Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1836
Schwäbisch Hall (Landkreis Schwäbisch Hall)

Widmanhaus (Am Markt 5)

Dieses historische Anwesen, das unter dem Namen Widmanhaus bekannt ist und eigentlich aus zwei Häusern mit zwei Giebeln besteht, befindet sich an der Südwestecke des Marktplatzes neben dem barocken Rathaus (Am Markt 5). Davon ist der rechte, größere Teil der ältere und der linke, kleinere mit dem Schmuckportal der jüngere. Das Haus trägt auch den Lokalnamen "Barfüßer", weil sich hier seit 1236 ein Kloster der Franziskanermönche befand mit Dormitorium und Refektorium, günstig in der Nähe zur Jakobskirche gelegen. Als Hall sich der Reformation anschloß, wurde der einzige Orden innerhalb der Stadtmauern 1524 aufgehoben, und aus dem Heim wurde erst eine Lateinschule bis 1534, dann ein Privathaus. Der links angefügte Anbau mit dem Renaissance-Schmuckportal in der Lücke zum Stellwaghaus entstand erst 1561. Auf den ersten Blick sehen beide Teile stilistisch sehr ähnlich aus, doch der Anbau hat seinen First quer zu dem des Haupthauses, und die Front hat keinen Giebel über die ganze Breite, sondern einen breiten Zwerchgiebel, neben dem das Satteldach bis über das zweite Obergeschoß heruntergezogen ist. Nach hinten haben die Gebäude eine ganz unterschiedliche Tiefe; der Teil mit dem Schmuckportal ist wesentlich kürzer als das Haupthaus.

Rechts vom Widman-Haus führt die Rathaustreppe zur tieferliegenden Parallelstraße. Der Geländeversatz läßt das Haus nach hinten mehr als ein ganzes Stockwerk zusätzlich gewinnen. Nach den Widmans gehörte dieses Anwesen 1630 Wolf von Crailsheim, dann folgten Andreas Romig, N. Gräter, der Konsulent und Syndicus Dr. Johann Philipp Schragmüller, und dann gehörte es lange der Familie Müller, die für die Stadtgeschichte wichtige Persönlichkeiten hervorbrachte: Ludwig David Müller, Mitglied des Inneren und Geheimen Rates, Ratsadvokat Dr. Nicolaus David Müller, Ratsadvokat Wolfgang Adam Müller und Konsulent Jacob Friedrich Müller. Nach den Müllers gehörte das Haus der Familie Glock, der Familie Braz und der Familie Knupfer. Seit 1969 ist hier das Stadtarchiv.

Die Inschrift in der Gebälkzone über dem Wappenstein datiert das Portal: "Nach Christi Unsers Kynigen Erlösers Geburt Im 1561 Jar ist diese behausung erbawen worden durch Herrn George Rudolffen Widman der Rechten Doctor und Barbaram Schwertin sein Eheliche Hausfrawen".

 

Das heraldisch rechte Wappen steht für den Syndicus Dr. Georg Rudolf Widman (1519-1584): In silbern-rot geteiltem Schild drei (2:1) jeweils von einem kurzen Aststück herabhängende Weintrauben in verwechselten Farben, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender Mannesrumpf in rot-silbern gespaltenem Gewand, auf dem Kopf eine silbern-rot gespaltene Mütze mit einem Aufschlag in verwechselten Farben (hier anscheinend oben noch mit Federn besteckt, was bei allen anderen Belegen fehlt) zwischen zwei rot-silbern-schwarz-silbern mehrfach schräg nach außen geteilten Büffelhörnern, die außen mit je vier Weinblättern besteckt sind (alternative Formulierung: zwei rot-silbern mehrfach schräg nach außen geteilte Büffelhörner, die jeweils von einer nat. Weinrebe mit je vier nach außen gerichteten Blättern umwunden sind).

Mehrere Vergleichswappen identischen Inhalts lassen sich in St. Michael finden, auf der Stiftertafel Reichalmosen für genau diesen Dr. Georg Rudolf Widman (1519-1584) sowie für Georg Widman (1486-1560), Pfarrer zu Erlach und Chronist, und auf der Stiftertafel Gymnasium ist Wilhelm Widman (1586-1657) vertreten, Pfarrer zu Honhardt. Bei all diesen Darstellungen ist der Mannesrumpf silbern-rot schräggeteilt. Weiterhin findet sich das Wappen Widman im Geschlechterbuch des Johann Friedrich Christoph Schrag, dort der Mannesrumpf mit einer aufgeschlagenen Zipfelmütze bedeckt, und die rechts silbern-rot, links rot-silbern gestückten Büffelhörner sind außen mit je vier grünen Weinblättern besteckt. Eine weitere Darstellung findet sich im Siebmacher Bg1 68 u. Taf. 100, dort wie hier der Mannesrumpf mit gestulptem Hut, der Helm bewulstet. In den beiden letztgenannten Quellen ist der Mannesrumpf silbern-rot gerade gespalten.

Das heraldisch linke Wappen steht für Georg Rudolf Widmans Ehefrau Barbara Schwert (1525-1599) aus Germersheim: In silbern-rot gespaltenem Schild über einer liegenden, mit den Spitzen nach oben gerichteten Mondsichel in verwechselten Farben zwei schräggekreuzte, gestürzte, hier goldengegriffte Schwerter (redendes Wappen!), auf dem Helm mit rechts silbern-roten und links rot-silbernen Decken ein wachsender Mann in silbern-rot gespaltenem Gewand mit rot-silbern gespaltener Mütze, in der Rechten eigentlich eines der Schwerter haltend, welches hier aber fehlt, die Linke eingestemmt.

Ein Vergleichwappen für Barbara Widman geb. Schwert findet sich auf der Stiftertafel Reichalmosen in St. Michael, mit ein paar kleinen Unterschieden: Die Schwerter sind schwarz und eher degenförmig, die Helmdecken sind auf beiden Seiten rot-silbern, und der wachsende Mann hat ein rot-silbern gespaltenes Gewand und eine silbern-rot gespaltene Mütze, also lediglich mit ausgetauschten Farben. Im Siebmacher wird das Wappen unter der Schreibweise Schwertt in Band: Bg6 Seite: 32 Tafel: 35 geführt, mit der Tinkturangabe "natürlich" für die Schwerter, der Mann ebenfalls in rot-silbern gespaltenem Gewand, aber ohne Mütze abgebildet.

 

Nun zu der größeren Baueinheit rechts (oben linke Abb.), die die ältere ist und in der Teile des alten Franziskanerklosters verbaut sind. Von der Rückseite (Abb. oben rechts) her sieht man deutlich, daß dieses das eigentliche Haupthaus ist, welches weit nach hinten geht, während die Baueinheit mit dem Wappenportal nur der Anbau ist. Man sieht auch den großen Höhenunterschied zwischen Marktplatzniveau und Rückseite. In der treppenseitigen Nordwand sind zwei weitere Wappensteine eingelassen, die aus dem ehemaligen Kloster stammen.

Abb. unten links: Dies ist ein aus dem Franziskanerkloster stammender und laut Inschrift "anno domini mccccx obiit henricus alt in die sanc(ti)...." auf 1410 datierter Grabstein für Heinrich Alt. Das mit Farbe nachgezogene Wappen Alt ist rot-golden gespalten mit einem silbern-schwarz gespaltenen Sparren, auf dem Helm zwei Büffelhörner, das rechte golden mit einem schwarzen Schräglinksbalken, das linke rot mit einem silbernen Schrägrechtsbalken. Vergleichsdarstellungen finden sich in der um 1580 entstandenen Haller Chronik nach Johann Herolt (StadtA SHA S09/6 S. 32), wobei der Schild identisch ist, das Oberwappen aber wie folgt dargestellt ist: Auf dem Helm mit rechts rot-silbernen und links schwarz-goldenen Decken ein Paar Büffelhörner in den Teilungen und Farben des Schildes. Der Unterschied zur hiesigen Darstellung ist also nur die Tingierung der Helmdecken und die seitenentsprechende Tingierung der Hörner, nicht überkreuz wie hier. Eine um 1600 erstellte Haller Chronik nach Georg Widman und Johann Herolt (StadtA SHA 4/4 Bl. 11R) bildet das Wappen zur Gänze gespiegelt ab. Weiterhin findet sich das Wappen im Fürstschen Wappenbuch von 1657 im ersten Teil auf Tafel 114, unter dem Namen "Die Alten von Altenberg", auch dort wegen Randlage aus Courtoisie gespiegelt. Im Siebmacher Band: WüA Seite: 1 Tafel: 9 ist das Wappen unter "Alt von Altenberg" verzeichnet, wobei die Inhalte spiegelverkehrt angegeben sind, also golden-rot gespalten mit einem schwarz-silbern gespaltenen Sparren, Helmzier analog und seitenentsprechend. Im Alberti ist das Wappen auf S. 13 unter Bezug auf Siebmacher 1, 114 fehlerhaft wiedergegeben, mit einer roten anstelle einer schwarzen Sparrenhälfte auf der rechten Seite. Wie so oft wurde in späteren Jahren nicht mehr wahrgenommen, daß die randständigen Wappen im Alten Siebmacher gewendet sind. Die Alt ("Alten von Altenberg") waren lt. Alberti in Westheim begütert und Bürger zu Hall, wo 1480 der letzte Sproß bei den Franziskanern beigesetzt wurde. Die Alt führten auch den Beinamen Strüller.

 

Abb. oben rechts: Dieser auf 1419 datierte Grabstein für Ulrich von Gailenkirchen stammt ebenfalls aus dem ehemaligen Franziskanerkloster. Die Inschrift lautet: "Anno d(o)m(ini) m cccc xix starb ulrich vo(n) geilen kirch am freitag nach san(k)t francisken tag". Das Wappen zeigt in rotem Schild einen nach der Figur mit einem silbernen Fisch belegten blauen Schrägbalken, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein hoher roter Hut mit silbernem Stulp, oben mit einem schwarzen Federbusch besteckt, der Schaft vorne und hinten balkenweise mit je einem silbernen Fisch belegt. Ein Vergleichswappen gibt es in der um 1600 entstandenen Haller Chronik nach Georg Widman und Johann Herolt (StadtA SHA 4/4 Bl. 30R), außerdem findet es sich im um 1657 zusammengestellten Fürstschen Wappenbuch im fünften Teil auf Tafel 260, dort gewendet wegen Randlage auf dem Blatt, außerdem stehen die beiden Fische der Helmzier übereinander auf der Vorderseite des Helmes, während hier auf dem Grabstein deutlich die Anordnung jeweils eines Fisches vor und hinter dem Schaft des Hutes zu sehen ist. Ferner wird das Wappen im Siebmacher Band: WüA Seite: 6 unter Verweis auf den Alten Siebmacher beschrieben. Die von Gailenkirchen sind eines Stammes mit den Feldner (mit den wappengleichen Nebenlinien Geyer und von Stetten) und den Kleinconz(en), ebenfalls Haller Geschlechter.

Literatur, Links und Quellen:
Schwert: Siebmacher Band: Bg6 Seite: 32 Tafel: 35
Widman: Siebmacher Bg1 68 u. Taf. 100
Weitere Siebmacher-Nachweise wie angegeben
J. Siebmachers Grosses Wappenbuch Band E. Württembergisches Adels- und Wappenbuch. Im Auftrage des Württembergischen Altertumsvereins begonnen von Otto v. Alberti, Bauer & Raspe 1975 (Reprint), 1112 Texts. mit 4132 Wappen + 122 S. Figurenverzeichnis.
Häuserlexikon Schwäbisch Hall:
http://www.schwaebischhall.de/buergerstadt/geschichte/haeuserlexikon.html - Gebäudeverzeichnis: http://www.schwaebischhall.de/buergerstadt/geschichte/haeuserlexikon/gebaeudeverzeichnis.html
Gebäude:
http://www.schwaebischhall.de/buergerstadt/geschichte/haeuserlexikon/gebaeudeverzeichnis.html?Detail=3
Wappen Widmann:
http://www.schwaebischhall.de/buergerstadt/geschichte/stadtarchiv/familienwappen/wappen-t-z.html
Wappen Widmann:
http://www.schwaebischhall.de/fileadmin/us....R03-P10.jpg
Wappen Widmann:
http://www.schwaebischhall.de/fileadmin/user_upload/im....-P02.jpg
Wappen Widman: Geschlechterbuch des Johann Friedrich Christoph Schrag (1703-1780), Bearbeitung von Karl Borchardt 2007
Wappen Widman und Schwert:
http://www.schwaebischhall.de/filea...P08_09.jpg
Wappen Schwert:
http://www.schwaebischhall.de/buergerstadt/geschichte/stadtarchiv/familienwappen/wappen-r-sc.html
Wappen Alt:
http://www.schwaebischhall.de/buergerstadt/geschichte/stadtarchiv/familienwappen/wappen-a-c.html
Wappen Alt:
http://www.schwaebischhall.de/fileadmin/user_upload/images/I...Bd_1_Taf_114_RB_oct_178.jpg
Wappen Alt:
http://www.schwaebischhall.de/fileadmin/user_upload/images/Informa...rolt-Chronik_um_1580.jpg
Wappen Alt:
http://www.schwaebischhall.de/fileadmin/user_upload/images/I..._Bl_011RS.jpg
Wappen Gailenkirchen:
http://www.schwaebischhall.de/buergers...ppen/wappen-g-j.html
Wappen Gailenkirchen:
http://www.schwaebischhall.de/fileadmin/user_upload/images....004_Bl_030_RS.jpg
Wappen Gailenkirchen:
http://www.schwaebischhall.de/fileadmin/user_upload/images/Inform....257_RB_oct_176.jpg
Der Stadt Schwäbisch Hall und dem Stadtarchiv ein herzliches Dankeschön für mustergültige und vorbildliche Präsentation der Häuser und Wappen der Stadt im Internet.

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