Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 954
Oppenheim am Rhein

Oppenheim, Katharinenkirche (7)
Epitaph Wolf von Dalberg und Agnes von Sickingen

Das nächste große Epitaph von 3,02 m Höhe und 1,82 m Breite erinnert an Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (1473 - 25.1.1522), Burgmann in Oppenheim, und an seine Frau Agnes v. Sickingen (- 25./26.6.1517). Sie war seine erste Frau, danach ging Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg noch 1518 eine Verbindung mit Walpurga Lorichia v. Cronberg ein, die ebenso kinderlos blieb. Eltern und Bruder des Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg sind ebenfalls mit Grabdenkmälern in der Katharinenkirche vertreten. Beide Figuren stehen auf einem polygonal vortretenden und abgetreppten Sockel und sind mit einem rundbogig geschlossenen schmalen Rahmen mit bandartig vorkragenden Halbkreisbögen eingefaßt. Beide Figuren blicken den Betrachter frontal an, er in voller Rüstung, aber mit abgelegtem Helm, vollbärtig, in der vor den Körper gehaltenen Rechten einen Rosenkranz haltend, die Linke am Schwert, sie mit zum Gebet zusammengelegten Händen. Rundbögen und Renaissance-Motive werden hier in ein klassisches, in der Gotik entwickeltes Aufbauschema integriert. Das Epitaphium stammt vermutlich aus der Werkstatt des Leonhard Syfer und ist ein charakteristisches Beispiel für Gestaltungen an der Schwelle zwischen Gotik und Renaissance. In die Zukunft, in die Renaissance weisen antikisierende Ornamente, repräsentative, idealisierende Darstellung der Figuren und die Klarheit des Aufbaus. Noch der Gotik verhaftet ist der doppelnischenartige Aufbau, die Verteilung der Wappenschilde, der Engel als Schildhalter etc. Das Epitaphium zeigt einen interessanten Material-Mix: Für den baldachinartigen oberen Abschluß wurde grauer Sandstein verwendet, für die Figuren grauer Tuffstein, während die Pilaster mit rechteckigem Querschnitt und profilierten Basen und Kämpfern aus rotem Sandstein gefertigt sind. Der Sockel besteht wiederum aus grauem Sandstein.

Die Inschrift: ANN(O) 1522 (A)VF MIT(T)WOC(H) NACH S(ANKT) PAVL(V)S BEKE(H)RVNG STARB DER E(H)RNVEST WOLFEN KEM(M)ERER VO(N) WORMS GENAN(N)T VO(N) DALB(E)RGHER WOL(F)EN RITTERS SEL(I)GEN S(OH)N DEM GOT(T) GENA(D)T. ANN(O) 1517 (A)VF FR(E)ITAG NACH S(ANKT) IO(HANNI)S GEBVRT(S)DAG STARB DIE (EH)RSAM FRAW ANGNES GEBOR(E)N(E) VO(N) SICKINGEN GEDACHTS WOLFEN E(HE)LICHE HAVSFRAW GEWEST DER GOT(T)GENED(I)G SIE. Die Inschrift springt von den Pilastern und Bögen in der Mitte auf die Rückplatte.

Zur Genealogie:

Eltern des Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg:

Großeltern des Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg:

Eltern der Agnes v. Sickingen:

Großeltern der Agnes v. Sickingen:

Insgesamt finden wir 12 Wappenschilde am Epitaph, über jeder Figur ein Allianzwappen der jeweiligen Eltern mit einander zugeneigten Schilden, dazu vier an den Sockeln und vier über den Bögen, jeweils paarweise einander zugeneigt. Eine klassische Ahnenprobe umfaßt 2, 4, 8, 16 oder 32 Wappenschilde, bei der Anzahl 12 liegt eine gewisse Auswahl zugrunde. Interessant ist die Anbringung einiger Wappen über den Bögen, was zeigt, daß das Epitaphium zwar Renaissance-Motive verwendet, aber dennoch älteren Traditionen verhaftet ist und die Wappenanbringung gotischen Konzepten und einer älteren Denkmaltradition folgt, obwohl dort meist wegen anderer Bögen ungleich mehr Platz war.

Abb.: Wappen der Eltern von Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg

Das Wappen der Kämmerer von Worms, genannt von Dalberg zeigt unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien (Kämmerer von Worms). Helmzier: Ein wie der Schild bez. Flug. Helmdecken blau-golden. Hier ist das Wappen Wolff(gang) Kämmerer v. Worms gen. v. Dalberg (4.9.1426 - 20.9.1476) zuzuordnen, dem Vater des Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (1473 - 25.1.1522). Als einziger Wappenschild ist er mit einem Helm versehen, vermutlich weil es der wichtigste Wappenschild des gesamten Epitaphes ist. Nachweise: Siebmacher Band: Bad Seite: 47 Tafel: 28, Band: Bay Seite: 30 Tafel: 27, Band: Bö Seite: 56 Tafel: 40, Band: FstC Seite: 78 Tafel: 118-119, Band: He Seite: 7 Tafel: 6, Band: Mä Seite: 22 Tafel: 15, Band: NÖ1 Seite: 62 Tafel: 32, Band: Pr Seite: 39 Tafel: 47, Band: Na Seite: 5 Tafel: 6, Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek Cod.icon. 312 c), Folio 354, Zobel Tafel 70, Held S. 105.
Helmzier eine goldene Greifenklaue mit silbern-blauer Befiederung. Helmdecken blau-silbern. Das vermehrte Wappen Greiffenclau-Vollrads ist geviert: Feld 1 und 4: Greiffenclau-Vollrads, silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad (Lilienhaspel, Stammwappen). Feld 2 und 3: Ippelbrunn, in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken. Helmzier eine goldene Greifenklaue mit silbern-blauer Befiederung. Das Kleinod von Ippelbrunn taucht nicht auf. Helmdecken gespalten, rechts blau-silbern, links schwarz-silbern. Hier ist das Wappen Gertrud Greiffenclau v. Vollrads (-10.8.1502) zuzuordnen, der Mutter des Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (1473 - 25.1.1522). Nachweise: Gruber, Siebmacher Band: Bay Seite: 37 Tafel: 34, Band: NaA Seite: 23 Tafel: 35, Wolfert Tafel 24 Seite 126, 84, 135, Zobel Tafel 119, Held S. 81.

Abb.: Wappen der Eltern von Agnes v. Sickingen (- 26.6.1517).

Man beachte die Verwendung eines Engels als Schildhalter. Auch diese Motivwahl zeigt, daß das Grabmal zwar stilistisch Renaissance-Formen verwendet, aber dennoch älteren Denkmaltraditionen verpflichtet ist, so wählte man einen Engel mit schräggestelltem Kopf und nicht einen Putto mit Kindchenschema und Stummelflügeln.

Wappen Sickingen: In Schwarz 5 (2:1:2) silberne Kugeln (die Swicker-Linie hatte noch einen roten Bord.) Helmzier wäre ein silberner (Gruber) oder goldener (Scheiblersches Wappenbuch) Schwanenrumpf, rückwärts mit hahnenfedergezierten roten Kugeln (auch als rote Äpfel mit drei schwarzen Blättern interpretiert) besteckt. Helmdecken rot-silbern (Gruber) oder schwarz-silbern (Wappenbuch der Stadtbibliothek in Zürich) bzw. schwarz-golden oder schwarz-silbern (Rahrbach) oder schwarz-golden (Scheiblersches Wappenbuch). Eine der bedeutsamsten südwestdeutschen Ritterfamilien, der Stammsitz ist Sickingen im Kraichgau. Wichtige Familiensitze waren Landstuhl und Ebernburg. 1632 Reichsfreiherren, eine Linie 1773 Reichsgrafen, ausgestorben 1835. Der Letzte der von Sickingen starb 1932 in Wien, womit die ganze Familie erlosch. Hier ist das Wappen Swicker (Schweickard) v. Sickingen (1443 - 1505) zuzuordnen, dem Vater der Agnes v. Sickingen (- 26.6.1517), kurpfälzischer Rat, Amtmann zu Ebernburg, 1480 Amtmann zu Kreuznach, zu Bacharach, pfälzischer Groß-Hofmeister in Heidelberg, Vater des berühmten Franz von Sickingen. Er besaß Keffenach und Birlenbach/Elsass und Büren, saß zu Ebernburg und zu Sien. 1482 Kauf der Ebernburg. Nachweise: Siebmacher Band: NÖ2 Seite: 138 Tafel: 57-58, Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek Cod.icon. 312 c), Folio 92, Zobel Tafel 313, Held S. 182, Gruber.
Wappen Puller von Hohenburg: Von Gold und Blau gespalten, hinten ein goldener Stern. Helmzier wäre ein Jagdhorn vor einem Pfauenstoß (Pfauenwedel). Hier ist das Wappen Margareta dictus Pullaere, v. Hohenburg (- 26.6.1517/1507, Tochter des Wyrich Puller von Hohenburg) zuzuordnen, der Mutter der Agnes v. Sickingen (- 26.6.1517). Margareta brachte ihrem Gemahl den Teilbesitz von Landstuhl und Hohenburg ein. Die Stammburg der Puller von Hohenburg liegt im Unterelsaß westlich von Weißenburg; an der Ruine ist heute noch ein gut erhaltenes Sickingen-Wappen zu erkennen. In der Manessischen Liederhandschrift taucht das Wappen unter "der Püller" ohne den Stern auf. Nachweise: Siebmacher Band: Els Seite: 11 Tafel: 13, Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek Cod.icon. 312 c), Folio 384, Zobel Tafel 147, Held S. 156.

In der Sockelzone finden wir vier weitere Wappenschilde, die sich Ahnen jenseits der Großeltern zuweisen lassen, je zwei für jede Figur.

Abb.: Wappen am Sockel der Figur von Wolfgang Kämmerer von Worms genannt von Dalberg

Hier ist das Stammwappen der Knebel von Katzenelnbogen (in der Inschrift Knebel von ..aczenelnbog) in gewendeter Form abgebildet: In Silber ein rotes Schildchen, im rechten Obereck von einem schwarzen Ring begleitet. Helmzier wäre ein rotes rechtes und ein silbernes linkes Eselsohr. Helmdecken wären rot-silbern. Nachweise: Siebmacher Band: NaA Seite: 18 Tafel: 25, Band: Bad Seite: 58 Tafel: 35, Band Pr Seite: 49 Tafel: 62, Wolfert Tafel 27 Seite 123, Zobel Tafel 63, Held S. 113.
Das Wappen der Herren von Meckenheim (die Inschrift erlaubt nur noch die Buchstaben M.....enh...m zu erkennen) ist von Schwarz und Silber geteilt mit einem Balken in verwechselten Farben. Helmzier wäre ein rot bekleideter Mannesrumpf, statt der Arme wie der Schild bez. Flügel. Helmdecken wären rot-silbern nach Siebmacher Bayern, schwarz-silbern nach Zobel. Auch mit alternativen Kleinod für Rudgar von Meckenheim. Es handelt sich um Uradel der Rheinpfalz, im Siebmacher Bayern beschrieben. Im 16. Jh. erloschen. Nachweise: Band: BayA1 Seite: 163 Tafel: 168, Zobel Tafel 220, Held S. 135.

Abb.: Wappen am Sockel der Figur von Agnes v. Sickingen (- 26.6.1517)

Das Wappen der Herren von Nackheim (durch Inschrift ausgewiesen) zeigt in Gold vier rote Leisten. Im Siebmacher Nassau wird das Wappen als von Gold und Rot achtmal geteilt geschrieben für Frank von Nackheim 1428. Hier jedoch ist deutlich die verminderte Breite der Leisten zu erkennen. Die Familie stammt aus Nackenheim bei Mainz. Alternative Schildbilder für verschiedene Familienmitglieder werden im Siebmacher beschrieben. Bei Zobel sind die schmalen Leisten wie hier am Original abgebildet. Nachweise: Siebmacher Band: NaA Seite: 32 Tafel: 53, Zobel Tafel 237, Held S. 144.
Die Hirten von Schöneck (so die Inschrift), oder Hurth/Hürt von Schöneck/Schoneck zeigen nach Gruber in Schwarz einen silbernen Adler, rot bewehrt, Helmzier eine rote, nach oben gerichtete Adlerklaue. Helmdecken schwarz-silbern. Gruber beschreibt das Wappen für Richard Hurth von Schöneck 1420. Eine Variante beschreibt er für Welter (Hurth) von Schöneck, Burgmann zu Schöneck, 1379, das Feld als Variante mit Schindeln bestreut. Dsgl. bei Zobel Tafel 304. Weiterer Nachweis: Held S. 175.

Abb. links: Wappen von Helmstatt, Abb. rechts: Wappen von Sien

Über den Bögen finden wir paarig angeordnete Wappen der Großeltern. Optisch ganz links ist das Wappen von Helmstatt, Anna v. Helmstatt (- 10.4.1466) zugehörig: In Silber ein schwarzer auffliegender Rabe (bisweilen gekrönt, hier nicht). Kleinod wäre ein schwarzes und ein silbernes Büffelhorn. Helmdecken wären schwarz-silbern. Der Schild gegenüber wäre Alheid v. Langenau zuzuordnen, es sind keine Inhalte mehr zu erkennen. Über der Frauenfigur befindet sich optisch links das Wappen von Sien für Schonette v. Sien (- 1.1.1483), fünfmal geteilt mit 8 (3:3:2) schräggestellten Objekten in den Plätzen 2, 4 und 6. Gruber beschreibt für Gerhard von Sien, Edelknecht 1393, das Wappen als schwarz-golden fünfmal geteilt, die goldenen Felder mit (3:2:1) Hermelinschwänzen belegt. Helmzier zwei wie der Schild bezeichnete Büffelhörner, Helmdecke schwarz-golden. Optisch ganz rechts schließlich finden wir den Schild für die Boos von Waldeck (Gertrud Boos v. Waldeck (vor 1434 - 3.4.1468)), deren Wappen in Rot drei schrägbalkenweise aneinandergestellte, rautenförmige, silberne Schnallen (Rincke) besitzt. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken befände sich ein schwarzer Flug, belegt mit einer Scheibe mit dem Schildbild. Da die anderen vier großelterlichen Wappen identisch sind mit den bereits über den Köpfen innerhalb der Bögen gezeigten, entfallen sie.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter".
Evangelische Kirchengemeinde, Katharinenkirche Oppenheim
http://www.katharinen-kirche.de
Dr. Dagmar Gilcher: Ein Denkmal und seine Pflege: Die Katharinenkirche in Oppenheim, aus: Die Rheinpfalz vom 08.09.07,
http://www.katharinen-kirche.de/pdf/katharinenkirche.pdf
Oppenheim am Rhein, Rheinische Kunststätten Heft 3-4 / 1972, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (Hrsg.).
Martin Held, Die Katharinenkirche in Oppenheim:
http://www.katharinen-kirche.de/pdf/diekatharinenkircheinoppenheimmitbildern.pdf
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Förderverein Katharinenkirche:
http://www.foerderverein-sankt-katharinen.de/
Oppenheimer Geschichtsverein:
http://www.oppenheimer-geschichtsverein.de/
Ursula B. Thiel, Figürliche Epitaphien des Adels und der Geistlichkeit - Wege in die frühe Neuzeit. In: Traditionen, Zäsuren, Umbrüche, Beiträge zur 11. Internationalen Fachtagung für Epigraphik 2007 in Greifswald, Hrsg. von Christine Magin, Ulrich Schindel, Christine Wulf, Reichert Verlag Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-89500-597-8
Martin Held: Oppenheimer Wappenbuch, Eigenverlag, Oppenheim 2011
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983

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Verwendung der Aufnahmen aus der Katharinenkirche zu Oppenheim mit freundlicher Erlaubnis von Frau Pfarrerin Manuela Rimbach-Sator vom 19.06.2008 (http://www.katharinen-kirche.de)

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