechteckigen Sockelpodesten, die mit Beschlagwerk und grotesken Masken verziert sind. Der Verstorbene steht unten auf einer perspektivisch vorgezogenen Sockelplatte, während sein Kopf von einer flachen Muschelnische hinterlegt ist. Der Apotheker wird barhäuptig mit gestutztem Vollbart dargestellt. Die Hände hat er vor der Brust zum Gebet zusammengelegt. Er dreht sich leicht aus der Frontalen nach links, rechts Standbein, links leicht ausgestelltes Spielbein. Seine Kleidung besteht aus einem kurzen Mantel mit Tressen, unter dem bis zum Knie reichende Pluderhosen und darüber ein den Spitzbauch betonendes enges Wams getragen wird. Die Halskrause vollendet den an spanischer Hoftracht angelehnten Kleidungsstil.

Das Vollwappen Büttner, das einzige der Platte, befindet sich optisch links neben dem rechten Fuß des Apothekers und zeigt einen geteilten Schild, oben zwei schräggekreuzte Schlägel, über und unter der Kreuzungsstelle je ein sechszackiger Stern, unten dreimal gespalten, auf dem bewulsteten Helm die schräggekreuzten Schlägel (Küferhämmer) mit den beiden Sternen zwischen zwei Büffelhörnern. Aufgrund der beiden Schlägel, die Büttnerwerkzeuge darstellen, handelt es sich um ein partiell redendes Wappen. Es ist weder im Siebmacher noch im Rietstap verzeichnet; die Tinkturen sind nicht bekannt.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Earth: https://www.google.de/maps/@51.4862676,11.9635827,18.25z - https://www.google.de/maps/@51.4864487,11.9639861,111m/data=!3m1!1e3
Andreas Stahl: Moritzburg in Halle, Reihe: Burgen, Schlösser und Wehrbauten in Mitteleuropa, Band 12, 48 S., Verlag: Schnell & Steiner, 1. Auflage 2002, ISBN-10: 3795414806, ISBN-13: 978-3795414801, S. 32, 35
Deutsche Inschriften, Band 85, Halle/Saale, Nr. 273 (Franz Jäger), in:
www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0027306 - http://www.inschriften.net/halle-an-der-saale/inschrift/nr/di085-0273.html#content
Deutsche Inschriften, Band 85, Halle/Saale, Nr. 258 (Franz Jäger), in:
www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0025809 - http://www.inschriften.net/halle-an-der-saale/inschrift/nr/di085-0258.html#content
Franz Jäger: Kirchweihe, Hochwasser, Mord - was erzählen Inschriften über die Geschichte der Stadt Halle? Vortragstext auf der Inschriftenseite des Denkmalvereins:
http://www.denkmalverein.org/html/inschriften.html
Deutsche Inschriften, Band 85, Nr. 202 (Franz Jäger), in:
www.inschriften.net , urn:nbn:de:0238-di085l004k0020207 - http://www.inschriften.net/halle-an-der-saale/inschrift/nr/di085-0202.html#content
Johann Christoph von Dreyhaupt: Genealogische Tabellen, Oder, Geschlechts-Register Sowohl Derer Vornehmsten im Saal-Creyse mit Ritter-Gütern angesessenen Adelichen Familien als auch derer vornehmsten alten und neuen, teils abgestorbenen, Adelichen, Patricien und Bürgerlichen Geschlechter zu Halle, Halle 1750,
https://books.google.de/books?id=5z8bAAAAYAAJ - S. 24
Leichenpredigt auf Barbara Bauer
http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000053BA00000000
ein herzliches Dankeschön an Frau Sylvia Stoltze für wertvolle Hinweise zu Barbara Bauer

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