Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 871
Ellwangen - Fürstpröpste und Württemberg

Ellwangen: Stiftskirche St. Vitus

Die ersten Klostergebäude wurden in karolingischer Zeit errichtet. Eine zweite, hochromanische Abteikirche und Konventsanlage wurde 1100-1124 erbaut. Das fällt in die Zeit der Äbte Adelgar II. (1094–1102), Ebbo (1102–1113), Richard II. (1113–1118) und Helmerich von Oettingen (1118–1136). Nachdem diese zweite Kirche bei einem Brand zerstört wurde, erfolgte 1182-1233 der dritte Bau von Kirche und Konvent unter den Äbten Albrecht II. von Konigsberg (1173–1188), Kuno I. (1188–1218), Godebald I. (1219–1228) und Albrecht III. (1228–1240). Diesem Bau entspricht die heutige Stiftskirche St. Vitus im spätromanischen Stil. Am 3.10.1233 wurde sie geweiht. In der Zeit, als diese dritte Kirche hochgezogen wurde, ereigneten sich wichtige Dinge: Zum einen wurden die Äbte im Jahr 1215 Reichsfürsten, zum andern wird die Siedlung um das Kloster zur Stadt, 1229 wird Ellwangen erstmals als "civitas" bezeichnet. 1460 erfolgt die Umwandlung des Klosters in ein Chorherrenstift, dem nun statt eines Abtes im Reichsfürstenrang ein Fürstpropst vorsteht. Vor 1468 wird das Stiftsgebäude erneuert, der Kreuzgang ebenfalls. 1661-1662 wird die Stiftskirche unter Fürstpropst Johann Christoph III. von Freyberg-Eisenberg (1660–1674) instandgesetzt und zum ersten Mal im Innern barockisiert. 1724-1729 wird die Stiftskirche innen zum zweiten Mal im Stile des späten Barocks unter Fürstpropst Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1694–1732) umgestaltet. Und ein drittes Mal wird die Innenausstattung 1737-1741 unter Fürstpropst Franz Georg von Schönborn (1732–1756) verändert, diesmal von Donato Riccardo Retti, Emanuelo Pighini und Carlo Carlone im Stile des Rokoko. Die Herrlichkeit der Fürstpröpste fand mit der Säkularisierung 1802/1803 ein jähes Ende, und Ellwangen wurde Württemberger Besitz. Die Stiftskirche wird jeweils 1909-1910 und 1959-1964 umfassend restauriert.

Blick auf die kreuzförmig erbaute Basilika von Südosten, mit den beiden 42 m hohen romanischen Türmen im Osten und dem kleineren Turm im Westen. Hochchor, Türme, Hauptapsis und Nebenapsiden vermitteln noch einen guten Eindruck des ursprünglichen Konzeptes, das in dieser Ansicht am stilreinsten zu sehen ist. Im Giebel des südlichen Querschiffsarmes, der 1588 vom Nördlinger Baumeister und Bildhauer Wolfgang Waldberger d. Ä. (1546-1622) neu aufgemauert wurde, befinden sich interessante plastische Darstellungen. In der Mitte über dem Gesims befindet sich eine Darstellung des Jüngsten Gerichts. Rechts und links davon befinden sich zwei Statuen der Klostergründer Hariolf und Erlolf, zwei Brüder, die um 764 das Benediktinerkloster gründeten. Die Entwürfe gehen auf Friedrich Herlin d. J. zurück (ca. 1530-1591). Rechts und links des zentralen Reliefs befinden sich zwei Wappenschilde, die beide auf den zur Zeit der Neuaufmauerung des Südgiebels amtierenden Fürstpropst Wolfgang von Hausen (1584–1603) hinweisen. Das optisch linke Wappen ist geviert, Felder 1 und 4 zeigen das Ellwanger Stiftswappen, in Silber eine goldene oder rote und golden gerandete und verzierte Inful. Die Felder 2 und 3 zeigen das Familienwappen von Hausen: Auf einem grünen Dreiberg (kann auch fehlen) in Silber ein schwarzer Widder (Hörner können golden sein. Die zugehörige Helmzier wäre der Widder wachsend. Helmdecken wären schwarz-silbern. Auf dem optisch rechten Wappen ist der Widder alleine zu sehen als reines Familienwappen. Die von Hausen sind übrigens gleichen Stammes wie die schwäbische Familie von Ramsberg. Um 1160 spaltete sich das Geschlecht, als einer von zwei Brüdern den Namen von Hausen annahm und der andere den Namen von Ramsberg behielt. Der Stammsitz der Herren von Hausen liegt an der Donau.

Es gibt zwei verschiedene Familien von Hausen, diese hier und eine andere zu Weiboldshausen, die aber nach Siebmacher Bayern in Blau eine goldene Hindin führen, die zugehörige Helmzier wäre die goldene Hindin wachsend, Helmdecken wären blau-golden.

Wolfgang von Hausen wurde im Jahr 1553 geboren und starb am 3.9.1613. Er war von 1584 bis 1603 Fürstpropst von Ellwangen. In seine Amtszeit fielen die ersten Ellwanger Hexenprozesse, erstmalig 1588. Er und seine beiden Nachfolger sind hauptsächlich verantwortlich für die Verfolgungen größeren Ausmaß, die einen gewaltigen Schatten auf die Herrschaft der Fürstpöpste in Ellwangen werfen. Der Hexenwahl tobte zwar auch in den geistlichen Fürstentümern Bamberg, Eichstätt, Mainz und Würzburg, aber Ellwangen gilt als besonders unnachsichtig: 1588 unter Wolfgang von Hausen und 1611-1618 unter Johann Christoph I. von Westerstetten und Johann Christoph II. von Freyberg-Eisenberg wurden ca. 450 Personen hingerichtet, davon starben viele elend auf dem Scheiterhaufen, keiner wurde je freigesprochen, nur einer konnte fliehen. Ellwangen war zu der Zeit nicht groß, so daß das wahre Ausmaß der Hexenkatatrophe erst dadurch so richtig deutlich wird, wenn man sich vergegenwärtigt, daß mit etwa 350 Frauen etwa die Hälfte der Ellwanger weiblichen Bevölkerung hingerichtet wurde, und dazu ca. jeder sechste Mann. Nach seiner Amtszeit als Fürstpropst war Wolfgang von Hausen von 1600 bis 1613 Bischof von Regensburg.

Die Konsolen der beiden Statuen der Klostergründer Hariolf und Erlolf tragen das ihnen angedichtete Wappen, das heutige Stadtwappen von Ellwangen.

Die beiden Schilde zeigen in Blau ein durchgehendes rotes Andreaskreuz (Schragenkreuz), bewinkelt von vier goldenen Lilien. Eigentlich ist es das Wappen des französischem Bistums Langres. Als solches wurde es als Wappen der Klostergründer Hariolf und Erlolf am Stift Ellwangen abgebildet. Hariolf war Bischof der französischen Stadt an der Marne, entstammte aber einer hiesigen Familie. Das Wappen des Bistums als Wappen der Klostergründer anzunehmen, entbehrt historisch und heraldisch jeder Grundlage, denn im 8. Jh. (Klostergründung um 764) gab es definitiv weder Wappen noch Heraldik in unserem Sinne. Weiterhin ist ein Bistumswappen kein Familienwappen. Tatsächlich wurde das Wappen den Klostergründern in späterer, heraldischer Zeit angedichtet, weil es in der damaligen Zeit unvorstellbar war, daß eine so bedeutende Gestalt edler Abstammung kein Wappen führte. In einer Zeit, die in Wappenbüchern selbst Hannibal und Konstantin dem Großen Wappen erfindet, war es schlichtweg undenkbar, daß eine wichtige Person kein Wappen hat. Also wurde anhand der spärlichen Informationen, die man von der Lebensgeschichte kennt, das Wappen des Bistums Langres für die beiden nachträglich angenommen. Da spielt es auch keine Rolle, daß zu der Zeit, als Hariolf Bischof von Langres an der Marne war, Langres noch gar kein Wappen im heraldischen Sinne führte. Tatsächlich war Langres, seit dem 4. Jh. Bischofssitz, erst im Besitz eigener Grafen und kam erst 1197 an die Bischöfe, die deshalb den Titel eines Herzog von Langres führten und zu den Pairs von Frankreich gehörten. Von der Stadt Ellwangen wird das Wappen in dieser Form seit 1802/1802 geführt, als die Macht der Fürstpröpste durch die Säkularisation gebrochen war und die Inful nicht mehr identifikationsfähig war. Langres führt den Schild übrigens mit Lilien besät.

Abb.: Eine moderne Darstellung des Ellwanger Stadtwappens, an einem Schaukasten vor dem Adelmannsfelden-Palais photographiert.

Abb.: Romanischer Türklopfer an der Stiftskirche.

Im Innern der Stiftskirche befinden sich lohnenswerte heraldische Darstellungen, im Mittelschiff haben wir oben an den Gurtbögen ein riesiges Wappen des Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg als Mainzer Kurfürst, direkt vor der Vierung, ein weiteres Prunkwappen des Johann Christoph von Freyberg-Eisenberg, flankiert vom Langres-Wappen der Klostergründer und einem Wappenschild, der einen Märtürer in einem Kochkessel zeigt, befindet sich räumlich dahinter, und ganz hinten im Chor haben wir das Prunkwappen des Johann Rudolf von Rechberg. Weitere Wappendarstellungen sind an Grabdenkmälern sowie an den Schlußsteinen des Kreuzganges zu finden. Im nördlichen Querschiff ist eine bronzene Pietà mit den Wappen von Johann II. von Hürnheim (1452–1460) und Albrecht V. von Rechberg (1460–1502), das ist genau die Zeit der Umwandlung in ein Chorherrenstift. Beide Wappen sind geviert aus der Ellwanger Inful und der Familienkomponente.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Otto Beck: Die Stiftsbasilika St. Vitus in Ellwangen, Führer durch ein sehenswertes Gotteshaus, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg, 1. Auflage 2003, ISBN 3-89870-005-4
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Ellwanger Hexenwahn:
http://www.historicum.net/themen/hexenforschung/lexikon/alphabethisch/a-g/art/Ellwangen_Hex/html/artikel/1615/ca/7211567d70/

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