Bernhard Peter
Kalender und Zeitrechnung:
Der französische Revolutionskalender

Name der Zeitrechnung: Kalender der Französischen Revolution
Republikanischer Kalender
Kalenderwechsel am: Beschlossen am 5. Oktober 1793
Verwendung ab dem 24. November 1793
Ende: 10. Nivôse An XIV = 31. Dezember 1805 (Napoleon Bonaparte führt per Dekret wieder den Gregorianischen Kalender ein)
Zählung ab (Ereignis): Beginn: 1. Vendemiaire An I = 22. September 1792 (rückwirkend)

Am 22. September 1792 war nach Absetzung des Königs durch den Nationalkonvent die Ausrufung der Republik in Frankreich.

Typ des Kalenders: Sonnenkalender, das Jahr zu 365 bzw. 366 Tagen (Schaltjahr)
Jahresbeginn am: Immer im September, Neujahr ist die Herbst-Tag- und Nachtgleiche
- am 22. September in den Jahren I, II, III, V, VI, VII
- am 23. September in den Jahren IV, VIII, IX, X, XI, XIII, XIV
- am 24. September im Jahr XII
Die Jahreszahlen wurden in römischer Schreibweise angegeben.

Wochenstruktur

1 Woche ist eine Dekade und hat 10 Tage, 1 Feiertag alle 10 Tage, zusätzlich ein paar Feiertage am Jahresende.

Diese Wochenstruktur wurde bereits am 31. März 1802 wieder abgeschafft.

Namen der Wochentage:

Die Wochentage wurden von 1-10 durchnumeriert:
Primidi, Duodi, Tridi, Quartidi, Quintidi, Sextidi, Septidi, Octidi, Nonidi, Décadi (Ruhetag)
Monate: Anzahl und Länge 12 Monate pro Jahr, jeder Monat hat 30 Tage und genau 3 Wochen

Monatsnamen: Die Monate sind nach ihrem Klima bzw. ihrer Bedeutung in der Landwirtschaft benannt, bezogen auf die Île de France. Namenserfinder war der Dichter Fabre d'Églantine. Man dankte es ihm nicht, denn auch er endete unter der Guillotine.

3 Herbstmonate auf "aire":
1 = Vendémiaire = September/Oktober (Erntemonat, Weinlesemonat)
2 = Brumaire = Oktober/November (Nebelmonat)
3 = Frimaire = November/Dezember (Rauhreifmonat, Frostmonat)

3 Wintermonate auf "ôse":
4 = Nivôse = Dezember/Januar (Schneemonat)
5 = Pluviôse = Januar/Februar (Regenmonat)
6 = Ventôse = Februar/März (Windmonat)

3 Frühlingsmonate auf "al":
7 = Germinal = März/April (Keimmonat)
8 = Floréal = April/Mai (Blütemonat, Blumenmonat)
9 = Prairial = Mai/Juni (Wiesenmonat)

3 Sommermonate auf "idor":
10 = Messidor = Juni/Juli (Erntemonat)
11 = Thermidor = Juli/August (Hitzemonat, Wärmemonat)
12 = Fructidor = August/September (Früchtemonat)

Ausgleich, Schaltjahre, -Tage, Monate Am Jahresende 5 Ergänzungstage, um von 12*30 = 360 auf 365 Tage zu kommen. Diese Tage waren frei und wurden nach ihren Erfindern sansculottides genannt, heißen offiziell aber jours compliméntaires. Sie fügten sich nicht in die logische Struktur und wurden zum Fest.

- 17.9. Jour de la vertu = Tag der Tugend
- 18.9. Jour du génie = Tag des Geistes
- 19.9. Jour du travail, Jour du labour = Tag der Arbeit
- 20.9. Jour de l'opinion, Jour de la raison = Tag der Meinung, Tag der Vernunft
- 21.9. Jour des recompenses, Jour de la recompense = Tag der Belohnung

Schaltjahr: "An sextile". In Schaltjahren gab es noch einen sechsten Ergänzungstag im September. Eine feste Schaltregel war anfangs nicht definiert worden, das Jahr sollte mit der Herbst-Tag- und Nachtgleiche beginnen, für den Meridian von Paris durch astronomische Beobachtung bestimmt. Das betrifft das Jahr III, VII und XI der Republik. Vier aufeinanderfolgende Jahre (drei Normal- und ein Schaltjahr) wurden als Franciade bezeichnet.

- 22.9. Jour de la révolution = Tag der Revolution

Erst später machte man sich Gedanken, daß man ja eigentlich auch Daten in der Zukunft exakt bestimmen können müßte. Von Gilbert Romme stammt die Idee, daß jedes vierte Jahr ein Schaltjahr ist, jedoch jedes 100. Jahr keines, jedes 400. Jahr aber wieder eines, jedoch jedes 4000 wieder ein Normaljahr. Dabei ist nur die letzte Regel eine Abweichung von der Schaltjahrberechnung im Gregorianischen Kalender. Aber wie es so geht mit 1000jährigen Planungen, hierzu kam es nicht mehr.

Umrechnung in christliche Zeitrechnung Bsp.: Heute, da ich dies schreibe, 1.11.2004, wäre der Primidi, 11. Brumaire CCXIII. Heute wäre kein Feiertag, und der nächste Sonntag ließe noch 9 Tage auf sich warten...
Besonderheiten: Vor Einführung dieses Kalenders gab es Vorgänger:
- Ab 14.7.1789: Man rechnete schon seit dem 1. Jahrestag der Revolution in "Jahren der Freiheit", aber ansonsten nach dem gregorianischen Kalender. Später rechnete man auch in "Jahren der Gleichheit" statt nach christlichen Jahren.
- Ab 22.9.1792 zählte man in "Jahren der Republik", rechnete aber ansonsten weiter nach dem gregorianischen Kalender. Der 1.1.1793 war der Beginn des Jahres II der Rebublik.
- Am 5.10.1793 wurde das Jahr als solches beibehalten, das ganze Drumherum aber anders bestimmt, also de facto ein neuer Kalender geschaffen.

Dieser Kalender ist ein rein ideologisches Konstrukt, um sich im laizistischen Staat nach der französischen Revolution deutlich von dem christilich geprägten gregorianischen Kalender abzugrenzen. Unter dem Primat der "Vernunft" kam ein streng logisch durchkomponiertes Konstrukt zustande, getreu der aufklärerischen Lust am Logischen, am Gleichen, am Glatten und glatt Teilbaren. Dem Wunsch nach glatten Zahlen, guter Teilbarkeit und gleichen Abschnitten hatte man sich zu beugen, wenn es Sonne und Mond nicht taten, so doch wenigstens die Menschen. Praktikabel war der Kalender nicht, insbesondere die Tatsache, daß nur alle 10 Tage ein Sonntag kam, stieß auf wenig Gegenliebe beim Volk, auch die vielen Brückentage am Ende eines Jahres stören den Logiker.

Wie weit die Struktur eine ideologische war, zeigt sich auch in dem Vorhaben, den Tag in 10 Stunden zu 100 Minuten zu 100 Sekunden einzuteilen, was mangels Praktikabilität zum Scheitern verurteilt war und nie in die Tat umgesetzt wurde. Dazu paßt auch, daß die einzelnen Tage des Jahres Namen erhalten sollten, wobei je nach Platz in der Dekade Gruppen von Namen mit landwirtschaftlichem Gerät, Haustieren, Mineralien oder Pflanzen gebildet wurden. Auch dies war unpraktikabel und ideologisch verbohrt. Es ist nur vor dem Hintergrund zu verstehen, daß man als Ersatz für die katholischen Heiligen und Namenstage eine Art postrevolutionäre Agraridylle heraufbeschwören wollte. Diesen Namen ist eine eigene Seite gewidmet.

Daraus ergibt sich, daß der Kalender zwei Wurzeln hat:

  • die aufklärerische Wurzel: Freude an der Rationalisierung und Mathematisierung der Lebensumstände
    • Dezimalisierung der Zeitmaße
    • Egalisierung der Monate
    • Wegfall von Woche und Sonntag
  • die romantische Wurzel: Bedürfnis nach "naturnahen" Namen für Tage und Monate, die eine postrevolutionäre ländliche Idylle heraufbeschwören

Der Aufbau des Kalenders wurde vom Mathematiker Romme unter Mitwirkung der Astronomen Lalande, Delambre und Laplace geleitet.

Der Kalender kam nochmals später während der Pariser Kommune zur Anwendung.

Man beachte die Parallelität zum ägyptischen bzw. koptischen Kalender im Aufbau des Jahres.

Zum feststehenden Begriff sind geworden:
Thermidor = Entmachtung Maximilien de Robespierres, 9. Thermidor Verhaftung, 10. Thermidor Hinrichtung auf der Guillotine (28.7.1794)
Brumaire = Machtübernahme Napoleon Bonapartes am 18. Brumaire VIII = Nov. 1799

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