Bernhard
Peter
Sutra-Bibliotheken:
Rinzo, Kaiten Rinzo
In manchen Tempeln besitzt die Sutrenhalle, Kyozo (Kyouzou) oder Kyodo (Kyoudou) eine besondere Einrichtung: Innen befindet sich eine riesige, vertikal aufgestellte, sechs- oder achteckige Trommel, ein um eine vertikale Achse drehbares Bücherregal. Dieses heißt Rinzo (Rinzou) oder Kaiten Rinzo (Kaiten Rinzou). In den einzelnen Regalen befinden sich Schubladen, in denen die Sutras liegen. Manchmal sind die Regale offen, manchmal mit Klapptüren verschlossen. Natürlich ist es praktisch, wenn man durch Drehen das richtige Fach herankommen lassen kann, insbesondere wenn man auf einer Leiter o.ä. steht und etwas weiter oben sucht. Doch das ist nicht der Hauptgrund für diese Konstruktion. Die Verbindung von Lehrschriften mit dem Prinzip des Drehens ist vielmehr typisch für den Buddhismus und die Rolle, die das Rad der Lehre darin spielt. Etwas lesend zu umschreiten oder Texte in Rotation zu versetzen hat eine große Bedeutung im Umgang mit den Texten. Deshalb ist es genauso verdienstvoll, eine Sutra zu lesen wie diese in Rotation zu versetzen. Eine ganze Bibliothek dieses Ausmaßes zu drehen ist für den Tempelbesucher also äußerst verdienstvoll. Hier spielt auch eine Rolle, daß man so auch des Lesens unkundige Besucher oder eilige Besucher wenigstens symbolisch an den Inhalten und den sich durch die Lektüre ergebenden Verdiensten teilhaben lassen kann.
Beispiele:
Typischerweise ist der Sutrenspeicher eine Konstruktion von 3 x 3 Pfostenabständen (Ken). Das drehbare Regal füllt das zentrale Kompartiment aus, das erhöht sein kann und damit ein Moya darstellt, von einem Hisashi umgeben. Konstruktiv ist beim Dach ein Hogyo yana (Hougyou yane) = Pyramidendach möglich, wie im Seiryo-ji in Kyoto, oder es ist ein Pyramidendach mit Mokoshi-Dächern möglich.
Seiryo-ji (Seiryou-ji) in Kyoto, im nördlichen Bereich des Stadtteils Sagano (Arashiyama), sechseckig.
Otsu, Miidera (Onjo-ji), achteckige Trommel.
Otsu, Miidera (Onjo-ji): Schubladen mit Lehrtexten
In der Nähe solcher drehbaren Sutrenlager sind oft drei Figuren zu sehen, die mittlere erhöht und auf einem breiten chinesischen Stuhl sitzend, die beiden anderen stehend und erstere flankierend. Das sind der Chinese Fu Daishi (497-569) und seine beiden Söhne, Fu Jou (chinesisch: Fu Cheng) und Fu Ken (chinesisch: Fu Jian). Fu Daishi, der im Königreich Liang zur Zeit der Sechs Dynastien lebte und kein Mönch war, sondern ein im Buddhismus sehr bewanderter Laie, gilt als der Erfinder der sich drehenden Sutra-Bibliothek (Rinzo, Rinzou). Deshalb wird er gerne in der Nähe einer solchen dargestellt. Der Name der Erfinders ist eigentlich nur Fu Kyuu (chinesisch: Fu Xi, Fu Hsi), "Daishi" bedeutet "großer Lehrer". Weil seine Figur meist lachend dargestellt wird, ist er auch als "Warai-botoke" oder "lachender Buddha" bekannt. Die Kleidung ist die der chinesischen Tang-Zeit. Fu Daishi wurde in Japan zum Schutzpatron der Bibliotheken und gelehrten Sammlungen. Von ihm ist folgende Geschichte überliefert: Der Herrscher von Liang, Wu, bat Fu Daishi um eine Lehrrede über die Diamant-Sutra. Dieser stieg auf das Podium, schlug mit dem Hammer auf das Rednerpult und verließ das Podium wieder, einen konsternierten Herrscher zurücklassend - ein ausgeführtes Koan, denn die Diamant-Sutra (Vajrachchedika-Prajnaparamita-Sutra) befaßt sich mit dem Wesen der absoluten Wirklichkeit und die Grundzüge der Erleuchtung.
Seiryo-ji (Seiryou-ji) in Kyoto, im nördlichen Bereich des Stadtteils Sagano (Arashiyama)
Ein weiteres Beispiel für eine solche Gruppe ist im Senbon-Shaka-do-Tempel, Kyoto, im Museum zu sehen. Manchmal werden auch seine Söhne wie Komainu oder Nio behandelt: Einer hat den Mund offen, der andere geschlossen, so daß die gleiche Symbolik auch bei den Söhnen erzeugt wird: Auf der einen Seite steht die A-Form mit geöffnetem Mund, auf der anderen Seite die Ungyo-Form oder Un-Form mit geschlossenem Mund. Das "A" und "Un" kann man am ehesten mit unserem "A bis Z" oder "Alpha und Omega" vergleichen, es bedeutet Anfang und Ende aller Dinge und damit das Universum und ist genauso vom ersten und letzten Laut im Sanskrit-Alphabet abgeleitet.
Literatur,
Links und Quellen:
Fu-Daichi: https://de.wikipedia.org/wiki/Fu_Daishi - https://en.wikipedia.org/wiki/Fudaishi - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/f/fudaishi.htm - http://www.chinabuddhismencyclopedia.com/en/index.php/Fu_Ta-shih
Kyuzo und Rinzo: https://en.wikipedia.org/wiki/Ky%C5%8Dz%C5%8D - http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/k/kyouzou.htm - http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/r/rinzou.htm
Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2017
Impressum