Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1849
Heisdorf (Steinsel, Großherzogtum Luxemburg)

Parc de Heisdorf, Maison Saint-Paul

Wenige Kilometer nördlich der Hauptstadt Luxemburg liegt in Richtung Mersch im Tal des Flusses Alzette der Ort Steinsel, zu dem der Ortsteil Heisdorf (lux.: Heeschdref) mit dem gleichnamigen Schloß ("Parc de Heisdorf") gehört mit seiner sehr wechselhaften Geschichte. Mehrere Baukörper aus verschiedenen Jahrhunderten bilden einen Komplex am Rande eines weitläufigen Parks mit alten und interessanten Bäumen.

Aus dem 19. Jh. stammt der "Maison Saint-Paul" genannte Bau (32, Rue de Luxembourg). Dieser Teil des Anwesens, der früher ein Wirtschaftsgebäude der Herrschaft war, besitzt drei hier sekundär eingebaute Portale, die vom 1645 anstelle einer mittelalterlichen Burg erbauten und später wieder durch einen Neubau ersetzten Schloß stammen. Zwei dieser Portale besitzen Wappenschmuck, der uns hier interessiert.

Die Herstellung der Portale (bzw. die Errichtung des im 19. Jh. abgerissenen Schlosses) geht zurück auf Johann Baron von Beck (Baron Jean de Beck), geboren 1588 als Sohn eines reitenden Boten, aus Luxemburg-Grund stammend. Im Alter von 13 Jahren trat er in Kriegsdienste ein. Seine rasche militärische Karriere verdankte er seiner Beteiligung an der Aufdeckung von 1618 in Prag gegen den Kaiser gesponnenen Verschwörungsplänen. Im 30jährigen Krieg war er unter anderem in Böhmen, vor Nürnberg, bei der Befreiung Ingolstadts und bei der Befreiung von Diedenhofen engagiert. Am 6.5.1637 wurde er vom Kaiser in den Freiherrenstand erhoben. Im Jahr 1639 kaufte er Heisdorf, das bis dahin den Fock von Hübingen gehört hatte, aber reichlich heruntergekommen war, und bis 1645 ließ er die Ruinen abtragen und ein Schloß errichten anstelle der mittelalterlichen Burg, von der noch bis 2006 Reste eines Wohnturmes zu sehen waren. Johann von Becks Glanzleistung war der Sieg am 7.6.1640 über die französischen Truppen unter Fouquieres, wodurch Diedenhofen befreit wurde. 1642 wurde er Generalmajor und Zivil- und Militärgouverneur von Luxemburg und Chiny für den spanischen König. Er war Generalfeldmarschall der Provinz Luxemburg in kaiserlichen Diensten. Später führte er eigene Kommandos in Nordfrankreich. Er war Herr von Vidimb, Reichem, Fechges, Heisdorf, Eigentümer der Burg Beaufort und ab 1646 Erbauer des neuen Schlosses in Beaufort. Johann Baron von Beck starb bereits am 22.8.1648 an einer Verwundung, die er am 20.8.1648 in der Schlacht von Lens im Spanisch-französischen Krieg erhalten hatte, in der Stadt Arras als Gefangener des siegreichen Prince de Condé, einer von 6000 Gefangenen der spanischen Seite. Die Idee, den vor Lens liegenden und taktisch abziehenden französischen Truppen nachzusetzen, war keine besonders gute gewesen, denn so wurde die sichere Stellung leichtfertig aufgegeben, mit oben beschriebenem Ausgang. Nach Jean de Beck ist in Heisdorf übrigens eine Straße benannt. Sein Sohn war Johann Georg Freiherr von Beck.

Über dem einen Portal (Abb. oben) befindet sich ein Allianzwappen, heraldisch rechts das freiherrliche Wappen Beck, gekrönt und von zwei Lorbeerzweigen umrahmt: Hauptschild: geviert, Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer, rot bewehrter Adler, linkssehend, Feld 2 und 3: geteilt, oben in Blau drei rote fünfzackige Sterne balkenweise (der Farbregelverstoß entspricht dem Diplom), unten von Blau und Rot in zwei Reihen geschacht (der Farbregelverstoß entspricht dem Diplom), Herzschild: gekrönt, in Gold ein schwarzer Doppeladler (kaiserliches Gnadenzeichen). Im Loutsch ist das Wappen auf S. 216 zu finden, und der französische Blason lautet: Écartélé, aux 1 et 4 d'or à l'aigle de sable, visant à sénestre, aux 2 et 3 coupé en chef d'azur à trois étoiles de gueules et en pointes des briques carrées alternativement d'azur et de gueules de telle façon qu'elles affectent la forme d'un mur. Sur le tout d'or à l'aigle impériale de sable couronné d'or, l'écusson en coeur couronné.

Zu dem Beck-Wappen gehören die folgenden zwei Helme, die hier nicht dargestellt sind: Helm 1 (rechts): gekrönt, schwarzer Adler, rot bewehrt, Decken schwarz-golden, Helm 2 (links): gekrönt, blauer Dreiberg, darauf ein blauer Stern, Decken rot-silbern. Die französische Beschreibung lautet nach Loutsch: Deux casques couronnés, cimier 1: une aigle naissante contournée de sable becquée et languée de gueules, cimier 2: une étoile de gueules de six rais environnée et quelque peu couverte par une nuage au naturel. Im Siebmacher ein Dreiberg, im Loutsch, der einer Übersetzung des lateinischen Diploms folgt, eine natürliche Wolke. Daraus wurde später der blaue Dreiberg, nicht die einzige spätere Veränderung des aus der Sicht traditioneller Heraldik zu beanstandenden Wappens laut Diplom.

So wurden auch die ursprünglich festgelegten Reichskronen auf den Helmen stillschweigend in normale Helmkronen umgeändert. Danach wurde das Wappen auch abweichend in heraldisch berichtigter Version geführt: Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer, rot bewehrter Adler, Feld 2 und 3: von Silber und Rot geschacht. Helm 1 wie oben, Helm 2: ein von Silber und Rot geschachtes Brett, darauf ein goldener Stern, Decken rot-silbern (Siebmacher Band: Lux Seite: 2 Tafel: 2).

Heraldisch links befindet sich das redende Wappen seiner Frau Katharina von Beck, geborene von Kapellen (de Capelle), mit einer silbernen Kirche in rotem Feld (frz.: de gueules à la chapelle d'argent). Das Wappen wird im Loutsch auf S. 276 beschrieben. Eine Variante wird mit blauer Feldfarbe beschrieben. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre eine Wiederholung der Kapelle.

Über dem anderen Portal befindet sich innerhalb einer Aedikula ein auf 1645 datiertes weiteres Allianzwappen der beiden genannten Eheleute (Abb. oben), mit dem Unterschied, daß hier beide Komponenten in einem gespaltenen Schild unter einer gemeinsamen, mittig über den Schild gesetzten Krone zusammengeschoben sind. Die gleiche Wappenkombination ist übrigens auch über dem Portal des neuen Schlosses von Beaufort zu sehen.

Im Erbgang kam Heisdorf an Marie-Sidonie de Beck, die Tochter des Jean de Beck. Sie hatte François-Caspar de Schellaert geheiratet. Da die beiden keine Kinder hatten, war der nächste Erbe ihr Neffe Eugen-Albert de Beck. Im Jahre 1681 wurde das Beck'sche Schloß von französischen Invasionstruppen zerstört (vor allem die Wehranlagen), aber bereits 1685 wiederaufgebaut. 1711 verkauften die Erben den Besitz an die luxemburgischen Eisenhütten-Industriellen Philippe de Marchant und seinen Bruder François de Marchant, 1728 geadelte Hüttenherren von Dommeldingen. Ihr Nachfolger im Besitz Heisdorf war Damien-Henri de Marchant (gest. 1778), und er wirtschaftete den Besitz herunter. Im Laufe des 18. Jh. verfiel das verlassene und unbewohnte Schloß von 1645.

Nachbesitzer von Heisdorf waren die Mohr de Waldt (Mohr vom Wald), denen auch noch Mersch, Betzdorf, Heffingen und ein Teil von Fels gehörte. Theodor Franz Mohr vom Wald hatte 1778 den Besitz Heisdorf nach dem Tode des Damien-Henri de Marchant erworben. Maria Luise Josepha Walburga Therese Mohr vom Wald hatte 1782 Baron Josef Antoine Charles de Reinach aus Hirtzbach geheiratet, Sohn von Franz Kasimir Armand Hamann Cäsar Xaver Sigmund Peter Freiherr von Reinach und dessen Frau Maria Josepha Elisabeth Rosa von Eptingen, und so kam Heisdorf an die elsässisch-luxemburgische Adelsfamilie von Reinach. Deren Tochter Maria Crescentia Philippina von Reinach bekam Mersch und Heisdorf als Erbteil, sie wurde in Heisdorf Schloßherrin, und sie starb am 28.6.1870 in Heisdorf. Ihre Brüder waren Moritz von Reinach Karl (Charles) von Reinach. Die Mohr vom Wald sind am 7.10.1784 mit Philipp Lothar Johann Mohr vom Wald erloschen, dem Sohn von Philipp Eberhard Mohr vom Wald.

1878 wurde der Besitz erneut verkauft und kam an Baron Léon Lippmann (1.3.1808-11.11.1883), Eisenbahn-Industrieller in Holland und Bankier. Das heute existierende Schloß (Eingang an der Rue de Mullendorf), nun der dritte oder sogar vierte Herrschaftsbau an dieser Stelle, entstand 1885-1888 historisierend im Stil der französischen Spät-Renaissance; die Bauherrin war Nina Lippmann-Nathan (-1897), Witwe von Léon Lippmann, und der Architekt war Charles Thirion aus Belgien. Das Paar war kinderlos, und das Schloß erbte Jeanne Seligmann-Nathan aus Paris, die im Jahre 1910 Schloß und Herrschaft an Anton Erpelding (Antoine Erpelding, Mühlenbesitzer und Industrieller aus Steinsel) verkaufte.

Heute gehört das Anwesen den Schwestern der Doctrine Chrétienne, ein 1716 durch Abbé Vatelot gegründeter Orden von Schulschwestern, deren erste Vertreter 1841 nach Eich und Wiltz kamen und deren Hauptanliegen die Erziehung bildungsferner weiblicher Kinder auf dem Lande war und die Verbesserung der Lebensumstände auf den Dörfern. Diese Kongregation kaufte 1916 das Schloß in Heisdorf von Antoine Erpelding, um dort eine Wohn- und Pflegeinstitution für alte und kranke Ordensmitglieder zu schaffen, und um mit der zugehörigen Landwirtschaft zu ihrem Unterhalt beizutragen. 1924 und 1938 erfolgten erste Anbauten an das Schloß von 1888. Heute wird das Schloß als auch der Allgemeinheit offenstehendes Altenheim geführt, und mehrere moderne Ergänzungsbauten wie der 1992 eröffnete Gebäudetrakt Regina Pacis von Architekt Michel Mousel oder ein hochmoderner Anbau aus dem Jahr 2007 von den Architekten Hermann & Valentiny auf der anderen Seite des Schlosses schaffen neuen Platz zur Unterbringung und Betreuung von Senioren.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Luxemburg
Johann Schötter, Johann Baron von Beck, in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), ab Seite 214.
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Beck,_Johann_Baron_von
http://web.cathol.lu/communautes-pastorales/steesel-walfer/pfarrverband/pfarrei-steinsel/article/schwestern-der-doctrine-chretienne
Heisdorf:
http://lb.wikipedia.org/wiki/Heeschdref
Schloß Heisdorf:
http://lb.wikipedia.org/wiki/Schlass_Heeschdref
Geschichte von Schloß Heisdorf:
http://lb.wikipedia.org/wiki/Geschicht_vum_Schlass_zu_Heeschdref
Alex Langini: Das Heisdorfer Schloß - Le château de Heisdorf, 2010 von der Gemeinde Steinsel herausgegeben.
Heisdorf:
http://de.wikipedia.org/wiki/Heisdorf_%28Steinsel%29
Roger Bour, Taschenführer durch die Burgen und Schlösser in Luxemburg, Luxemburg 1982
Mohr vom Wald und von Reinach:
http://www.mambra.lu/ma_1767_05_15.htm
Mohr vom Wald und von Reinach:
http://www.jahrbuch-daun.de/VT/hjb2005/hjb2005.79.htm
Josef Reuter: Geschichte der Herrschaft Mersch. O.H. Fonds de Reinach
J.-P. Koltz, T. Krier: Les châteaux historiques du Luxembourg, Éditions Saint-Paul, Luxemburg 1975, S. 124-127.
Johann Baron von Beck:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_von_Beck
Johann Baron von Beck:
http://www.deutsche-biographie.de/xsfz2493.html
Johann Baron von Beck:
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00008360/images/index.html?seite=216 und http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/bsb00008360/images/index.html?seite=217
Dr. Jean-Claude Loutsch, Armorial du pays de Luxembourg, 1974
Siebmacher, Band Luxemburg
Léon Lippmann:
http://lb.wikipedia.org/wiki/L%C3%A9on_Lippmann
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9

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