Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1907
Schwäbisch Hall (Landkreis Schwäbisch Hall)

Großcomburg (5) - die Greiffenclau-Wappen und die Stiftskirche

Die Stiftskirche - ein Werk Würzburger Künstler
Im Zentrum der Comburg und am höchsten Punkt des Hügels befindet sich in beherrschender Lage die ehemalige Stiftskirche St. Nikolaus, heute Pfarrkirche. In ihrer Ausrichtung folgt sie der Längsrichtung des ummauerten Areals mit der Folge, daß sie nicht geostet ist, sondern schräg von Nordwesten nach Südosten steht. Das Eigenartigste an der Stiftskirche ist ihr Stilmix: Das Kirchenschiff und der Chor im Südosten sind barock, doch die drei sich darüber erhebenden, steingedeckten Türme, einer in der Mittelachse im Nordwesten und zwei seitlich des Firstes, aber in den Baukörper integriert, im Südwesten, sprechen noch eine spätromanische Formensprache, so daß von ferne gesehen die barocke "Schicht" zwischen der romanischen Turmzone oben und der mittelalterlich anmutenden Ringmauerzone unten wie in einem Sandwich zu liegen kommt. Die drei Türme stammen noch vom Vorgängerbau, dessen romanische Basilika 1088 geweiht wurde. Das Kirchenschiff ist jedoch so groß geworden und der First so hoch, daß die Türme gedrungen und kurz wirken. Doch das Kirchenschiff wurde im Barock von keinem Geringeren als dem würzburgischen Hofbaumeister Joseph Greissing 1706-1715 entworfen und neu errichtet und ersetzte den mittelalterlichen Bau, und statt einer Basilika entstand eine Freipfeiler-Hallenkirche, durch deren Dach noch die drei alten Türme wachsen.

Seit 1704 trug man sich mit der Idee einer Veränderung, aber man brauchte noch zwei Jahre, um sich zwischen Reparatur oder Neubau zu entscheiden. 1705 berief man einige Würzburger Architekten auf die Comburg zur Beratung, und im September 1705 wurde Greissing mit der Anfertigung eines Entwurfes und Kostenvoranschlages beauftragt. Letztendlich entschied man sich im Kapitel am 27.5.1706 für die radikalere, größere, schönere, repräsentativere Lösung eines Neubaus, und 1706 wurde ein weiterer, verbesserter Entwurf von Greissing vorgelegt. Wo vorher ein basilikaler Vorgänger stand, wurde nun eine barocke Freipfeilerhalle mit annähernd gleich hohen Schiffen konzipiert. Das Mittelschiff war doppelt so breit wie die Seitenschiffe. Die neue Stiftskirche, deren Grundstein am 26.3.1707 gelegt wurde, war 1711 im Rohbau fertig und wurde am 15.9.1715 geweiht. Dechant Wilhelm Urich von Guttenberg hatte 43000 fl. zum Kirchenbau gestiftet. Die Weihe nahm Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau persönlich vor, denn er hatte eine sehr enge Beziehung zum Stift, nicht zuletzt dadurch, daß sein Neffe Franz Erwein Ferdinand von Greiffenclau dort Chorherr war (auch Domherr in Bamberg und Würzburg, sollte eine große kirchliche Laufbahn machen, starb aber schon mit nur 27 Jahren). Neben Greissing wurde Ignaz Schüller für die Maurerarbeit verpflichtet, auch er ein Würzburger Künstler. Die Verpflichtung Würzburger Baumeister und Handwerker lag nahe, weil das Hochstift Würzburg die Vogtei über die Comburg innehatte. Greissing und Schüller arbeiteten öfter zusammen, so z. B. auch beim Juliusspital in Würzburg. Doch während Greissing das Ansehen eines Baumeisters genoß, wurde Schüller mehr als ausführender Handwerker angesehen. Ignaz Schüller verstarb 1709, und Greissing, der im ursprünglichen Bauakkord nur für Entwurf und Zimmermannsarbeiten vorgesehen war, übernahm in seiner Rolle als Baumeister die gesamte Bauleitung. Die Kirche ist unter die Hauptwerke Greissings einzureihen, und mit 71,9 m Länge, 21,6 m Langhausbreite und 26,65 m Querhausbreite ist sie durchaus bereits als Großkirche einzuordnen.

Abb.: Blick auf die Comburg von Osten, im Vordergrund die drei hintereinandergestaffelten Toranlagen, oben beherrschend die Stiftskirche St. Nikolaus

Beim Bauakkord sollten noch die Grundmauern der äußeren Umfassungswände der alten Kirche mitverwendet werden, doch daran hielt man sich bei der Ausführung nicht, sondern man plante größer und prächtiger als vorgesehen. Die Breite des neuen Schiffes reicht fast an die Breite des alten Querhauses heran. Lediglich die inneren Pfeiler stehen noch auf alten Fundamenten, die neuen Außenmauern lagen jedoch außerhalb. Der Westchor wurde ersatzlos gestrichen und in die dreischiffige Halle eingegliedert, und der Ostchor wurde um 5 m verlängert. Der Westgiebel wird als Scheinwand über den Dachstuhl hinaus hochgezogen. Die ganze Kirche wird von einer Terrasse umgeben. Im Innern bringen die stark vorspringen Kämpfer der freistehenden Pfeiler Spannung und Dynamik in die Vertikale. Innen finden wir klassische Maße, 2:1 für Hauptschiffbreite zu Seitenschiffbreite, 1:8 für Pfeilerkern zu Pfeilerhöhe und 1:1 für Mittelschiffbreite zu Pfeilerhöhe inclusive Kapitell. Interessant ist, daß der barocke Bau seine Fenster mit einer Art Maßwerk versieht: Die rundbogig geschlossenen Öffnungen werden in der Vertikalen von einem Mittelstab halbiert, von dessen Kopf zwei halbkreisförmige Bögen den Anschluß zur Fensterlaibung suchen, und in dem entstehenden Zwickel ist ein unten offener Dreiviertelbogen aufgesetzt, der oben mittig den Keilstein berührt. Das ist eine sehr freie und historisierende Übernahme gotischer Maßwerkformen, die im Raum des Hochstifts Würzburg durchaus Tradition hat (vgl. die sog. Echtergotik). Greissing-typisch trägt der Keilstein der Fenster einen Engelskopf. Tuch-Draperien füllen die Zwickel. Über den Fenstern sind Segmentbogen-Giebel als Abschlüsse angebracht. Greissing hatte übrigens die Barockisierung der romanischen Türme geplant, aber nicht ausgeführt. Seine Idee war, sie wesentlich zu erhöhen und mit schlanken Kuppeln mit aufgelegten Rippen und mit Laternen auszustatten, wie alte Entwürfe belegen. Nur dadurch, daß das unterblieb, scheinen sie heute im Dach der Kirche zu versinken.

Die Hauptportale der Stiftskirche
Ungewöhnlich ist die Positionierung der beiden Hauptportale. Der barocke Kirchenraum ist ganz klar ein axial ausgerichteter Raum, der den Hauptzugang an seiner nordwestlichen Schmalseite erforderte, damit der Besucher beim Eintreten die ganze Wirkung des Längsraumes erlebt. Nach barockem Verständnis hätte der Haupteingang genau dort sein müssen. Doch hier wurde mit dem Westturm alte Bausubstanz bewahrt, und das vermasselte das Konzept, auch befand sich dort der sich anschließende Kreuzgang, auch er ein Relikt der mittelalterlichen Raumplanung, hier wie eine Art Paradies der Westfassade vorgeschaltet. Hierhin den Hauptzugang zu positionieren wäre eine ganz unbarocke Lösung gewesen. Deshalb wurden die beiden Hauptportale mit Schwung und konzeptionellem Mut auf die Seiten verlegt, nun offen auf die angrenzenden Freiflächen der höchsten Ebene des Burgberges führend und gut sichtbar, ganz anders repräsentativ, auch wenn sie nun ziemlich genau in der Mitte der Längsausdehnung des Kirchenschiffes liegen und ins fünfte Langhausjoch führen. Wenn nun der Besucher durch diese Portale die Kirche betritt, strebt das longitudinale Erlebnis des Kirchenraumes in beide Richtungen, wobei diese Divergenz noch dadurch verstärkt wird, daß der horizontale Fokus, der Chor, im Südwesten liegt, der vertikale Fokus, die Vierung, jedoch im Nordwesten. Angesichts der Lage auf der Hügelkuppe ist dieses Raumerleben gar nicht mal so unpassend, denn mit dem Betreten des Kirchenschiffes landet man genau im Zentrum der Anlage, auf dem höchsten und zentralsten Punkt, von dem aus alle Richtungen abgehen und an dem sich alle Richtungen treffen.

Über dem nordostseitigen Portal zur Stiftskirche befindet sich das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths (reg. 1699-1719), Sohn von Georg Philipp Freiherr von Greiffenclau zu Vollraths (20.8.1620-6.7.1689), kurmainzischer Geheimrat, Oberamtmann der Grafschaft Königstein, und dessen erster Frau Rosina von Oberstein (1623-20.5.1658). Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths (13.2.1652-3-8-1719) war für die geistliche Laufbahn bestimmt und wurde schon 1664 im Alter von 12 Jahren Domherr in Mainz, 1666-1699 Domicellar in Würzburg, 1684 Domkapitular in Würzburg, 1686-1695 Domcantor in Mainz, 1692 Domherr in Trier und schließlich 1695-1699 Domdechant in Mainz. Dazu war er noch Kanonikus in St. Alban zu Mainz und in St. Ferrutius-Bleidenstadt. Im Jahre 1676 wurde er zum Subdiakon geweiht, 1685 zum Diakon und 1687 zum Priester. Am 9.2.1699 wählte man ihn im Würzburger Kapitel zum nächsten Fürstbischof, und nach der päpstlichen Bestätigung am 1.6.1699 empfing er am 5.6.1699 die Bischofsweihe. Hier an der Kirche tritt er als Landesherr auf, denn das Ritterstift Comburg stand unter würzburgischer Oberhoheit.

 

Das Wappen ist geviert: Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt (Herzogtum zu Franken), Feld 2 und 3: geviert: Feld a und d: silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad (Greiffenclau-Vollraths), Feld b und c: in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken (Ippelbrunn/Eppelborn), Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine (von der Stange aus gesehen) rot-silbern gevierte, schräggestellte und an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte Standarte mit goldenem Schaft (Hochstift Würzburg). Das Wappen wird mit hinter dem Schild schräggekreuztem Krummstab (schrägrechts) und Schwert (schräglinks) geführt, dazu mit Fürstenhut über der Schildkartusche.

 

Die zwei repräsentativen Hauptportale fanden früh schon in der Bauplanung Erwähnung: Der Original-Bauakkord von 1706 erwähnt bereits "2 portal von steinwerckh gehawen", für die "der riß Zu verfertigen" sei. Sie wurden aber erst 1712 ausgeführt, denn am 9.9.1712 erhielt der Steinhauer Franz Steinhardt seine endgültige Bezahlung für besagte Hauptportale und andere Arbeiten. Die Entwürfe stammen von Balthasar Esterbauer, auch er ein Würzburger Künstler und zu Greissings Mitarbeiterteam gehörend. Am 19.12.1707 und am 21.9.1708 wurden Bauakkorde zwischen ihm und dem Kapitel geschlossen für die Statuen an den beiden Kirchenportalen und für die Wappensteine sowie für die Kapitelle. Die Arbeiten wurden von Esterbauer am 23.1.1712 abgerechnet.

Obwohl gleich konzeptioniert, unterscheiden sich die beiden Portale, die jeweils von Säulen mit korinthischen Kapitellen flankiert werden und von einem Segmentbogengiebel mit eingezogener Mitte und mit liegenden weiblichen Figuren auf den Giebelschenkeln bekrönt werden, ein wenig: Nur das Nordportal besitzt eine Freitreppe, dem hier noch leicht ansteigenden Gelände geschuldet. Hier war der Hauptzugangsweg, der über die Treppenanlage unter der Sechseckkapelle und die anschließende Stufenanlage nach oben führt, und die Nordseite ist dadurch die hauptsächliche Schauseite der Kirche. Deshalb ist hier auch das Wappen des Landesherrn zu finden.

Auf der Südwestseite der Stiftskirche befindet sich als Pendant zum zuvor beschriebenen landesherrlichen Wappen das Stiftswappen der Comburg, ebenfalls stark nach vorne zum Betrachter vorgeneigt, in Blau ein goldener, hersehender Löwenkopf (Löwenmaske, Leopardenkopf), der in die Spitze eines erniedrigten goldenen Sparrens (hier der Löwenkopf gestalterisch stark gewichtet, der Sparren hingegen eher klein) beißt. Die Helmzier ist ein auffliegender Vogel (Taube).

Gestalterisch ist diese Wappendarstellung ein Grenzgänger zwischen klassischem Vollwappen und Kartusche, denn der Schild ist mit einem ovalen Innenrand versehen, während der äußere Rand ornamental aufgelöst wird, andererseits wird das Ganze noch von der nicht zu einer Kartusche, sondern zu einem klassischen Schild passenden Helmdecke zu beiden Seiten eingerahmt, ein gestalterischer Zwitter aus beiden Konzepten. Der Helm greift mit seinem Bruststück weit über den Rand und bedeckt den Schild bis zu einem Drittel seiner Höhe. Der obere Teil der Helmdecken kommt hier nicht so recht zur Geltung, weil sich hinter der Helmzier ein mehrfach umgeschlagenes Band wie für eine Inschrift quer durch die Komposition zieht.

Das Innere der Stiftskirche und die dortigen Wappen
Auch im Inneren ist die Kirche eine Mischung aus Mittelalter und Barock: Das wichtigste alte Ausstattungsstück ist der berühmte Radleuchter, der um 1130 entstand und 15.77 m Umfang besitzt und mit seinen zwölf Türmchen aus vergoldetem und versilbertem Kupferblech eine mauerumwehrte Stadt als Abbild des himmlischem Jerusalems darstellt. 1570 wurde der Leuchter von Erasmus Neustetter gen. Stürmer wiederentdeckt und anläßlich einer Renovierung der alten Stiftskirche aufgehängt. Weiterhin sind der Stiftersarkophag von 1180 und das Antependium von 1130 mittelalterliche Ausstattungsstücke, während die Altäre wiederum Werke des Barocks sind, so der Hochaltar von der Hand von Balthasar Esterbauer bzw. der Peter-und-Pauls-Altar von Michael Kern.

Im Inneren gibt es - neben den hier nicht diskutierten Epitaphien Neustetter und Berlichingen - interessante Heraldik am Bau: Über den tragenden Pfeilern des Kirchenraumes befinden sich Wappenkartuschen an der dem Mittelschiff zugewandten Seite der Kämpfer: Die zum Zeitpunkt des Neubaus amtierenden Funktionsträger und die hier residierenden Stiftsherren werden hier in einer triumphalen Reihe entlang des Mittelgangs angezeigt. Ganz im Osten sind links (Evangelienseite) Georg Heinrich von Stadion (20.1.1640-13.10.1716), 1681-1716 siebzehnter Propst der Comburg, und rechts (Epistelseite) Wilhelm Ulrich von Guttenberg (6.11.1662-5.5.1736), 1695-1736 achtzehnter Dekan der Comburg. Weiterhin sind anzutreffen die Wappenkartuschen von Franz Karl von Ostein (-1718), Frhr. von Pfirt (-1726), Johann Wolfgang von Wallenfels, Johann Adam Zobel von Giebelstadt, das Stiftswappen der Comburg, Frhr. von Hutten-Stolzenberg, Franz Erwein von Greiffenclau zu Vollraths (8.4.1693-16.4.1720) etc.

Drei Vollwappen befinden sich oben am Orgelgehäuse auf der Nordostseite des Kirchenschiffes. Diese Orgel ist etwas älter als der Kirchenneubau, aber weil sie erst wenige Jahre alt war, wurde sie komplett übernommen. In der Mitte befindet sich das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Johann Gottfried von Guttenberg, geviert aus Fränkischem Rechen, der goldenen Rose in blauem Feld und dem Rennfähnlein, und darüber erhebt sich eine Halbfigur des Hl. Kilian. Optisch links ist die Kartusche mit dem aus dem Stiftswappen und den drei hier abweichend gestürzten Wolfsankern (Wolfsangeln) gevierten Amtswappen von Georg Heinrich von Stadion (20.1.1640-13.10.1716), 1681-1716 siebzehnter Propst auf der Comburg, und optisch rechts ist das gleicherweise gevierte Amtswappen von Wilhelm Ulrich von Guttenberg (6.11.1662-5.5.1736), 1695-1736 achtzehnter Dekan auf der Comburg.

Über dem Hochaltar auf der entgegengesetzten Seite des Kirchenraumes befindet sich ein weiteres Wappenpaar aus Stiftswappen und fürstbischöflichem Wappen, unter dem Gebälk und im Gegenlicht der Fenster grenzwertig zu erspähen: Das Stiftswappen zur Rechten wird von zwei fliegenden Putten über der Josephsstatue gehalten, das ebenso in Szene gesetzte Amtswappen von Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths (reg. 1699-1719) ist zur Linken über der Figur des Täufers. Er hatte 1715 persönlich die Stiftskirche geweiht.

Neben den genannten lassen sich noch viele weitere Wappen des Stifts und seiner Repräsentanten an Altären und sonstigen Ausstattungsstücken finden, und die Familiengrabstätten, nicht nur in der Stiftskirche, sondern insbesondere auch die hier nicht diskutierten Grabdenkmäler im Kapitelhaus, tragen das Ihrige zur reichen heraldischen Ausstattung der Comburg bei.

Genealogische Übersicht der von Greiffenclau zu Vollraths
Auszug aus der Genealogie der von Greiffenclau zu Vollraths (unter Hervorhebung der hier mit Wappen vertretenen Familienmitglieder):

Abb.: Blick von Südsüdosten auf die Comburg, rechts angeschnitten mit Mansarddach die Obervogtei.

Der letzte Dekan auf der Comburg
Ein zweites Wappen, das einem anderen Mitglied der selben Familie zuzurechnen ist, befindet sich über einem Portal eines Nebengebäudes, der sog. Registratur bzw. Kaplanei. Der Besitzer dieses Wappens ist der Enkel des Bruders des vorgenannten Fürstbischofs. Zugleich ist der Wappenbesitzer der Neffe eines weiteren Würzburger Fürstbischofs, Karl Philipp Heinrich von Greiffenclau zu Vollraths (1.12.1690-25.11.1754), der wiederum der Neffe des erstgenannten Würzburger Fürstbischofs war. Johann Gottfried Lothar Franz von Greiffenclau zu Vollraths (16.12.1738-22.4.1805), Sohn von Lothar Gottfried von Greiffenclau zu Vollraths und Anna Magdalena Margaretha von Hoheneck, war vom 28.1.1771 bis zum Jahre 1802 der zwanzigste und letzte Dekan des Stifts Comburg. Die Tonsur empfing der für den geistlichen Stand Bestimmte am 28.7.1750, im Alter von 12 Jahren! Seine geistliche Karriere begann er 1751 als Domherr zu Würzburg, während er in Mainz Theologie studierte. Seit 1760 hatte er ein Kanonikat in der Comburg als weitere Pfründe inne. Die ersten Weihen bekam er im Jahre 1770, die niederen Weihen am 3.4. und die Subdiakonsweihe einen Monat später am 5.5. des Jahres. Am 28.1.1771 wurde er Dekan der Comburg, am 3.2.1774 war er Mitglied im Kapitel in Würzburg, am 14.11.1780 wurde er Propst zu Stift Haug in Würzburg und schließlich am 24.4.1793 Propst zu Neumünster in Würzburg, was er bis 1803 blieb. Beinahe wäre er auch Würzburger Fürstbischof als Nachfolger von Franz Ludwig von Erthal geworden, als 1795 der Stuhl vakant war. Er bekam zwar bei der Wahl am 12.3. des Jahres etliche Stimmen, doch statt seiner wurde Georg Karl von Fechenbach gewählt, welcher der Letzte der Würzburger Fürstbischöfe wurde, so wie sein ehemaliger Konkurrent in seinem Amt auf der Comburg wurde er ebenso von der Säkularisierung getroffen. Er erlebte die Auflösung des Stifts. Er wurde immerhin mit 90% seiner bisherigen Bezüge als Pension abgefunden und siedelte nach Würzburg über, wo er 1805 ziemlich pleite verstarb. Von diesem Johann Gottfried Lothar Franz von Greiffenclau zu Vollraths sehen wir ein zweites Greiffenclau-Wappen auf der Comburg, ohne die fürstbischöflichen Felder, dafür stattdessen mit dem Stiftswappen kombiniert.

Das Wappen über der im Sturz auf 1772 datierten Tür der Kaplanei/Registratur ist geviert: Feld 1 und 4: in Blau ein goldener, hersehender Löwenkopf (Löwenmaske, Leopardenkopf), der in die Spitze eines erniedrigten goldenen Sparrens beißt (Stiftswappen Comburg), Feld 2 und 3: geviert: Feld a und d: silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad (von Greiffenclau-Vollraths), Feld b und c: in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken (Ippelbrunn/Eppelborn). Dieses Wappen ist typisch für die Spätzeit, in der nicht mehr separate Schilde für das Stiftswappen einerseits und das Familienwappen andererseits verwendet wurden wie in der Spätgotik und Renaissance, sondern beide Elemente miteinander kombiniert werden, sowohl bei den Dekanen als auch bei den Pröpsten. Über der Schildkartusche ist eine Laubkrone mit drei sichtbaren Blättern und zwei Perlzinken dazwischen, und zu beiden Seiten sind widersehende Greifen als Schildhalter, dem Familienwappen der von Greiffenclau-Vollraths entnommen.

Literatur, Links und Quellen:
Das Stift Neumünster in Würzburg, herausgegeben von Alfred Wendehorst, Germania Sacra Neue Folge 26, Bistum Würzburg 4, de Gruyter Verlag
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Günter Christ, Johann Philipp von Greiffenklau-Vollraths, in: Karl Bosl (Hrsg.), Bosls bayerische Biographie, Pustet-Verlag Regensburg 1983, ISBN 3-7917-0792-2, S. 272-273, online:
http://rzblx2.uni-regensburg.de/blo/boslview/boslview.php?seite=288&band=1 und http://rzblx2.uni-regensburg.de/blo/boslview/boslview.php?seite=289&band=1
Johannes Kreuzenbeck, Johann Philipp von Greiffenklau-Vollraths, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 31, Bautz, Nordhausen 2010, ISBN 978-3-88309-544-8, Sp. 537-538.
Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Philipp_von_Greiffenclau_zu_Vollraths
Ausstellungskatalog: Die Comburg - Vom Mittelalter bis ins 20. Jh., hrsg. von Elisabeth Schraut, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-3303-6, zugleich Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall Band 3
Barbara Nitschke, Die ehemalige Stiftskirche St. Nikolaus auf der Großcomburg (1707-1715), in: Die Comburg - Vom Mittelalter bis ins 20. Jh., hrsg. von Elisabeth Schraut, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-3303-6, zugleich Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall Band 3, S. 22-35
Johannes Zahlten, Die barocke Ausstattung des "Newen Kirchenbaus in dem hochadeligen Ritter Stift Comburg", in: Die Comburg - Vom Mittelalter bis ins 20. Jh., hrsg. von Elisabeth Schraut, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-3303-6, zugleich Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall Band 3, S. 36-56
Eduard Krüger, Schwäbisch Hall, ein Gang durch Geschichte und Kunst, neu bearb. von Fritz Arens und Gerd Wunder, Eppinger Verlag Schwäbisch Hall 1990, S. 147-153.
Johann Gottfried Lothar Franz von Greiffenclau zu Vollraths
http://franconica.uni-wuerzburg.de/ub/totenzettel/pages/totenzettel/4125.html und http://franconica.uni-wuerzburg.de/ub/totenzettel/pages/totenzettel/2863.html
Johannes Mack: Der Baumeister und Architekt Joseph Greissing, mainfränkischer Barock vor Balthasar Neumann, hrsg. von der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte, c/o Verlag PH. C. W. Schmidt, 1. Auflage 2009, 797 S., ISBN-10: 3866528167, ISBN-13: 978-3866528161, S. 76-78, S. 293-308, S. 416-418, S. 615-616

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