Bernhard Peter
Dekorationstechniken für Schwertschmuck

Strukturen und Texturen
Die erste Gruppe von Dekorationstechniken für Schwertschmuck befaßt sich mit der reinen Oberflächengestaltung, ohne Hinzufügungen (Einlagen) oder Wegschneiden des Grundmaterials (Durchbrechungen) und auch ohne motivische Linien, also nur mit ungegenständlicher Strukturierung der Oberfläche (Jimen) und ihrer Behandlung (Shiage).

Jimon = Oberflächentextur, allgemeiner Oberbegriff für eine absichtliche, ungegenständliche, systematische, regelmäßige oder unregelmäßige Strukturierung oder Texturierung der Oberfläche, die nicht zum aufgebrachten Motiv gehört.

Nanako-ji = wörtlich Fischrogen-Oberfläche, meist auf Shakudo angewandte Technik der rundkörnigen Punzierung der Fläche in Form kleiner Halbkugeln. Man punzte Halbkugel neben Halbkugel und erzielte dadurch eine fischrogenähnliche Fläche. Die Qualität einer Nanako-Oberfläche mißt sich in der Feinheit und in der Regelmäßigkeit. Je gleichmäßiger und je kleiner die Halbkugeln gepunzt sind und je besser die Übergänge zu anderen Bereichen der Oberfläche gemacht sind, desto bessere Arbeit ist es. Bestes Nanako wird einzeln eingeschlagen, Halbkugel für Halbkugel, in perfektem Gleichmaß. Um sich die Sache einfacher zu machen, wurden Gruppenpunzen verwendet, die mehrere Halbkugeln auf einmal schlugen. Noch einfacher machte man es sich im späten 19. Jh. insbesondere bei den rechteckigen Kozukas, wo man keine Rücksicht auf Rundungen nehmen mußte, indem das Nanako auf die Oberfläche aufgewalzt wurde. Auf einer Tsuba sollte gutes Nanako der Form des Umrisses bzw. des Seppadai folgen und konzentrische Kreise etc. bilden. Für die Anfertigung von Nanako-Oberflächen gab es eigens spezialisierte Handwerker, die Nanako-uchi = „Fischrogen-Schläger“ oder Nanako-Maki = „Fischrogen-Sämann“. Je nach exakter Anordnung und Form der Halbkugel-Reihen unterscheidet man ein paar Sonderfälle:

Ishime-ji = Stein-Oberfläche, gehämmerte, künstlich rauhe Metalloberfläche, die Struktur eines Steines imitierend. Ishi = Stein. Ishime-Tagane = Werkzeug zum Punzieren, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Mit den Punzen werden in die ansonsten glatte Oberfläche unregelmäßige Vertiefungen geschlagen, damit es wie ein rauher Kiesel aussieht. Je nach verwendeten Punzen unterscheidet man auch Sonderformen:

Tsuchime-ji = Hammerschlag-Oberfläche. Die Oberflächengestaltung wird bestimmt von der Struktur kleiner Hammerschläge auf der Oberfläche. Zunächst fand diese Technik auf Eisengrund Anwendung, ab der Edo-Zeit auch auf Buntmetall-Tsubas, wobei dabei neben dem Hammer auch alternativ der Effekt mit dem Ziseliereisen hervorgebracht wurde (Tsuchime-tagane).

Arashi-ji = rauhe Oberfläche. Entweder läßt man die Oberfläche in der Produktion rauh oder man rauht sie nachträglich auf. Das ist ein allgemeiner Begriff, der verwendet wird für alle künstlich rauhen Oberflächen, die weder in die Untergruppe der Ishime-ji noch die der Tsuchime-ji fallen.

Koku’in = stempelartige Punzen. Die Punzen tragen einfache Formen wie Rauten oder Schriftzeichen wie die für „Metall“ oder „langes Leben“ und werden zufällig an mehreren Stellen in das heiße Metall geschlagen. Das Motiv der Punze wird zwar musterbildend eingesetzt, doch dadurch, daß die einzelne Punzspur einen wiedererkennbaren und sinngebenden Inhalt trägt, ist hier die Grenze zum flächendeckend eingesetzten Motiv fließend.

Migaki-ji = polierte Oberfläche. Ziel ist eine vollkommen glatte Oberfläche ohne eigene Struktur oder Textur. Dazu wurde eine Oberfläche zuerst mit grobem Werkzeug (Feile, Beitel) grob geglättet oder mit dem Hammer glatt gehämmert und anschließend sukzessive mit immer feinerem Schleifmittel bearbeitet, zuerst mit Schleifsteinen, dann mit Holzkohle, schließlich mit Hornmehl oder Blättern spezieller Bäume, wobei etliche alternative Schleifmittel angewandt wurden. Die Anforderungen an eine glatte, polierte Oberfläche hingen von der Zeit und den anderen angewandten Dekorationstechniken ab. Ab der mittleren Edo-Zeit war man in der Lage, spiegelglatte Oberflächen hinzubekommen, was insbesondere gern als Hintergrund für Gravuren (Katakiri-bori, Shishiai-bori) oder für Einlagen (Hira-zogan) verwendet wurde.

Yakite-ji = hitzebehandelte Oberfläche = Yaki-namashi = Weichglühen. Die fertige Tsuba wurde kurzfristik und kontrolliert so hoch erhitzt, daß die Oberfläche ganz leicht anzuschmelzen begann und dann sofort wieder aus dem Feuer genommen, ehe der Formkörper Schaden nehmen konnte. So entstand eine in den betroffenen Bereichen glattere, aber nicht unbedingt ebene Oberfläche.

Tekkotsu-ji = Eiserne-Rippen-Oberfläche. Wenn der Kohlenstoff-Gehalt verschiedener Oberflächenbereiche variiert, entstehen durch die verschiedenen Härtebereiche Grate, Rippen oder Krusten, je nach Anordnung eine körnige, geradlinige oder unregelmäßige Textur. Die Voraussetzung dafür ist, daß handgearbeiteter Stahl nie ganz gleichmäßig ist und einen verschiedenen Karbonisierungsgrad aufweist. Tekkotsu hat nichts mit absichtlich zusammengeschmiedeten Lagen unterschiedlicher Eigenschaften zu tun (Kompositmaterial), sondern beruht allein auf unterschiedlichen Materialeigenschaften durch Inhomogenitäten im selben Metallkorpus. Im Gegensatz zu Schwertklingen, deren Metall so oft gefaltet und ausgeschmiedet wird, daß diese Unterschiede verschwinden, wird eine Tsuba nie so fein gefaltet, daß es nicht immer solche Unterschiede gäbe. Durch Abnutzung aufgrund langjähriger Benutzung werden die weichen Bereiche schneller erodiert als die kohlenstoffreichen Bereiche, die als Rippen stehenbleiben. Deshalb ist am Rand der Effekt am ausgeprägtesten, weil diese Stellen der mechanischen Belastung am meisten exponiert sind bei jahrelanger Benutzung. Die Voraussetzung ist natürlich ein Stahl herausragender Qualität, der dem Rosten eine gewisse Resistenz entgegenbringt, denn ein Anrosten der Oberfläche würde den Effekt komplett verhindern. Ganz aus weichem Stahl gefertige Stichblätter oder aolche aus völlig homogenisiertem Stahl oder gar gegossene Fälschungen können diesen Effekt niemals bekommen; es müssen ausreichend harte Zonen enthalten sein. Der Effekt kann durch extensives nachträgliches Erhitzen einer Tsuba erzielt werden. Diese Technik taucht besonders gut bei der Kanayama- oder der Owari-Schule auf. Vor dem 16. Jh. ist sie selten, und in moderner Zeit verschwindet sie wieder.

Mokume-Tetsu = Stahl mit angeätzter Oberfläche ähnlich Damaszenerstahl, die Oberfläche lebt durch die reliefartige Betonung einzelner Bereiche. Das ist die Folge davon, daß beim Schmieden verschiedene Stähle, d. h. solche mit unterschiedlichem Kohlenstoffgehalt, zusammengeschmiedet werden, so daß man im Ergebnis das Ausschmieden aus den Grundmaterialien nachvollziehen kann. Alternativer Begriff: Itame.

Kusarakashi = Korrosions-Oberfläche. Nachdem vorstehend hauptsächlich mechanische Oberflächenbehandlungen beschrieben wurden, ist dies eine chemische Oberflächenbehandlung durch kontrollierte, partielle Ätzung. Der Teil der Oberfläche, der nicht angeätzt werden soll, wird vor der Prozedur mit säurefestem Lack bedeckt. Dann wird geätzt, dann gespült, und anschließend der Lack wieder entfernt.

 
Ishime-ji   Nanako-ji
 
Suname-ji   Migaki-ji

Gravieren, Ziselieren und Reliefbildung (Hori)
Die zweite Gruppe von Techniken zur Dekoration von Tsubas und anderen Teilen des Schwertschmucks ist das Reliefieren der Oberfläche. Man unterscheidet zwei prinzipielle Techniken zur mechanischen Reliefbildung (Relief = hori, in Kombination bori):

Die dabei verwendeten Werkzeuge (Dogu) sind

Neben der mechanischen Reliefbildung gibt es noch die chemische durch Ätzen.

Unterscheide nach Techniken der Relieferzeugung:

Unterscheide nach Ergebnissen der Relieferzeugung:

Spezielle Effekte:

Feilmarken (Yasurime):

Durchbrochene Arbeit (Sukashi)
Die dritte Gruppe von Techniken zur Dekoration von Tsubas und die logische Weiterentwickung des Materialabtrags durch Reliefbildung ist das Durchbrechen der Oberfläche (Sukashi) und die Filigranarbeit. Als Sukashi werden alle "Löcher" einer Tsuba bezeichnet, die nicht funktional sind wie die verschiedenen Hitsu-Ana, Udenuki-Ana etc., sondern dekorativ und zum Motiv gehörig. Naturgemäß eignet sich Sukashi nur für Tsubas und weniger für andere Teile des Schwertschmucks, weil nur erstere frei stehen und wirkungsvoll mit den Durchbrechungen sind, während andere Teile hinter der schönen "Fassade" ein "Innenleben" besitzen, das eher verborgen bleiben sollte: Holzgriffe, metallene Angeln, unschöne Ränder etc.

Prinzipielle Einteilung nach Durchfensterungsgrad:

Besondere Sukashi-Typen:

Sukashi-Typen, die nach dem erzeugten Motiv benannt sind:

Einlegearbeit (Zogan)
Die vierte Gruppe von Techniken zur Dekoration von Tsubas und anderen Teilen des Schwertschmucks ist Zogan, die Technik des Einlegens (= Tauschieren, Inkrustieren) eines Metalles in ein anderes Werkstück aus einem anderen Metall. Dazu schneidet man in der Grundplatte die für den Dekor vorgesehenen Stellen auf eine Weise ein, daß sich später das eingesetzte Metallstück maximal verkeilen kann, so daß sich ein fester Sitz desselben ergibt. Am besten ist dazu eine nach unten schwalbenschwanzförmig sich verbreiternde Vertiefung geeignet. Nach Einhämmern des vorgesehenen Metalldekors kann sich dieser nicht mehr vom Untergrund lösen. Die Verbindung ist also eine rein mechanische, keine metallurgisch-chemische (Ausnahme s. u.).

Je nach Höhe des eingelegten Dekors in Relation zur Grundfläche unterscheidet man:

Je nach Technik und Tiefe des Einarbeitens der Metalleinlage unterscheidet man:

Spezielle Techniken der Inkrustation:

Je nach Art der Metalleinlage unterscheidet man:

Je nach Art des Motives unterscheidet man:

 
Takabori   Sukibori
 
Takabori-zogan Iroe   Sukibori-zogan Iroe

Literatur, Quellen und Links:
Markus Sesko: Handbook of Sword Fittings related Terms, Verlag: Books on Demand, 1. Auflage 2011, ISBN-10: 3842364229, ISBN-13: 978-3842364226, S. 9-37
B. W. Robinson: The Arts of the Japanese Sword, Faber and Faber, London 1970
Markus Sesko: Encyclopedia of Japanese Swords, Verlag: lulu.com, 2014, 552 S., ISBN: 1312563680 bzw. 978-1312563681.
Lydia Icke-Schwalbe: Das Schwert des Samurai, Exponate aus den Sammlungen des Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Dresden und des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1990, ISBN-10: 3327007357, ISBN-13: 978-3327007358
Steffi Schmidt, Peter Bausch: Japanische Schwertzierate 1: Tsuba, Museumspädagogische Schriften des Ostasiatischen Museums in Berlin-Dahlem, Nr 533 a, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz Berlin, 1976
Günther Heckmann: Tsuba. Band I der Japan-Edition aus dem H.U.B. Verlag, Nürtingen 1995, 176 S., Farbabbildungen von über 145 Tsuba in Originalgröße mit Vorder- und Rückseite, ISBN 3-931150-00-3.
Günther Heckmann: Kodogu. Band II der Japan-Edition aus dem H.U.B. Verlag, Nürtingen 1996, 264 S., Farbabbildungen von über 200 Menuki, Fuchi-kashira, Kozuka und Kogai in Übergröße 1,3:1. ISBN 3-931150-01.1.
Tekkotsu
http://www.ksky.ne.jp/~sumie99/tekkotsu.html
George Cameron Stone: A glossary of the construction, decoration snd use of arms and amor in all countries and in all times, Dover Publications, Mineola, New York, 1999, ISBN: 0-486-40726-8 und 978-0-486-40726-5
Techniken auf den Seiten des Ashmolean Museums:
http://jameelcentre.ashmolean.org/collection/7/10237/10345 - http://jameelcentre.ashmolean.org/collection/7/10237/10343 - http://jameelcentre.ashmolean.org/collection/7/10237/10344 - http://jameelcentre.ashmolean.org/collection/7/10237/10339 - http://jameelcentre.ashmolean.org/collection/7/10237/10365 etc.
Beispiele für Dekorationstechniken:
http://www.nipponto-ken.net/Chap8%20Typologie%20Detaillee8.html
Wörterbuch zum Schwertschmuck:
http://www.shibuiswords.com/glossary1.htm

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