Bernhard
Peter
Kalender
und Zeitrechnung:
Kalendersysteme der Türkei: Maliye, Hicri und Miladi
Name der Zeitrechnung: | Maliye-Kalender, MI, türkisches Finanzjahr, türkischer Finanzkalender |
Kalenderwechsel am: | Wie
in vielen islamischen Staaten war auch im Osmanischen
Reich der islamische Mondkalender in Gebrauch. Wegen des
"Durchrotierens" der Monate und damit auch des
Jahresanfanges ergaben sich praktische Schwierigkeiten,
insbesondere bei der Steuerfestsetzung und
Steuereintreibung, weil der Mondkalender keine Rücksicht
auf die Jahreszeiten und insbesondere die Erntezeiten
nahm. Deshalb wurde ein spezieller Steuer-Kalender
geschaffen, der sich am Sonnenjahr orientiert, so daß
der Steuertermin immer zur gleichen Jahrszeit zu liegen
kam. Der Maliye-Kalender war in seinem Wesen ein
Rückgriff auf den seleukidischen, julianischen bzw.
byzantinischen Kalender. Wegen der vielfältigen
Anforderungen an diesen Kalender und der schrittweisen
Orientierung der türkischen Politik hin zu Europa war
der Kalender im Laufe der Zeit vielfältigen Änderungen
unterworfen: Wichtige Anpassungen und Änderungen in den Kalenderreformen:
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Zählung ab (Ereignis), Zählweise: | Ab 1
AH = 16. Juli 622, Hidschra =
Auswanderung Muhammads aus seiner Heimatstadt Mekka
nach Medina, wo er das erste islamische
Staatswesen gründete. Wichtige Besonderheit: Diskontinuierliche Jahreszählung! Die Maliye-Jahre gehen nicht durch, es gibt Lücken (sog. Siwisch-Jahre)! Problem: Für die Jahreszählung nahm man das Jahr, das gerade im zeitversetzt parallel verlaufenden islamischen Mondjahr aktuell war. Nur - der Jahresanfang rotiert und wandert im Vergleich zum Maliye-Jahr rückwärts. Es gab also mehr Hidschri-Jahre als Maliye-Jahre. Jedes Sonnenjahr ist 11 Tage länger als ein Mondjahr. Lösung 1: Regel: Maßgeblich ist die Jahreszahl des islamischen Mondkalenders, die in der größeren zeitlichen Überlappung gilt. Wenn z. B. das Hidschri-Jahr im Oktober von 1234 auf 1235 springt, war im Maliye van 1. Januar bis 31. Dezember das Jahr 1234. Diese Regel galt bis 1087 MI (1676 AD). Lösung 2: Jedes Sonnenjahr ist länger als ein Mondjahr, also muß immer mal wieder ein Jahr ausfallen. Ca. alle 33 Jahre fiel deshalb ein Jahr in der Maliye-Zählung aus, weil man sonst den Anschluß an die Mondjahreszählung verliert. Diese "nicht existierenden" Jahre wurden "Siwisch-Jahre" genannt. Diese Regel galt bis 1288 MI (1872 AD). Das betraf die Jahre: 885 MI (1480 AD) -
Siwisch-Jahr Die Maliye-Zählung endet 1925. Auf den 31. Kanunuevvel 1341 MI folgte der 1. Kanunusani 1926 AD = 1926 MI. |
Typ des Kalenders: | Sonnenkalender,
der an den Mondkalender anknüpft. Die genaue
Methode wechselte im Laufe der Geschichte. 1. ) Vor 1840 AD: Maliye-Rechnung ist in der Tages- und Monatszählung identisch mit dem Stil, wie er auch von den Byzantinern benutzt wurde. 2.) 11. März 1256 MI (13. März 1840 AD) - 1917 AD Julianischer Kalenders für den Finanzverkehr, unter Beibehaltung der bisherigen Jahreszählung. 3.) Ab 1917 AD: gregorianische Tages- und Monatszählung. Auf den 15. Schubat 1332 MI (15. Februar 1917 AD) folgte der 1. Mart 1333 MI (1. März 1917 AD). |
Jahresbeginn am: | 1.)
Der Jahresbeginn lag ursprünglich nach byzantinischem
Vorbild im September. Das letzte Neujahr im
September fand 1087 MI (1676 AD) statt. 2.) 1087 MI (1676 AD) Vorverlegung des Jahresbeginns auf den 1. März. Das erste Neujahr am 1. Azer fand im Jahr 1677 AD (1088 MI) statt. Ziel der Maßnahme war die Vermeidung eines Siwisch-Jahres (s.u.). Das Jahr 1087 war also kurzes Jahr, es dauerte vom 1. September 1676 bis zum 28. Februar 1677. Das Maliye-Jahr begann ab da 240 Jahre lang am 1. März und endet mit den unterschiedlichen Schalttagen im Februar. 3.) Gesetz vom 8. Februar 1917 AD, Vorverlegung des Jahresbeginns auf den 1. Januar. Auf den 31. Kanunuevvel (Dezember) 1333 MI folgte der 1. Kanunusani (Januar) 1334 MI. Das Jahr 1333 war also ein Kurzjahr von März bis Dezember 1917 AD. |
Wochenstruktur: |
1 Woche mit 7 Tagen. Herausgehoben ist der Freitag als Versammlungstag und Tag des Gemeinschaftsgebetes. Der Freitag ist aber kein Ruhetag im Sinne von unserem Sonntag. |
Namen der Wochentage: |
Samstag = Cumartesi Sonntag = Pazar Montag = Pazartesi Dienstag = Sali Mittwoch = Çarsamba Donnerstag = Persembe Freitag = Cuma |
Monate: Anzahl und Länge | 12 Monate zu 28 (Subat), 30 und 31 Tagen. |
Monatsnamen: | Osmanisch
(Maliye, bis 1945): Januar = Kanun II, Kanunusani Februar = Subat März = Azer (später auch Mart) April = Nisan Mai = Mayis (früher auch Ijar) Juni = Haziran Juli = Temmuz August = Ab (später auch Agostos) September = Eylül Oktober = Tisrin I, Tisrinievvel November = Tisrin II, Tisrinisani Dezember = Kanun I, Kanunuevvel |
Ausgleich, Schaltjahre, -Tage, Monate | Schalttage
am Ende des Februars. Die Schalttage folgen vor
1917 dem julianischen System, nach 1917 dem
gregorianischen Stil. Eine Spezialität des Maliye-Kalenders sind die Siwisch-Jahre - keine zusätzlichen Jahre, sondern ausfallende Jahre, die weggelassen wurden, um mit dem schnelleren Mondkalender Schritt zu halten. Es handelt sich um den einzigen mir bekannten Fall, wo ein Sonnenkalender "negative" Schaltjahre hat, um sich der Jahreszählung nach dem Mondkalender anzupassen! Absolut einzigartig! |
Umrechnung in christliche Zeitrechnung | 1676
AD - 1840 AD: AD = MI *32/33 + 622 (circa!) unter
Auslassung bestimmter Jahre 1840 AD - 1925 AD: AD = 584 + MI (März-Dezember, Januar-Februar 1 mehr) Ab 1926: AD = MI |
Besonderheiten, Bemerkungen: | 1.)
Es gibt heute vier verschiedene
Kalenderstile in der Türkei: "Beynelmilel
Takvim", "Hicri", "Maliye" und
"Maliye 1917". Türkische Kalender und
Zeitungen geben meist drei davon an.
2.) Die oben genannten Monatsnamen waren bis 1945 AD in Gebrauch. Durch Gesetz Nr. 4696 vom 10. Januar 1945 AD wurden für die Monate Tischrin I, Tischrin II, Kanun I, und Kanun II "echttürkisch" Bezeichnungen eingeführt, so daß sich ab da folgende Bezeichnungen ergeben:
3.) Warum die vielen Kalenderreformen? Zwei Gründe mag es dafür geben:
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Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004, 2005
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