Bernhard Peter
Altstadt von Khiva: Yuqubboy Hoja Medrese

Yuqubboy Hoja Madrasa in Khiva (1873 AD)
Diese ganz kleine Madrasa befindet sich in einer der schönsten Straßen Khivas, direkt hinter der Xo Jash Mahran Madrasa. Die einstöckige Medrese hat nur wenige Räume, keine Iwane, keine keramischen Verzierungen, der Hof ist rechteckig, die Ecken sind innen nicht abgeschrägt – also insgesamt ein eher einfaches Baukonzept. Dennoch ist der Besuch sehr lohnend, denn die einstige Medrese dient heute als Modellmanufaktur für Seidenteppiche. In einer Ecke stehen die feuergeschwärzten Eisenbottiche, darin die Färberküpen, eines blauschwarz, da wird gerade Indigo verkocht, in anderen frische dickledrige grüne Blätter. Hier wird ausschließlich mit Pflanzenfarbstoffen gearbeitet. In der anderen Ecke des Hofes gegenüber hängen die Seidenstränge zum Trocknen auf einem Holzgestell, überraschend grob gesponnen, aber schließlich sollen daraus Teppiche werden und keine Kleider. In den einzelnen Räumen, den ehemaligen Studentenzellen, sind jeweils 3-5 Knüpfrahmen aufgestellt, die Motivkartons werden unter ein paar Kettfäden geklemmt. Nach dem Verfall der alten Kultur waren die traditionellen Muster und Motive weitgehend verloren gegangen, heute werden die Vorlagen nach historischen Originalen in Museen neu erstellt. Das ist typisch für die seit der Unabhängigkeit neu erblühende usbekische kulturelle Identität: Mit großem Eifer sucht man sich Material in Büchern, in Museen, in ausländischen Sammlungen über die eigene Kunst und Kultur als Vorlage, um daran wieder zu erlernen, was verlorengegangen war, und um dadurch wieder an die eigenen Traditionen anknüpfen zu können. Es ist nicht einfach, 70 Jahre Diskontinuität zu verkraften, aber die Usbeken sind mit Eifer dabei, ihre Kultur und ihr traditionelles Kunsthandwerk wiederzufinden und mit neuem Leben zu füllen. Und das gilt nicht nur für die Teppichknüpfer, das gilt genauso für die Kalligraphen und Miniaturenmaler und anderes traditionelles Kunsthandwerk. Zurück zu den knüpfenden Mädchen: Die nur grob gesponnenen Seidenstränge werden mittels eines speziellen Messers zu Knoten: Die Finger führen den Seidenstrang hinter den Kettfaden, der vordere Teil des Messers ist ein Stab mit Haken wie bei einer Häkelnadel, nur wesentlich größer, damit wird mit einer flinken Bewegung die Schlinge gezogen, schließlich wird mit dem klingenförmigen Teil des Messers der Strang kurz abgeschnitten. Nach Beendigung einer Reihe kommt der Schußfaden, dann wird mit einem großen und stabilen Kamm mehrfach nach unten festgeklopft, zuletzt mit einer scharfen Schere auf ca. 6-8 mm abgeschnitten. Die Farben – ausnahmslos Pflanzenfarben – zeigen einen schönen Abrasch und ein ausgeglichenes Spektrum, wie es nur mit Pflanzenfarben möglich ist. Der Besuch in dieser Maufaktur gibt einem das gute Gefühl, daß Usbekistans Traditionen wieder zum Leben erwacht sind und daß die Phase des Niedergangs in der Teppichindustrie, als synthetische Farben mit ihrer unausgewogenen Farbwirkung und der Verfall der Motive das Bild prägten, überwunden werden könnte.

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© Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
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