Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2056
Ochsenfurt (Landkreis Würzburg, Unterfranken)

Der Kastenhof in Ochsenfurt

Der sog. Kastenhof in Ochsenfurt war ein Besitz des Ritterstifts St. Burkard in Würzburg. Dieses Stift ließ ihn 1592-1602 errichten, um hier den in den stiftseigenen Lehen erhobenen Zehnten zu sammeln und zu lagern. Das Kastenamt in Ochsenfurt war eine der größeren Einnahmequellen des Stifts. Das Ritterstift war im Ochsenfurter Gau für die Orte Auf, Aufstetten, Baldersheim, Buch, Burgerroth, Eßfeld, Gelchsheim, Gülchsheim, Hemmersheim, Lipprichhausen, Rittershausen, Sächsenheim, Sonderhofen und Stalldorf seelsorgerisch zuständig, und als Gegenleistung bekam das Ritterstift die Einnahmen aus den entsprechenden Pfarreien. Es blieb aber insgesamt ein Streubesitz und wurde nie zu einem zusammenhängenden Territorium. Erst bestand eine entsprechende Propstei in Auf, nach deren Auflösung verlegte man den Sitz nach Ochsenfurt, nutzte erst verschiedene Gebäude, ließ schließlich eine Zehntscheune bauen und kaufte schließlich 1592 den Schlehenriedschen Hof für 2050 fl., der daraufhin zum Kastenhof umgebaut wurde. Der vergleichsweise riesige Komplex weckte außerhalb der Friedenszeiten andere Nutzungsbegehrlichkeiten: 1689 waren im Kastenhof 60 Tage lang französische Soldaten einquartiert, im Winter 1759/60 waren hier kursächsische Truppen einquartiert, 1795 waren wiederum 300 französische Soldaten des Prinz-Rohanschen Regimentes einquartiert. Nach der Säkularisierung 1803 und der Privatisierung wurde das Anwesen zusammen mit den südlichen rückwärtigen Gebäuden 1863 von Dietrich Oechsner erworben, der hier einen Getreidehandel und eine Spedition betrieb. Das Gebäude im Bild (Badgasse 9) gehörte zum Oechsner-Besitz. 1905 brannten diese südlichen Gebäude ab und wurden von Josef Oechsner wieder aufgebaut, wobei nicht ganz die ursprünglichen Grundrisse eingehalten wurden. Im nördlichen Teil des Anwesens, den Johann Gehring 1848 erworben hatte, führte dieser Besitzer die Brauerei fort.

 

An dem Gebäude in der Badgasse 9 befindet sich dieser Wappenstein, eine hervorragende Bildhauerarbeit, jedoch in gänzlich unzutreffenden Farben. Richtig wäre für den heraldisch rechten Schild in Blau eine goldene Lilie (Ritterstift St. Burkard, Tingierung nach Siebmacher Band Klöster) und für den heraldisch linken Schild in Blau eine gänzlich goldene Rose (Wappen der von Guttenberg).

Letzteres steht für Herrn Wilhelm Ulrich Freiherr von Guttenberg (6.11.1662-5.5.1736), Sohn von Gottfried Wilhelm von Guttenberg zu Steinenhausen (1622-1683) und dessen Frau Maria Kunigunde Ursula von Guttenberg zu Kirchlauter (1623-1681) aus einer anderen Linie des weitverzweigten Geschlechtes, 1694 Dompropst zu Worms und 1689-1736 Dekan des Ritterstifts St. Burkard und außerdem noch 1695-1736 achtzehnter Dekan des Ritterstifts Comburg, 1691-94 Rektor der Würzburger Uni, welcher diesen Getreidespeicher von Grund auf neu errichten ließ, wie die nicht am ursprünglichen Ort befindliche Inschrift besagt: "ANNO MDCCII (1702) Sub AuSPiCIIS R(everen)d(i)Ss(i)Mi PERILLUST(ri) Et GRAt(ia) D(omi)ni D(omini) WiLLH(elmi) VDALR(ici) L(iberi) B(aronis) A(b) GVTTENBERG CATHED(ralis) WORMAT(iae) PRAEPOSiti, Et ECCLES(iarum) EQVEStrium COMBERG Et AD S(ancti) BVRCK(hardi) HERBiP(olensis) DECANi & GRANARium HOC Funditus ExstRuctum EST." Die Inschriftentafel war einst im Innenhof und wurde erst im 19. Jh. von Joseph Oechsner an die heutige Stelle versetzt.

Anlaß für den Neubau waren gute Ernten und eine ständige Überfüllung des bestehenden Kornspeichers, was entweder Verkäufe zu schlechten Preisen oder kostenintensive Anmietung zusätzlicher Lagerflächen erforderte. Nachdem dieses Problem mehrere Jahrzehnte lang auf die eine oder andere Weise gelöst wurde, entschloß man sich auf der Kapitelsitzung vom 18.7.1701 endlich zu einem Neubau, und schon auf der nächsten Sitzung vom 15.10.1701 wurden die Baupläne vom Syndicus vorgelegt. Auf einer Sitzung am 13.10.1702 konnte dieser das Kapitel bereits von der vollständigen Fertigstellung unterrichten. Aber auch dieser neue Schüttbau war bald zu klein, um die gesamten Erträge aus dem Ochsenfurter Gau angemessen zu lagern, so daß angrenzender Grundbesitz in Folge erworben wurde, aber die Bebauung desselben verzögerte sich.

Literatur, Links und Quellen:
Hinweistafeln am Objekt
Genealogie Guttenberg; Biedermann, Geschlechtsregister der Reichsfrei unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts Gebürg
http://books.google.de/books?id=49JDAAAAcAAJ
Lebenslauf Wilhelm Ulrich von Guttenberg: Germania Sacra, Neue Folge 40, Das Bistum Würzburg 6, Die Benediktinerabtei und das adelige Säkularkanonikerstift St. Burkard in Würzburg, bearb. von Alfred Wendehorst, S. 228-229, S. 65-67, S. 69, S. 102, S. 127, S. 171, S. 179. Online:
http://books.google.de/books?id=NHg0HVaN5n0C und http://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0005-745C-F bzw. http://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858......khard.pdf
Klaus Rupprecht, Guttenberg, Adelsfamilie, in: Historisches Lexikon Bayerns,
http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45555
Joachim Braun, Das ehemalige Würzburger Ritterstift St. Burkard und sein Kastenhof in Ochsenfurt, erschienen in: Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 60. Band 1998, S. 257-303, online:
http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/k/keh01003559.pdf

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