Bernhard Peter
Typisch japanische Dinge (16): Chozubachi und Tsukubai


           
Chouzubachi       Chouzu-ya oder Temizu-ya       Tsukubai

Das rituelle Reinigen an speziellen Wasserbecken gehört zur Pflicht des spirituell motivierten Besuchers bei einem Besuch eines Shinto-Schreines. Daher befindet sich auf dem Gelände stets bereits in der Nähe des Tores ein Wasserschöpfbecken, das Chozubachi (Chouzubachi) oder auch Temizuya. Wenn die Schrein-Anlage etwas aufwendiger gestaltet ist, steht das Becken in einem kleinen Pavillon, einem allseits offenen Gebäude mit einem Dach über dem Waschplatz. Dieser Pavillon wird Chozuya (Chouzuya) genannt, und der Sinn des Daches ist es, die Besucher vor Witterung und das Wasser vor Dreck zu schützen und Vögel von der Benutzung des Wasserbeckens abzuhalten. Das Becken ist meist aus Stein, obwohl es auch einige Beispiele aus Bronze oder Keramik gibt. Diese Praxis stammt eigentlich aus dem Shintoismus, wurde aber von anderen spirituellen Richtungen aufgegriffen, so daß man diese Wasserbecken und Pavillons auch in buddhistischen Tempeln antrifft.

Frisches Wasser wird entweder durch ein Bambusrohr oder aus einem bronzenen oder kupfernen Drachen zugeführt. Es liegen spezielle Schöpfkellen bereit, traditionell aus Bambus angefertigt. Moderne Schöpfkellen sind aber auch aus Aluminium oder schon aus den Bambus imitierendem Kunststoff gefertigt. Damit schöpft man das Wasser, um sich Hände und Mund zu waschen - erst wird das Wasser mit der Kelle nacheinander über beide Hände gegossen, erst mit der rechten über die linke, dann umgekehrt, dann wird mit der Kelle in der rechten Hand etwas Wasser in die linke Hand gefüllt, um sich damit den Mund zu spülen. Danach hält man den Stab der Schöpfkelle senkrecht, damit das verbleibende Wasser den Griffstiel herunterrinnt und diesen säubert, ehe die Kelle zurückgelegt wird, entweder quer über das Becken oder bei größeren Anlagen auf die dafür vorgesehene Ablage, mit der Öffnung nach unten, mit dem Griff nach außen. Diese Reinigungszeremonie nennt man Temizu oder Chozu (Chouzu). Das gebrauchte Wasser fällt außerhalb des Beckens zu Boden, damit das Beckenwasser rein bleibt.

 

Beide Abb.: Kyoto, am Fushimi Inari Taisha

Im Zen-Buddhismus spielen diese aus Naturstein gefertigten Wasserbecken ebenfalls eine funktionale, symbolische und künstlerische Rolle, vor allem in der Zusammenkunft zum Tee (Chakai). Hier ist nicht nur die Funktion des Händewaschens und des Mundausspülens vor dem Betreten des Teehauses (Chahitsu) wichtig, sondern auch die Existenz des Wasserbeckens als ästhetische und dekorative Komponente im Garten. Ein solches, je nach Stil des Teegartens niedriges oder hohes Händewaschbecken (auch Tsukubai genannt) in der Nähe des Teehauses wird zusammen mit verandanahen Steinen, auf denen die Gäste warten, arrangiert. Wurde der Stein als Wasserbecken hergestellt, nennt man das Sosaku chozubachi (Sousaku chouzubachi). Es werden je nach Stil auch Steine wiederverwendet, die früher eine andere Funktion hatten, z. B. Steinlaternen- oder Pagodenteile o.ä., solche Chozubachi (Chouzubachi) werden Mitatemono chozubachi (Mitatemono chouzubachi) genannt. Werden dagegen natürliche Steine verwendet, spricht man von Shizenseki chozubachi (Shizenseki chouzubachi). Als Hachimae no ishigumi bezeichnet man einen vollständigen Waschplatz in Zen-Klöstern, bestehend aus dem Wasserbecken, der steinernen Plattform und weiteren Steinen zum Stehen während des Reinigens und zum Ablaufen des Wassers.

Abb.: Kyoto, auf dem Gelände des Sennyu-ji

Abb.: Kyoto, im Kennin-ji

Abb.: Saigoku-ji (Saikoku-ji) in Onomichi (Präf. Hiroshima), Form eine Lotus-Blüte

Abb.: Nara, beim Nigatsu-do, am Fuße des Treppenaufstieges

Eines der berühmtesten Steinwasserbecken in einem Zen-Tempel ist eines, das ein zentrales, viereckiges Wasserloch in einem runden Stein besitzt. Auf der Fläche um das Zentralloch sind vier Kanji-Schriftzeichen in erhabenem Relief angeordnet, und zwar auf eine Weise, daß die quadratische Einfassung des Wasserlochs zu jedem Kanji dazugehört, einmal rechts, einmal oben, einmal links und einmal unten. Auf den ersten Blick ähnelt der Aufbau einer typischen chinesischen Käsch-Münze. Auf den zweiten Blick steckt in den vier um das Innenquadrat jeweils ergänzten Zeichen eine tiefe philosophische Erkenntnis: Ware tada shiru taru = wörtlich: ich nur weiß zufrieden = sinngemäß: ich allein weiß, daß ich zufrieden bin. Zufriedenheit und Glück sind eine Einstellung, nicht außen zu erjagen, sondern aus sich heraus, von innen heraus zu entwickeln. Dieses Becken (Zenibachi) steht im Ryoanji-Tempel in Kyoto (Tempel des zur Ruhe gekommenen Drachens) hinter einem Moosgarten an der Schmalseite des Hauptgebäudes. Es wurde tausendfach kopiert und fehlt in keinem Sortiment heutiger Anbieter.


Literatur, Links und Quellen:
Jaanus - Dictionary of Japanese Architectural and Art Historical Terminology compiled by Dr. Mary Neighbour Parent: http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/, insbesondere: http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/c/chouzubachi.htm und http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/h/hachimaenoishigumi.htm
Wasserbeckenpavillons:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ch%C5%8Dzuya
Steinwasserbecken:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ch%C5%8Dzubachi
Nicholas Bornoff, Michael Freeman: Things Japanese - Everyday Objects of Exceptional Beauty and Significance, 143 S., Verlag Periplus, 2014, ISBN-10: 480531303X, ISBN-13: 978-4805313039, S. 42-43
Wasserbecken in Zen-Gärten:
http://www.zen-garden.org/html/page_obj_tsukubai.htm


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