Bernhard Peter
Kalender und Zeitrechnung:
Der jüdische Kalender

Name der Zeitrechnung: Jüdischer Kalender, Hebräischer Kalender, Lu'ah
Kalender-
Geschichte:
Kontinuierlich. Die Entstehungsgeschichte reicht bis weit in die Zeit des Alten Testamentes zurück.

Mit der Babylonischen Kriegsgefangenschaft erhielten die Monate ihre Namen.

Erst 359 n. Chr. wurden die bisher als Geheimnis gehüteten Regeln zur Kalenderberechnung veröffentlicht. Anlaß war das Benutzungsverbot durch Kaiser Konstantin, der das Christentum als Staatsreligion einführte.

Seit dem 10 Jahrhundert n. Chr. hatte der jüdische Kalender schon seine heutige Form. Ein Wechsel erfolgte lediglich hinsichtlich des Datums, ab dem die Jahre gezählt wurden.

Zählung ab (Ereignis), Zählweise: Anfangs wurden die Jahre nach der Seleukiden-Ära gezählt, Beginn 312 v. Chr. Während des europäischen Mittelalters setzte sich langsam die Zählung ab Erschaffung der Welt durch.

Die jüdische Zeitrechnung beginnt seit dem Mittelalter am 7. Oktober des Jahres 3761 v. Chr. (Erschaffung der Welt, nach dem alten Testament berechnet) = 1. Tisri 1.

Ausgangspunkt jeder Kalenderberechnung ist der Neumond der Schöpfung, also der Moled Tischri des Jahres 1, auch "moled tohu" oder "moled b'harad". Er wird exakt festgesetzt auf Montag, 5 Uhr und 204 chalakim (s.u.), also Sonntag abend 23 Uhr, 11 Minuten und 20 Sekunden nach unserer Berechnung. Die Epoche des jüdischen Kalenders, also Montag der 1. Tischri des Jahres 1, entspricht dem 7. Oktober 3761 vor Chr. (7. 10. -3760) des julianischen Kalenders. Das julianische Datum dieses Tages (bezogen auf 12.00 Uhr Mittag) ist 347998.

Typ des Kalenders: Lunisolarer Kalender, gebundener Mondkalender. Nach dem Mond werden die Monate berechnet, nach der Sonne werden die Jahre berechnet.
Jahresbeginn am: September/Oktober (Rosch Haschana = Neujahr am 1. Tischri, Feiertage 1./2. Tischri)

Der exakte Jahrebeginn eines jeden Jahres wird ab der Schöpfung der Welt, deren Zeitpunkt man genau kennt (s.o.) berechnet. Eine Lunation (Monatsgrundlage) beträgt 29 Tage, 12 Stunde und 793 Chalakim (s.u.), das sind 29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten und 3 1/3 Sekunden. Der Jahresanfang eines jeden neuen Jahres, der Moled Tischri, wird durch Hochrechnen dieses Wertes bestimmt. Ein Gemeinjahr hat 12 Lunationen, also 50 Wochen, 4 Tage, 8 Stunden und 879 Chalakim, ein Schaltjahr hat 13 Lunationen, also 54 Wochen, 5 Tage, 21 Stunden und 595 Chalakim. So wird der Neumond, der den Jahresanfang definiert, rechnerisch festgelegt.

Wochenstruktur:

1 Woche mit 7 Tagen. Herausgehoben ist der Samstag (Sabbat) als Ruhetag.

Namen der Wochentage:

Nur der Ruhetag hat im jüdischen Kalender einen eigenen Namen; alle anderen Wochentage werden mit den ersten sieben Buchstaben des hebräischen Alphabets bezeichnet. Der Sabbat hat also noch einen zusätzlichen Namen. Die Woche beginnt mit dem Sonntag.

1. Wochentag = Aleph = Sonntag
2. Wochentag = Beth = Montag
3. Wochentag = Gimmel = Dienstag
4. Wochentag = Daleth = Mittwoch
5. Wochentag = He = Donnerstag
6. Wochentag = Waw = Freitag
7. Wochentag = Sajin = Samstag = Sabbat

Monate: Anzahl und Länge 12 Monate, in Schaltjahren auch 13 Monate, Länge 29-30 Tage, je nach Monat und je nachdem, ob es ein Schaltmonat ist oder nicht. Die Dauer einer Lunation, die auch die Länge des Kalendermonats bestimmt, wird exakt berechnet mit 29 Tagen, 12 Stunden und 793 Chalakim, das sind 29.53059414 Tage. Diese krumme Zahl verursacht ein höchst kompliziertes System an Monatslängen und Jahreslängen.
Monatsnamen: 1 = Nissan (März-April) - immer 30 Tage
2 = Ijjar, Iyyar(April-Mai) - immer 29 Tage
3 = Siwan (Mai-Juni) - immer 30 Tage
4 = Tammus, Tammuz (Juni-Juli) - immer 29 Tage
5 = Aw, Av (Juli-August) - immer 30 Tage
6 = Elul (August-September) - immer 29 Tage
7 = Tischri, Tisri (September-Oktober) - immer 30 Tage
8 = Marcheschwan, Marheswan, Heswan (Oktober-November) - 29 Tage, als Schaltmonat 30 Tage
9 = Kislew (November-Dezember) - 29 Tage, als Schaltmonat 30 Tage
10 = Tewet, Tevet (Dezember-Januar) - immer 29 Tage
11 = Schwat, Schewat, Sevat (Januar-Februar) - immer 30 Tage
12 = Adar (Februar-März) - immer 29 Tage
Ausgleich, Schaltjahre, -Tage, Monate Der jüdische Kalender kennt Schalttage und Schaltmonate, Gemeinjahre und Schaltjahre. In Gemeinen Jahren gibt es nur Schalttage, in Schaltjahren gibt es Schalttage und/oder Schaltmonate. Ein Gemeinjahr hat 12 Monate zu 29/30 Tagen, ein Schaltjahr hat 13 Monate zu 29/30 Tagen. Es gibt insgesamt 6 mögliche Jahreslängen.
  • Schalttage: Ein Tag wird an den Monat Marcheschwan und/oder an den Monat Kislew angehängt. Ein sog. Gemeinjahr hat keinen Schaltmonat, kann aber 0-2 Schalttage haben. Dadurch sind drei Jahreslängen für ein Gemeinjahr möglich:
    • Shanah Chasera: Mangelhaftes Jahr, Jahr mit 353 Tagen: Keine Schalttage
    • Shanah Kesidra: Reguläres Jahr, Jahr mit 354 Tagen: Ein Schalttag
    • Shanah Shelema: Überzähliges Jahr, Jahr mit 355 Tagen: Zwei Schalttage.
    Jahr Gemeinjahr
  Monat mangelhaft regulär überzählig
1 Tischri 30 30 30
2 Marcheschwan 29 29 30
3 Kislev 29 30 30
4 Tewet 29 29 29
5 Schevat 30 30 30
6 Adar 29 29 29
  - - - -
7 Nisan 30 30 30
8 Iyyar 29 29 29
9 Siwan 30 30 30
10 Tammuz 29 29 29
11 Av 30 30 30
12 Elul 29 29 29
  gesamt     353         354         355    
  • In einem Zyklus von 19 Jahren (metonische Zykluszahl, 19 Sonnenjahre entsprechen 235 Mondmonaten) wird die Differenz zwischen Mondjahr und Sonnenjahr durch Schaltmonate ausgeglichen. Ein Schaltmonat ist ein zusätzlicher Adar, ein Adar 1 oder Adar Rischon mit 30 Tagen, vor dem Adar 2 oder Adar Scheni oder Adar Seni mit 29 Tagen eingeschoben. Der reguläre Adar wird mit seinen 29 Tagen und allen enthaltenen Feiertagen und Daten zum Adar 2. Er wird in den Jahren 3, 6, 8, 11, 14, 17 und 19 innerhalb eines 19-Jahres-Zyklus geschaltet. Geschaltet wird immer dann, wenn die Differenz zwischen Sonnen- und Mondkalender am Jahresende mehr als einen Monat betragen würde, wobei von der Mitte des Zyklus ausgegangen wird. Im Detail sei auf die Fachliteratur verwiesen. Dadurch werden weitere Jahreslängen möglich.
    • Shanah Chasera: Mangelhaftes Schaltjahr, Jahr mit 383 Tagen: Keine Schalttage, aber ein Schaltmonat
    • Shanah Kesidra: Reguläres Schaltjahr, Jahr mit 384 Tagen: Ein Schalttag und ein Schaltmonat
    • Shanah Shelema: Überzähliges Schaltjahr, Jahr mit 385 Tagen: Zwei Schalttage und ein Schaltmonat.
 

  Jahr

Schaltjahr

 

Monat

mangelhaft

regulär

überzählig

1

Tischri

30

30

30

2

Marcheschwan

29

29

30

3

Kislev

29

30

30

4

Tewet

29

29

29

5

Schevat

30

30

30

6

Adar Rison

30

30

30

7

Adar Seni

29

29

29

8

Nisan

30

30

30

9

Iyyar

29

29

29

10

Siwan

30

30

30

11

Tammuz

29

29

29

12

Av

30

30

30

13

Elul

29

29

29

 

  Gesamt

    383    

    384    

    385    

Umrechnung in christliche Zeitrechnung AD = J - 3760 (Monate Januar - Sept./Okt.)
AD = J - 3761 (Monate Sept./Okt. - Dezember)

Bei Kalenderumrechnung ist immer der Tag dem christlichen Kalender gleichzusetzen, der mit dem jüdischen Tag zu 3/4 übereinstimmt - man denke daran, daß der jüdische Tag um 18.00 Uhr beginnt!

Besonderheiten, Bemerkungen: 1.) Zählung: Die Monate zählt man vom Frühjahr an (März-April), die Jahresrechnung beginnt mit dem siebten Monat (Tischri). Neujahr beginnt also nicht im ersten Monat des Zyklusses! Das religiöse Jahr beginnt also mit dem Nissan, obwohl der Jahreswechsel erst am 1. Tischri erfolgt. Die Monate werden beginnend mit dem Nissan, bis zum Adar gezählt. Adar (bzw. in Schaltjahren dann der Adar Seni) gilt als letzter Monat des religiösen Jahres.

2.) Der Tag ist definiert von abends bei Einbruch der Nacht (18 Uhr) plus 24 Stunden. 18.00 Uhr ist 0.00 Uhr jüdischer Zeit. Feiertage beginnen daher schon am Vorabend.

3.) Zeiteinteilung:
1 Tag (Jom) = 24 Stunden
1 Stunde (Sha'a) = 1080 Teile = 1 h
1 Teil (Chalakim) = 76 Augenblicke = 3,3333 Sekunden
1 Augenblick (Rega'im) = 0,0439 Sekunden = 5/114 Sekunden

4.) Augenschein und Berechnung: Anfangs wurde der Beginn eines neuen Tages durch den Augenschein bestimmt. Wenn die ersten Sterne in der Dämmerung sichtbar wurden, begann der neue Tag. Wenn erstmals nach Neumond die schmale neue Mondsichel am Abendhimmel sichtbar war, begann ein neuer Monat. Das Erscheinen des Neulichts wurde dem Sanhedrin (Synedrion) in Jerusalem gemeldet, das dann nach Überprüfung den neuen Monat bekanntgab; mit Signalfeuern wurde die Kunde im Land verbreitet. Davon ist man heute weit entfernt, der neue Tag beginnt um 18.00 Uhr, und der Beginn eines neuen Monats wird durch hochkomplizierte Berechnungen festgelegt, Monatserster ist der Tag des Neumonds, nicht mehr des Neulichts wie früher.

5.) Monatsnamen:

  • Vor 587 wurden die Monate mit Ordnungszahlen bezeichnet. Nur vier Monate trugen besondere Namen: Abib, Ziv, Bul und Ethanim.
  • Ab der Babylonischen Gefangenschaft (587 bis 538 v.Chr.) standen die babylonischen Monatsbezeichnungen Pate für die Namen der Monate des Jüdischen Kalenders.

6.) Nummer Sicher gehen: Der Brauch, Feste an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu feiern, entstammt der Unsicherheit, wann ein neuer Monat angefangen hatte. Die langsame Nachrichtenübermittlung in alten Zeiten trug das Ihrige zur Unsicherheit bei. Aber wenn man an zwei Tagen feierte, war bestimmt der richtige Tag dabei.

7.) Es gibt viele weitere Regeln, die die exakte Lage des Neujahrsfestes bestimmen. Z. B. liegt Neujahr (Rosch Haschana) nie auf einem Sonntag, Mittwoch oder Freitag. Wenn dem so wäre, wird das Fest um einen Tag verschoben. Diese vielen Regeln - im Detail für diese Übersicht viel zu komplex - führen dazu, daß die Ausnahmen den Regelfall überwiegen, so daß das Neujahrsfest in der Mehrzahl der Fälle 1 oder 2 Tage nach Neumond gefeiert wird. Diese vielen Regeln führen auch zu einigen augenfälligen Besonderheiten:

  • Mangelhaftes Gemeinjahr: Es kann nur an einem Montag oder Samstag beginnen.
  • Überzähliges Schaltjahr. Das folgende Jahr beginnt mit dem gleichen Wochentag.
  • Der erste Tag eines überzähligen Schaltjahres kann nie ein Dienstag sein.
  • Beginnt ein Schaltjahr an einem Dienstag, so wird das Folgejahr an einem Montag beginnen.
  • etc.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004, 2005
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Herrn B. Simoni ein herzliches Dankeschön für gute Anregungen.