Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2456
Neckarsulm (Landkreis Heilbronn)

Das Neckarsulmer Deutschordensschloß

Neckarsulm stand von 1484 bis 1805 unter Deutschordensherrschaft, 321 Jahre lang. Eigentlich war die Herrschaft Scheuerberg mit Neckarsulm seit 1335 kurmainzisch, nachdem die in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Herren von Weinsberg sie verkauft hatten, nachdem sie sie zuvor bereits seit 1331 an Mainz verpfändet hatten. Kurmainz verpfändete die Herrschaft wiederum zeitweise an die Herren von Sickingen. Doch der Deutsche Orden, der bereits Besitz in der Nähe hatte, hätte sein Territorium gerne arrondiert, weswegen man 1483 mit dem Erzstift in Tauschverhandlungen trat. Es ging auch um Prozelten, Stadtprozelten und Neubrunn, das Mainz begehrte. Am 27.5.1484 wurden sich der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg und der Deutschmeister Reinhard von Neipperg einig, und seitdem war Neckarsulm Eigentum des Deutschen Ordens (da es verpfändet war, mußte Kurmainz es zuvor noch schnell von Hans von Sickingen auslösen). Die Henneburg über Stadtprozelten ging dafür in kurmainzischen Besitz über; der letzte Komtur, Graf Georg von Henneberg, zog aus. Ebenso ging Neubrunn an Mainz. Zunächst war der Herrschaftssitz über Neckarsulm noch auf der Burg Scheuerberg, doch die wurde 1525 im Bauernkrieg zerstört. Danach verlegte man den Amtssitz des Deutschen Ordens in das Stadtschloß, das an der südwestlichen Ecke der ehemaligen Stadtbefestigung liegt und eine Verstärkung derselben bildete. Viel ist nicht mehr erhalten, denn die Kriege des 16. bis 20. Jh. (Dreißigjähriger Krieg, Pfälzer Erbfolgekrieg, napoléonische Kriege) hinterließen in der katholischen, kaisertreuen Deutschordensherrschaft immer wieder neue Trümmer. Im Zweiten Weltkrieg kam es zur fast vollständigen Zerstörung der Altstadt bei zwei amerikanischen Bombenangriffen am 1.3.1945 und am 2.4.1945. An die Deutschordensherrschaft erinnern neben den Überresten des Schlosses noch die Kelter am Markt und die im "Deutschordensbarock" erbaute Stadtkirche St. Dionysius. Was an alten Überresten vom Schloß noch existierte, ertrug nach all der Zerstörung noch das häßliche Wiederzusammenflicken der Nachkriegszeit, und so sieht das ehemalige Schloß nach dem Wiederaufbau bis in der Mitte der 1950er Jahre auch aus, trotzdem ist man froh, wenigstens das Wenige aus der Geschichte gerettet zu haben: Gemessen an der häßlichen Beliebigkeit der restlichen Stadt Neckarsulm ist das Schloßensemble eine Insel der Geschichte. Jedenfalls gilt das Erdgeschoß des mehrfach umgebauten Bergfriedes als ältestes Gemäuer der ganzen Stadt. Seit 1956 ist in den Gebäuden das Deutsche Zweirad- und NSU-Museum untergebracht.

 

Am alten Turm (Bergfried) des Deutschordensschlosses ist hoch oben unterhalb des obersten Fensters ein auf das Jahr 1551 datierter Wappenstein eingelassen. Er zeigt das Wappen des Deutschordens-Hochmeisters Wolfgang Schutzbar gen. Milchling (amtierte 1543-1566). Sein Wappen ist geviert, Feld 1: in Silber ein durchgehendes schwarzes Kreuz (Deutscher Ritterorden), Feld 2 und 3: in Silber drei (2:1) mit den Stielen zum Dreipaß verbundene schwarze Kugeln (auch als Lindenblätter oder Herzen dargestellt je nach Darstellung und Quelle, Schutzbar), Feld 4: in Silber eine goldene Prälatenmütze (Fürstpropstei Ellwangen). Über allem ein Hochmeisterkreuz, ein schwarzes durchgehendes Kreuz, belegt mit einem goldenen Lilienkreuz, ein Herzschild in Gold belegt mit einem schwarzen Adler. Bevor er Fürstpropst von Ellwangen wurde, hat er auch in Feld 4 ein Deutschordenskreuz geführt. 1546 hatte Wolfgang Schutzbar gen. Milchling den Ellwanger Propst Heinrich dazu gebracht, zu seinen Gunsten zu resignieren, worauf es einen Prozeß mit dem Stiftskapitel über die Neubesetzung der Propstei vor der römischen Kurie gab. Ein ganz ähnliches Wappen ist in Bad Mergentheim am Milchlingsbrunnen zu sehen, weiterhin an der Burg Neuhaus (Igersheim bei Bad Mergentheim). Sein Epitaph in der Krypta der Deutschordens-Schloßkirche in Bad Mergentheim trägt das Vollwappen mit allen drei möglichen Helmen.

Das Stammwappen der eigentlich hessischen, im 16. Jh. nach Franken gekommenen Familie Schutzbar gen. Milchling mit Stammsitz auf dem Schloß Burgmilchling bei Treis a. d. Lumda zeigt in Silber drei (2:1) mit den Stielen zum Dreipaß verbundene schwarze Kugeln, Herzen oder Lindenblätter, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein silberner Flug, beiderseits mit der Schildfigur belegt. Wolfgang Schutzbar gen. Milchling wurde 1483 in Treis an der Lumda als Sohn von Crafft Schutzbar genannt Milchling aus einem oberhessischen Adelsgeschlecht und seiner Frau Margaretha geb. von Trohes geboren. Seine Deutschordenskarriere begann 1507 mit dem Ordenseintritt, 1525 wurde er Komtur in Griefstedt, 1529-1543 war er Landkomtur in Marburg für die Ballei Hessen. 1543 wurde er Hoch- und Deutschmeister, der 39. Hochmeister des Deutschen Ordens. Seine wichtigsten Leistungen sind der Bau des heute noch zu bewundernden Rathauses 1562 und der ersten Wasserleitung für Mergentheim, ausgehend vom Eisenberg, weiterhin verstärkte er in seiner Amtszeit die Mergentheimer Befestigungen. Die Schutzbar gen. Milchling kauften sich in Wilhermsdorf (Ämter Wilhermsdorf, Buchklingen und Neuses) an und erbauten dort ihre neue Burg Burgmilchling. 1569 wurde die Familie in den Freiherrenstand erhoben. Die fränkische Linie starb aber schon 1661 aus. Dafür entwickelte sich die sog. Friedrich'sche Linie in Hessen und Westfranken weiter. Sie stellten mehrere Domkapitulare in Würzburg. Neben dem Hochmeister des Deutschen Ordens, Wolfgang Schutzbar gen. Milchling, sind von Bedeutung der gleichnamige Fürstabt von Fulda (1558-1567) und Johann Konrad Schutzbar genannt Milchling, Landkomtur der Ballei Franken zu Ellingen und Nürnberg (gest. 1612).

In eine Mauer eingelassen ist ein sehr stark verwitterter Wappenstein im barocken Stil mit einer von einem Fürstenhut überhöhten runden, oben eingekerbten Kartusche, der noch erkennbar auf das Jahr 1688 datiert ist. Von der Jahreszahl her gehört dieser Stein zu Ludwig Anton von Pfalz-Neuburg, Herzog von Bayern, Pfalzgraf von Neuburg, Hochmeister 1684-1694. Die wenigen erkennbaren Felder, vor allem in der oberen Hälfte des Steines, weisen das Wappen als Wappen der Herzöge von Pfalz-Neuburg aus, und das Fehlen anderer geistlicher Inhalte schließen seinen Nachfolger aus der gleichen Familie aus, so daß die Zuordnung trotz nur weniger erkennbarer Inhalte plausibel ist.

Ludwig Anton von Pfalz-Neuburg hat im Laufe seiner Amtszeit mehrere unterschiedliche Wappen geführt. Die Eckdaten seines Lebenslaufes sind: Er wurde am 9.6.1660 geboren. Sein Vater war Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1615-1690), seine Mutter war Elisabeth Amalie Landgräfin von Hessen (1635-1709). Das Schicksal nachgeborener Söhne war die geistliche Laufbahn, eine Versorgungskarriere. Ludwig Anton wandelte diese Karriere aber später in eine militärische um, so trat er 1681 mit päpstlicher Genehmigung in die Kriegsdienste unter Kaiser Leopold I ein. 1664 wird Ludwig Anton Domherr in Köln. 1668-1679 hatte er diverse Kanonikate inne. 1679 wurde er in den Deutschen Orden aufgenommen, Aufschwörung am 10.12.1679 (zuvor war eine Aufnahme in Aldenbiesen wegen unzureichenden Alters abgelehnt worden. Schon am 16.12.1679 wird er Koadjutor des Hochmeisters. 1683 militärischer Einsatz in Preßburg, 1684 Türkenfeldzug in Ungarn. 1684 wurde er Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens, am 15.1.1685 in Bad Mergentheim inthronisiert. Seine erste Aufgabe sah er in der Rückgewinnung der Deutschordensbesitzungen am Rhein, die französisch geworden waren. 1686 zog er in Kriegsdiensten als Generalleutnant nach Ungarn und focht gegen die Türken. 1688 übernimmt er die Regierungsgeschäfte stellvertretend in Heidelberg. 1689 war er wieder in Deutschland und kämpfte gegen französische Truppen. Bei der Belagerung von Mainz wurde er verwundet und wandte sich danach wieder seiner geistlichen Karriere zu. Bis zu diesem Zeitpunkt, also 1684-1689, führte er lediglich das Familienwappen, überdeckt vom Hochmeisterkreuz, so wie wir es auch hier noch mühsam nachvollziehen können.

Erst 1689 kamen weitere Inhalte hinzu, und das Wappen wurde komplexer und bekam schließlich eine weitere Zwischenebene (siehe z. B. an der Schönenbergkirche in Ellwangen), denn am 22.8.1689 wurde er zum Fürstpropst von Ellwangen gewählt, und am 12.10.1691 wurde er Fürstbischof von Worms. Alle drei Ämter führte er bis zu seinem Tode am 4.5.1694 in Lüttich. Am 19.4.1691 wurde er Koadjutor in Mainz, konnte aber die Nachfolge infolge seines Ablebens nicht antreten. Kurz vor seinem Tod wurde Ludwig Anton noch zum Bischof von Lüttich gewählt, am 20.4.1694. Zuvor war mit Josef Clemens von der Gegenpartei ein Gegenbischof gewählt worden, der am 18.9.1694 von einer Sonderkongregation als gewählter Bischof anerkannt wurde.

Zwischen 1685 und 1689 ist das Wappen von Ludwig Anton von Pfalz-Neuburg geviert, Feld 1: zweimal gespalten, rechts: silbern-blau schräg gerautet, Haus Wittelsbach, Herzogtum Bayern, mittig: in Schwarz ein goldener Löwe, rot gekrönt, gezungt und bewehrt, Pfalzgrafschaft bei Rhein, links: in Gold ein schwarzer Löwe, Herzogtum Jülich, Feld 2: einmal gespalten, rechts: in Rot mit silbernem Herzschild ein goldenes Glevenrad, Herzogtum Kleve, links: in Silber ein roter Löwe, golden bewehrt, blau gekrönt, doppelschwänzig, Herzogtum Berg, Feld 3: einmal gespalten, rechts: in Silber ein blauer Löwe, golden bewehrt und golden gekrönt, Grafschaft Veldenz, links: in Gold ein silbern-rot geschachter Balken, Grafschaft Mark, Feld 4: einmal gespalten, rechts: in Silber drei rote Sparren, Grafschaft Ravensberg, links: in Gold ein schwarzer Balken, Grafschaft Moers. Die Reihenfolge der Felder ist exemplarisch und kann auch abweichen. Über allem ein Hochmeisterkreuz, ein schwarzes durchgehendes Kreuz, belegt mit einem goldenen Lilienkreuz, ein Herzschild in Gold belegt mit einem schwarzen Adler.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@49.192153,9.2225791,18.25z - https://www.google.de/maps/@49.1918621,9.2220987,151m/data=!3m1!1e3
Stadt Neckarsulm und der Deutsche Orden:
http://www.neckarsulm.de/news-archiv-einzelansicht/browse/227/article/vor-530-jahren-kam-neckarsulm-zum-deutschen-orden.html
Verkauf von Neckarsulm:
http://www.neckarsulm.de/news-archiv-einzelansicht/browse/142/select_category/4/article/vor-675-jahren-neckarsulm-wird-an-das-erzstift-mainz-verkauft.html
Christoph Bittel: Neckarsulm und der Deutsche Orden, in: Historische Blätter, Heft 71 (2013)
Stadtgeschichte Neckarsulm:
http://www.neckarsulm.de/main/unser-neckarsulm/geschichte.html
Beschreibung des Oberamtes Neckarsulm:
https://de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_des_Oberamts_Neckarsulm/Kapitel_B_1
Hans-Georg Böhm: Hochmeisterwappen des Deutschen Ordens 1198-1618, Frankonia Buch 1990, Fränkische Nachrichten Druck- und Verlags-GmbH, Tauberbischofsheim, ISBN 3-924780-15-3
Die Hochmeister der Residenz Mergentheim, Heft 15 der Schriftenreihe der Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte des Deutschen Ordens e.V. und der Historischen Deutschordens-Compagnie Bad Mergentheim e.V., 1997
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Deutschordensschloß:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschordensschloss_Neckarsulm
August Vogt: Neckarsulm, historischer Stadtführer, hrsg. vom Heimatverein Neckarsulm e.V. und der Stadt Neckarsulm, 2. Auflage, Otto Welker GmbH, Neckarsulm 1990
Barbara Griesinger (Redaktion): Neckarsulm, die Geschichte einer Stadt, hrsg. von der Stadt Neckarsulm, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 3-8062-0883-2
Rudolf Stich: Das Stadt-Schloß von Neckarsulm, in: Heimatgeschichtliche Beilage der "Heilbronner Stimme" vom 24.2.1962
Rudolf Stich: Der Schloßturm von Neckarsulm, in: Heimatgeschichtliche Beilage der "Heilbronner Stimme" vom 31.3.1962
Rudolf Stich: Das Stadtschloß von Neckarsulm. In: Heimatgeschichtliche Beilage der "Heilbronner Stimme" vom 26.5.1962

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