Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1628
Bisperode (Coppenbrügge, Kreis Hameln-Pyrmont)

Das Schloß von Bisperode (1)

Bisperode, heute eine Ortschaft im Flecken Coppenbrügge, besitzt mit dem Schloß und seinen Wirtschaftsgebäuden ein sehenswertes historisches Ensemble. Der großzügige ehemalige Adelssitz wirkt stilistisch und baulich wie aus einem Guß und ist sehr einheitlich gestaltet. Nach Westen und Osten hin wird der Bereich jeweils mit einer mit je einem Torbogen durchbrochenen Mauer begrenzt. Im Norden liegt innerhalb eines fast quadratischen Schloßteiches (Gräfte) die eigentliche Schloßinsel, zu der von Süden her der Hauptzufahrtsweg über eine vierbogige Steinbrücke verläuft. Der Schloßgraben ist reihum auf beiden Seiten ausgemauert. Das sich direkt aus den Wassergräben mit nur leicht geböschten, unten aus sichtbaren Quadern gemauerten Sockelmauern erhebende, darüber verputzte und weiß getünchte Barockschloß ist eine Dreiflügelanlage, deren Ehrenhof sich nach Süden zur Brücke hin öffnet und rechts und links derselben mit einem Steingeländer zum Graben hin abgeschlossen ist.

Die Bausubstanz stammt aus den Jahren 1694-1695. Vorangegangen waren die Wirren des Dreißigjährigen Krieges, deren Verlierer die Familie von Werder war, der der Edelhof davor gehörte. Sie waren im protestantischen Lager, und ihr Edelsitz wurde von kaiserlichen Truppen verwüstet. Nicht die erste Verwüstung, denn schon in der Hildesheimer Stiftsfehde war Bisperode angezündet worden. Nach dem Friedensschluß und dem Aussterben der von Werder kam der Besitz an die katholischen Wolff-Metternich, unter deren Ägide Bisperode zeitgemäß wieder aufgebaut wurde.

Der zentrale, neunachsige Mittelteil springt nach vorne und hinten jeweils vor und ist höher als die Seitenflügel, die nach Süden hin jeweils durch ein Geschoß mehr aufweisende, ringsum dreiachsige Eckrisalite mit leicht geschweiften Pyramidendächern abgeschlossen werden. Interessanterweise ist das ganze Schloß giebelfrei; auch der Mittelteil wird durch ein breites, steiles Walmdach abgeschlossen. Sämtliche Partien der hohen Dächer sind mit Sollinger Sandsteinplatten abgedeckt, die durch Verwitterung einen dunkelgraubraunen Ton angenommen haben. Bauschmuck wird sparsam eingesetzt; bis auf Eckquaderung, wenige Horizontalgesimse und die an den Ecken verkröpften Gewände der Fenster ist der Bau schlicht gehalten. Die Eckpavillons entsprechen hinsichtlich ihrer Gliederung und den Proportionen dem Mittelteil, so daß beide mit ihrem Rhythmus die niedrigeren Zwischentrakte überbrücken und das Schloß zu einer ästhetischen Einheit verbinden.

Der Bauherr dieses Schlosses war Hermann Werner von Wolff-Metternich zur Gracht (16.8.1625-21.5.1704). Baumeister des barocken Schlosses Bisperode war 1694 – 1703 der am 23.01.1705 in Werne verstorbene Ambrosius von Oelde, ein architektonisch bewanderter Kapuzinermönch. Es ist nicht das einzige Schloß, das aus der Zusammenarbeit zwischen den beiden hervorging. Neben Schloß Bisperode erbaute er für ihn 1696-1699 Schloß Wehrden im Kreis Höxter, welches der Fürstbischof im Gegensatz zu Bisperode selbst bewohnte, dazu die Kirche im selben Ort, ferner 1699-1701 Schloß Löwendorf, ebenfalls im Kreis Höxter. Und am Familiensitz Schloß Gracht bei Liblar war Ambrosius von Oelde 1683-1698 ebenfalls an der Vorburg und bei Umbauarbeiten tätig. Für die Region Westfalen und die norddeutschen Fürstbistümer Münster (Domkurie) und Paderborn (Kapuzinerkloster, Konventsgebäude, Kapuzinerkirche, Michaelskloster und Klosterkirche St. Michael, Domdechanei) war Ambrosius von Oelde Wegbereiter frühbarocker Architektur flämischer Prägung. Sein bedeutendstes Werk war übrigens das 1688-1698 für den Münsteraner Amtskollegen Friedrich Christian von Plettenberg erbaute Schloß Ahaus, das erste deutsche Dreiflügelkonzept für einen Schloßbau. Diese Dreiflügelidee wird auch im Schloß Bisperode aufgegriffen. Und auch im neuen Konventsgebäude der Abtei Corvey von 1699 ff. begegnen wir der Handschrift des Baumeisters.

Es gibt mehrere Wappendarstellungen, am Mittelteil des Schlosses selbst, an der Zugangsbrücke, an den beiden Torbögen sowie an einem Wirtschaftsgebäude. Weitere Wappendarstellungen gibt es an dem westlich der Wirtschaftsgebäude stehenden Kirchengebäude.

Wappen am Hauptgebäude:
Die wichtigste Wappendarstellung befindet sich am Hauptgebäude des Schlosses über dem zentralen, rundbogigen Eingangsportal, der über eine wohl unfertige Freitreppe zu erreichen ist. Das Wappen ist integriert in eine Ädikula ionischer Ordnung, die oben mit einem verkröpften Segmentbogengiebel abgeschlossen wird, dessen horizontales Gebälk in der Mitte unterbrochen ist. Üppig verschlungene Akanthusblätter bilden den ornamentalen Rahmen für die Schildkartusche. Das langgezogene, für eine Inschrift vorgesehene Feld unterhalb des Wappens ist leer.

Das ist ein Zeichen, daß der Bau im Grunde unvollendet geblieben ist, insbesondere im Innern. Selbst das Treppenhaus hinter diesem Prunkportal ist nicht zur Barockzeit ausgebaut worden, überhaupt blieb das Schloß in weiten Partien Rohbau. Auch wenn hier die Metternichschen Wappen präsent sind; der Bauherr aus dieser Familie hat das zu seinen Lebzeiten nur als Rohbau ausgeführte Schloß nie selbst bewohnt. Erst viel später, als das Schloß längst der Familie Voss gehörte, erfolgte 1901 ff. der Innenausbau und die Fertigstellung.

Das Wappen weist Hermann Werner von Wolff-Metternich zur Gracht (16.8.1625-21.5.1704) als Bauherrn aus, 1694-1704 Fürstbischof von Paderborn. Er war der Sohn des 1637 in den Reichsfreiherrenstand erhobenen Johann Adolf Wolff gen. Metternich Freiherr zur Gracht (26.6.1592-6.11.1669), Geheimer Rat des Herzogs von Jülich-Berg und des Kölner sowie des bayerischen Kurfürsten, kurkölnischer Kämmerer und Hofmarschall, und von Maria Katharina v. Hall (22.5.1599-27.2.1663). Apropos Erhebungen - eine einzige Linie der Familie wurde 1731 mit Franz-Joseph von Wolff-Metternich zur Gracht, Kaiserlicher Kämmerer und Reichshofrat, in den Reichsgrafenstand erhoben. Hermann Werner war der Enkel von Hieronymus Wolff gen. Metternich (1513-1592) und von Catharina v. Buschfeld. Seine Urgroßeltern väterlicherseits waren Hermann Wolff-Metternich Herr zur Gracht (12.2.1542-15.2.1603) und Maria v. Hochsteden. Hermann Werner war das siebte Kind von insgesamt sechzehn, und als nachgeborener Sohn wurde er für eine geistliche Laufbahn bestimmt, ein Schicksal, das er mit fünf seiner Brüder teilte. In den Hochstiften Paderborn und Hildesheim machte er über diverse Pfründen seinen Aufstieg: In Paderborn wurde er 1667 Domdechant, in Hildesheim wurde er Dompropst. Da er als siebtes Kind weitab in der Erbfolge abgeschlagen stand und nicht "in Reserve gehalten wurde", empfing er ordnungsgemäß alle Weihen, 1650 die niederen Weihen, 1677 die Diakonsweihe, 1678 die Priesterweihe. Am 15.9.1683 wurde er als Nachfolger von Ferdinand II. von Fürstenberg gewählt, und am 25.9.1684 wurde er Fürstbischof von Paderborn. Bei Schloß Bisperode handelt es sich aber nicht um einen Amtssitz, sondern um ein Familiengut, das mit dem Bistum Paderborn nichts zu tun hatte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg kam das vom kaiserlichen General Tilly zerstörte Rittergut Bisperode an die Wolff-Metternich zur Gracht, unter denen das Schloß zu seinen heutigen Ausmaßen ausgebaut wurde. In seiner langen Regierungszeit als Paderborner Landesherr werden seine zahlreichen Reformen positiv gewertet, negativ hingegen sein Talent, Familienmitglieder an Schlüsselpositionen zu lancieren, so wurden drei seiner Neffen Kämmerer (Wilhelm Hermann Ignatz), Geheimer Rat und Oberstallmeister (Hieronymus Leopold Edmund) sowie sein Nachfolger im Amt des Fürstbischofs (Franz Arnold Josef), reiner Nepotismus.

Der Schild ist wie folgt aufgebaut: Hauptschild: geteilt und zweimal gespalten, zu sechs Feldern, Feld 1 und 6: in Silber ein rotes Ankerkreuz (Grafschaft Pyrmont), Feld 2 und 5: in Silber (Rot) ein durchgehendes rotes (goldenes) Kreuz (Hochstift Paderborn, alte (neue) Farben), Feld 3 und 4: schräggeteilt von Gold und Rot (Dompropstei Hildesheim), Herzschild: geteilt, oben in Blau ein silberner, dreilätziger Turnierkragen, unten in Silber ein schreitender, natürlicher Wolf (Familienwappen Wolff-Metternich zur Gracht). Die Helmzier des Familienwappens wäre übrigens Kopf und Hals eines natürlichen Wolfes wachsend, die Helmdecken wären blau-silbern.

Über dem Wappenschild finden sich die Insignien des Kirchenfürsten, Fürstenhut, sowie Krummstab und Schwert hinter dem Schild schräggekreuzt als Insignien geistlicher und weltlicher Macht.

Wappen an der Brücke:
Das den Schloßhof nach Süden abschließende Steingeländer setzt sich auf der vierbogigen, am Gebälk des Geländers auf 1695 datierten Steinbrücke fort, wobei es nicht in einem Zuge den Graben überspannt, sondern über dem zweiten Brückenbogen noch nach außen ausholt, um auf beiden Seiten Platz für eine rechteckige Banknische zu schaffen.

Die Eckpunkte des Brückengeländers tragen obendrauf Kugeln, von denen die an den beiden Enden das metternichsche Wappen tragen, eingerahmt von jeweils einem gekrönten Akanthusschild. An den darunter befindlichen Vertikalstützen finden sich Verzierungen in Form von Festons und Masken. Der äußerste Meter dieser Brücke paßt so gar nicht zum Rest, tatsächlich war die ursprüngliche Brücke um genau dieses Stück kürzer, so daß eine kleine Lücke bis zum äußeren Grabenrand blieb, die mit mobilen Elementen geschlossen wurde. Die heutige Fassung in Stein mit einem weiteren Bogen ist neueren Datums. Dabei ist die beschriebene Steinbrücke freilich nicht der einzige Weg über den tiefen Graben, denn auf der gegenüberliegenden Seite führt noch ein schmaler, hölzerner Steg über den Graben.

Das Wappen ist ein reduziertes fürstbischöfliches Wappen, wobei der Hauptschild das durchgehende Kreuz des Hochstifts Paderborn zeigt, der Herzschild aber das Familienwappen Wolff-Metternich zur Gracht, geteilt, oben in Blau ein silberner, dreilätziger Turnierkragen, unten in Silber ein schreitender, natürlicher Wolf. Die Darstellungen auf den Kugeln sind stark verwittert, lassen aber noch die Komponenten des Wappens grob erkennen.

Literatur, Links und Quellen:
Informationstafeln am Anwesen
Bisperode:
http://www.bisperode.de/
Verein zur Förderung des Rittergutes Bisperode e.V.
http://www.bisperode.de/ritter/index.htm
Geschichte:
http://www.bisperode.de/ritter/geschichte/geschichte.htm, Schloßgebäude: http://www.bisperode.de/ritter/geschichte/schloss.htm, Brücke: http://www.bisperode.de/ritter/geschichte/bruecke.htm, Texte jeweils zusammengestellt von Anneliese von Arnswaldt
Hermann Werner von Wolff-Metternich zur Gracht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Werner_von_Wolff-Metternich_zur_Gracht
Familie Wolff-Metternich zur Gracht:
http://schloss-wehrden.de/historie.htm
Baumeister Ambrosius von Oelde:
http://grosse-drenkpohl.de/oelde-von-ambrosius
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, S. 440
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