Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1400
Nürnberg (Mittelfranken)

St. Sebald in Nürnberg, Glasfenster (14)
Volckamer-Fenster

Das 14 m hohe und 2,45 m breite Volckamer-Fenster ist ein relativ schlecht erhaltenes Glasfenster des südlichen Chorbereiches. Es liegt zwischen dem Behaim-Fenster und dem Imhoff-Fenster. Aufgrund eines Anbaues ist der Ansatz dieses Fensters etwas höher als bei den anderen Chorfenstern, denn die unterste Fensterzeile wurde zugemauert, als die südliche Sakristei angebaut wurde. Das Fenster stammt aus der zweiten großen Welle der Chorverglasung, und davon war es eines der ersten fertiggestellten Fenster. Es ist also auf das Ende des 15. Jh. zu datieren und ersetzte ein schadhaft gewordenes Fenster von ca. 1379. Die herstellende Werkstatt war die von Veit Hirsvogel, die auch für die anderen großen Neuverglasungen der Zeit verantwortlich war. Der bildnerisch gestaltete Bereich des Fensters reicht bis in die achte Zeile hinauf und hat fünf Reihen zu vier Scheiben und darüber noch eine Reihe mit zwei mittleren Scheiben, und darüber sind noch zwei Medaillons. Wir finden also 22 von ehemals 24 Rechteckfeldern und 2 von vermutlich ehemals 4 Rundscheiben.

Heraldische Inhalte finden sich hauptsächlich in der ersten, untersten Reihe, zwei große Vollwappen und dazu fünf Beischilde. In der zweiten Reihe darüber sind nur vier kleine Wappenschilde an der Seite der knienden Personen. Die beiden Reihen sind ganz unterschiedlichen Generationen der Familie gewidmet. So gilt die untere Reihe dem Gedächtnis der beiden Stammväter der beiden Hauptlinien des Geschlechts, Hartwig II. Volckamer und Heinrich II. Volckamer, gest. 1379 bzw. 1396. Dazu passend wird an die beiden Ehefrauen erinnert, Emerantia Nützel bzw. Anna Schürstab und Elisabeth Rasp. Die zweite Reihe ist jedoch den aktuellen, neuen Stiftern gewidmet, den beiden Vettern Peter III. Volckamer und Paul I. Volckamer, gest. 1439 bzw. 1505. Dazu passend tauchen auch deren Ehefrauen auf, Apollonia und Margarete Mendel.

Die Bilder zeigen die beiden zentralen Vollwappen der unteren Reihe. Das optisch rechte Wappen trägt die Datierung des Fensters: 1488. Beide stellen das Volckamer-Wappen dar, von Silber und Blau geteilt, oben ein oberhalbes rotes Rad mit drei Speichen, unten eine silberne Lilie. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein unterhalbes rotes Rad mit drei Speichen, oben mit einem schwarzen Hahnenfederbusch besteckt. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bay Seite: 121 Tafel: 149, sowie im Schöler Tafel 129. 1433 gab es lt. Siebmacher eine Wappenbesserung von Kaiser Sigmund, auf dem Stechhelm durfte eine goldene Helmkrone geführt werden. So wird das Wappen im Alten Siebmacher von 1605 abgebildet. Diese Darstellungen im Fenster von 1488 sind jedoch ohne eine solche.

Von diesem Wappen gibt es eine vermehrte Version, die am 31.09.1696 von Kaiser Leopold bewilligt wurde: Geviert, 1 und 4: Stammwappen: von Silber und Blau geteilt, oben ein halbes rotes Rad mit drei Speichen, unten eine silberne Lilie, 2 und 3: in Rot ein gekrönter silberner Löwe, im goldenen Herzschild ein schwarzer mit einem goldenen L (Leopold) belegter Reichsadler mit darüber schwebender goldenen Krone. Dazu wurden zwei gekrönte Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein unterhalbes rotes Rad mit drei Speichen, oben mit einem schwarzen Hahnenfederbusch besteckt, Helm 2 (links): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender, silberner, golden gekrönter Löwe zwischen zwei Pfauenstößen.

Die ursprünglich aus Neumarkt in der Oberpfalz stammenden Volckamer (auch Volkamer), die früher sogar Volckmayr hießen, waren ein ratsfähiges Geschlecht in Nürnberg, blühten dort in zwei Linien, der Lorenzer und der Sebalder Linie, wovon die Lorenzer Linie 1632 erlosch. Die Lorenzer Linie hatte lt. Siebmacher rot-silberne Helmdecken, die Sebalder Linie hatte blau-silberne Helmdecken. Wir sehen jedoch hier in St. Sebald auch rot-silberne Helmdecken. Die Sebalder Linie wurde später landsässig, denn 1709 kamen sie als Administratoren in den Genuß der Tetzelschen Familienstiftung in Kirchensittenbach (d. h. ihnen war die Nutzung erlaubt, nicht aber die Veräußerung), nachdem die ältere Linie der Tetzel auf Kirchensittenbach ausgestorben war und nach dem Tod der Witwe des letzten Tetzel 1640 die Schlüsselfelder bis 1709 die Verwaltung übernommen hatten. In dieser Funktion als Administratoren wechselten sie sich mit den Pfinzing ab, nach deren Aussterben mit den Behaim. Der Name wurde zu Volckamer von Kirchensittenbach erweitert. Sie kamen später auch an Schloß Kugelhammer und Röthenbach, als sie in den Genuß der Familienstiftung der Schlüsselfelder kamen, worin sie sich mit den Kreß abwechselten, die als erste Administratoren 1713 nach dem Tod der Witwe des letzten Schlüsselfelders, welcher 1709 verstarb, eingesetzt worden waren.

Die beiden Einheiten links und rechts dieser Mittelzone der unteren Reihe erinnern an die Stifter des Erstfensters im 14. Jh., Hartwig II. und Heinrich II. Volckamer, 1379 und 1396 gestorben, identifizierbar durch die Wappen der Ehefrauen, links sind es die Schilde Volckamer (von Silber und Blau geteilt, oben ein oberhalbes rotes Rad mit drei Speichen, unten eine silberne Lilie) und Nützel (in Rot eine silberne Lilientriangel, ein gestürztes Dreieck, an den Ecken mit halben Lilien besteckt) für Anna Nützel, die 1359 Hartwigs Frau wurde, rechts sind es die Schilde Volckamer, Rasp (schräggeteilt, oben ledig und silbern, unten blau-golden gerautet, ohne Literaturbeleg, Hinweise willkommen) und Schürstab (in Silber zwei schräggekreuzte, schwarze, oben golden brennende Äste, sog. Brände oder Schürstäbe) für Elisabeth Rasp, Heinrichs zweite Frau, und Anna Schürstab, Heinrichs erste Frau und Tochter des Ratsherrn Leopold IV. Schürstab.

Es wird damit gezeigt, daß man trotz Erneuerung eines schadhaft gewordenen Fensters das Angedenken der guten Tat der Vorfahren in hohen Ehren hält und daß man sich so in die Tradition nach Vorbild der Vorfahren einfügt, so wie man selbst die Bilder der damaligen Stifter in das neue Fenster einfügt. Die beiden Genannten waren die Stammväter der beiden Hauptlinien des Geschlechtes Volckamer: Hartwig, Ratsherr und mehrfach jüngerer bzw. älterer Bürgermeister, stiftete die Sebalder Hauptlinie, sein Bruder Heinrich, ebenfalls Ratsherr und mehrfach jüngerer bzw. älterer Bürgermeister, die Lorenzer Hauptlinie.

Die zweite Reihe zeigt die Wappen Mendel (zweimal schräggeteilt von Gold, Rot und Schwarz, hier gewendet), Volckamer, Volckamer, Mendel (von links nach rechts), für Apollonia und Magdalena Mendel und Peter und Paul Volckamer. Das sind diejenigen, die die Stiftung 1488 tätigten, beide entstammen der Sebalder Hauptlinie. Paul I. (1448-1505), seit 1468 im Rat, 1476 alter Bürgermeister, 1479 einer der Septemvirn, 1489 Oberster Hauptmann, 1489 Kirchenpfleger von St. Sebald, 1491 Zweiter Losunger, 1501-1504 Vorderster Losunger und Reichsschultheiß, hatte 1464 Margarete Mendel (-1492) in erster Ehe geheiratet, später sollte er sich noch einmal 1493 mit Apollonia Haller in zweiter Ehe vermählen, diese Frau ist noch nicht im zuvor gestifteten Fenster berücksichtigt. Die erste Ehe war kinderlos, erst die zweite Ehefrau sollte ihm zwei Söhne und drei Töchter schenken.

Peter III. (1431-1493), Ratsherr und zweimal jüngerer Bürgermeister, hatte Apollonia Mendel geheiratet. Neben Peter sind seine Söhne Nikolaus und Sebald dargestellt, genauso wie auf dem ebenfalls von ihm gestifteten, berühmteren Fenster in St. Lorenz. Da die Söhne ber nicht überlebten, wurde Paul der Stammvater aller nachfolgenden Volckamer.

Beide Ehefrauen tragen eine gestärkte, weiße, kunstvoll gefaltete Haube, den sog. Sturz, auf dem Kopf und einen pelzverbrämten Überwurf. In den Händen halten sie einen Rosenkranz mit roten Perlen und goldenem Geschmeide. Peter III. trägt eine damaszierte, pelzgefütterte Schaube mit silbernen Knöpfen und mit großem Pelzkragen. In der Hand hält er einen Rosenkranz mit blauen Perlen und mit einem abhängenden goldenen Herz. Paul I. ist ganz ähnlich gestaltet.

Einzelne Scheiben aus der dritten und vierten Reihe von unten. Die linken drei Scheiben stammen aus der vierten Reihe und stellen die Anbetung der Heiligen drei Könige dar, das vierte Bild ist aus der dritten Reihe und entstammt der Beschneidungsszene. Die meisten Scheiben des Fensters wirken unstimmig durch Trübungen und krassem Hell-Dunkel-Wechsel und sind vor allem durch den Austausch fast aller Köpfe im 19. Jh. beeinträchtigt.

Ganz oben (ohne Abb.) befinden sich die Medaillons, eines mit dem Wappen Volckamer, von einem gelben Strahlenkranz gerahmt, und das andere einen gevierten Schild mit dem Allianzwappen Spörlin und Schürstab. Ersteres steht für den Ratsherrn Berthold Volckamer (1397-1451), den Vater des Fensterstifters Peter III. Er wurde 1433 jüngerer Bürgermeister, 1442 älterer Bürgermeister, 1447 Septemvir und 1449 zweiter von fünf Kriegsherren mit der obersten Kommandogewalt im Ersten Markgrafenkrieg. Das zweite Wappenmedaillon steht für die beiden Ehefrauen Bertholds, Elisabeth Spörlin, welche er 1423 heiratete, und Barbara Schürstab, die er 1429 heiratete, nachdem seine erste Frau 1428 verstorben war.

Literatur, Links und Quellen:
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus St. Sebald mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Dr. Axel Töllner und Herrn Pfarrer Gerhard Schorr vom 12.7.2010, wofür ihnen an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Hartmut Scholz, St. Sebald in Nürnberg, Meisterwerke der Glasmalerei, Band 3, Verlag Schnell Steiner GmbH Regensburg 2007, ISBN 978-3-7954-1846-5
Nürnberger Patriziat im Historischen Lexikon Bayerns: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45240
St. Sebald:
http://www.sebalduskirche.de/
3D-Panorama St. Sebald:
http://www.sebalduskirche.de/fileadmin/Bildmaterial/Atuelles/Sebalduskirche_02c.mov
Virtueller Rundgang St. Sebald:
http://www.sebalduskirche.de/index.php?id=16
Otto Hupp: Münchener Kalender 1930. Buch u. Kunstdruckerei AG, München, Regensburg 1930.
Hartmut Scholz: Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Bd. X, 2, die mittelalterlichen Glasmalereien in Nürnberg, St. Sebalder Stadtseite, Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2013, 712 S., ISBN 978-3-87157-236-4, S. 253 ff,
http://www.corpusvitrearum.de/projekt/publikationen/cvma-x-2.html, pdf: http://www.corpusvitrearum.de/fileadmin/user_upload/PDF/CVMA_X_2_Nuerrnberg_Sebalder_Stadtseite.pdf

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