Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2326
Ostrach (Landkreis Sigmaringen)

Das Ostracher Pfarrhaus

Ostrach gehörte seit 1191 zum Immobilien-Portfolio der Zisterzienserabtei Salem, als das Kloster erste Güter durch Kauf und durch Stiftung erwarb. Weitere Zuerwerbungen folgten im letzten Viertel des 13. Jh.: 1279 kam die Mühle an Salem, im gleichen Jahr das Recht der Fischerei, 1288 die Vogtei. Im Jahr 1324 wurde die Pfarrei inkorporiert und seitdem mit eigenem Personal besetzt. Abt Petrus Miller erwarb 1611 zu Pfand die Regalien und den Wegzoll im Amt Ostrach von Ernst Georg Graf zu Sigmaringen gegen ein Darlehen von 14000 fl.

Am Pfarrhaus, einem auf geschoßhohem Sockelgeschoß errichteten, zweigeschossigen Putzbau mit 5 x 4 Fensterachsen und einem Zwerchgiebel in der Mittelachse der Ostseite, finden wir ein Abtswappen des Klosters Salem. Der Bau wurde im Jahr 1702 errichtet, aber 1979-1981 unter Wiederverwendung der Türen und Treppen sowie der inneren und äußeren Schmuckelemente wie Fenstergitter und Stuckelemente des Vorgängerbaus erneuert. Die im Innern zu sehenden Stukkaturen stammen wahrscheinlich aus der Werkstatt Michael Wiedemanns und sind den Stuckelementen in den Salemer Konventsräumen stilistisch sehr ähnlich.

Über dem erhöht liegenden Eingang, zu dem eine Freitreppe emporführt, ist das auf das Jahr 1702 datierte Wappen des Salemer Abtes Stephan I. Jung angebracht, der 1698-1725 amtierte. Der Wappenstein, der vom Salemer Steinmetz Gottfried Natterer stammen dürfte, ist von klarem Relief und guter Erhaltung, aber ohne Farbfassung. Hier am Pfarrhaus besteht das Wappen nur aus den persönlichen Symbolen des Abtes und wird durch eine eingebogene Spitze in drei Felder aufgeteilt, Feld 1 (Tinkturen nach Vergleichsdarstellungen): in Schwarz ein silberner, mit einem nach links schwimmenden goldenen Fisch belegter Balken, Feld 2: in Blau ein aufspringendes silbernes Einhorn, Feld 3: in Rot ein silberner Pelikan mit Jungen auf seinem Nest. Die eigentlichen heraldischen Symbole für das Kloster Salem selbst fehlen. Auf dem Wappenschild ruht eine von einem geflügelten Engelskopf getragene Inful; schräg hinter der Schildkartusche sind Krummstab und gestürztes Schwert gestellt. Üppige florale Schmuckelemente rahmen den Wappenschild an den unteren drei Seiten ein. Das Wappen dieses großen Bauabtes begegnet uns im nördlichen Bodenseeraum öfters, so z. B. ist es an Schloß Maurach zu finden, an der Südfassade des Schlosses Salem, als Deckengemälde des Kaisersaals in der Prälatur Salem, am Salemer Pfleghof in Stockach und an der Wolfgangskapelle in Oberuhldingen.

Abt Stephan I. Jung wurde am 8.2.1664 geboren. Im Jahre 1698 wurde er zum Abt gewählt. Während seiner Amtszeit mußten einige Differenzen mit den lieben Nachbarn des Klosters beigelegt werden, auch um Territorialrechte in Ostrach und in Bachhaupten. Die Hauptkontrahenten in dieser Angelegenheit waren die Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen. 1699 wurde in Pfullendorf ein komplexer Vertrag festgesetzt mit folgenden Inhalten: Zunächst wurde der Pfandschilling auf 7000 fl. festgelegt. Diese den Hohenzollern zu zahlende Summe wurde aufgesplittet: 3000 fl. gab es in bar, und für die restlichen 4000 fl. nahm man Graf Maximilian Frobenius von Hohenzollern-Sigmaringen (6.11.1685-17.3.1734) als Pfründner auf Lebenszeit ins Kloster Salem auf, zusammen mit einem Diener. Bachhaupten wurde dem Kloster Salem als ewiges Lehen zugesprochen, war also de facto dadurch sein Eigentum geworden. Die Regalien in Ostrach aber wurden dem oberösterreichischen Regierungsrat Engelhard von Coreth übergeben, der sie jeweils an seinen ältesten lehensfähigen Sohn weitergeben sollte. Der schon unter Stephans Vorgänger schwelende Streit mit dem Hause Hohenzollern hatte das Kloster bis zur endgültigen Regelung insgesamt 32000 fl. gekostet.

Stephan Jung mußte aber noch etliche andere Prozesse führen, um die Klosterinteressen zu wahren: Mit dem Hochstift Konstanz und mit der Abtei Weingarten gab es Ärger, weil diese die Freiheiten der dem Kloster Salem gehörenden Rebgüter in Kippenhausen, Hagnau und Immenstaad nicht akzeptieren wollten und statt dessen Abgaben erhoben. Selbst ein Spruch des Landgerichts und von höchster Innsbrucker Stelle hinderte die Gegenpartei nicht daran, ihre rechtswidrig erhobenen Abgaben mit Gewalt abzuziehen. Das landete wieder vor dem Landgericht, das schließlich 1705 Weingarten und Konstanz mit Strafen drohte, und in Schloß Ittendorf wurde Salem in allen Punkten Recht gegeben und die Freiheit aller genannter Salemer Weingüter auf ewig bestätigt. Ein dritter Prozeß wurde gegen die Gemeinden Altenbeuren und Beuren und den dahinterstehenden Fürsten von Fürstenberg-Heiligenberg geführt, in dem es um die für Salem nachteilige Berechnung des Getreidezehnten ging. Auch hier entschied ein weltliches Gericht in Konstanz letztlich zugunsten Salems, und danach noch einmal die Nuntiatur in Luzern.

Die Pfarrkirche ist zwar in ihrem heutigen Bauzustand weitgehend ein Produkt der Erneuerung im Jahre 1897, aber im Innern befindet sich ein weiteres Wappen des Abtes Stephan Jung an der Orgelempore, im Gegensatz zu demjenigen am Pfarrhaus farbig gefaßt (ohne Abb.).

Zur Übersicht ein Ausschnitt aus der Salemer Äbteliste unter Hervorhebung des mit einem bauplastischen Wappen vertretenen Abtes:

Literatur, Links und Quellen:
Reinhard Schneider: Die Geschichte Salems, in: Salem, 850 Jahre Reichsabtei und Schloß, Konstanz 1984.
Lebensdaten der Äbte:
http://www.leo-bw.de/web/guest/ergebnisliste-gross/-/Suchergebnis/liste/GROSS?_LEOBWSearchResult_WAR_sucheportlet_searchId=1459108115829&cur=1 ff.
Tafel mit allen Abtswappen:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/75/Bodenseeraum_2012_ii_16.jpg
Liste der Äbte von Salem:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Äbte_von_Salem
Liste der Äbte von Salem:
http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Salem/Äbteliste
Alberich Siwek, Fridolin Schmid, Schw. Dr. Marcella Kugler O. Cist.: Die Zisterzienserabtei Salem: Der Orden, das Kloster, seine Äbte, hrsg. anläßlich der Gründung des Klosters vor 850 Jahren, hrsg. vom Erzb. Münsterpfarramt Salem, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, 1984, S. 259-274
Ulrich Knapp: Auf den Spuren der Mönche - bauliche Zeugen der Zisterzienserabtei Salem zwischen Neckar und Bodensee, Schnell & Steiner Verlag, 1. Auflage 2009, 336 Seiten, ISBN-10: 3795422477, ISBN-13: 978-3795422479, S. 254-257
Stefan Jung:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/s-z/Salem_Jung.html
Abtswappen: 1708
http://www.kloester-bw.de/zoom/index.php?herkunft=klostertexte&thema=Geschichte&nr=652&bildId=201&kreis=&bistum=&alle=&ungeteilt=&art=&orte=&buchstabe=
Klosterwappen 1707:
http://www.sueddeutscher-barock.ch/Bilder_jpg/grafik/s/Salem_Plan1707Gr.jpg
Kulturdenkmäler in Ostrach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kulturdenkmale_in_Ostrach
Ostrach:
http://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/21199/Ostrach
Salemer Wappenbüchlein, im 18. Jh. entstanden und 1826 ergänzt:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wappenliste_aebte_salem/0001 - https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wappenliste_aebte_salem/0001/image - http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=wappenliste_aebte_salem&zoom=1, der hier vorkommende Abt: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wappenliste_aebte_salem/0077/image

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