Bernhard Peter
Typisch japanische Dinge (4): Noren


Typisch für die Dekoration von Eingängen von Restaurants oder Geschäften sind die Noren, die traditionellen, in der Mitte gespaltenen oder auch zweimal vertikal von unten eingeschnittenen, stets viereckigen Vorhänge aus Stoff, die mit Hilfe einer Stange im Türbereich angebracht werden. Diese Einschnitte reichen von unten bis fast zur Oberkante, um unter Zurückschlagen der Seitenteile leichter eintreten zu können. Die Vorhänge werden typischerweise in Außentürrahmen angebracht; sie können aber auch in Fenster oder auch im Innern des Hauses zur Dekoration aufgehängt werden. Die individuelle Ausführung erlaubt eine Vielzahl von Materialien (Baumwolle, Hanf, Leinen oder auch Seide) und Gestaltungen (abstrakt, gegenständlich, Schriftzeichen, Logos, Wappen = Mon des Eigners, Vögel, z. B. Kraniche, Pflanzen, z. B. Ginkgoblätter, Pawlonien, Chrysanthemen, Natur, z. B. der Fuji-san). Der Vorhang reicht nie bis zum Boden, sondern endet meist in Hüfthöhe, manchmal verdeckt er aber auch nur das obere Viertel der Öffnung, um es dem Eintretenden leichter zu machen. Bei sehr breiten Eingängen kann das Tuch auch in mehr als drei Teile gespalten werden.

Die Idee kommt eigentlich aus China, und ursprünglich handelte es sich um ein vor Tempeln aufgehängtes Tuch, das seinen Weg in die Welt des Säkularen nahm und sich spätestens seit der Kamakura-Periode (1185-1333) vor den Ladeneingängen etablierte und seitdem zum Erscheinungsbild japanischer Innenstädte gehört. Die Funktionen eines Noren sind vielfältig. Der eigentliche Sinn war der Schutz eines offenen Eingangs vor direktem Sonnenlichteinfall, Wind, Staub und Dreck, aber auch vor Regenspritzern. Das heißt im Umkehrschluß, daß ein aufgehängter Noren signalisiert, daß dahinter eine offene Tür ist, daß also das betreffende Restaurant oder der Laden geöffnet hat, daß ein Eintreten willkommen ist. Das bedeutet aber auch, daß ein Noren morgens bei Öffnung des Geschäftes aufgehängt und abends beim Zusperren wieder abgenommen wird. Die Stoffe nennen traditionell in japanischer Kalligraphie (Shodo) den Namen des Geschäftsinhabers oder bezeichnen die dort angebotenen Waren oder Dienstleistungen. Die heutige Zeit hat die textile Fläche als Werbefläche entdeckt für das, was hinter dem Noren angeboten wird, deshalb tragen die Stoffbahnen oft eine auffällige Bemalung.

Ein außen auf dem Noren angebrachtes Wappen des Eigentümers des (Handwerks-)Betriebes ist nicht nur Symbol des Betriebes selbst, sondern es kann als besondere Gunst vom Meister an bevorzugte und ausgewählte Schüler zusammen mit dem Namen verliehen werden, wenn diese sich selbständig machen. Es kann also sein, daß ein Schüler seine Neueröffnung unter dem Namen und mit dem Noren seines Lehrmeisters mit dessen Einwilligung betreibt, was eine große Ehre für den frischgebackenen Geschäftsinhaber bedeutet. Im Japanischen wird dafür der Ausdruck "noren wo wakeru" benutzt, einen Vorhang (auf)teilen.

Ein weiterer Ort, an dem Noren zu sehen sind, sind traditionelle Badehäuser, Sento (Sentou). Der generelle Zugang trägt oft das Kanji-Zeichen "yu" für heißes Wasser, um die Funktion des Etablissements klarzustellen. Das kann auch das entsprechende Hiragana-Zeichen sein. Dann teilt sich die Kundschaft auf, hinter dem blauen Noren befindet sich der Eingang für die Herren, hinter dem roten Noren der Zugang in den Damenbereich. Auch hier werden am Ende der Öffnungszeiten die Noren abgenommen.

Himeji, Noren an einer Einkaufsstraße in der Innenstadt mit symmetrischen Kranich-Motiven

Kyoto, Stadtteil Arashiyama

in Kyoto, mit einem prominent angebrachten Mon

Gion Karoku in Kyoto

 

Abb. rechts: Kyoto, Campton, I. Ushitora, Machiya traditional kyoto style


Literatur, Links und Quellen:
Nicholas Bornoff, Michael Freeman: Things Japanese - Everyday Objects of Exceptional Beauty and Significance, 143 S., Verlag Periplus, 2014, ISBN-10: 480531303X, ISBN-13: 978-4805313039, S. 14-15
Noren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Noren - https://en.wikipedia.org/wiki/Noren
Noren:
https://www.japanwelt.de/traditionelles/noren/
Koji Yagi: A Japanese Touch for Your Home, Verlag: Kodansha America Inc., 1. Auflage 1982, 84 S., ISBN-10: 087011526X, ISBN-13: 978-0870115264, S. 30
Jaanus- Dictionary of Japanese Architectural and Art Historical Terminology compiled by Dr. Mary Neighbour Parent:
http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/, insbesondere: http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/n/noren.htm


Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2017
Impressum