Bernhard Peter
Typisch japanische Dinge (1): Shoji (Shouji)


Shoji-Wände (Shouji) sind ein essentieller Bestandteil der traditionellen japanischen Architektur. Shoji-Wände bilden sowohl Außen- als auch Innenwände. Sie sind flexibel einsetzbare Elemente, die wahlweise in einen konstruktiven Rahmen eingesetzt oder aus diesem herausgenommen werden oder in den Führungsschienen zur Seite geschoben werden können, je nachdem, wie weit man den Raum nach außen öffnen möchte oder ob man Räume verbinden oder separieren möchte. Diese Wandelemente dienen also sowohl als Außenwand als auch als Raumteiler, weiterhin als Abgrenzung von Räumen zu einem Korridor hin. Die Shoji-Wände entsprechen der Philosophie eines fließenden Raumes, der ständig den Erfordernissen entsprechend angepaßt und mit wenigen Handgriffen umgebaut werden kann. Die häufigste Form sind die seitlich verschiebbaren Shoji-Wände, die Hikishoji (Hikishouji) genannt werden. Es gibt aber auch die aufgehängten Shoji-Wände, die Kakeshoji (Kakeshouji) genannt werden.

Shoji werden also in der Fensteröffnung oder unmittelbar dahinter angebracht. Das japanische Wort "Mado" bezeichnet zwar ein Fenster, meint aber die Fensteröffnung ohne Glas oder andere Füllung. Als Außenwand ist das Material der Shoji-Wände, das durchscheinend, aber nicht durchsichtig ist und ein gedämpftes Licht in den Räumen erzeugt (wie eine Gardine), natürlich überhaupt nicht witterungsbeständig und darf nicht dem Regen ausgesetzt werden. Deshalb können Shoji-Wände nur unter hinreichend weit herausragenden Dachüberständen eingesetzt werden und grenzen daher nie den Innenraum gegen den Garten, sondern gegen eine vorgelagerte Veranda ab. Shoji-Wände bieten keinerlei Schutz gegen Lärm und Kälte. Im Winter oder bei schlechtem Wetter wurden daher außen vor die Shoji-Wände in einer weiteren Schiene geschlossene Holzelemente (Amado) gesetzt, so daß es meistens ein System von drei parallelen Schienen im Rahmenwerk gibt. Die obere Nut ist höher, so daß man die Elemente oben zuerst einschiebt, anhebt, und dann in die untere Führung gleiten läßt.

Die Bauweise ist eine Konstruktion aus Holz und Papier. Ein äußerer Holzrahmen mit den Standardmaßen 1,73 m × 0,86 m (auch in doppelter Breite möglich) besitzt im untersten Teil ein Brett als Füllung, das versteifend und stabilisierend wirkt. Dieses Brett wird Koshi-Ita genannt. Der größte Bereich des Shoji-Elementes ist ein auf der Außenseite mit Papier bespanntes dünnes Gitterwerk aus ausschließlich vertikalen und horizontalen Streben (Kumiko), die entweder aus Holz oder aus Bambus gefertigt werden. Wird Bambus verwendet, werden sie Takeshoji (Takeshouji) genannt. Es gibt je nach Gitterart verschiedene Formen: Das Tateshige-Shoji ist eher quadratisch und hat mehr als vier Spalten und weniger als zwölf Zeilen bzw. zehn Zeilen mit Fußteil. Das Yokoshige-Shoji ist querrechteckig und besitzt bis maximal vier Spalten und mehr als zehn Zeilen bzw. mehr als 12 ohne Fußteil.

Ein Nachteil des Materials ist die schnelle Alterung durch Licht (Vergilbung) und Witterung und die leicht entstehenden Beschädigungen, so daß häufig die Bespannung erneuert werden muß, in der Regel einmal jährlich. Zu schnell faßt man mit der Hand etwas zu fest ins falsche Fach - oft sieht man auch Flicken, die jeweils nur ein Fach umfassen. Traditionell wird kurz vor Neujahr (im Frühling, siehe Kalenderkapitel) neues Washi-Papier mit Reisstärkeleim (Sokui) auf die Gitterrahmen geklebt, um das neue Jahr mit frischem Weiß zu beginnen. Beim Bespannen wird die glatte Seite des Papieres auf den Rahmen aufgeklebt; die rauhere Seite kommt nach außen. Anstelle des traditionellen Reispapieres wird heute meistens industriell hergestelltes Papier genommen, oft auch schon milchiges Plastik. Es kann aber auch geöltes Papier verwendet werden, dann heißen die Elemente Aburashoji (Aburashouji) oder Amashoji (Amashouji). Industriell gefertigte Shoji-Papiere sind stets weiß oder naturweiß und besitzen eine geringe Dicke und bringen nur 40-60 g/m² auf die Waage. Dafür haben sie größtmögliche Transluzenz bei geringer Durchsichtigkeit. Die Papiere müssen auch bei Klimawechsel Form- und Dimensionsstabilität besitzen, damit sie weder Wellen bilden noch die Rahmen verziehen.

Auch wenn die wenigsten Japaner heute in traditioneller Holzarchitektur wohnen, so richten sie sich in ihren Wohnungen meistens mindestens ein Zimmer traditionell mit Tatami-Matten und Shoji-Wänden ein, wobei sie natürlich keinerlei Funktion mehr haben und rein dekorativ eingesetzt werden. Das Prinzip der papierbespannten Rahmen kann auch für faltbare Wandschirme oder Raumteiler angewandt werden, die heißen dann Byobu (Byoubo) bzw. Tsuitate. Shoji sollten nicht mit Fusuma verwechselt werden, die haben eine dickere, nicht durchscheinende Papierbespannung und sind bemalt.

Abb.: Uji, Shoji-Wände im Tempel Kosho-ji, Shoji-Wände von innen gesehen

Abb.: Kyoto, Zuiho-in-Tempel, ein Subtempel des Daitoku-ji-Tempels, Shoji-Wände von außen gesehen

Abb.: Kyoto, Funda-in-Tempel, ein Subtempel des Tofuku-ji-Tempels, Shoji-Schiebewände vor dem Rundfenster

Abb.: Kyoto, Funda-in-Tempel, ein Subtempel des Tofuku-ji-Tempels, Shoji-Schiebewände im Genkan


Literatur, Links und Quellen:
Nicholas Bornoff, Michael Freeman: Things Japanese - Everyday Objects of Exceptional Beauty and Significance, 143 S., Verlag Periplus, 2014, ISBN-10: 480531303X, ISBN-13: 978-4805313039, S. 20-21
Shoji:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sh%C5%8Dji
Jaanus - Dictionary of Japanese Architectural and Art Historical Terminology compiled by Dr. Mary Neighbour Parent:
http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/, insbesondere: http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shouji.htm


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