Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2401
Schlitz (Vogelsbergkreis)

Die Schachtenburg in Schlitz

Die Schachtenburg ist eine der vier das Ortsbild der Schlitzer Altstadt prägenden Geschlechtersitze. Sie befindet sich im Südosten der Stadtburg und ist von allen der am meisten einem wohlhabenden Wohnhaus ähnelnde innerstädtische Adelssitz, zum einen weil kein dominanter Turm oder Bergfried vorhanden ist, zum anderen, weil das Fachwerk als Baukonstruktion dominiert. Die Schachtenburg besteht aus zwei parallelen Fachwerkbauten, die den Giebel jeweils zur Straße haben und rücklings der Stadtmauer aufsitzen. Dort befindet sich noch ein Fachwerkerker zum Tal hin. Das Südhaus wurde von Wilhelm von Schachten erbaut und 1557 von seiner Witwe fertiggestellt. Das Südhaus besitzt ein massives, aus Bruchstein gefügtes Erdgeschoß mit Eckquadern mit gespitzten Flächen und Randschlag. Über dem Fachwerkobergeschoß mit "Alsfelder Streben" erhebt sich ein dreigeschossiger Giebel. Das Nordhaus wurde in der ersten Hälfte des 17. Jh. als Erweiterung von Dietrich von Schachten errichtet, Sohn von Georg von Schachten, dessen Epitaph sich in der Stadtkirche befindet. Über einem massiven Keller besitzt der nördliche Bau drei Fachwerkgeschosse mit Zahnschnitt aus der Zeit um 1600. Zwischen beiden Bauten befindet sich noch ein Zwischenbau mit Pforte.

Die zur althessischen Ritterschaft gehörenden Herren von und zu Schachten stammen eigentlich aus dem Dorf Schachten, heute Stadtteil von Grebenstein im Landkreis Kassel, und sie waren ursprünglich Dienstmannen der Edelherren von Schöneberg. Ab 1234 findet man sie in der Stadtritterschaft in Hofgeismar. Ihr Besitz war klein und bestand hauptsächlich aus Lehen des Damenstifts Heerse, dessen Erbkämmerer sie 1246 wurden. 1302 bekamen sie die Vogtei und Schachten von den Herren von Schöneberg zu Lehen, auch dies ein Afterlehen des Stifts Heerse. Die Familienmitglieder traten als Burgleute und Amtmänner in hessische Dienste, wo sie in führende Stellungen aufstiegen, worauf sie ihren Besitz vergrößern konnten. In der Reformationszeit wurden die Herren von Schachten protestantisch, was nicht ganz konfliktfrei war, wenn der größte Lehnsherr ein katholisches Stift ist und man selbst das Präsentationsrecht des Pfarrers hat. Eigentlich wurde der daraus entstehende Streit erst 1803 durch die Säkularisation beendet. Der Stammsitz Schachten wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört, aber Ende des 17. Jh. wieder aufgebaut und besteht noch heute.

Wie kommen die Herren von Schachten an einen Teil der Ganerbschaft Schlitz, so daß sie einen der ansonsten allesamt im Besitz der von Schlitz gen. Görtz befindlichen Geschlechtersitze ihr eigen nennen? Es geschah durch Heirat: Wilhelm von Schachten gelangte über seine Frau Elisabeth von Schlitz gen. Görtz in den Besitz eines Teils der Schlitzer Herrschaft, und so konnte der die Schachtenburg innerhalb der Ganerbschaft errichten. Die Lage unmittelbar neben der Hinterburg und die fehlende Freifläche lassen vermuten, daß der Bauplatz vom Gelände der Hinterburg abgezweigt wurde. Es war aber nicht für lange, denn Wilhelms Enkel Dietrich von Schachten verkaufte die Schachtenburg 1617 wieder, so daß die Familie von Schlitz gen. Görtz wieder die gesamte Stadt dominierte. Die Herren von Schachten erloschen am 18.1.1922 im Mannesstamm. Bis 1894 befand sich der Sitz des Großherzoglich-Hessischen Amtsgerichts in der Schachtenburg. Danach wurde sie als Wohngebäude genutzt. Bis vor kurzem war das der Graf Görtzschen Stiftung gehörende Anwesen ein Altersheim, seit 2017 ist es ein Hotel..

Der schönste bauplastische Schmuck befindet sich am südlichen Haus: Ein spitzbogiges Portal besitzt ein erneuertes, gestäbtes Gewände, dessen innere Stäbe sich einfach überkreuzen, dessen äußere Stäbe sich nach der Überkreuzung aber zu einem Überhandknoten verschlingen, so daß insgesamt ein brezelförmiges Ornament auf dem trapezförmig nach oben gezogenen, auf das Jahr 1557 datierten Schlußstein entsteht. Die sich verjüngenden Enden der Stäbe sind nach oben gezogen und schließen jeweils mit einer Rosette ab. Die einer nachlebenden Spätgotik verhafteten Formen und Profile kontrastieren mit dem feinen Randornament, das Formen der Renaissance aufweist, in die das Portal ja auch datiert ist.

Rechts neben dem Schmuckportal ist ein rechteckiger Wappenstein in die Wand eingelassen, dessen auf dem Rand umlaufende und in zwei Abschnitten zu lesende Inschrift besagt: „IESVS MARIA - DEIS IST FVRGEN(G)LICH GOT(T)ES WORT BLEIBT EVIGLICH A(NNO) D(OMINI) MDLVII IA(H)R" - Jesus Maria, dieses (Haus) ist vergänglich, Gottes Wort aber bleibt ewiglich, im Jahre des Herrn 1557. Unten auf der linken Vertikalen ist ein Schildchen mit dem Steinmetzzeichen eingehauen. Das innere Feld mit zwei Wappenschilden wird von einem reichverzierten Balustersäulchen in zwei Teile geteilt, als Kapitell dient eine Maske, aus deren Mund nach rechts und links zwei Ranken mit Trauben hervorkommen.

Heraldisch rechts ist das Wappen der von Schachten zu sehen, in Silber ein schrägrechts liegender gestümmelter roter Rosenzweig, oben mit zwei Rosen, unten mit einer Rose besetzt. Die hier fehlende Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein sitzender, natürlicher Luchs vor einer silbernen Säule, die oben mit sieben roten Hahnenfedern besteckt ist (die Farben von Säule und Federn werden am Epitaph in der Stadtkirche auch umgekehrt wiedergegeben). Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: He Seite: 24 Tafel: 26, Band: Pr Seite: 346 Tafel: 400, im Westfälischen Wappenbuch und im Jahrbuch des Deutschen Adels, Bd. 2, 1898. Hier steht das Wappen für Wilhelm von Schachten (ca. 1500-31.7.1553), Sohn von Georg von Schachten (-1533) und dessen Frau Dorothea von Reckrodt. Er war Marschall von Philipp I. Landgraf von Hessen und während dessen fünfjähriger Gefangenschaft in den Händen des Kaisers 1547-1552 Mitglied des Regentschaftsrates für Philipps Sohn Wilhelm IV. Der hessische Kriegsrat Wilhelm von Schachten hat 1552 mit dem Bau der Schachtenburg begonnen. Er erlebte die Fertigstellung jedoch nicht mehr, denn am 9.7.1553 wurde er im Zweiten Markgrafenkrieg in der Schlacht bei Sievershausen gegen Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, bei der er ein Aufgebot von 700 hessischen Rittern befehligte, so stark verwundet, daß er drei Wochen später in Kassel verstarb, wo er auch in St. Martin beigesetzt ist. Immerhin war seine sächsisch-braunschweigische Seite siegreich. Seine Witwe baute die Schachtenburg fertig.

Das heraldisch linke Wappen ist das der von Schlitz genannt Görtz, in Silber zwei schwarze, schrägrechte, oben dreimal gezinnte Balken (Zinnenschrägbalken). Das hier nicht dargestellte Kleinod wäre zu schwarz-silbernen Decken ein silberner, sparrenweise mit zwei schwarzen, schrägen, oben gezinnten Balken (Zinnenschrägbalken) belegter Flug (Siebmacher Band: Han Seite: 15 Tafel: 16, Band: He Seite: 10 Tafel: 10, Aschaffenburger Wappenbuch Tafel 16 Seite 226). Hier steht das Wappen für Anna Elisabeth von Schlitz gen. Görtz, die Tochter des würzburgischen Rates und Schlitzer Reformators Werner von Schlitz gen. Görtz (-1548) und dessen Frau Margarethe von der Tann. Sie war es, die ihrem Mann einen Anteil an der Schlitzer Herrschaft in die Ehe einbrachte, und sie stellte nach dem Tod ihres Mannes die Schachtenburg fertig.

Die Fassade ist über dem Wappenstein mit einer steinernen Maske (sog. Breilecker) versehen, deren Funktion die eines Neidkopfes oder einer Spottmaske ist. Das Relief ist hier sekundär vermauert und stammt vermutlich von einem alten Schlitzer Stadttor.

Literatur, Links und Quellen:
Geschichte von Schlitz und Stadtrundgang: http://www.schlitz.de/index.php4?page=53&nav=42&ref=www.schlitz.de&sm=https%3A&sb=
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Historischer Stadtrundgang Schlitz
http://www.schlitz.de/Historischer-Stadtrundgang-Deutsch---Englisch,__p53.php4
Hans und Doris Maresch: Hessens Schlösser und Burgen, Husum Verlag 2005, ISBN 3-89876-158-4, S. 225-226
Wilhelm von Schachten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Schachten
von Schachten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schachten_(Adelsgeschlecht)
Ulrich G. Großmann: Renaissanceschlösser in Hessen: Schachtenburg Schlitz:
http://schloesser.gnm.de/wiki/Schlitz,_Schachtenburg
Burgen von Schlitz:
http://www.burgenwelt.org/deutschland/schlitz/schlitz.htm und http://burgenarchiv.de/Burgen/Burg_Schlitz_in_Hessen
Schachtenburg Schlitz:
http://www.schlitz.de/index.php4?page=53&nav=42&ref=www.schlitz.de&sm=https%3A&sb=&hash=15
Schachtenburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schachtenburg
Rudolf Knappe: Mittelalterliche Burgen in Hessen - 800 Burgen, Burgruinen und Burgstätten, Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen, 3. Auflage 2000, ISBN 3-86134-228-6, S. 229-230.
Stadt Schlitz: Burgenstadt Schlitz - Historischer Rundgang. Schlitz, 1997.
von Schlitz gen. Görtz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlitz_(Adelsgeschlecht)
Ulrich G. Großmann: Renaissanceschlösser in Hessen - Architektur zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg, Verlag Schnell & Steiner, 296 S, 2010, ISBN 978-3-7954-2168-7.
Rudolf Buttlar-Elberberg: Stammbuch der Althessischen Ritterschaft, Kassel 1888:
http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PID=PPN513401067 - http://gdz.sub.uni-goettingen.de/download/PPN513401067/PPN513401067___LOG_0001.pdf
Hiotel:
http://www.schachtenburg.de/html/hotel-ueber-uns.html

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