Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1524
Marburg an der Lahn (Hessen)

Schloß Marburg, Süd-Tor

Das Marburger Schloß dominiert den Berg über der Stadt und weithin sichtbar das Tal der Lahn, denn es liegt ca. 100 Meter über der Talsohle. Es war die erste Residenz und die Keimzelle der Landgrafen von Hessen. Auch wenn spätere Zeiten die alte, wehrhafte, landgräfliche Burg zu einem wohnlichen Schloß geformt haben, und auch wenn spätere Landgrafen anderen Regierungssitzen wie Kassel den Vorzug gegeben haben, wurzelt die Landgrafschaft Hessen hier in diesem Bau, der noch Bauteile aus spätsalischer Zeit hat und mit dem nördlich des Innenhofes anschließenden Saalbau und der südöstlich des Innenhofes anschließenden Schloßkapelle bedeutende architektonische Leistungen des gotischen Burgenbaus zeigt. Das Marburger Schloß weist eine bauliche Entwicklung auf, die bis in das 12. Jh. zurückreicht. Wer genau die erste Burg anlegte, die Gisonen, die Grafen Werner oder erst die Ludowinger, ist nicht belegt. Die Landgrafen von Thüringen sind jedenfalls die ersten, die gesichert als Eigentümer von Marburg Baumaßnahmen durchführten. Mit Ludwig IV und seinem Bruder Heinrich Raspe erlöschen die Ludowinger 1247 im Mannesstamme. Im Erbstreit zwischen der Erbin Sophia, Frau des Herzogs Heinrich II von Brabant, dem Erzstift Mainz und dem Markgraf von Meißen kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen schließlich Sophia Hessen gewinnt, der Markgraf von Meißen aber Thüringen. Ihr Sohn Heinrich wird neuer Landgraf von Hessen, Hessen geht als eigenständige Landgrafschaft aus dem Streit hervor. Der Landgraf wird 1292 in den Reichsfürstenstand erhoben. Landgraf Heinrich I von Hessen, der Stammvater des gesamten Hauses Hessen, nimmt nie den Namen oder das Wappen seines Vaters (Herzog von Brabant) an, sondern führt Namen und Wappen der Landgrafen weiter. Dieser neue Anspruch als Reichsfürst leitet eine erste große Ausbauphase der Marburger Burg ein, und im Zuge dieses Ausbaus entstanden 1288 die Schloßkapelle und nach 1292 der Saalbau. Heinrichs Sohn Otto verlegte die Residenz nach Kassel. Zu einer zweiten Ausbauphase kam es im 15. Jh., als eine eigene Linie zu Marburg residierte und den Wilhelmsbau errichtete; die dazu notwendigen Mittel stammten aus der reichen Katzenelnbogener Erbschaft 1479. Nachdem diese Linie kinderlos endete, war Regierungsschwerpunkt wiederum Kassel. Unter Philipp dem Großmütigen (1518–1567) wurde Marburg wieder wichtiger, er führte 1526 hier die Reformation ein und gründete die erste protestantische Universität, und unter ihm wurde das Schloß Schauplatz der Marburger Religionsgespräche zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli 1529. Aber erst mit der Reichsteilung unter seinen vier Söhnen wurde Marburg wiederum Residenz einer eigenen Linie und entsprechend im Stil der Renaissance ausgebaut.

Der stadtseitige Zugang zum Schloßberg führt an der Neuen Kanzlei vorbei auf steilem, kopfsteingepflastertem Weg und erreicht schließlich von Osten kommend, während rechterhand schon die Stützmauern der dem Hochschloß südlich vorgelagerten Mauern aufragen, ein aus dem Mittelalter stammendes, kielbogiges Tor, das gänzlich eingebunden ist in spätere, aus dem 16. bis 18. Jh. stammende Mauerzüge. Es handelt sich um den ältesten Zugang zum Schloß. Linkerhand ist noch ein Rundturm als Stumpf erhalten. Die ursprüngliche Form muß das Auge rekonstruieren, symmetrisch rechts ein gleicher Turm, der jetzt von einer Bastion verdrängt ist, dazu natürlich wesentlich höher mit einem Obergeschoß mit Wehröffnungen. Die Türme stammen vermutlich aus dem 13. Jh., das Torhaus aus dem 15. Jh. Die Durchfahrt besteht aus zwei voneinander abgesetzten Abschnitten. Kurz vor diesem Tor führt eine steile Treppenstiege nach Süden hinunter in die Altstadt. An der Außenseite dieses Tores ist über der segmentbogig gewölbten Durchfahrt, durch die man das Gelände der Vorburg erreicht, an der auf Konsolen vorkragenden Mauer des einstigen Obergeschosses ein spätgotischer Wappenstein zwischen zwei vermauerten Fenstern angebracht.

Er zeigt das reine Stammwappen der Landgrafen von Hessen, in Blau ein silbern-rot mehrfach geteilter aufrechter Löwe, golden gekrönt und golden bewehrt, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken zwei Büffelhörner, außen besteckt mit hier je 6 Lindenzweigen (auch als Kleestengel bezeichnet), die obersten in den Mündungen.

Position des beschriebenen Wappensteines

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Baugeschichte des Schlosses: G. U. Großmann, Renaissance-Schlösser in Hessen - Katalog des DFG-Projekts:
http://forschung.gnm.de/ressourcen/schloesser/XML/093_Marburg_Schloss.xml
Grundriß des Schlosses:
http://forschung.gnm.de/ressourcen/schloesser/Html/093_Marburg_Schloss_05.htm und des Kernbaus: http://forschung.gnm.de/ressourcen/schloesser/Html/093_Marburg_Schloss_04.htm
F. Küch, B. Niemeyer, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Bd. VIII, Kreis Marburg-Stadt, Kassel 1934, Tf. 123-216
Karl Justi, Das Marburger Schloß, Marburg 1942
G. Ulrich Großmann, Schloß Marburg, Burgen, Schlösser und Wehrbauten in Mitteleuropa Band 3, Hrsg.: Wartburg-Gesellschaft, Schnell & Steiner Verlag, Regensburg 1999, ISBN 3-7954-1218-8
Alexander Thon, Stefan Ulrich, Jens Friedhoff, Mit starken eisernen Ketten und Riegeln beschlossen ... -Burgen an der Lahn, Schnell & Steiner Verlag, Regensburg 2008, ISBN 978-3-7954-2000-0, S. 108-115.

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