Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2237
Jedenspeigen (Niederösterreich, Bezirk Gänserndorf)

Das Schloß Jedenspeigen

Das Schloß Jedenspeigen befindet sich am nördlichen Ende der gleichnamigen Marktgemeinde und steht fast schon frei in den umliegenden Feldern auf einer Anhöhe. Das Schloß, das in seiner heutigen Erscheinungsform das Gesicht der Renaissance trägt, ist im Kern wesentlich älter und geht auf eine spätmittelalterliche Burg zurück. Eine Ziegelbrücke ersetzt seit dem 17. Jh. eine einstmals dort vorhandene Zugbrücke. Eine zweite, schmälere Zugbrücke befand sich einst vor der Mannpforte rechts daneben, und hier ist sogar noch die Rolle im Mauerwerk zu erkennen, über die das Zugseil lief. Diese gemauerte Brücke überspannt von Süden her den Zwischengraben vor der langrechteckigen, wehrhaften Vierflügelanlage, die vor der südlichen Schmalseite einen schlanken, bis zur Traufkante viereckigen, darüber achteckigen Turm mit flachem Zeltdach besitzt, rechts vom asymmetrisch ebenfalls auf der Südseite positionierten, korbbogenartigen Zufahrtstor, hinter dem sich die gewölbte Torhalle befindet.

Dieser Südflügel mit Satteldach, dessen seitliche Giebelwände schräg stehen, so daß sich insgesamt ein trapezförmiger Grundriß ergibt, ist das zweigeschossige Wohngebäude, während die etwas niedrigeren und weniger breiten anderen Flügel Wirtschaftsräume enthielten. Hofseitig besitzt der Westtrakt eine Reihe Renaissance-Arkaden. Der Nordflügel wurde in der Mitte des 20. Jh. zu einem dreigeschossigen Schüttkasten umgebaut. Zur westlichen Hangseite hin stützen mehrere abgeschrägte, massive Ziegelstrebepfeiler den Bau. Der Haupttrakt des Schlosses und der angebaute Turm sind im Erdgeschoß aus großen Bruchsteinen erbaut worden, während die oberen Geschosse wiederum aus Ziegelmauerwerk bestehen. Im Haupttrakt befindet sich ein großer Saal von 12 m x 9 m Ausdehnung.

Die Besitzgeschichte ist komplex. Markgraf Leopold der Heilige schenkte 1113 ein Landgut in "Hiedungispuigin" dem Abt des Klosters Melk. Der Name leitet sich vermutlich von der Bezeichnung einer markante Schlinge des Flusses March ab ("Beuge des Jedunc"). Die Hochfreien von Lengenbach tauchten 1188-1236 als Domvögte und Lehensträger der Regensburger Fürstbischöfe im oberen Marchfeld auf und gaben Jedenspeigen als Afterlehen an Konrad Mazo. Als dieser starb, landete der Besitz beim Landesfürsten. 1275 tauchen die Tursen von Rauheneck in Jedenspeigen als Besitzer von Gütern auf. Bis jetzt handelt es sich wahrscheinlich lediglich um Gutsbesitz, noch nicht um eine Burg, die erstmalig 1296 als Ydungspiugen erwähnt wird. Ein sich nach Jedenspeigen benennendes Rittergeschlecht wird nun als Besitzer der Burg überliefert. Die Brüder Kaspar, Jörg und Balthasar von Jedenspeigen riskierten jedoch alles in einer Fehde gegen Kaiser Ferdinand III., und als Strafe belagerten, eroberten und zerstörten die Landstände und kaiserlichen Truppen 1441 die Burg Jedenspeigen. Als Raubritter verloren die geflohenen Brüder 1448 zeitweilig ihren Besitz in Jedenspeigen.

Über eine Clara von Jedenspeigen kam der Besitz an ihren Ehemann Max Steinpeiß, den sie 1497 geheiratet hatte. Danach tauchten die Freiherren von Lamberg 1524-1570 als Besitzer der Burg auf, dann 1570-1578 Josef Hagen von Thurnberg, gefolgt 1578-1583 von Konrad von Pappenheim, General und Reichsmarschall, der ohnehin schon das benachbarte Zistersdorf in seinem Besitz hatte. Erst unter dem nächsten Besitzer, Georg Seifried von Kollonitsch, ging es wieder aufwärts in Jedenspeigen, denn er ließ auf den Ruinen der spätmittelalterlichen Burg das Renaissanceschloß errichten. Nach der Türkenzeit, in der Jedenspeigen erfolgreich verteidigt wurde, wurde das Schloß ein wenig barockisiert. Die eingemeißelte Jahreszahl 1692 deutet auf Modernisierungsarbeiten hin.

Die Familie der Grafen von Kollonitsch besaß das Schloß von 1583 bis auf eine 1597-1675 währende Unterbrechung, während der Jedenspeigen den Sonderndorf und den Neudegg gehörte, bis zum Jahr 1874/78. Bei der Familie sei eine Diskontinuität erwähnt, denn Maria Polyxena Gräfin von Kollonitsch-Kollograd (22.8.1661-) heiratete Csömöri Baro Zay Lõrinc (1651-1712), und ihrer beider Sohn Csömöri Baro Zay László (4.6.1705-6.9.1780), vermählt mit Maria Eleonore Gräfin von Kollonitsch (30.10.1711-6.4.1759), wurde von Leopold von Kollonitsch adoptiert. Die Familie erlosch jedoch im Mannesstamm 1874 mit Maximilian Graf von Kollonitsch, dem Sohn von Maximilian von Kollonitsch (1761-4.3.1827) und dessen Frau Katharina Haugwitz (1771-1827). Der letzte Graf hatte Augusta Baronesse von der Vorst-Lombeck-Gudenau (3.6.1801-3.7.1862) geheiratet und mit ihr zusammen sechs Kinder, aber er überlebte seinen einzigen Sohn, der im 30. Lebensjahr verschied. Die Kinder waren Karolina von Kollonitsch (16.11.1823-), Ottilie von Kollonitsch (28.3.1826-25.2.1863), Elisabeth von Kollonitsch (30.11.1828-), Paula von Kollonitsch (23.6.1830-), Ladislaus von Kollonitsch (12.7.1833-31.1.1863) und Clementine von Kollonitsch (4.1.1842-). Ladislaus von Kollonitsch war mit Adalberta Podstacky-Liechtenstein (26.10.1834-) vermählt, und das Paar hatte zwei Töchter, Maria von Kollonitsch (3.8.1861-) und Huberta Gräfin von Kollonitsch (4.12.1862-22.9.1884), welche am 17.9.1881 in Groß-Schützen Istvan Anton Maria Elias Graf von Wenckheim (20.7.1858-26.2.1923) heiratete.

1879 kam das Schloß in Jedenspeigen aufgrund des Testamentes des Maximilian Graf von Kollonitsch an die Erzdiözese Wien. Das Gebäude wurde als landwirtschaftlicher Betrieb genutzt und verkam. Erst fast ein Jahrhundert später, im Jahr 1978, rückte Schloß Jedenspeigen wieder in den Fokus der Wahrnehmung, als hier anläßlich des 700jährigen Gedenkens eine Ausstellung über die Schlacht zwischen Rudolf I. von Habsburg und Ottokar II. von Böhmen stattfand, bei der 1278 der böhmische König Schlacht und Leben verlor und den beispiellosen Aufstieg des Hauses Habsburg möglich machte. Die Burg bzw. das Schloß Jedenspeigen entstand freilich erst später und hatte damals keinerlei Bedeutung für die Schlacht; es geht nur um den historischen Austragungsort in der Nähe. Die Gemeinde Jedenspeigen kaufte 1985 das Schloß an und renovierte es. Seitdem wird es als kulturelles Zentrum der Marktgemeinde für musikalische Veranstaltungen, Aufführungen der örtlichen Theatergruppe und gesellschaftliche Feste wie die Ortsweinkost, das Feuerwehrfest und den traditionellen Schloßball genutzt.

Die Inschrift über dem Tor ordnet die beiden rechts und links davon eingehauenen Wappen zu und lautet: "HERR GEORG SEYFRIDT VON KOLONITSCH ZVE PVRGSCHLEINIZ (Burgschleinitz) HAINDARF (Haindorf) VND IDEMSPEVGEN (Jedenspeigen) FREYHERR RÖM KAY MT Z RATH VND HAVBTMAN (seiner Majestät des Römischen Kaisers Rat und Hauptmann) BAYDER GRAEF VND HERRSCHAFFTEN FORCHTENSTAIN VND EISENSTAD Z WAPPEN - FRAVEN ELENA VON KOLONITSCH GEBORNE FVCHSIN VON FVCHSPERG VND GAVFFENBERG (die Jaufenburg befindet sich in Südtirol oberhalb von St. Leonhard in Passeier) Z WAPPEN".

Das seit 1588 von der Familie geführte freiherrliche Wappen für Georg Seyfried von Kollonitsch (1537-1599), Sohn von Siegfried Kollonitsch von Kollograd (-17.11.1555) und dessen Frau Johanna von Orschon, ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein aufspringender natürlicher Wolf, Feld 2 und 3: in Rot ein goldenes, hier ungewöhnlicherweise siebenspeichiges Wagenrad (Stammwappen Kollonitsch). Dazu werden zwei gekrönte Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein roter, beiderseits mit dem goldenen Rad belegter Flug, Helm 2 (links): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender natürlicher Wolf zwischen einem rechts rot-silbern und links golden-rot geteilten Flug.

Das Wappen Kollonitsch bzw. Zay-Kollonitsch und seine verschiedenen Entwicklungsstadien werden beschrieben im Siebmacher Band: NÖ1 Seite: 238 Tafel: 119, Band: NÖ2 Seite: 614 Tafel: 302, Band: OÖ Seite: 156 Tafel: 46-47. Das Wappen wird auch mit alternativ positionierten Helmen dargestellt, was an sich auch logischer wäre, denn wenn der Inhalt von Feld 1 und 4 als der höherrangige angesehen wird, müßte der zugehörige Helm auch rechts stehen.

Das Wappen für seine Gemahlin Elena (Maria Helene) Fuchs von Fuchsberg, Tochter von Christoph Freiherr Fuchs zu Fuchsberg (-1560) und dessen Frau Helene von Welsperg (-1553), ist geviert, Feld 1 und 4: in Gold ein aufspringender roter Fuchs (Stammwappen der Fuchs von Fuchsberg), Feld 2 und 3: in Schwarz eine goldene Spitze (Jaufenburg; der Besitz wurde 1383 erheiratet): Dazu werden zwei Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein schwarzer Flug, jeder Flügel belegt mit einer goldenen Spitze (Jaufenburg), Helm 2 (links): auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein goldener, rot aufgeschlagener Turnierhut, auf dem ein roter Fuchs sitzt (Stammkleinod). Das Wappen wird auch mit umgekehrt positionierten Helmen beschrieben, was auch hier logischer wäre. Das Familienwappen wird beschrieben im Siebmacher Band: TirA Seite: 22 Tafel: 4 und Band: Bay Seite: 11, Tafel: 4. Die Familie erhielt den Reichsgrafenstand 1634 unter Kaiser Ferdinand III., und bei der Gelegenheit wurde das Wappen erheblich vermehrt.

Das Paar hatte zehn Kinder, Siegfried von Kollonitsch (22.9.1572-12.2.1624, vermählt erst mit Anna Sophie Pereny und dann mit Anna Maria Saurau), Ferdinand von Kollonitsch (-1611), Johann Georg Freiherr Kollonitsch von Kollograd (-1636, vermählt mit Ludmilla Anna Wissa Freiin von Vresovic, Nachkommen; von diesen beiden stammt die oben erwähnte Maria Polyxena Gräfin von Kollonitsch-Kollograd ab), Christoph von Kollonitsch, Adam von Kollonitsch, Martin von Kollonitsch, Heinrich von Kollonitsch, Karl von Kollonitsch (-1621), Bartholomäus von Kollonitsch und Ernst Graf von Kollonitsch (vermählt erst mit Sabina von Sonderndorf und dann mit Anna Elisabeth Kuefstein, Nachkommen).

Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Burgen Austria:
http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=347
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Familie Kollonitsch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kollonitsch
Familie Kollonitsch: GHdA-Adelslexikon Bd. 6 (91), 1987, S. 402 f.
Fuchs von Fuchsberg
http://de.wikipedia.org/wiki/Fuchs_von_Fuchsberg_(Adelsgeschlecht)
Geschichte von Jedenspeigen:
http://www.jedenspeigen.at/tourismus_geschichte.htm
Schloß Jedenspeigen:
http://www.jedenspeigen.at/tourismus_swd_schloss.htm
Schloß Jedenspeigen:
http://www.wehrbauten.at/noe/niederoesterreich.html?/noe/jedenspeigen/jedenspeigen.html
Schloß Jedenspeigen:
http://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Burgen_und_Schlösser/Niederösterreich/Jedenspeigen
Schloß Jedenspeigen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Jedenspeigen
Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Dürnkrut_und_Jedenspeigen
Schloß Jedenspeigen:
http://www.imareal.sbg.ac.at/noe-burgen-online/result/burgid/713
Dehio Niederösterreich, Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs. Niederösterreich nördlich der Donau, bearb. von Evelyn Benesch, Bernd Euler-Rolle, Claudia Haas, Renate Holzschuh-Hofer, Wolfgang Huber, Katharina Packpfeifer, Wien 1990. Seite, 477
Manfred Jasser et al: Schlösser und Burgen im Weinviertel, Schriftenreihe: Das Weinviertel 3, hrsg. vom Kulturbund Weinviertel, Mistelbach 1979, S. 85 und 96
Rudolf Büttner: Burgen und Schlösser vom Marchfeld bis Falkenstein, Burgen und Schlösser in Niederösterreich 13, Birken-Reihe, Wien 1982, S. 95 ff.
Georg Binder: Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser, Wien, Leipzig 1925, Band II, S. 135
Georg Clam-Martinic, Österreichisches Burgenlexikon. Linz, 1992, S. 140
Wilfried Bahnmüller: Burgen und Schlösser in Niederösterreich, Kral-Verlag, Berndorf, 2011, ISBN 978-3-99024-001-4, S. 186

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