Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1564
Lahnstein (Rhein-Lahn-Kreis)

Die Martinsburg in Lahnstein

Die Martinsburg (auch: das Martinsschloß) von Lahnstein liegt ein wenig abseits der Innenstadt von Oberlahnstein, von dieser durch die Bahntrasse getrennt, direkt am Rheinufer zwischen Rheinhafen und südlichem Industriegebiet. Das mittelalterliche Lahnstein bildete ein parallel zum Rhein ausgerichtetes mauerumgürtetes Rechteck mit dem Alten Rathaus im Zentrum und den vier Haupttoren jeweils ca. in der Mitte jeder Seite, jeweils mit Vortoren und Torzwinger und einem asymmetrisch angesetzten Turm am Vortor, und zwei zusätzlichen Toren einfacherer Bauart ohne Vortor zum Rhein hin. Insgesamt 16 Türme verschiedenster Bauart sicherten die Mauern ab, eine niedrige Außenmauer bildete einen zwingerartigen Zwischenraum und außenherum lief noch der breite Stadtmauergraben, eine Staffelung von Hindernissen. 1324 erhielt Lahnstein Stadtrechte, und das beinhaltete das Recht zur Eigenbefestigung. Den Bau der Mauern nahm man noch im selben Jahr in Angriff. Nur noch Teile dieser mittelalterlichen, insgesamt 1280 m langen Stadtmauer sind noch vorhanden, so der Hexenturm an der nordöstlichen Ecke, der Pulverturm an der Südostecke und das Kihrstor in der Mitte der Flußseite, der Salturm nahe der Kirchstraße und der Bürgerturm in der Hintermauergasse, an Mauerzügen bestehen noch ca. 350 m. In diesem ummauerten Rechteck bildete die Martinsburg einst das Bollwerk an der südlichen Ecke (Oberstromeck), neben dem ehemaligen Zolltor. Zur Stadt hin wurde die Burg einst ebenfalls von Gräben umgeben, diese sind heute verfüllt und nicht mehr erkennbar. Der Zugang erfolgte über eine Brücke von Nordosten her und traf auf das Spitzbogentor in der hier 2.5m starken Mantelmauer mit Wehrgang und polygonalem, zierlichem Gußerker (mit mehreren Wappendarstellungen). An der Nordwestecke der Stadt Oberlahnstein befand sich einst ebenfalls eine umfangreichere Befestigung, die sog. Neuerburg, sie existiert nicht mehr.

Die Martinsburg vereint hinter der Mantelmauer in ihren drei Flügeln um den rechteckigen Hof herum ganz unterschiedliche Bauteile, die in mehreren Ausbauphasen von der Gotik bis zum Frühklassizismus entstanden. Die Wurzeln der Burg reichen bis ins 13. Jh., das genaue Gründungsjahr ist unsicher. Markantester Augenfänger ist der 28 m hohe, gotische Donjon an der Südwestecke, der zugleich Eckbastion der Stadtmauer war. Er ist von sechseckigem Querschnitt und hat bewohnbare Geschosse. Die Wehrplattform des vom Ende des 14. /Anfang des 15. Jh. stammenden Baus kragt über einem Spitzbogenfries vor. Das gebrochene Dach ist freilich nicht authentisch, sondern wurde im Barock aufgesetzt. Auf der einen Seite ist an den Donjon ein Treppenturm angesetzt, auf der gegenüberliegenden Seite ein Abortschacht. Die Ostecke der Burg bildet ebenfalls ein starker, aber niedrigerer Rundturm, und an diesem läßt sich noch der Stadtmaueransatz erkennen. Diese beiden und der unter Erzbischof Gerlach zwischen 1346-1371 entstandene Wohnturm am Westeck, der älteste Teil, sind die am stärksten befestigten Teile der ehemaligen Burg. Von der Funktion her handelte es sich um eine kurmainzische Zollburg. Hier verlief die Grenze zwischen Kurtrier und Kurmainz, das nördlich jenseits der Lahn gelegene Niederlahnstein gehörte zu Trier, Oberlahnstein zu Mainz. Die Stadt war sozusagen der nördlichste Vorposten des Erzstiftes Mainz, eine territorialpolitische Exklave. Und sie war damit nicht nur strategisch und territorial wichtig, sondern auch wirtschaftlich, vor allem seit um die Wende vom 13./14. Jh. der Bopparder Zoll hierher verlegt wurde, weiterhin galt es den in der Nähe stattfindenden Silberbergbau zu schützen. Weil die Höhenburg Lahneck schlecht geeignet war, um die Zolleinnahme zu beaufsichtigen, wurde die Martinsburg als Sitz des Zollschreibers eingerichtet.

Der Nordwestflügel mit Burgküche, Burgkapelle und Wohnräumen wurde im 14. Jh. unter Erzbischof Konrad II. von Weinsberg (1390-1396), dessen Wappen am Gußerker zu sehen ist, und Erzbischof Johann von Nassau (1397-1419) errichtet, der Südostflügel unter Erzbischof Berthold von Henneberg (1484-1504) gegen Ende des 15. Jh. als Wohnbau mit gotischem Saal. Vom Typ her ist die Burg eine Niederungsburg vom Kastelltyp mit randständigen Wohnbauten und Hauptturm. Vor der Burgküche wurde beim weiteren Ausbau ein Treppenturm eingefügt. Ein weiterer, runder, niedriger Treppenturm befindet sich im Eck zwischen Mantelmauer und Südostflügel.

Insgesamt finden wir in der Burg drei Wappensteine des Mainzer Fürsterzbischofs Berthold von Henneberg (reg. 1484-1504). Das war derjenige, unter dem die Wohngebäude an der Nordwestseite und an der Südostseite des ummauerten Hofes entstanden, desgleichen die beiden Treppentürme. Der Wappenstein der linken Abbildung stammt von der Hofseite des Südostflügels, wobei das Wappen von zwei wilden Männern mit geschulterten Keulen gehalten wird. Der andere Stein befindet sich an dem Treppenturm zwischen Wohnturm und Nordwestflügel. Des Bischofs Wappen ist geviert: Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz. Feld 2 und 3: Grafen von Henneberg-Römhild. Diese Felder sind wiederum geviert: Feld 1 und 4: in Rot eine goldgekrönte silberne Säule (Colonna), Feld 2 und 3: gefürstete Grafschaft Henneberg, in Gold auf grünem Dreiberg eine schwarze Henne mit rotem Kamm und ebensolchem Kehllappen. Dazu wird nur ein einziger Helm geführt, der des Erzstifts, ein aufrecht stehendes, silbernes, sechsspeichiges Rad, ggf. auf einem roten Kissen wie in der linken Abb., aber auch direkt dem Helmdach aufsitzend wie in der rechten Abb., zu rot-silbernen Helmdecken.

Ein dritter Wappenstein des gleichen Fürstbischofs befindet sich an dem Treppenturm im Eck zwischen der Mantelmauer und dem gotischen Südosttrakt (Abb. links). Der Stein zeigt nur den Schild wie beschrieben und ist in Feld 2 beschädigt. Die rechte Abbildung zeigt einen Detailausschnitt des Steines am anderen Treppenturm zwischen Wohnturm und Nordosttrakt.

Der neueste Baukörper im Burgareal ist der rheinseitige, dreistöckige Mittelbau in barockem Stil von 1719-21, den Fürsterzbischof Franz Lothar von Schönborn anstelle der mittelalterlichen Mauern als Verbindungsbau zwischen mittelalterlichem, nach 1324 erbauten Wohnturm einerseits und Bergfried andererseits errichten ließ. Auch den angrenzenden, westlichen Teil des Südostflügels ließ er erneuern. Die Innengestaltung dieses Flügels wie auch des anschließenden Südostflügels geht auf Fürsterzbischof Friedrich Josef von Erthal zurück; sie erfolgte 1789-90 im Stil des Frühklassizismus.

An diesem neuen Trakt gibt es zwei Wappensteine mit gleichen Inhalten, die obere Abb. zeigt den rheinseitigen Wappenstein auf der Außenseite, mittig zwischen erstem und zweitem Obergeschoß. Die nachfolgende Abbildung zeigt das Pendant auf der Hofseite. Lothar Franz von Schönborn (reg. 1695-1729), seit 1701 Reichsgraf, war in zwei Bistümern Bischof: Bamberg ab 1693 und Mainz ab 1695. Wir finden also aus seiner Mainzer Zeit nur kombinierte Wappen Bamberg und Mainz. Der Hauptschild ist geteilt und zweimal gespalten, Feld 1 und 6: in Gold ein schwarzer Löwe, darüber eine silberne Schrägrechtsleiste, Hochstift Bamberg, Feld 2 und 5: in Rot ein silbernes sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 3: in Rot drei (2:1) silberne Schildchen, reichsständische Herrschaft Reichelsberg, Feld 4: in Blau ein silberner Balken, begleitet von 3 (2:1) silbernen Rauten, Herrschaft Heppenheim, Herzschild: in Rot auf drei silbernen Spitzen ein schreitender, gekrönter goldener Löwe (als Variante findet sich auch eine blaue Krone), Stammwappen der Grafen von Schönborn. Über dem Schild findet man stets den Kurhut, ferner Schwert sowie Krummstab hinter dem Schild schräggekreuzt.

Die Martinsburg wurde übrigens nie zerstört und ist weitgehend originale Bausubstanz, eine der wenigen Rheinburgen, von denen das gesagt werden kann. Ihre besondere Bedeutung ergibt sich durch die Nachvollziehbarkeit der schrittweisen, sukzessiven Umwandlung einer Zollburg in eine fürstbischöfliche Nebenresidenz anhand der aus den verschiedensten Bauphasen stammenden und immer weiter veränderten Gebäudeteile.

Heute wird die Martinsburg (oder Martinsschloß) nach Restaurierungsmaßnahmen in den Jahren 1976-81 ganz unterschiedlich genutzt: Ein Teil der in Privatbesitz befindlichen Burg beherbergt das Fastnachtsmuseum der CCO - Carneval Comité Oberlahnstein, ein anderer Teil wird von Wohnungen und Praxen eingenommen.

Abb. Maskenstein von der Innenseite der Mantelmauer, mittig auf Wehrganghöhe angebracht

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbes. Band Bistümer
Hinweistafel am Gebäude
Stadtbefestigung Lahnstein:
http://www.lahnstein.de/tourismus/sw_stadtbefestigung.html
Martinsschloß:
http://www.lahnstein.net/seiten-Index/lahnstein/sehenswertes/martin/martin.html
Ferdinand Luthmer, Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden, Band V.; Frankfurt a. M. 1914.
Martinsburg:
http://www.rhein.com/index.php?id=71&doc=554&ov=00
Martinsburg:
http://www.burgenlexikon.eu/15.html......58
Martinsburg:
http://www.burgen-und-schloesser.net/rheinland-pfalz/schloss-martinsburg/geschichte.html
Martinsburg:
http://info.burgdirekt.de/cgi-bin/r20msvcshop_detai....23
Martinsburg:
http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=73
Grundriß der Martinsburg:
http://www.ms-visucom.de/r30/vc_content/bilder/firma451/msvc_intern/21_23_20050420154434.jpg
Alexander Thon, Weltkulturerbe Mittelrheinthal, Superior, Kaiserslautern 2003, S. 34, ISBN 3-936216-14-2.

Die Wappen der Erzbischöfe und Kurfürsten von Mainz - Teil (1) - Teil (2) - Teil (3) - Teil (4)
Die Wappen der Fürstbischöfe von Bamberg - Teil (1) - Teil (2) - Teil (3) - Teil (4)
Die Entwicklung des Wappens der von Schönborn

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