Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 599
Franken - romantische Herrensitze

Kleinbardorf

Klein-was? Kleinbardorf im Landkreis Rhön-Grabfeld wird den wenigsten Franken-Reisenden ein Begriff sein. Im Westen von Bad Königshofen und am nordwestlichen Rande des Naturparks Haßberge gelegen, ist es ein kleiner Ort, dessen Hauptsehenswürdigkeit, das noch bewohnte und gut instandgehaltene Wasserschloß, abseits der Besucherströme eine Aura von Privatheit und Authentizität besitzt wie nur wenige andere Schlösser Frankens. Wie aber anhand der Wappen zu sehen ist, hat dieses Wasserschloß durchaus seine Position im Netz reichsritterschaftlicher Besitzungen und Familienbande.

Das Wasserschloß liegt auf einer Insel mitten in einem künstlichen See. Die Insel ist eine mehr oder weniger quadratische Plattform, denn die einst wehrhaften Außenmauern sind auf Brüstungshöhe niedergelegt, und auch von den einst vier Türmen hat nur einer eine nennenswerte Höhe mit Fachwerkaufbau und Dach, ein anderer ist nur noch eine niedrige Rundbastei im Südwesten. Der Zugang führt über eine Steinbrücke im Osten, hier im Photo nicht sichtbar. Sie wird von vier Sandsteinpfeilern mit Kugelaufsätzen flankiert. Hervorgegangen ist das Schloß aus einer alten Zollstätte der mächtigen Grafen von Henneberg. 1368 erwarb das Hochstift Würzburg diese Zollstätte, 1378 dann erwarben sie Dietrich und Konrad von Bibra. Der Besitz der Familie von Bibra in Kleinbardorf wurde durch Zukauf stetig vergrößert. 1508 unterwarf sich Hans von Bibra der Lehenshoheit des Hochstiftes Würzburg. Genau aus diesem Rechtsverhältnis gab es 1602 Streit, als der kinderlose Heinrich von Bibra verstarb - aber damit nur diese eine Linie der von Bibra endete, denn das Geschlecht blühte in anderen Linien weiter fort, und diese hätten den Besitz schon gerne gehabt. Aber das Hochstift Würzburg sah das alles ganz anders und zog das Lehen ein. Vor dem Reichsgericht wurde bis zum Jahre 1681 deswegen prozessiert, es endete aber mit einem Sieg der Familie von Bibra, die den Besitz wieder zugesprochen bekamen. Genau dieser Heinrich von Bibra war es auch, der den heute noch erhaltenen Hauptbau im Stile der Renaissance 1589/90 hat erbauen lassen.

Zwei sehr schöne Renaissance-Portale mit Inschriften und Wappen zieren das rechteckige Hauptgebäude, eines am Hauptbau, eines am vorgelagerten viergeschossigen Treppenturm im Norden (oben im Bild), der über einen eigenen Eingang zugänglich ist. Das Schloß ist privat bewohnt und kann innen nicht besichtigt werden, netterweise gestatten die Besitzer das Betreten der Insel und die zurückhaltende Außenbesichtigung. Das Turmportal trägt die Inschrift: "GOT DER HER BEHVTE DIS HAVS / ALLE DIE DRIN GEHN EIN UND AVS / HEINRICH VON VND ZV BIBRA / KLEINBARDORF VND SCHWEBHEIM".

Über der Inschrift des auf 1590 datierten Portales befindet sich das Allianzwappen Bibra / Erthal, beide als Vollwappen dargestellt. Interessant der Stil der Helmdecken - flächig ausgebreitet, ohne eingeschlagen zu sein. Zu beiden Seiten wird das Allianzwappen von einer vierschildrigen Ahnenprobe eingerahmt, links vier für die vier Großeltern des Ehemannes, Heinrich v. Bibra (Namenszuordnung nach Biedermanns Geschlechtsregister Steigerwald „BIBRA“ TAB. XI und XII):

Besagter Heinrich von Bibra (1527-1602) aus der Antonschen Linie besaß Güter in Schwebheim, Kleinbardorf, Wallpach, Ober- und Untereuerheim, Euerbach und Berkach. Heinrich von Bibra war Erbuntermarschall von Würzburg. Er verstarb ohne Leibeserben. Eine inhaltsgleiche Ahnenprobe für den gleichen Heinrich von Bibra ist am Schloß Adelsdorf als Spolie zu finden. In der Pfarrkirche St. Georg zu Trennfeld gibt es ein Epitaph für den Bruder, Endres von Bibra, mit identischer Ahnenprobe.

Die Literatur ist nicht frei von offenen Fragen: Die gegebene Großelternkombination ist zutreffend, doch laut Biedermann müßten Heinrich v. Bibras Eltern mit dieser Großelternkombination Wolff von Bibra und Dorothea von Heßberg gewesen sein, was stimmig wäre. Biedermann gibt als Heinrichs Eltern jedoch die Kombination Bibra und Rotenhan an, vermutlich ein Irrtum, jedenfalls nicht in Einklang mit dieser hier vorliegenden Ahnenprobe.

Und rechts sehen wir vier Schilde für die vier Großeltern der Ehefrau, Veronika von Erthal, geb. 1564 (Namenszuordnung ebenfalls nach Biedermanns Geschlechtsregister Steigerwald „BIBRA“ TAB. XI und XII):

Hier das Steinmetzzeichen des Portales in typischer Renaissance-Manier mit keilförmig verbreiterten Enden und gebogenen Elementen, hier zu einem symmetrischen Zeichen mit Inversionszentrum zusammengefügt:

Die Familie von Erthal
Die Familie von Erthal ist ein äußerst altes fränkisches Adelsgeschlecht mit Stammsitz in einem Nebental der Fränkischen Saale, am Ufer des Baches Er. Die Stammreihe beginnt mit Heinrich von Erthal 1170. 1553 erfolgt Spaltung der Familie in eine fränkische Linie und eine Linie in Fulda. Die fränkische Linie teilt sich weiter auf in die Elfershausener und in die Leuzendorfer Linie. Der Name begegnet uns in Franken häufiger, z. B. in der Geschichte der Würzburger und Bamberger Fürstbischöfe (Franz Ludwig von Erthal (16.09.1730-14.02.1795), Fürstbischof von Würzburg und Bamberg). Bekannt ist ebenso der Würzburger Domherr und Geheimrat Freiherr Karl Friedrich Wilhelm von Erthal (01.07.1717-17.09.1780). Ferner ist die Familie wichtig in Mainz. Auch Fulda hat einen Fürstabt aus der Familie Erthal: Heinrich von Erthal 1249-1261. Mit Lothar Franz Michael von Erthal, kurmainzischer Geheimrat und erster Staatsminister, Ritter des Johanniter-Ordens, Hofgerichtspräsident, starb die Familie 1805 aus. Die fuldische Linie war schon früher, nämlich 1640, erloschen.

Die Familie von Bibra
Die fränkischen Bibra standen früher in den Diensten der Henneberger, eventuell waren sie auch Ministerialen der Klöster Hersfeld und Fulda. In Würzburg bekleideten die von Bibra traditionell das Amt des Erb-Untermarschalls, erst im Wechsel mit den von der Kere (Kehr, Keer), später nach deren Erlöschen ab 1654 alleine. Eine zweite Ehrenstellung erlangte die Familie von Bibra ab 1721: Sie hatten dann auch das Amt der Erbtruchsesse im Hochstift Bamberg inne, ein Amt, das früher die Truchseß von Pommersfelden bekleideten, nach deren Aussterben gingen Besitz und Wappen der Truchsessen von Pommersfelden an die Schönborns, das Amt aber an die von Bibra. Vertreter der Familie sind eng mit dem Hochstift Würzburg verbunden und leisteten diesem wichtige Dienste. In kirchlicher oder ritterlich-kirchlicher Hinsicht ist die Familie von Bibra eines der bedeutendsten fränkischen Geschlechter: Zwei Bischöfe von Würzburg (Lorenz und Konrad), ein Fürstbischof von Fulda (Heinrich von Bibra), in Hersfeld Äbte und Pröpste, dsgl. in Veßra und Rohr, sechs Ritter des Deutschen Ordens, zwischen 1394 und 1790 achtzehn Mitglieder des Domkapitels zu Würzburg, in Bamberg vierzehn Domherren - der Name Bibra steht in Franken für beispiellosen Einsatz für kirchliches Geschehen in Franken. Heute existieren von der Familie Bibra aus dem Valentinischen Stamm die Linie Adelsdorf (Euerheim) und Gleicherwiesen, aus dem Bernhardischen Stamm die Linien Brennhausen, von und zu Bibra und Irmelshausen.

Am Hauptportal findet sich die Inschrift: "ZVVOR EIN ALTES HAVS HIE STVND / DAS LIES ABBRECHEN AVF DEN GRVND / ALS EIN TAVSENT FVNFHVNDERT JAHR / NEVN VND ACHTZIG DIE JAHRZAL WAHR / HEINRICH VON BIBRA DER EHRNVEST / LIES DIESEN BAV AVFS ALLERBEST / VON NEVEM WIEDER AVFFVHRN GAR / VND VERBRACHT SOLCHS IM ANDERN JAHR / SEIN NAMEN VND GESCHLECHT ZV EHRN / GOT WOL DREIN GLVCK VND HEIL BESCHERN"

Obwohl es sich um das Hauptportal handelt, finden wir einen geringeren heraldischen Schmuck als am Turmportal, kein Allianzwappen, nur vier einfache Schilde, für jeden Ehepartner die ihrer beiden Elternteile (Namenszuordnung siehe oben). Im Detail handelt es sich optisch links für den Ehemann um:

Und rechts zwei für die Ehefrau:

Ein wesentlich späteres Wappen der Freiherren von Guttenberg (in Blau eine goldene Rose doppelter Blattlage mit goldenem Butzen, hier ausnahmsweise vierzählig dargestellt, sonst immer fünfzählig) befindet sich auf der östlichen Schmalseite des Hauptbaus. Die Inschrift lautet "LOTHARIVS FRANCISCVS LIBER BARO DE GVTTEMBERG D(OMI)N(V)S IN KIRCHLAVTER EST HVIVS CASTRI RESTAVRATOR ET LOCI POSSESSOR VIVAT IO VIVAT", "Lothar Franz Freiherr von Guttenberg, Herr zu Kirchlauter, der hiesigen Burg Wiederhersteller und des Ortes Eigentümer, er lebe, ja, er lebe". Sie birgt ein Chronogramm, die groß herausgestellten lateinischen Zahlzeichen ergeben addiert L + I + V + + C + I + C + V + L + I + D + V + D + I + I + C + L + V + V + I + V + C + I + V + L + C + I + V + I + V + I + V + I + V = 1766. Damit es paßt, wurde das Wort "Dominus" entsprechend abgekürzt. In besagtem Jahr wurde der Besitz von der Familie Guttenberg restauriert und umgebaut. Hintergrund ist, daß die von Bibra im Jahre 1687 das Schloß erst an den holländischen Generalleutnant Waibnom verkauften, von dem es 1691 die Freiherren von Guttenberg erwarben. Zwei Jahrhunderte blieb es Wohnsitz derer von Guttenberg. 1896 kam es zu einem Verkauf der zugehörigen Ländereien an sieben Bauern aus dem Dorf. Das Schloß ist heute nach wie vor privater Wohnsitz.

Literatur:
Siebmachers Wappenbücher
Anton Rahrbach (u.a.),: Schlösser und Burgen in Unterfranken. Nürnberg 2002. ISBN 3-87191-309-X.
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
Biedermanns Geschlechtsregister Steigerwald „BIBRA“ TAB. XI und XII
Frhr. Philipp v. Hutten ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise und Zuordnung der Personen
Wilhelm Frhr. von Bibra, Beiträge zur Familiengeschichte der Reichsfreiherrn von Bibra: 1. Teil
https://katalog.ulb.hhu.de/Record/002322036 - http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/urn/urn:nbn:de:hbz:061:1-13284 - 2. Teil: https://katalog.ulb.hhu.de/Record/002322037 - http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/urn/urn:nbn:de:hbz:061:1-13345 - 3. Teil: https://katalog.ulb.hhu.de/Record/002322038 - http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/urn/urn:nbn:de:hbz:061:1-13351

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