Bernhard Peter
Typisch japanische Dinge (32): Ogi und Uchiwa


           
ogi       ogi       uchiwa

Fächer, ein unverzichtbares Utensil
Das japanische Klima kann in Abhängigkeit vom Breitengrad insbesondere im zentralen und südlichen Bereich sehr schwüle und heiße Sommer bereithalten. Insbesondere die Ende Juni und Anfang Juli zu erwartende Regenzeit bringt sehr hohe Luftfeuchtigkeit und drückende, stickige Schwüle. Deshalb sind Fächer ein unverzichtbares Utensil in nicht klimatisierten Räumen, um sich ein bißchen künstlichen Wind im Gesicht zu erzeugen und auch um Insekten zu vertreiben. Eine zweite Bedeutung erhalten die Fächer in Japan durch ihre Rolle als Ausdrucksträger, z. B. im Kabuki- und Noh-Theater und beim Tanz. Auch für die verwendeten Fächerbilder entwickelte sich ein allgemein gebräuchliche Symbolsprache. Wenn Fächer rituell oder zeremoniell verwendet werden, um Gebärden zu betonen, bezeichnet man den kontrollierten rituellen Gebrauch, die "Fächer-Manieren", als Ogi-ho (Ougi-hou). Auf der einen Seite sind Fächer manchmal wertvolle Kunsthandwerksprodukte, die ebenso hoch geschätzt werden wie eine gute Keramik oder Malerei etc. und auf einem Aufsteller die Tokonoma schmücken können, als wertvoller Schmuck für den ganzen Raum. In heutiger Zeit, in der Klimaanlagen die Räume erobert haben, erinnert die ästhetische Wirkung solcher Kunstwerke an das jahrhundertlang gepflegte Kunsthandwerk. Auf der anderen Seite werden Fächer einfacher Ausführung als Massenprodukt für den Souvenirmarkt und als Werbeträger hergestellt, die von Geschäften verteilt werden. Bei den Begrifflichkeiten unterscheiden wir mehrere ganz verschiedene Arten von Fächern, wobei es zwei Grundtypen gibt, faltbare und starre Fächer.


Faltbare Fächer (Ogi)
Ogi (Ougi): Das ist vom Grundtyp her ein Faltfächer. Feine Bambuslamellen sind an einer Achse am unteren Ende drehbar gelagert und sind mit einer zickzackförmigen Bespannung verleimt. aufgespannte Form ist dreieckig mit kreisbogenförmiger Bespannung. Die Bespannung kann aus Seide, Papier oder neuerdings auch Kunststoff bestehen; sie ist meistens durch Bemalung oder bei einfachen Modellen durch einen Druck verziert. Konstruktionsbedingt hat ein Faltfächer keinen äußeren Randrahmen.

Hi-ogi: Faltfächer aus 20-30 keilförmigen Lamellen aus Zypressenholz, ältester Typus, seit der frühen Heian-Zeit in Gebrauch und wurde zu einem wichtigen Accessoire der Damen und Herren der Hofgesellschaft. Die Verwendung ist eher zeremoniell. Der Typ wurde später dahingehend variiert, daß Schildpatt oder Elfenbein als Material verwendet wurde. Hi-ogi gehören zur zeremoniellen Kleidung "Ikan" der Shinto-Priester als Accessoire dazu, in ein Papier eingeschlagen und in der Kleidung verborgen. Wenn Frauen die formelle Kleidung "Seiso" oder die rituelle Kleidung "Reiso" anlegen, verwenden sie einen Fächer des Untertyps Akome-ogi.

Kawahori-ogi: So bezeichnet man einen Faltfächer aus einem mit Papier oder Seide bespannten Rahmen aus Holz oder Bambus, der aufgespannt an die ausgebreiteten Flügel einer Fledermaus (Koumori) erinnert. Dieser Typ war ein funktionaler Fächer, der im Sommer effektiver war als das zuvor beschriebene Modell. Frauen verwenden zur gewöhnlichen Kleidung "Joso" einen Untertyp, der Bonbori-ogi genannt wird.

Abb.: Einfachste Faltfächer mit bedrucktem Papier

Kami-ogi: Faltfächer aus Papier, besteht aus einem papierenen Ringsegment, das mit radialen Speichen aus Holz oder Bambus verbunden wird. Seit dem 9. Jh. in Gebrauch. Bei der künstlerischen Gestaltung der Oberfläche gibt es die ganze Bandbreite vom einfachen Farbdruck (siehe Abb.) bis hin zu aufwendiger Handarbeit mit anspruchsvollen Mal-Techniken. Vom Massenprodukt im 100 Yen-Shop über traditionelle Farbholzschnittdrucke bis zum kunsthandwerklichen Meisterwerk im Wert eines Monatsgehaltes ist alles im Handel. Und Japan dürfte das einzige Land sein, in dem der Beruf des Fächermalers ein eigenständiger Lehr- und Innungsberuf war. Einer der berühmtesten Fächermaler war Miyazaki Yuzensai (1650-1736), der im Kyoto des 17. Jh. tätig war und eine eigene Färbemethode entwickelte. Das verwendete Papier ist spezielles Fächerpapier (Uzui washi). Das ist hauchdünn und wird in Lagen von 3-5 Blättern aufeinander laminiert, um die notwendige Festigkeit für das Endprodukt zu erzielen. Das Bemalen des Fächerpapiers wird Ogi-e oder Senmenga genannt.

Unter den Aristokraten der Hofgesellschaft gab es Fächerwettbewerbe (ougi-e awase), bei dem die geschmackvollste Dekoration ausgewählt wurde. Beim Sport begegnen uns Papier-Fächer beim Sumo-Ringen: Die Yobidashi, also diejenigen, die u. a. den Ring aufbauen und sauberhalten, die Veranstaltung mit trommeln ankündigen, die Kämpfer aufrufen und ihren Startpositionen zuweisen, tragen einen Papierfächer - nicht aber die Schiedsrichter, die haben das andere Modell.

Sensu: alternative Bezeichnung für einen Faltfächer. Meistens werden beide Begriffe, Ogi und Sensu, synonym verwendet, obwohl man eher etwas größere Modelle als Ogi bezeichnet. Als Kyo-sensu bezeichnet man die in Kyoto hergestellten Faltfächer, deren Fabrikation 87 Arbeitsschritte umfaßt.

Abb.: Einfachste Faltfächer mit bedrucktem Papier, der eine mit Wind- und Donnergott, der andere mit dem Berg Fuji-san.

Fächer werden auch nach Funktion und Einsatzgebiet unterschieden: Mai-ogi werden Fächer genannt, die auf Noh-Bühnen verwendet werden. Cha-ogi sind Fächer, die bei der Teezeremonie zum Einsatz kommen. Shukugi-sen sind Faltfächer für offizielle Anlässe und Zeremonien.

Nach Material und Herstellungstechnik unterscheidet man Hari-ogi (geklebte Fächer) und Ita-ogi (Lamellenfächer), erstere unterteilt in Kinu-sen (Seiden-Fächer) und Kami-sen (Papier-Fächer).

Gun-sen: Das sind leichte, aber robustere Ausführungen eines Ogi, die Metall statt Holz für die Stäbe und Abdeckplatten verwenden, und sie wurden von militärischen Einsatzkräften gebraucht. Das Verwendungsziel war nach wie vor Frischluft und Kühlung, besonders wichtig in Rüstung. Nur das Material war dem Einsatzort angepaßt.

Tessen, Tetsu-sen: Das ist von der äußeren Form her ein Sensu bzw. Ogi, aber Tetsu = Eisen: Dieser Fächer war als Waffe gedacht, und Tessen bedeutet Eisenfächer. Er wurde entwickelt, um eine Reservewaffe zu haben, wenn man in fremdem Haus die Schwerter an der Tür abgelegt hatte und durch einen Angriff überrascht wurde. Die obere und untere massive Abdeckleiste des Fächers besaß jeweils Schlagkanten, oder der ganze Fächer war massiv und hatte nur noch die Form eines Faltfächers. Man konnte damit zuschlagen, Messerangriffe parieren oder zustechen. Es hat sich eine eigene Kampfkunst Tessen-jutsu daraus entwickelt, die den Umgang mit dem Metallfächer lehrt.


Starre Fächer (Uchiwa)
Uchiwa: Das ist ein Blattfächer, also ein starrer Fächer mit kurzem Handgriff und einem umlaufenden äußeren Rand. Dieser Grundtyp ist der ältere; er fand zusammen mit vielen anderen Ideen im 6. Jh. aus China über Korea Eingang in die japanische Alltagskultur. Sehr alte Exemplare werden im Shoso-in des Todai-ji in Nara und im Koryu-ji in Kyoto aufbewahrt. In der Heian-Zeit traten sie gegenüber dem Faltfächer etwas in den Hintergrund, blieben aber nach wie vor wichtiges Utensil höfischen Verhaltens. In der Edo-Zeit lebte das Modell wieder modisch auf. Uchiwa sind seit der späten Edo-Zeit beliebte Geschenke anläßlich des Obon-Festes oder des Chuugen-Festes.

Gunbai-uchiwa oder kurz Gunbai (gesprochen "Gumbai"): Das ist ein typisch militärischer Fächer, vom Typ des starren Fächers, aber aus robusterem Material, z. B. aus lackiertem Holz oder aus Metall. Beiderseits der Mittelachse, die unten den Handgriff bildet, sind bauchige Seitenteile angebracht. Er dient als Signalgeber bei militärischen Aktionen, um seitens der Anführer Kommandos auf weite Sicht eindeutig zu übermitteln. Ein typisches Einsatzgebiet heutiger Zeit ist z. B. der Uchiwa der Schiedsrichter (Gyoji) beim Sumo-Ringen, mit dem auf die Startseite des Siegers hingewiesen wird.

Kyo-uchiwa - ein starrer, in Kyoto in vierzehn Arbeitsschritten produzierter Fächer, der von der Form her koreanisch beeinflußt ist. Die Papierbespannung deckt ein Innenleben aus 50-100 Bambusspeichen ab, die so angebracht sind, daß die Oberfläche weitgehend flach bleibt. Ein kleiner eingesetzter Handgriff besteht aus Bambus und / oder Zedernholz (Sashi-e = separat angefertigter Handgriff, nachträglich in die Oberfläche eingesetzte Elemente). Die beste Qualität besitzt 100 Rippen und wird Hyaku-date genannt. Weil sich diese Unterart in der damaligen Hauptstadt Kyoto herausbildete, nannte man diesen Typus auch Miyako-uchiwa, Hauptstadt-Fächer, und weil sich die Unternehmen nahe der Hofgesellschaft angesiedelt hatten, etablierte sich auch der Name Gosho-uchiwa, Kaiserpalast-Fächer. Kyo-uchiwa sind eine der drei Hauptmarken starrer Fächer.

Boshu-uchiwa: Diese Fächer stammen aus der Präfektur Chiba. Boshu wird deren südlicher Teil genannt. Hier wurde seit der Edo-Zeit Medake gewonnen, besonders dünner und feiner Bambus, der für das tragende Gerüst benötigt wird und in den Bergen der Region gedeiht. Die Produktion lag erst noch im Kanto. Seit 1877 blühte eine eigene Fächerproduktion in der Stadt Nakomachi auf. Von der Meiji-Zeit bis zur Taisho-Zeit wurden die Rohgerüste in Boshu hergestellt, die Fächer aber in Tokyo fertiggestellt und dort als Edo-uchiwa in den Handel gebracht. 1921 wurde in Funakata eine eigene Fabrik gegründet, wodurch die komplette, 22 Arbeitsschritte umfassende Fertigstellung vor Ort in Boshu einen neuen Aufschwung nahm, vor allem, weil die Fabriken in Tokyo beim Kanto-Erdbeben 1923 völlig zerstört wurden. Heutige Produktionsorte sind die Städte Tateyama (Nako gehört mittlerweile dazu) und Minamiboso. Charakteristisch ist die Verwendung von Maru-e ("Kreis-Muster") mit Onnadake-Bambus. Maru-e bedeutet, daß ein kreisrundes Stück des Bambus in 64 Teile gespalten wird, die aufgefächert und mit Fäden verbunden das Rückgrat der Konstruktion bilden. Der Griff ist rund wie das Ausgangs-Bambusstück. Dadurch entsteht darüber ein Gitterwerk, das im halbkreisförmigen Teil nahe dem Handgriffansatz sichtbar ist. Es gibt runde oder eiförmige Typen, solche mit kurzem oder mit langem Handgriff. Traditionell wurden diese Fächer mit Ukiyo-e- oder Bijin-ga-Motiven verziert, in neuerer Zeit werden sie auch mit Yukata-Stoffen o- ä. bezogen. In besten Zeiten in den 1930er Jahren erreichte die Jahresproduktion 8 Millionen Einheiten, und auch heute noch sind Fächer aus dem südlichen Chiba eine der drei Hauptmarken starrer Fächer.

Marugame-uchiwa: Diese Fächer stammen aus der Stadt Marugame in der Präfektur Kagawa, ein besonderer Schwerpunkt für die Herstellung von Uchiwa im Norden der Insel Shikoku. Das ist die dritte der drei Hauptmarken starrer Fächer. Der gesamte Fächer wird aus einem einzigen Stück Bambus in acht Arbeitsschritten hergestellt. Charakteristisch ist die Verwendung einer Oberflächengestaltung vom Typ Otokodakehira-e über Otokodake-Bambus. Hira-e bezeichnet einen flachen Handgriff. Ursprünglich wurden diese Fächer seit 1633 für Pilger hergestellt; gegen Ende des 19. Jh. entwickelte sich daraus ein Industriezweig, der heute 90% der Uchiwa-Produktion Japans abdeckt.

Hinaga-uchiwa: Diese nach der Stadt Hinaga (lag an der Straße zwischen Kyoto und Edo) benannten Fächer haben einen runden Handgriff (Maru-e) und werden aus Bambus hergestellt, der an den Ufern der beiden Flüsse Tenpaku-gawa und Kabake-gawa geerntet wird. Fächer aus dieser Stadt waren ein beliebtes Mitbringsel von einer Pilgerreise zum Schrein von Ise.


Bezugsquellen für Fächer
Wer in Kyoto wirklich gute Fächer kaufen möchte, geht am besten für Blattfächer zu Kyo-Uchiwa Aiba in der Yanagi Baba Dori, Izutsuyacho, 360 m Luftline südöstlich vom Tempel Rokkakudo. Für Faltfächer geht man am besten zu Miyawaki Baisen-an an der Rokkaku Dori, Daikokucho; das Fächergeschäft (Ogi-ya) liegt 400 m nach Osten vom Tempel Rokkakudo. Beide Geschäfte sind nur ca. 210 m Fußweg voneinander entfernt und liegen ziemlich genau in der Mitte zwischen den Bahnhöfen Karasuma Oike, Karasuma, Kawaramachi und Sanjo.

Kamakura, Fächerverkauf in einem Laden in der Honmachi-dori

Kamakura, Fächerverkauf in einem Laden in der Honmachi-dori


Literatur, Links und Quellen:
Nicholas Bornoff, Michael Freeman: Things Japanese - Everyday Objects of Exceptional Beauty and Significance, 143 S., Verlag Periplus, 2014, ISBN-10: 480531303X, ISBN-13: 978-4805313039, S. 80-81
Kyo-Uchiwa Aiba:
http://www.kyo-aiba.jp/ - https://kyo-aiba.ocnk.net/
Miyawaki Baisen-an:
http://www.baisenan.co.jp/
Jaanus- Dictionary of Japanese Architectural and Art Historical Terminology compiled by Dr. Mary Neighbour Parent:
http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/u/uchiwa.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/o/ougi.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/senmenga.htm
Ogi und Uchiwa auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Uchiwa_und_%C5%8Cgi
Motosawa Masashi: Ogi, in: Encyclopedia of Shinto:
http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=298
Gunbai auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gumbai - https://en.wikipedia.org/wiki/Gunbai
Tessen auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tessen - https://en.wikipedia.org/wiki/Japanese_war_fan
Auf Kogei-Japan:
https://kogeijapan.com/locale/en_US/kyouchiwa/ - https://kogeijapan.com/locale/en_US/boshuuchiwa/ - https://kogeijapan.com/locale/en_US/marugameuchiwa/   - https://kogeijapan.com/locale/en_US/kyosensu/
Boshu Uchiwa:
https://japan-brand.jnto.go.jp/crafts/other_craft/3367/


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