Bernhard Peter
Nara: Zuto, ein buddhistischer Stufen-Stupa


Lage und Erreichbarkeit
Bei der Stufenpyramide Zuto (Zutou) in Nara handelt es sich um ein historisches Bauwerk, das erst auf den zweiten Blick seine Besonderheit erkennen läßt. Auf der einen Seite ist diese etwas versteckt liegende Sehenswürdigkeit weit weniger spektakulär als andere Bauten in der Stadt Nara, auf der anderen Seite finden wir hier ein sehr seltenes Beispiel für diese Architektur der Nara-Kultur. Der Zuto liegt im Viertel Takabatakecho 250 südlich des Südufers des Teiches Sagi-ike, oder etwas großmaßstäblicher gesehen 1,3 km südlich der Haupthalle des Todai-ji, einmal quer durch alle Parkanlagen in südlicher Richtung. Vom Bahnhof JR Nara aus sind es 2,2 km oder eine halbe Stunde Fußweg, vom Bahnhof Kyobate der Sakurai Line sind es noch 1,7 km oder 20 min. zu Fuß. Der Zugang erfolgt von Osten her, man geht neben dem Hotel "Wellness Asukaji" die Einfahrt bis hinten durch, dann sieht man schon die Steinstufen. Ein kleines Holztor (300 Yen Eintritts-Obolus, ggf. im Hotel fragen) führt auf eine hölzerne Galerie mit Erläuterungstafeln und guten Ausblicken auf die Stufenpyramide. Den besten Ausblick hat man natürlich von den Zimmern des Hotels aus. Der Zuto ist völlig untouristisch, der Standardbesucher hat ihn grundsätzlich nicht im Fokus der Wahrnehmung.

Zustand 2019
Der sich über einem Wohngebiet erhebende Zuto ist größtenteils archäologisch freigelegt und erschlossen, nur die Südwestecke ist hinter Baumbestand verborgen, deshalb sieht man das Bauwerk auch nicht von der südlich daran vorbei laufenden kleinen Straße aus. Die Nordseite ist nach der aufgrund des archäologischen Befundes erfolgten Teilrekonstruktion zur Gänze, die West- und Ostseite sind zu mehr als die Hälfte mit Steinen gemauert, die nicht rekonstruierte Südhälfte ist entweder eine gegliederte Erdschüttung oder bewachsen. Im Zeitraum von 1978 bis 1998 fanden insgesamt 10 Grabungskampagnen vom Nara National Cultural Properties Research Institute statt, deren Ergebnisse die Basis für die Rekonstruktion bilden. Mittlerweile wachsen wieder Pflanzen aus den restaurierten Mauern; die Plattenabdeckungen der einzelnen Stockwerke werden wieder zur Wiese. Wo die Mauern nicht restauriert wurden, wächst Wildnis heran. Der nötige Pflegeaufwand steht wohl nicht in Relation zum geringen Interesse der Touristen.

Aufbau und Konstruktion
Diese rechteckig, annähernd quadratisch angelegte, 8 m hohe Stufenpyramide stellt einen buddhistischen Stupa aus der Nara-Zeit (710-794) dar, wenn auch von ganz anderem Typ als die sonst in Japan üblichen Stupas = Pagoden, und besitzt eine Seitenlänge an der Basis von knapp 25 m. Das Bauwerk gliedert sich in das Fundament, eine quadratische Plattform, und den stufenförmigen Aufbau darüber. Insgesamt sieben aus Steinen gemauerte Absätze gliedern das Bauwerk in der Höhe. Der Kern, das Innere besteht aus Erde. Auf jeder zweiten Plattform sind in die Mauern buddhistische Reliefs eingelassen, die ein kleines Schutzdach tragen, insgesamt 27 Stück (von vermutlich einst 44) wurden gefunden. Die zweite Mauerebene besitzt auf der vollständigen Nordseite fünf, die vierte Ebene drei, die fünfte Ebene zwei dieser in Granit gehauenen Reliefs und die oberste, siebte  Ebene eines. Jede der Seiten besaß also einst 11 Reliefs. Weitere Reliefs befinden sich an den unvollständigen Seiten im Westen und im Osten. Eines der früheren Reliefs ist auf das Jahr 1767 datiert. Der Stil zeigt einen starken Einfluß des Tang-zeitlichen China. Ganz oben befindet sich ein flacher pyramidenförmiger Abschluß.

Name und Gründungslegende
Der Name "Zuto" bedeutet wörtlich "Kopf-Turm". das zweite Kanji "-to" wird allgemein für Pagoden genommen. Das Kanji "Zu" für "Kopf" entstand durch die Legende, daß hier das Haupt des Mönches Genbo bestattet sein soll. Dieser Mönch gehörte einst zum Todai-ji. Der Stupa soll gemäß dieser Legende im Jahre 767 von dem Mönch Jicchu auf Weisung von Roben, dem Oberpriester des Todai-ji, errichtet worden sein.

Archäologischer Befund, Phase 1:
Der archäologische Befund ist jedoch etwas differenzierter: Dieser Stupa ist in drei Bauphasen entstanden: Zuerst war hier ein Grabhügel aus der Kofun-Zeit. Dann wurde in der zweiten Phase dieser Tumulus in einen ersten Stupa umgebaut. Es war kräftesparender, einen vorhandenen Hügel als Kern umzubauen und weiterzuverwenden als einen neuen aufzuschütten. Dieser erste Stupa hatte insgesamt nur drei Etagen, die auch schon mit Steinwällen verkleidet waren. Die Plattformen waren nicht exakt quadratisch, auch die Grundplattform nicht, sondern eher leicht trapezförmig und im Norden breiter als im Süden. Die Wände waren schief, die Plattformen nicht eben. Das Ganze sah so aus, als wäre die Idee noch sehr neu und müsse erst noch ausprobiert werden. Die Grundplattform maß 31,8-33,0 m, die erste Etage 20,2-21,75 m, und die zweite Etage 13,2-14,3 m. Die Steinmauer der ersten Etage reichte nur ca. 2,35 m hoch, während die Etage selbst 3,45 m Höhe hatte, woraus auf ein Pultdach mit ca. 30° Neigung als Abschluß geschlossen werden kann. Auf der Ostseite gab es in der Mitte eine große Nische wie für eine Buddhafigur, aber keine weiteren Bildwerke. Vermutlich stand hier einmal ein Medizin-Buddha (heilender Buddha), Yakushi Nyorai. Es wird angenommen, daß dieser erste Bau von Kaiserin Shotoku in Auftrag gegeben wurde, um für die Genesung der erkrankten Kaiserin Dowager Komyo zu beten.

Archäologischer Befund, Phase 2:
Dieser erste Stupa wurde beim Bau des jetzigen Zuto, also des von Priester Jicchu errichteten zweiten Stupa, umgearbeitet und dabei zerstört, um die neue Form zu modellieren, die dann an den Seiten mit neuen Steinmauern verkleidet und auf den Flächen mit Steinen gepflastert wurde. Die Grundplattform wurde behalten, doch man vermehrte die Zahl der Etagen von drei auf sieben und man vermehrte die Zahl der Kultbilder von 1 auf 44. Außerdem verschwanden die konstruktiven Mängel durch die Umarbeitung, der zweite Stupa ist erheblich exakter gearbeitet als die erste. Dennoch erreichte man kein richtiges Quadrat, und gegenüberliegende Mauern waren immer noch nicht parallel, außerdem hatten die Pflasterungen der Etagen Gefälle zur nächsten Mauer hin, nicht von ihr weg. Dieser zweite Stupa hatte in der ersten Ebene eine Seitenlänge von 24,2-24,8 m. Die 2., 4. und 6. Etage wurde jeweils anders gebaut als die 1., 3. und 5. Etage, hinsichtlich der Reliefs und der Pflasterung, was darauf schließen läßt, daß nur die ungeraden Etagen einst ein Pultdach trugen. Das bedeutet, so, wie wir heute das Bauwerk mit den kleinen Schutzdächern über den Reliefs wahrnehmen, hat es mit Sicherheit früher nicht ausgesehen, vielmehr sollten wir uns umlaufende Pultdächer auf jeder übernächsten Ebene vorstellen, insgesamt vier Stück, die von den Ebenen 1 auf 2, 3 auf 4, 5 auf 6, und 7 zum Aufbau reichten. Wahrscheinlich stand ganz oben ein hölzerner Abschlußbau, einstöckig und mit ziegelgedecktem Pyramidendach - das können wir aus einem tief in der Mitte des Hügels versenkten Basisstein schließen, der einst einen zentralen Pfosten des Aufbaus trug. Warum der erste Stupa umgearbeitet wurde, ist unklar. Wahrscheinlicher als ideologische Gründe dürften bauliche sein - vermutlich waren die Seitenwände zu hoch und kollabierten, so daß man einen neuen Ansatz mit niedrigeren Stufenhöhen machte.

Archäologischer Befund, weiteres Schicksal:
Wenn wir die zeitlichen Angaben im historischen Dokument "Zo Nan-ji Sho Ge" als zutreffend annehme, können wir den ersten Stupa um 760 ansetzen, den zweiten Stupa um 765-767. Einen baulichen Abschluß im Jahre 767 können wir als gesichert annehmen, weil mehrere historische Dokumente (Todai-ji Yoroku und Todai-ji Betto Shidai) das bezeugen. Zwischen 780 und 790 muß der hölzerne Aufbau zerstört worden sein, vielleicht durch Blitzschlag oder Taifun etc. Jedenfalls ging der hölzerne Aufbau verloren, und man entfernte die zentrale Säule auf der obersten Ebene. Dort wurden in dem Loch Münzen aus jener Zeit gefunden, die diese zeitliche Abfolge stützen. Später, am Ende des 8. oder zu Beginn des 9. Jh., stellte man auf dem Gipfel eine 13stöckige Pagode aus Tuffstein auf, von sechseckigem Querschnitt. In der Folgezeit verfiel der Unterbau, so daß im 12. Jh. nur noch die aufgesetzte Steinpagode auf einem undifferenzierten Hügel mit buddhistischen Reliefs wahrgenommen wurde. Mit der zunehmenden Organisation des Buddhismus wurde der Zuto, der früher zum Todai-ji gehörte, als Kultstätte dem Kofuku-ji untergeordnet (Bodai-in). In der Zeit des Tokugawa-Shogunats (1603-1868) wurde der Zuto dem zum Nichiren-Buddhismus gehörenden Tempel Jotoku-ji unterstellt. In dieser Zeit wurde die südliche Hälfte zum Teil zerstört. In der Meiji-Zeit wurde der Zuto Nationaleigentum.

Woher kommt die Idee? Weitere ähnliche Monumente in Japan und anderswo
Es gibt in Japan insgesamt drei solcher Monumente, neben dem Zuto in Nara noch den Doto in Sakai (Osaka, mit 53,1 m Kantenlänge, 8,6 m Höhe und 14 Stufen, 50000 Ziegel, ohne Reliefs, 2004-2009 restauriert) und die Kumayama-Iseki-Stein-Monumente in Akaiwa (Okayama, 4 Ebenen). Alle drei sind Stupas der Nara-Zeit in einer ganz speziellen Form, gestuft gemauert, mehr in die Breite als in die Höhe gehend und ohne inneren Raum. Diese Form des Stupa bildet innerhalb der Verbreitung dieses buddhistischen Kultbaus über Asien nur eine Schiene von vielen Formen. Interessanterweise gibt es diesen Typ mit Stufen und ohne Innenraum, der aus einer Verbindung von megalithischem Kultbau und buddhistischer Kultur entstand, weder in Indien noch in Sri Lanka.

Der größte und bekannteste Bau in Form einer Stufenpyramide ist der Borobudur auf Java - auch wenn größenmäßig (9 Stockwerke, 123 m Seitenlänge, oben 3 runde Terrassen) und künstlerisch (5 km Flachreliefs in den 4 Galerien, 76 + 1 Stupas auf den Terrassen) Welten zwischen diesem und dem schlichten kleinen Zuto liegen, handelt es sich dennoch um den gleichen Grundtypus, sogar mit abwechselnd gestalteten Ebenen. Und auch zeitlich liegen wir im selben Bereich, jener entstand zwischen 750 und 850, die japanischen Beispiele sind in die Nara-Zeit zu datieren, der Zuto ins 8. Jh. Die Vorbilder für die japanischen Stufenpyramiden sind dennoch in China zu suchen. Dafür spricht, daß hier nicht wie in der japanischen Architektur mit Rahmenkonstruktionen gearbeitet wird, sondern das Material aufeinandergeschichtet wird, daß die einzelnen Etagen zurückspringen und daß es keine überstehenden Traufen gibt. Wir sehen hier in einer Zeit, in der der Einfluß chinesischer Kultur auf Japan sehr groß war, ein bewußtes Verwenden typisch chinesischer Konstruktionselemente im Pagodenbau, um diesem Zeitgeschmack zu folgen.



Literatur, Links und Quellen:
Position auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@34.6771399,135.8383887,17.5z - https://www.google.de/maps/@34.6772143,135.8388701,68m/data=!3m1!1e3
Hinweistafeln an der Aussichtskanzel
Archäologie am Zuto, Report of Archaeological Investigations into the Zuto Stupa:
https://www.nabunken.go.jp/english/monograph/62.html - https://repository.nabunken.go.jp/dspace/bitstream/11177/1821/2/BA51385198_mokuji_youshi_english.pdf
Hotel "Wellness Asukaji"
https://www.hotel-wellness.jp/asukaji/sightseeing/
Takashi Sakai: Zuto and Doto pyramids said to be conceived of as Buddhist stupas modeled on Borobodur, The Diffusion of Buddhist Stupas In Ancient Times - Concerning the Relationship of Borobudur With Zuto and Nara, Nihon Kokogaku, 20.5.2008, 117 S., ISSN 1340-8488, ISBN 978-4-642-09100-8:
https://heritageofjapan.wordpress.com/6-......stupas-modeled-on-borobodur/ - http://archaeology.jp/journal/con25abs.html#A2 - http://enlight.lib.ntu.edu.tw/FULLTEXT/JR-MISC/misc168127.pdf - http://factsanddetails.com/japan/cat16/sub106/entry-5307.html
Japan Travel:
https://japantravel.navitime.com/en/area/jp/spot/02301-2403141/
Heritage of unknown Nara:
https://www.nara-np.co.jp/common/coolnara/pdf/2018_spring_03.pdf
zum Vergleich: Doto in Sakai auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@34.5324592,135.5092763,18.76z - https://www.google.de/maps/@34.5323587,135.5095163,80m/data=!3m1!1e3
zum Vergleich: Kumayama-Iseki auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@34.7542446,134.1198915,15.9z - https://www.google.de/maps/@34.7540292,134.1205143,123m/data=!3m1!1e3


Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2019
Impressum