Bernhard Peter
Komplexe Regulation des Fett- und Kohlenhydrat-Stoffwechsels
(Bitte besprechen Sie im Zweifelfall Ihre Beschwerden und Maßnahmen mit einem Arzt Ihres Vertrauens!)

Das Grundproblem besteht darin, daß der Blutzucker möglichst gleichmäßig auf einem optimalen Level gehalten werden soll, denn Zucker (Glucose) ist dringend nötig als Lieferant der erforderlichen Energie, aber andererseits schadet ein Zuviel dem Körper, dieses Gleichmaß aber meist in krassem Widerspruch zu der Zufuhr an Glucose mit der Nahrung steht. Somit hat der Körper Mechanismen entwickelt, um ein Überangebot an Glucose im Blut möglichst schnell aufzuräumen, andererseits bei wenig Zucker im Blut Reserven zu mobilisieren, damit wieder genug Energie zur Verfügung steht. Wichtig ist vor allem das Wechselspiel zwischen Kohlenhydratstoffwechsel und Fettstoffwechsel. Beide sind eng miteinander verzahnt und beeinflussen sich gegenseitig.

Kurz nach dem Essen
Kurz nach einer Mahlzeit steigt der Blutzucker rapide an. Gleichzeitig wird die Freisetzung von Insulin aus den B-Zellen der Langerhans’schen Inseln der Bauchspeicheldrüse angeregt, um möglichst schnell dafür zu sorgen, daß Glucose erst einmal von allen möglichen Zellen (Muskel, Leber, Fettzellen) aufgenommen wird und dann in diesen Zellen möglichst schnell verbaut wird, sei es zu Speicherkohlenhydraten wie Glykogen, sei es auf umfangreichen anabolen (aufbauenden) Prozessen zu anderen wichtigen Stoffen. Gleichzeitig werden alle anderen Prozesse, die freie Glucose liefern würden, gehemmt. Insgesamt werden alle katabolen Prozesse wie Fettabbau, Eiweißabbau oder Freisetzung von Glucose aus dem Speicherkohlenhydrat Glykogen gehemmt.

In der Leber wird Glucose erst einmal in Form von Glykogen gespeichert, ein Reservoir für die Zeiten zwischen den Mahlzeiten. Glucose wird ferner verstoffwechselt zu Acetyl-CoA, welches der Fettsäuresynthese dient, die mit Glycerin zu Triglyceriden verestert werden, welche dann in Form der Lipoproteine vom Typ VLDL (Very low density lipoproteins) in den Blutkreislauf eingespeist werden, um woanders weiterverarbeitet zu werden. Der größte Anteil der im Überfluß zur Verfügung stehenden Glucose wird jedoch in Leber und Muskeln in die Glykogenspeicher überführt.

Die Fettsäuren können z. B. in die Fettzellen (Adipocyten) aufgenommen werden und dort der Bildung von Speicherfett dienen. Oder sie können im Herzmuskel der Energiegewinnung dienen. Der Herzmuskel ist ein „Allesfresser“, fast alles kann dort zur Energiegewinnung dienen. Und nach einer Mahlzeit stehen beispielsweise viele Fettsäuren als Energielieferant zur Verfügung, also werden sie durch b-Oxidation zu Acetateinheiten abgebaut, die werden anschließend in der Atmungskette verbrannt.

Das Gehirn ist im Vergleich viel wählerischer. Am liebsten mag es Glucose verstoffwechseln, und dann kommt erst einmal lange gar nichts. Und nur dann, wenn es wirklich gar keine Glucose mehr im Blut gibt, dann verbrennt es in der Not auch Ketonkörper, aber dazu besteht nach einer reichhaltigen Mahlzeit kein Anlaß, also wird im Gehirn Glucose in der Glycolyse zu Acetat abgebaut, welches dann in der Atmungskette verbrannt wird.

Die Zellen der Skelettmuskulatur greifen ins Volle, es ist ja genügend Glucose im Blut. Glucose wird in der Glycolyse abgebaut und letztendlich zur Energiegewinnung verbrannt. Überschüsse werden in Form von Glykogen gespeichert, genau wie in der Leber. Unter Belastung oder anaeroben Verhältnissen wird Glucose aber nicht zu Acetat abgebaut, sondern nur zu Lactat, das wiederum kann die Leber gebrauchen und weiterverarbeiten.

 

Zwischen den Mahlzeiten
Ein paar Stunden nach dem Essen, also zwischen den Mahlzeiten, ist die Lage etwas anders. Die Glucose im Blut ist weg, Insulin sei Dank. Die immense Menge, die die vorherige Mahlzeit geliefert hatte, ist erfolgreich in den Zellen verstaut und in Form von Glykogen gespeichert. Die Blutbahnen sind wieder auf Normallevel. Doch die Arbeit läuft weiter! Herzmuskel, Gehirn, ab und zu auch mal die Skelettmuskulatur brauchen Energie, und da sie sich aus dem Glucosevorrat im Blut bedienen, würde dieser bald zu stark absinken. Jetzt müssen Reserven mobilisiert werden, und das sind die Glykogenreserven in Leber und Skelettmuskeln. Das Speicherkohlenhydrat wird wieder in einzelne Glucosemoleküle aufgespalten, die Skelettmuskulatur hat ihren eigenen Vorrat, die Leber sorgt ihrerseits dafür, daß noch weitere Glucose ins Blut kommt. Damit das geht, muß der Insulinspiegel natürlich entsprechend absinken, damit die Wirkung des Insulins nachläßt und die Reserven mobilisiert werden können. Normalerweise geht das bei körpereigenem Insulin recht schnell.

Die Leber kann jetzt keine weiteren Fettsäuren in Form von VLDL auf die Reise in den Blutkreislauf schicken, aber dennoch hätte z. B. das Herz gerne sein Lieblingsessen – also werden die Fettspeicher in den Fettzellen aufgelöst: Fett (Triglyceride) werden wieder aufgespalten in Fettsäuren und Glycerin, diese Fettsäuren können dann andernorts verbrannt werden. Freie Fettsäuren haben zudem eine Signalwirkung: Sie stimulieren die Gluconeogenese, die Neubildung von Glucose in der Leber und sie hemmen die Glycolyse.

Nur die wählerischen Gehirnzellen bestehen weiterhin auf ihrer Glucose, soweit irgendwie noch möglich, und solange die Leber aus ihren Glykogenreserven Glucose ins Blut einspeist, kann man dem Gehirn seinen Wunsch erfüllen. Nur wenn nichts mehr nachkäme, müßte es auf Ketonkörper ausweichen. Aber so zwischen den Mahlzeiten ohne ausgeprägte Hungerphase gelangt der Löwenanteil der von der Leber aus Reserven freigesetzten Glucose ins Gehirn zur dortigen Verstoffwechslung.

Die Zellen der Skelettmuskulatur brauchen ihre eigenen Glykogenreserven auf, weiterhin können sie auf die Verbrennung von Fett zur Energiegewinnung zurückgreifen.

 

Situation beim Hungern
Wiederum anders sieht es aus, wenn längere Zeit keine Nahrung nachkommt und die Glykogenreserven in Muskulatur und Leber erschöpft sind. Die Glykogenreserven reichen nur für ein paar Stunden. Danach sichern die Reserven an Fett und auch an Eiweiß das Überleben. Die Skelettmuskulatur baut jetzt Fettsäuren zu Ketonkörpern ab, denn das gebildete AcetylCoA wird wegen der niedrigen Glucosekonzentration nicht in den Citratcyclus eingespeist und verbrannt, sondern zur Bildung von Aceton etc. verwendet. Außerdem wird Eiweiß abgebaut, denn einige bestimmte Aminosäuren, die sogenannten glukogenen Aminosäuren, liefern Grundbausteine, die von der Leber zur Neusynthese von Glucose verwendet werden können. In der Leber findet Gluconeogenese statt, die Neubildung von Glucose aus allem, was sich dazu verarbeiten läßt: Jene glucogenen Aminosäuren wie z. B. Glutamin oder Alanin, Lactat, Glycerin etc. Damit gibt es einen Kreislauf zwischen Muskel und Leber: Die Leber erhält vom Muskel Lactat und Alanin z.B. und liefert dafür Glucose. Den eigenen Energiebedarf deckt die Leber durch Abbau von Fettsäuren zu Ketonkörpern, genau wie die Muskulatur. In den ersten Hungertagen werden ca. 33% der Energie aus Ketonkörpern gewonnen, nach 8 Wochen Fasten schon 67%. Das schont Eiweißreserven.

Herz und Gehirn müssen mittlerweile auf ihre jeweilige Lieblingsnahrung verzichten und sich von Ketonkörpern ernähren, schmerzlich, aber das Leben muß ja schließlich weitergehen!

Die Fettzellen sorgen weiterhin durch Abbau von Fetten (Triglyceriden) dafür, daß ausreichend Nachschub an energieliefernden Fettsäuren besteht.

Bei ausreichender Wasserzufuhr kann so die Funktion des Organismus auch ohne Nahrungsaufnahme für längere Zeit (bis zu Monaten!) aufrechterhalten werden.

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