Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1720
Brügge (Belgien, Provinz Westflandern)

Brügge, Propstei St. Donatus

Die Propstei St. Donatus (sog. "Alte Propstei") flankiert die Breidelstraat, die Verbindungsstraße zwischen Marktplatz und Burgplatz an deren nördlicher Seite. Das 15 Fensterachsen lange und nur eine Fensterachse breite, schmale Gebäude ragt mit dem östlichen Ende in den Burgplatz hinein und zielt auf die Westecke des neuen Freiamtsgebäudes. Doch zwischen beiden klafft eine Baulücke, hier befand sich einst die Kathedrale St. Donatus, die nicht mehr besteht. Die einstige Hofkirche der Grafen von Flandern wurde 1799 unter der französischen Besatzung kassiert, verstaatlicht, verkauft und dann abgerissen. Die Propstei war der Herrschaftssitz der Dompröpste und Verwaltungssitz des Domkapitels und diente auch als bischöfliche Residenz. Heute gedeihen in der Lücke ein paar Bäume, dazwischen sind im Jahr 1955 freigelegte Grundmauern.

Das 1662-1666 errichtete Gebäude (Burg 1) fällt in Brügge aus dem Rahmen, obwohl exquisit und monumental, es paßt stilistisch nicht so recht, und gerade wegen seiner Monumentalität, wegen des Klotzens mit barocker Pracht, wegen der enormen Plastizität der Fassade, die noch durch die Verwendung von bläulichem und honiggelbem Sandstein im Wechsel unterstrichen wird. Der Baumeister Cornelius Verhouve kam auch nicht aus Westflandern, sondern aus Antwerpen, und der opulente barocke Stil ("Rubensbarock") ist untypisch für Brügge. Das Gebäude ist zweistöckig; im unteren Geschoß erfolgt die Fassadengliederung durch Halbsäulen mit ionischen Kapitellen, im Obergeschoß mit korinthischen. Nur am Portal gibt es freistehende Säulen. Die Portalachse, die dritte Fensterachse von rechts, ist mit einer üppigen Gestaltung aus Girlanden, Skulpturen, Karyatiden und Voluten geschmückt. Hier ist auch im Obergeschoß ein kleiner Balkon.

Über dem Fenster des Obergeschosses ist ein gesprengter Segmentbogengiebel mit einem Wappen in der Mitte, darüber ein Dreiecksgiebel, der die vasengeschmückte Balustrade am Dachansatz unterbricht, und darüber noch ein skulpturengeschmückter Segmentbogengiebel. Die Titanin und Uranostochter Themis, die Göttin der Gerechtigkeit, erinnert daran, daß hier auch der Gerichtssitz der Pröpste war. Die anderen Skulpturen stellen die Barmherzigkeit und die Wahrheit dar. Das Wappen zeigt auf goldenem Feld einen golden gekrönten Löwen, um den Hals an goldenem Band ein ebensolches Kreuzchen tragend (ohne Literaturnachweis, Hinweise willkommen). Der Löwe und die Farben begegnen uns wieder beim Wappen Flanderns, Krone und Kreuzchen erinnern an das Brügger Stadtwappen.

Die Wappenkartusche wird eingerahmt von anatomisch interessanten Karyatiden aus fließend ineinander übergehenden Körpern, oben Frau, in der Mitte ein groteskes Gesicht, unten verschlungene Fischleiber. Oben bleckt über der Schildkartusche eine groteske Maske. Ein identisches Wappen ist auch weiter links am Gebäude über der dritten Fensterachse von links am Dachansatz zu sehen, allerdings ist diese Achse nicht so prächtig mit Statuen geschmückt wie das Pendant am "freistehenden" Ende des Gebäudes.

Literatur, Quellen und Links:
Detlev Arens, DuMont Kunst Reiseführer Flandern, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2009, ISBN-10: 3770130057, ISBN-13: 978-3770130054
Georges-Henri Dumont, Vincent Merckx, Discovering Bruges, Brugge, Bruges, Brügge, Vincent Merckx Editions, Brüssel 2003; ISBN 90-74847-27-7
Architekturdenkmäler in Brügge: Livia Snauwaert, Gids voor architectuur in Brugge -
http://books.google.de/books?id=MiluvpH6yf0C Nr. 40

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